VII

Uwe Gebauer stand am Anleger der alten Reparaturwerft. Er blickte ungeduldig auf die Uhr. Es ging schon auf neun. Der Motor des Wasserschutzpolizeibootes tuckerte leise vor sich hin. Wenn Gebauer etwas hasste, dann Unpünktlichkeit. Acht Uhr dreißig wollten sie ablegen, um nach Hiddensee zu fahren. Doch bisher hatte sich keiner von der Spurensicherung sehen lassen, weder Behm noch seine Kollegen.

Da bog der graue VW-Bus in die Dänholmstraße ein. Mit Lichthupe antwortete der Fahrer auf Gebauers Winken.

Behm stieg aus. Statt einer Begrüßung raunzte er Gebauer an: „Einen besseren Liegeplatz gab’s nicht? Wir sind fast eine halbe Stunde rumgekurvt, um dich zu finden.“

Gebauer gab sich schuldbewusst. „Stimmt schon, liegt etwas ab. Aber hier macht es nicht so viel Aufsehen, wenn ihr euer Zeug an Bord bringt. In der Seestraße, am Hiddensee-Kai, gibt’s doch gleich einen Auflauf. Alle fragen, warum, wieso? Ihr habt doch sicher ein Navi im Auto?“

„In der alten Krücke?“ Behm zeigte auf den VW, der schon einige Jahre auf dem Buckel hatte: „Vergiss es.“ Dann wandte er sich an seine beiden Kollegen. „Bringt die Kisten aufs Boot.“

„Aber bitte vorsichtig!“, rief Gebauer dazwischen.

„Nun mach dir mal nicht ins Hemd. Uns reicht schon so die Plackerei mit den Kisten. Immer für die Insulaner alles verpacken ...“

Einsätze auf Hiddensee waren bei den Stralsunder Beamten nicht beliebt. Alles musste für Tatortuntersuchungen auf der Insel aus den Einsatzfahrzeugen der Spurensicherung in Kisten umgepackt und dann auf Gebauers Boot geschleppt werden. Dort mussten sie es dann unter seiner Anleitung rutschfest in dem engen Innenraum verstauen. Reibereien waren vorprogrammiert. Die Kollegen an Land rümpften sowieso die Nase über die Wasserschutzpolizisten. Sie nannten sie heimlich „Bodden-Enten“. Das wusste natürlich auch Gebauer. Er rächte sich gern an den „Landeiern“, wie er im Gegenzug die Beamten der Polizeidirektion bezeichnete. Musste er für sie Wassertaxi spielen, jagte er sein Schiff durch die Boddengewässer, ließ es gern auch mal heftig schaukeln beim Durchfahren von Wellenbergen und -tälern, fuhr tollkühne scharfe Kurven und beobachtete mit gnädigem Lächeln, wie sich die Kollegen krampfhaft an den wenigen Halterungen festhielten, im Gesicht immer fahler wurden und bald darum bettelten, er möge doch etwas langsamer fahren oder nach den Kotztüten riefen. Hatten sie dann wieder festen Boden unter den Füßen, drohten sie ihm mit Beschwerden. Das nahmen Gebauer und seine Crew gelassen. „Einsatz ist Einsatz!“, rief er ihnen dann nach. Außerdem unterstanden sie nicht dem Kommando des Polizeichefs Bökemüller, sondern gehörten einer eigenen Direktion mit Sitz in Rostock an. Bis dahin war der Dienstweg für Klagen weit.

Endlich hatten sie alles an Bord. Gebauer gab seinen beiden Besatzungsmitgliedern das Kommando zum Ablegen und stellte sich selbst ans Steuer. „Jetzt wollte ich eigentlich schon da sein“, maulte er Behm an, der neben ihm stand. Der gab sich gelassen. „Den toten Bauunternehmer stört’s nicht mehr, ob wir nun ’ne Stunde früher oder später auf Hiddensee sind. Die Spuren sind sowieso hin, weil die letzte Nacht alle durch den Tatort getrampelt sind.“ Gebauer manövrierte vorsichtig das Boot an zwei alten Schleppern vorbei und fuhr dann langsam in Ric htung Fahrrinne Strelasund. Backbord lagen das Ozeaneum und die alten Lagerhäuser, steuerbord die Fachwerkhäuser des Fischerdorfes Altefähr.

„Vitte, Neuendorf oder Kloster?“, fragte Gebauer.

