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Edgar ließ das Mädchen nicht aus den Augen. Er hatte das gesamte Gespräch in Steiners Büro auf der Fahrt von seinem Büro zur Villa gehört. Zuerst hatte er gedacht, Zoe würde Paul Herz beschuldigen. Aber die Tatsache, dass sie weggelaufen war und nun wie ein Häufchen Elend dastand, erhärtete seinen Verdacht immer mehr. Seinen Verdacht, dass Zoe die Person war, die hinter dem Tod von Sascha Schwarz stand.

Edgar kannte den genauen Hergang noch nicht, er hatte lediglich eine vage Vermutung. Aber er wusste aus eigener Erfahrung, wie unerträglich es sich anfühlte, wenn man sich selbst nicht vergeben konnte.

„Du hast nicht gewusst, was du machen sollst, als dir klar wurde, was passiert ist. Darum hast du Paul angerufen“, sagte er, „weil der immer alle Probleme bei euch löst.“

Als Zoe nickte, sog Sybille Steiner hörbar die Luft ein, Alexander Steiner wankte. Nur Paul Herz schluchzte verhalten.

Edgar sah ihn an. „Sie wollten es vertuschen, nicht wahr? Doch dann haben Sie sich erinnert, dass Anna Ferry und Hermann Thiel mit dem Pärchen aus dem Nachbarhaus weggegangen sind. Hatten Sie Angst, dass sie etwas mitbekommen haben? Vielleicht als sie später auf ein Taxi warteten? Sie konnten ja nicht wissen, dass die beiden dort übernachtet hatten. Oder doch?“ Herz konnte Edgars Blick nicht standhalten. „Haben Sie deshalb Frau Ferry am nächsten Morgen angerufen?“

Zoe Steiner hob fragend den Kopf, doch Herz winkte ab. „Sie sind nicht von der Polizei, Herr Brehm, also werde ich dazu nichts mehr sagen. Niemand wird das.“

„Doch, er ist von der Polizei“, erwiderte Zoe.

„Nein, ist er nicht … das sind Sie doch wirklich nicht?“, fragte Paul Herz.

Edgar schüttelte den Kopf.

„Gut, das ist gut“, sagte Herz und bemühte sich, seine zittrige Stimme unter Kontrolle zu bringen.

„Was hast du getan, Paul?“, fragte Alexander Steiner und sah ihn fassungslos an. Herz stand stumm und regungslos da. Der Regisseur kam auf ihn zu und packte ihn an den Schultern. „Was hast du getan?“

Mit dieser Reaktion schien Herz nicht gerechnet zu haben, er erwachte aus der Starre. „Was ich getan habe? Du fragst, was ich getan habe? Ich? Ich habe versucht, deine Tochter zu retten. Weil ich weiß, wie schwer es mit dir sein kann!“, schrie er. „Aber ich, Alexander, ich hab mir das ausgesucht. Deine Tochter hat das nicht.“

„Wovon redest du da, verdammt noch mal?“, schrie Steiner zurück.

„Lass ihn in Ruhe. Er kann nichts dafür. Ich war es. Ich hab dir das Drehbuch von dem netten Kellner gegeben“, sagte Zoe und sah ihren Vater an. „Du hast mich gar nicht beachtet, weil du mit dieser Blonden geredet hast. Mama hat es bemerkt, sie hat gefragt, was ich dir da gegeben hab, und da hab ich es ihr gesagt. Sie ist weggegangen, sie war wütend auf dich, wie immer. Aber ich hab gewartet, weil du doch glauben solltest, dass ich es dem Bitlinger aus der Tasche genommen hab. Und dann warst du plötzlich auch weg. Also hab ich dich gesucht.“

Alexander Steiner schien sich davor zu fürchten, was jetzt kam. Sein Kiefer war so angespannt, dass die Muskeln hervortraten.

„Du warst mit der Blonden im Gästezimmer. Und … sie mochte nicht, was du mit ihr machst.“ Ihre Stimme schwoll an. „Ich bin weg, hab Mama gesucht. Sie war mit ein paar Leuten in deinem Büro.“ Jetzt sah sie ihre Mutter an. „Ihr habt Papas Koks geschnupft. Und du hast mir ein Plastiksackerl zugeworfen und gesagt, ich soll verschwinden und es Papa bringen. Wenn du Glück hast, dann nimmt er alles, und du hast keine Probleme mehr. Das hast du gesagt.“

„Zoe“, warf Paul Herz ein. „Bitte, das willst du doch nicht –“

„Doch, das will ich! Du hast sie immer gedeckt, Paul. Egal, was sie gemacht haben. Immer.“ Sie schluckte schwer. „Ich bin zur Bar, hab eine Flasche Champagner geholt und bin in mein Zimmer. Ich hab getrunken. Bis es mir einfach egal war, dass ihr mich hasst. Es war mir egal, dass ich euch nicht interessiere, und das wollte ich euch sagen. Ich bin in das Gästezimmer.“ Sie sah ihren Vater an. „Ich hab geglaubt, du bist noch da drin. Aber da war keiner mehr. Und dann hab ich aus dem Fenster geschaut und dich auf der Terrasse gesehen, Papa. Ich wollte dich rufen. Aber da war dieses Ding vorm Fenster, das für den Wassernebel, und da war ein Schieber. Ich wollte dich nur erschrecken. Ich wollte dir Angst machen … damit du aufhörst, so ein Arschloch zu sein. Ich bin zurück in mein Zimmer und hab den Schraubenzieher von meinem Skateboard geholt, damit ich den Schieber öffnen kann. Und dann ist das Ding weggeflogen, ihm auf den Kopf, es war ein Geräusch …“, Zoe schloss die Augen, ein Beben ging durch ihren Oberkörper. „… wie wenn was Großes zerplatzt. Er ist einfach nach vorne umgekippt und ins Wasser gefallen.“

„Oh Gott“, hauchte Sybille Steiner. „Zoe, ist das wahr?“

Ihre Tochter nickte und fing erneut zu weinen an.

Das Hämmern an der Haustür kam so unvermittelt, dass sie alle zusammenzuckten.

„Hier ist die Polizei!“, rief eine laute Männerstimme.