20.

Das Auftreten von Malena Berglund erinnerte Alva an die Rechtsmedizinerin Brigitte Wallenius. Vom Typ her waren die beiden Frauen völlig unterschiedlich, Brigitte blond und Dr. Berglund dunkel. Doch beide waren sie attraktiv und es zeichnete sie die gleiche ruhige Selbstsicherheit aus, die respekteinflößend wirkte.

Sie waren von einer Sprechstundenschwester in das Behandlungszimmer von Dr. Berglund geführt worden. Die Gynäkologin saß hinter einem Schreibtisch und wies auf die beiden Stühle davor. Alva und Caroline nahmen Platz. Carolines Blick wanderte hinüber zu einer Schautafel, die einen Embryo im Mutterleib zeigte.

„Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte Malena Berglund. „Ich habe nicht viel Zeit, nebenan warten Patientinnen auf mich.“

„Wir ermitteln im Mordfall Ebba Sundin“, sagte Alva. „Deshalb interessieren wir uns für das nähere und weitere Umfeld des Opfers. Sagt Ihnen der Name Erika Frans etwas?“

Malena Berglund zögerte mit der Antwort. „Der Name sagt mir etwas, doch ich darf Ihnen dazu keine Auskunft erteilen.“

„Demnach handelt es sich um eine Patientin“, schlussfolgerte Alva. „Wir wollen keine Einzelheiten wissen, was Diagnosen und Behandlungen betrifft. Aber die Art der Beziehung zwischen Frau Sundin und Erika Frans kann wichtig für die Aufklärung des Mordes an Frau Sundin sein. Die beiden hatten kurz vor Frau Sundins Tod Kontakt. Erika Frans ist tot, sie kann uns nichts mehr dazu sagen. Sie waren mit Ebba Sundin befreundet und haben sicher ein Interesse an der Aufklärung des Verbrechens an ihr. Bitte helfen Sie uns.“

Malena Berglund reagierte nicht überrascht auf die Nachricht, dass Erika Frans tot war. Offenbar wusste sie es bereits. „Natürlich will ich Ihnen helfen“, sagte sie. „Sie haben recht, Erika Frans war eine Patientin von Ebba. Ich kannte Frau Frans ebenfalls. Wenn Ebba ausfiel, übernahm ich regelmäßig die Vertretung für sie. Ein- oder zweimal war Frau Frans dadurch bei mir in Behandlung.“

„Wissen Sie etwas über eine persönliche Beziehung zwischen Frau Sundin und Frau Frans? Es ist sicher nicht üblich, eine Patientin zu Hause aufzusuchen, jedenfalls nicht für eine Gynäkologin. Genau das hat Frau Sundin aber getan.“

„Eine persönliche Beziehung hatten die beiden mit Sicherheit nicht. Ich halte es aber für möglich, dass Ebba Frau Frans persönlich aufgesucht hat. Ebba war ungewöhnlich engagiert, wenn es um ihre Patientinnen ging.“

Alva war nicht überzeugt. „Wie muss ich das verstehen? Mit welchem Anliegen hat sie das getan? Wäre Frau Sundin Allgemeinpraktikerin gewesen, würde es mir einleuchten. Aber als Gynäkologin wird sie ihre Patientinnen kaum bei denen daheim untersucht haben.“

„Natürlich nicht. Sie wollte sie vermutlich an einen anstehenden Untersuchungstermin erinnern.“ Malena Berglund lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Das hätte sie schriftlich erledigen können.“ Alva verlor langsam die Geduld, irgendetwas verschwieg ihr die Ärztin. Ihre Blicke kreuzten sich, bis Malena Berglund einen Seufzer von sich gab.

„Na schön, Sie werden es ohnehin von anderen erfahren, ich verrate Ihnen jetzt kein Geheimnis. Erika Frans war geistig leicht behindert. Sie kam allein zurecht und ging einer Tätigkeit nach, doch solche Sachen wie Arzttermine vergaß sie oft. Ebba nahm es mit der Einhaltung der Vorsorgeuntersuchungen bei ihren Patientinnen sehr genau und fühlte sich wegen deren Behinderung für Erika besonders verantwortlich. Es würde mich nicht wundern, wenn sie sie persönlich aufgesucht und erinnert haben sollte.“

„Erika Frans starb am gleichen Tag wie Ebba Sundin.“ Alva beobachtete die Reaktion der Gynäkologin auf diesen Einwurf genau. In dem schönen Gesicht von Malena Berglund zeigte sich keine Regung. Sie spielte gedankenverloren mit ihrem Kugelschreiber. „Ich habe gehört, es war ein tragischer Unfall“, sagte sie. „Sie soll betrunken auf der Treppe gestürzt sein. Leider war so etwas zu befürchten.“

„Wie meinen Sie das?“, hakte Alva nach.

„Sie trank öfter mal zu viel. Die Anlage dazu lag in der Familie, die Mutter von Erika Frans war Alkoholikerin. Daher auch Erikas Behinderung, den Begriff fetales Alkoholsyndrom haben Sie sicher schon einmal gehört. Ihre Schädigung war auf den Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft zurückzuführen.“

Die Tür ging leise auf, die Schwester gab Malena Berglund ein Zeichen.

„Es tut mir leid, ich muss jetzt weiterarbeiten“, sagte diese daraufhin und erhob sich.

Alva und Caroline standen ebenfalls auf und verabschiedeten sich. Mehr würden sie nicht erfahren.