„Erstmal Kloster. Da haben sie den Toten hingebracht. Der Tatort ist wohl am Zeltkino in Vitte. Den kann ich mir dann immer noch ansehen und mich weiter ärgern. Aber du kannst uns dann wieder in Vitte abholen.“

„Der Tote ist Bauunternehmer? Von Hiddensee?“

„Ja, ein gewisser Stein.“

„Peter Stein?“, fragte Gebauer.

„Genau. Kanntest Du ihn?“

„Ich hatte mal mit ihm zu tun, als sie den Anleger in Neuendorf neu gebaut haben und es für unsere Boote einen Liegeplatz geben sollte. War eigentlich ein netter Typ.“

„Augenscheinlich sahen das nicht alle so. Sonst hätte er ja nicht gestern Abend tot am Zeltkino gelegen.“

Behm steckte die Hände in die Taschen. Er hatte keine Lust mehr auf eine weitere Unterhaltung.

Gebauer schob den Gashebel langsam nach vorn. Die Turbinen wurden lauter. Der Bug des Bootes hob sich aus dem Wasser. Wasserfontänen spritzen steuerbord und backbord nach oben.

Nicht mal eine halbe Stunde dauerte es, bis die ersten Bojen für den Tonnenweg zum Hafen Kloster in Sicht kamen. Am Kai wartete Damp mit dem Polizeiwagen.

Auf dem Weg zur Leichenhalle berichtete er Behm, was in der vergangenen Nacht passiert war, wer Stein gefunden hatte, was Doktor Möselbeck vermutete und wie sie versucht hatten, den vermeintlichen Tatort zu sichern.

„Wer passt dort jetzt auf, nachdem es hell geworden ist, dass da keiner rumtrampelt?“

„Keiner“, antwortete Damp. „Wie sollen wir denn zu zweit alles organisieren? Rieder ist bei Steins Frau. Ich musste mich um den Zeugenaufruf kümmern ...“

„Als ob das jetzt so wichtig wäre ...“

Obwohl die Inselkirche nur gut dreihundert Meter vom Hafen entfernt war, kam Damp nur langsam mit dem Auto voran. Auf dem Hafenweg musste er zahlreiche Touristen und Reisegruppen umkurven. Obwohl sie gerade erst mit dem Schiff von Rügen angekommen waren, drängten sie sich gleich vor den beiden Souvenirläden kurz vor der Kreuzung am Pasterteich.

„Die haben noch nichts von der Insel gesehen, kaufen aber schon irgendwelchen Kitsch“, meinte Behm.

„Es ernährt aber seinen Mann hier auf der Insel“, erwiderte Damp.

„Für mich sind diese Läden nichts anderes als moderne Wegelagerei.“

Damp parkte auf dem Platz für die Fuhrwerke neben der Inselkirche. Von dort führte ein kleiner Pfad zur Leichenhalle.

Vor dem Gotteshaus hatten sich zahlreiche Schaulustige angefunden, darunter auch viele Insulaner. „Wo kommen die plötzlich her? Haben Sie den Termin auf Ihrem Aushang bekanntgegeben?“, fragte Rieder, der Ulrike Stein hierher begleitet hatte.

Damp wurde wütend. „Sicher! Bin ich ein Trottel oder was? Die können auch alle eins und eins zusammenzählen. Nicht nur die Herren aus der Hauptstadt. Dass Stein hier liegt, ist kein Geheimnis. Oder? Und dass die Witwe hier irgendwann auftauchen wird, können sich selbst die Hiddenseer an ihren Fingern abzählen.“

„Ist ja gut. Ich habe es ja nicht so gemeint“, entschuldigte sich Rieder.

Pfarrer Laube und Doktor Möselbeck warteten schon.

Behm begrüßte Rieder. „Ich halte mich erst mal im Hintergrund, bis die Ehefrau die Leiche identifiziert hat.“

Pfarrer Laube drückte Ulrike Stein fest die Hand und sprach ihr sein Beileid aus. Als Möselbeck Frau Stein sogar umarmen wollte, wehrte sie ihn ab und stieß ihn sogar leicht zurück. Rieder war darüber verwundert. „Ich dachte, Möselbeck und Stein waren Freunde“, flüsterte er Damp zu.

„Das muss ja nicht unbedingt auch für die Frau gelten“, antwortete sein Kollege. Da war was dran, dachte sich Rieder.

