Der Steuerinspektor kam im Oktober, an einem Tag, als Dad unten am Bachgrund ein, zwei Hektar pflügte, wo der Boden nicht nur aus Steinstaub bestand. Er hatte zu viel zu tun, seit Grant fort war, aber niemanden um Hilfe gebeten. »Ich komm zurecht«, sagte er mir. »Ist ja sowieso alles tot. Nur die Kühe sind noch da.« Der Gemüsegarten sah wie ein Friedhof aus mit all den noch nicht eingegrabenen Sachen, und es gab weiterhin mehr als genug Arbeit. Er schien sich nicht konzentrieren oder entscheiden zu können, was er machen wollte. Brauchte für alles doppelt so lange. »Ich muss die Wände tünchen«, hatte er an jenem Morgen gesagt, eine halbe Stunde lang sein Zeug zusammengesucht und es dann liegen gelassen, um jene ein, zwei Hektar zu pflügen.
Braille sei sein Name, sagte der Mann. Er hatte die Papiere dabei, die wir ausfüllen mussten. »Sie haben viel gutes Land«, sagte er. Ein großer, kahlköpfiger Mann, der nervös keckerte und nicht unfreundlich wirkte. »Und ein gutes Haus.« Dad listete seine Kühe und Pferde auf, und auf einem Stück Papier schien es viel. Die Pflüge und der Traktor … hundert Schafe, neun Schweine … hundert Hühner. »Wo ist Ihr Wagen?«, wollte Braille wissen. Mochte es nicht glauben, als Dad sagte, es gebe keinen. »Sie sind ziemlich gut dran«, sagte er. Schaute zum Obstgarten und zu den Scheunen.
»Ziemlich schlecht«, sagte Dad. »Die Scheunen da sind leer. Das Silo bloß dreiviertel voll. Ich muss diesen Winter Futter kaufen. Hab mir zweihundert geliehen, um die Molkerei zu reparieren, und verdiene im Monat weniger dran, als was ich Ihnen jetzt deswegen zahlen muss.«
»Das ist nicht gerade ermutigend«, sagte der Mann. »Ich habe da draußen ein Maultier gesehen, das Sie nicht aufgelistet haben.«
»Das gehört mir nicht!«, rief Dad. »Ich lass es hier nur für Rathman weiden.«
»Dann benutzen Sie’s wohl auch nicht?«, fragte Braille. Sah Dad an und zwinkerte mit einem Auge. »Der letzte Farmer, den ich besucht habe, hatte vier Streuner – die ziehen nur vorbei, hat er gesagt, und dass er sie grasen lässt. Vielleicht schau ich da nächste Woche noch mal vorbei und sehe nach, ob sie weitergezogen sind!«
Dad lachte nicht. »Ich hab kein Geld, mit dem ich Steuern zahlen könnte«, sagte er. »Sie verschwenden Ihre Zeit mit Ihren ganzen Zahlen.«
»Wo wären Ihre Schulen?«, fragte Braille. »Wo wären Ihre Straßen, wenn keiner zahlen wollte?«
Dad streckte die Hände aus und zuckte mit den Schultern. »Weiß ich nicht, Mann!«, sagte er. »Und es kümmert mich gerade auch nicht groß. Ich will bloß eine Chance haben zu leben, ohne alles, was ich verdienen kann, gleich mit vollen Händen wieder wegzugeben. Was ist das denn alles wert?« Er zeigte herum. »Das bringt ja nicht mal so viel ein, wie es kostet!«
»Aber Sie wollen’s doch behalten, oder?«, sagte Braille. »Ist das hier nicht der Ort, wo Sie leben wollen? Na, dann müssen Sie auch dafür bezahlen.«
»Sie reden so, als wär’s schon eine Sünde, bloß zu leben«, platzte Merle heraus. »Als müsste man Buße dafür tun!«
Brailles Miene war wie eine unbeschriebene Tafel, und er schüttelte den Kopf. »Kein Verbrechen«, sagte er. »Sie müssen nur zahlen, das ist alles.«
»Besorgen Sie mir Geld«, sagte Vater, »dann zahl ich auch. Wenn einer kein Einkommen hat, wie soll er dann eine Grundsteuer zahlen?«
»Das kann er dann wohl nicht«, sagte Braille. »Aber er muss.« Er rollte seine Papiere zusammen und stieg ins Auto. »Auf Wiedersehen«, sagte er. »Ich denke, ich habe alles aufgeschrieben.«
»Das haben Sie wohl«, sagte Merle. »Ich hätte nie gedacht, dass wir so viel besitzen. Da kann man ja wirklich von Glück sagen!«
Braille grinste und fuhr los. Er schien ein recht freundlicher Mann zu sein. Nicht stahlhart. Keiner, dem es bestimmt war, überall, wo er hinging, eine Spur von elendem Hass zu hinterlassen.
Vater stand da, sah ihm nach und ging dann zum Stall, redete vor sich hin und rüttelte am Eimer. Es war schrecklich, ihn so zu sehen. Vater, der früher so selbstsicher gewesen war, wenigstens das – und sich nun nicht mehr wehrte. Der jammerte, anstatt zu toben. Sich in kleinlichem Hass verausgabte und von Sorgen zerfressen war.