Er war fort, und ich musste es akzeptieren, es fest in mir verschließen und aufhören zu leiden. Man stirbt nicht an Verlust. Nur ein Teil von einem stirbt.

Der fünfte Monat der Dürre begann mit nichts als Wolken und dem Hohn einer Stunde Nieselregen. Nichts, was den Boden mehr als ein paar Zentimeter tief getränkt hätte. September jetzt, und die Felder karger als im Winter. Die Weiden, wo einst Maultiere und Schweine gewesen waren, nicht einmal mehr mit sterbendem Gras bedeckt. Sie waren bis auf die Erde abgefressen und sahen aus wie das Fell eines räudigen Hundes. Selbst die Scheinastern waren verwelkt. Im Umkreis von anderthalb Kilometern war nichts als Besenkraut auf den Feldern geblieben, staubgrün und pollenschwer. Die Johannisbrotbäume im Südwald starben gemeinsam. Kleine goldene Blätter fielen wie durch ein Sieb, staubbedeckt. Ein grausiger, kranker halber Hektar voll sterbender knorriger Bäume und unter ihnen die sterbenden Scheinasternstrünke. Die toten Ulmenblätter hingen herab wie schlafende Fledermäuse.

Mutters Zustand wurde weder besser noch schlechter. Sie litt immer weiter. Ich glaube nicht, dass der Arzt viel Ahnung hatte. Als ihre Haut an einer Stelle schwarz wurde, begann er besorgt zu wirken. »Wenn sie geheilt wird«, sagte Merle, »wird es mehr an ihrem eigenen Willen liegen als an dem Zeug, das er verwendet.« Wir hatten kein Geld, um jemand anders zu bezahlen, selbst wenn es irgendwen gegeben hätte. An den Abenden saß ich bei ihr, und zuerst war es fast zu schwer. Die Schmerzen, die sie durchlitt, waren einfach furchtbar. Stunden- und tagelange Qualen, genug, um ihr den Verstand zu rauben, und doch sprach sie nur selten davon. Manchmal meinte ich, selbst schreien zu müssen, so sehr litt ich für sie, halb wahnsinnig vor Mitgefühl und Hilflosigkeit. Aber es gibt eine gnadenreiche blinde Haut, die sich bisweilen über das Herz legt. Man kann so und so viel ertragen, und dann kommen Phasen der Härte. Sie würde gesund werden. Ich konnte nichts anderes glauben, nicht länger mitleiden oder um sie bangen. Irgendwie vertraute ich darauf, dass ihr Tod etwas war, was uns nie widerfahren würde. Der Arzt sagte, es gebe Hoffnung, und an manchen Tagen fanden wir, dass sie besser aussah, und die Verbrennungen schienen ihr weniger Schmerz zu bereiten. Sie selbst hatte keinen Zweifel, keine Angst. Sie redete darüber, was wir diesen Winter tun würden, wenn draußen weniger Arbeit anfiel.

Unser Leben schien nur noch ein langes Warten zu sein, ein Warten darauf, dass sie gesund würde – ein Vakuum, in dem wir uns bewegten und unseren Dingen nachgingen, aber nichts war wie sonst. Ich fühlte mich verloren, und Merle schien plötzlich älter geworden zu sein, wie aus einem lebendigen Schlaf geweckt. Weder Grants Liebe noch Kerrins Tod hatten sie so sehr verändert wie das. Sie vermisste Grant, aber nur als jemanden zum Anlehnen. Vermisste seinen trockenen, bissigen Humor. Sie wusste, warum er fortgegangen war, und war nach jener Feuernacht nie mehr so gleichmütig und unbeschwert wie vorher. Doch war sie zu beschäftigt, um viel darüber nachzugrübeln, und hatte den Kopf zu voll von der Sorge um Mutter, als dass Raum geblieben wäre für Gedanken an ihn. Ich sage das, ohne es zu wissen, nur schien es mir so. Eines Abends lief sie stundenlang draußen herum und kam gereizt und unruhig zurück, was ungewöhnlich für sie war, die bloß Feuerholz klein zu machen und hereinzuholen brauchte, um sich von dem Mückengewimmel in ihrem Kopf zu befreien. »Es liegt am Staub – dem verdammten Staub –, der dringt einem fast ins Mark«, sagte sie. »Es ist ja nicht mal mehr was zum Anschauen übrig!«

Vater war bedauernswert. Er fragte jeden Morgen: »Wie geht es ihr?«, und schien mit seinem Blick zu fordern, dass wir ihm sagten, es gehe ihr gut – sie sei vollkommen genesen. Ich glaube, er erwartete das jeden Morgen. »Nicht besser« oder »Unverändert«, sagte Merle dann, und er ging mit einem Gesichtsausdruck hinaus, als hätten wir ihn auf irgendeine Art betrogen.

Die Tage waren ruhig, seit Kerrin und Grant nicht mehr da waren. Bei Trost bleiben und das Leben erträglich finden konnte ich nur, indem ich mich manchmal aus dem Haus und auf die Felder flüchtete. Es heilte mich nicht – weder von der Erde noch von der Liebe noch von irgendetwas anderem allein kommt Heilung –, aber ohne das wäre ich gestorben. Wenn ich laut geschrien und gekreischt hätte, dass ich es nicht ertragen könne, hätten sie geglaubt, ich wäre verrückt geworden; dabei ist es das Schweigen, das wirklich verrückt ist, das Stummbleiben, Stillhalten, Weitermachen, als wäre alles wie immer. Es gab niemanden zum Reden. Ich konnte meine Angst nicht der von Merle hinzufügen, noch konnten wir über Grant sprechen.