Ulrike Stein drehte sich zu Rieder um. „Können wir?“, fragte sie.

Seitdem sie mit Rieder ihr Haus verlassen hatte und sie gemeinsam die gut hundert Meter bis zur Inselkirche gegangen waren, hatte Rieder beobachtet, dass die Frau immer mehr die Fassung verloren hatte. Immer wieder hatte sie sich die Nase geputzt und über die Augen gewischt.

Rieder gab Pfarrer Laube ein Zeichen. Der schloss die Kapelle auf, machte das Licht an. Die Glühbirne erleuchtete den kleinen fensterlosen Raum kaum. In der Mitte stand ein langer Holztisch. Darauf lag der Leichensack. Damp nahm seine Schirmmütze ab. Möselbeck ging an Laube vorbei, zog den Reißverschluss auf und schlug die Plastikhülle zur Seite, damit das Gesicht des Toten besser zu erkennen war. Ulrike Stein trat heran. Sie schlug die Hände vor das Gesicht und begann hemmungslos zu weinen. Ihre Knie knickten ein. Pfarrer Laube sprang zu ihr und fing sie auf. Langsam führte er die Frau aus der Halle ins Freie.

„Obwohl sie getrennt gelebt haben, scheint er ihr trotzdem nicht egal gewesen zu sein“, meinte Rieder zu Damp.

„Man steckt nicht drin“, antwortete Damp lapidar. „Ich werde ihr anbieten, sie nach Hause zu fahren. Vielleicht besser, wenn man das hier so sieht.“ Dabei deutete er auf den Platz vor der Inselkirche. Dort hatte man alles genau beobachtet und ließ auch jetzt keinen Blick von der trauernden Witwe.

Damp setzte wieder seine Mütze auf, straffte sich und ging zu Pfarrer Laube und Ulrike Stein.

Jetzt trat Behm an die aufgebahrte Leiche. Möselbeck hatte sich über Stein gebeugt. „Das Hämatom an der Schläfe ist deutlich ausgeprägt. Es gibt für mich keinen Zweifel. Er wurde durch einen Schlag auf den Kopf getötet.“ Behm sah sich die Verletzung genauer an. „Kann man nicht von der Hand weisen. Ich würde aber trotzdem die Autopsie abwarten. Sie schließen einen natürlichen Tod definitiv aus?“, wandte er sich an den Inselarzt.

„Definitiv!“

„Okay, dann wollen wir mal.“ Behm zog den Reißverschluß des Leichensacks völlig auf. Er gab seinen Mitarbeitern ein paar Anweisungen. Die Hände des Toten wurden in Plastiktüten verpackt, damit keine DNA-Spuren vernichtet wurden. Außerdem wurden zahlreiche Fotos von dem Toten und der Wunde an der linken Schläfe gemacht.

„Habt ihr die Kleidung schon untersucht?“, fragte er Rieder.

„Nein. In der Dunkelheit gestern Abend hatte ich Angst, irgendetwas zu verlieren.“

Behm begann die Hosentaschen zu durchstöbern. Eine Brieftasche kam zum Vorschein. Ein Schlüsselbund. Ein Fahrschein für die Fähre nach Schaprode. Eine Packung Papiertaschentücher. „Nicht gerade eine große Ausbeute. Kein Handy. Für einen Bauunternehmer ungewöhnlich.“

Das sah Rieder auch so.

„Hast du seine Handynummer?“ Rieder verneinte.

„Ich kann sie Ihnen geben“, mischte sich der Arzt ein.

„Dann mal los.“ Behm zog sein Diensthandy aus der Tasche, schaltete seine Rufnummernanzeige aus. Dann wählte er die Nummer, die ihm Möselbeck ansagte. Er nahm das Telefon ans Ohr. „Klingelt.“ Etwas später: „Mailbox.“

Mit einer speziellen Software auf seinem Laptop versuchte er Steins Handy zu orten. „Es ist noch auf der Insel. Innerhalb der Funkzelle von Vitte.“

„Vielleicht liegt es am Tatort.“

Doch auch dort fand es sich nicht, als sie wenig später am Zeltkino eingetroffen waren. Behm wählte immer wieder die Nummer von Steins Mobiltelefon, ließ es klingeln, bis sich die Mailbox meldete, aber nirgendwo war ein Klingelton zu hören.

