26.

Als Alva und Jördis von ihrem Termin bei Brigitte Wallenius zurückkamen, war niemand im Büro. „Sie sind bestimmt alle im Besprechungsraum“, sagte Alva und sollte damit recht haben. Rurik saß mit Sven und Caroline, die inzwischen eingetroffen war, am Tisch und las aus einem Bericht vor.

„Gut, dass ihr kommt“, sagte er zu Alva und Jördis. „Wir haben gerade erst angefangen.“

„Gibt es etwas Neues?“, fragte Alva. Sie hoffte auf einen Durchbruch im Fall Ebba Sundin. Noch mehr wünschte sie sich, Bent Lindell wäre unversehrt wieder aufgetaucht. Leider konnte Rurik mit keinem von beidem dienen. „Uns liegt ein Bericht über einen Einbruch in das Sommerhaus von Ebba Sundin vor“, sagte er. „Noch lässt sich nicht einschätzen, ob ein Zusammenhang mit ihrer Ermordung besteht.“

„Wann war das?“, wollte Alva wissen.

„Vor drei Wochen, zwei Tage nach ihrem Tod.“

„Und wieso erfahren wir erst jetzt davon?“

„Weil sich das Sommerhaus in Lidköping befindet und die Kollegen dort den Vorfall als Vandalismus eingestuft haben. Sie sahen keinen Grund, uns zu informieren. Zufällig bekam ein Journalist Wind davon und machte daraus einen Artikel. Einbruch im Sommerhaus der ermordeten Gynäkologin lautete die Schlagzeile.“

„Ärgerlich. Wir wussten überhaupt nichts von der Existenz dieses Sommerhauses.“ Caroline wirkte unsicher, ob es sich wirklich so verhielt oder ob nur sie es nicht mitbekommen hatte.

„Wir wussten nichts von dem Haus, es gehörte ihr auch nicht allein.“ Rurik schaute in den Bericht, der vor ihm lag. „Sie teilte es sich mit einer Bekannten, einer Märta Enke, mit der sie in einer Sportgruppe war. Ein Ehepaar Hörnberg, das in der Nähe von Lidköping wohnt, schaut ab und zu nach dem Haus. Die Hörnbergs waren es auch, die den Einbruch bemerkten und der Polizei meldeten. Aber niemand vermutete einen Zusammenhang mit der Ermordung von Ebba Sundin. Unter Umständen gibt es den auch nicht. Einbrüche in leer stehende Sommerhäuser kommen leider öfter vor. Meistens werden sie von gelangweilten Jugendlichen begangen, die dort ungestört kiffen und saufen wollen.“

„Gab es Hinweise darauf, dass es Jugendliche gewesen sein könnten?“, fragte Sven.

Rurik schüttelte den Kopf. „Der ganze Vorgang ist seltsam. Der oder die Täter sind äußerst gewaltsam in das Haus eingedrungen. Ein Fenster wurde komplett zertrümmert und die Eingangstür ausgehebelt. Aber drinnen im Haus gab es keine Spuren. Es wurde nichts entwendet. Fast sieht es aus, als hätte sich jemand nur Zugang verschafft und dann das Interesse verloren. Wir würden das zu den Akten legen, wenn nicht noch etwas anderes vorgefallen wäre. Auch in das Wohnhaus von Märta Enke wurde eingebrochen. Hier gingen die Täter vorsichtiger zu Werk, sie stiegen durch ein rückwärtiges Fenster ein, das nur angekippt war. Auch in diesem Falle wurde nichts entwendet. Märta Enke berichtete außerdem, sie habe sich in den Tagen zuvor verfolgt gefühlt.“

„In den Tagen nach Ebba Sundins Ermordung und vor dem Einbruch?“ Alva wollte es genauer wissen.

„Genau in diesem Zeitraum“, bestätigte Rurik. „Aus dem Grunde können wir einen Zusammenhang nicht ausschließen.“

„Was wissen wir noch über Märta Enke?“, wollte Sven wissen. „Ist sie ebenfalls Gynäkologin?“

„Nein, sie ist in der Tourismusbranche tätig.“ Rurik schob den Bericht zur Seite, weitere Informationen enthielt der offenbar nicht. „Natürlich können wir nicht ausschließen, dass es jemandem in erster Linie um Märta Enke ging oder alle Vorgänge nichts miteinander zu tun haben. Aber mein Gefühl sagt mir etwas anderes.“

Alva verbarg ihr Erstaunen, es war ein völlig neuer Zug an Rurik, sich bei Ermittlungen von Gefühlen leiten zu lassen. Früher hatte er sie oft kritisiert, wenn sie das Wort Intuition nur in den Mund genommen hatte. Natürlich gab sie ihm vollkommen recht, auch sie glaubte nicht an eine Aneinanderreihung von Zufällen.

„Es sieht aus, als würde jemand nach etwas Bestimmtem suchen“, sagte sie. „Zum Beispiel nach schriftlichen Aufzeichnungen, die Ebba Sundin irgendwo aufbewahrt haben könnte. Ebba Sundin wusste etwas über Erika Frans. Sie wusste, was mit der Frau in den Wochen ihres Verschwindens passiert war. Diese Informationen könnten jemanden in große Schwierigkeiten bringen, deshalb sucht er danach.“

„Aber woher soll er wissen, ob sie etwas aufgeschrieben hat?“ Rurik wirkte skeptisch. „Naheliegender wäre es doch, wenn sie ihr Wissen mit jemandem geteilt hätte.“

„Wir haben alle, zu denen sie näheren Kontakt hatte, befragt. Niemand wusste etwas.“ Sven machte eine resignierende Handbewegung.

„Das stimmt nicht ganz. Wir haben gefragt, ob jemand eine Vermutung hat, wer Ebba Sundin umgebracht haben könnte. Jetzt müssen wir von vorn beginnen und gezielter nachfragen.“ Rurik klatschte in die Hände. „Lasst uns gleich damit anfangen.“