„Wenn wir mit dem Kahn und dem Gelände drumherum fertig sind, durchforsten wir noch mal das Wäldchen hier“, kündigte Behm an.

Damps Absperrung des Tatortes und des Weges vom Zeltkino war unversehrt.

„Mensch, Rieder, was habt ihr hier für disziplinierte Urlauber und Einwohner. Hier herrscht wirklich Ordnung und Sicherheit“, meinte Behm ironisch. „Okay, das mit dem Mord ist vielleicht ein kleiner Wermutstropfen, aber wirklich nur ein kleiner. Damp und du, ihr scheint wirklich ein polizeiliches Dreamteam zu sein, wenn ich das hier so sehe.“ Er schlug Rieder auf die Schulter. „Ihr müsst das nur mehr zeigen. Nach außen, mein’ ich. Traut euch.“

„Haha!“, blaffte Rieder. „Sehr witzig.“

„Da fällt mir ein, ich muss Damp noch zu seiner Beförderung beglückwünschen“, stichelte er weiter. „Was hast du ihm denn geschenkt? Einen Kaktus? Nein. Ich weiß. Einen goldenen Bußgeld-Block.“

Rieder winkte genervt ab.

Dora Ekkehard kam aus der kleinen Baracke hinter dem Kino. Sie hatte die Polizisten belauscht.

„Falsche Lorbeeren, mein Herr. Ich habe den ganzen Morgen wie ein Schießhund aufgepasst.“

Rieder stellte Behm die Kinofrau vor. Der Beamte verneigte sich fast, als er Dora Ekkehard begrüßte. „Ich bin ein großer Fan Ihres Kinos. Schön, dass es noch so etwas gibt. Darf ich mal in Ihr Heiligstes schauen?“

Die alte Dame öffnete die Tür zum Vorführraum. Staunend schlich Behm zwischen den Projektoren umher und blickte durch die kleinen Gucklöcher. Er drehte auch mal an der Kurbel, an der die Filmrollen zurück auf Anfang gerollt wurden. Fast zärtlich strich er über einen der Projektoren.

„Wie alt sind die?“

„Fast vierzig Jahre. In den siebziger Jahren gebaut.“ fügte sie hinzu. „Echte Ernemanns.“ Behm setzte seine Brille auf. Er studierte das kleine Metallschild. „Kinoton FP20“, las er vor. „Aus Kiel?“

„Die habe ich nach der Wende gekauft. Vorher hatte ich Kofferprojektoren von Carl Zeiss. Die waren dann aber etwas schwach auf der Brust geworden. Gebaut in den fünfziger Jahren. Als ich hier 1964 angefangen habe, haben wir die aus einem Kino in Stralsund bekommen. Die wurden damals alle auf sowjetische und tschechische Geräte umgerüstet.“

„Und wer repariert die? Das muss doch superteuer sein. Gibt’s da eigentlich noch Ersatzteile?“

„Mach’ ich alles selbst“, erklärte Dora nicht ohne Stolz in der Stimme. „Ich hab’ das von der Pieke auf gelernt, richtig in Dresden in dem alten Ernemann-Werk. Heute ist es Museum. Fast wie ich.“

Alle lachten.

„Mensch, super. Früher gab es auf jedem Zeltplatz an der Ostsee ein Zeltkino. Nun sind Sie fast der letzte Mohikaner. Oh, Entschuldigung, natürlich die letzte Mohikanerin.“

Dora Ekkehard nickte gerührt. Ihre Augen wurden feucht.

So kannte Rieder seine Nachbarin gar nicht. Ob sie nun Kinokarten verkaufte, im Garten arbeitete oder mit dem Rad durch Vitte fuhr, sie wirkte immer etwas streng, lächelte selten.

Holm Behm studierte inzwischen die vergilbten Kinoplakate an den Bretterwänden. „Paul und Paula“, „Lütt Matten und die weiße Muschel“. Und, wie passend: „Spiel mir das Lied vom Tod“. „Lohnt sich das noch mit dem Kino?“ Er rieb Daumen und Zeigefinger.

„Es ernährt seinen Mann ...“, antwortete Dora Ekkehard.

„Das habe ich heute schon mal gehört“, meinte Behm. „Die Hiddenseer scheinen genügsame Leute zu sein. Was läuft heute?“

„Am Nachmittag in der Kindervorstellung, Alfons Zitterbacke‘, abends ‚Die Frau des Leuchtturmwärters‘ und in der Spätvorstellung, wenn genug kommen, ‚Sommer vorm Balkon‘.“

„Interessantes Programm“, meinte Behm.

„Die Leute mögen’s. Die Hiddensee-Urlauber wollen keine Blockbuster. Die meisten sind nicht die typischen Kinogänger. Sie wollen Filme sehen, die zur Insel passen, zu einem Urlaub auf Hiddensee. Keine Thriller. Eher was fürs Gehirn. Und dazu immer ein bisschen Ostalgie., Paul und Paula‘, ,Solo Sunny‘ und , Spur der Steine‘. Verstehen Sie?“

Behm nickte. „Hiddensee – die Insel der anderen.“

Dora Ekkehard wischte mit der Hand ein paar Krümel von ihrem kleinen Arbeitstisch. „Tja, aber die Zeiten ändern sich. Auch hier auf Hiddensee. Will zwar nicht jeder wahrhaben, aber ist so.“

„Was meinen Sie damit?“, fragte Rieder nach.

Dora schaute Rieder an: „War mehr so eine Redensart.“ Dabei knetete sie ihre Hände. Sie wurde ungeduldig. „Ich muss dann jetzt mal. Der Zuschauerraum säubert sich nicht von selbst.“

Die Untersuchung des Tatortes brachte kaum neue Erkenntnisse. Behms Team konnte Fingerabdrücke auf dem Kiel des Bootes sichern, neben dem Peter Stein gefunden worden war. Die konnten aber auch den beiden jungen Leuten gehören, die sich auf das Boot gesetzt hatten, bevor sie Steins Leiche gefunden hatten.

„Wir lassen die Abdrücke mal durch den Rechner laufen. Vielleicht gibt es einen Zufallstreffer. Aber die Fußspuren können wir vergessen“, stellte Behm fest. Dann suchten die Polizisten die Umgebung des Bootes nach Steins Handy ab. Im Dickicht des Strandwäldchens fanden sich aber nur leere Flaschen und Reste von Eisverpackungen. Außerdem hatte mancher Urlauber hier seine Notdurft verrichtet, statt die nahe öffentliche Toilette am Strandzugang beim Häuschen der Rettungsschwimmer zu benutzen. „Schöne Sauerei“, stöhnte Behm. „Hier könnte Damp sich mal auf die Lauer legen und Bußgelder verteilen.“ Von Steins Handy gab es keine Spur.

Behm und Rieder gingen zurück zum Zeltkino. Plötzlich blieb der Spurensicherer stehen. „Was mich wundert“, wandte er sich an Rieder, „wir haben keine Ruder gefunden. Da lag zwar der Bootswagen unter dem Boot. Aber keine Ruder. Komisch.“

„Die Fischer nehmen ihre Ruder immer mit nach Hause“, meinte Rieder. „Von denen liegen auch noch ein paar Boote am Strand. Und die schleppen die Dinger immer hin und her. Sonst könnte man doch die Boote leicht klauen.“

„Aber wenn ich mich erinnere, dann haben die einen Handwagen dabei. Das ist der ganze Kram drauf. Netze, Fässer und eben die Ruder. Aber Stein wird doch nicht mit den Rudern hierhergewackelt sein. Über die halbe Insel. Egal, ob er nun von seinem Haus in Kloster oder von seinem Haus am Süderende gekommen wäre.“

„Wir können die Kinofrau fragen.“

Dora Ekkehard war gerade dabei, eine Filmrolle in den Projektor einzulegen.

„Frau Ekkehard. Wir hätten noch eine Frage“, meldete sich Rieder. Dora Ekkehard schreckte auf und griff sich mit einer Hand ans Herz. „Um Gottes Willen. Können Sie nicht anklopfen?“

„Entschuldigung. Wir fragen uns, ob Peter Stein die Ruder von seinem Boot immer mitgenommen hat oder ob sie am Boot waren?“

Dora Ekkehard überlegte. „Sie müssten am Boot sein. Stein ist ja nicht oft rausgefahren. Meist nur zum Heringsangeln im Frühjahr. Und da hatte er ...“, sie schien intensiv zu versuchen, sich zu erinnern, „ ... da hatte er nur die Angeln dabei.“

„Sicher?“, fragte Rieder nach.

„Sicher.“