Damp hasste Anrufbeantworter. Er wusste nie, was er darauf sprechen sollte. Meistens geriet er ins Stottern. Deshalb sagte er nichts, als sich bei Rieder nur die Mailbox meldete. Er würde trotzdem sehen, dass Damp ihn angerufen hatte. Aber es war dringend. Außerdem war es ihm unheimlich hier in diesem Haus.
Damp schaute aus dem Fenster. Draußen waren kaum Menschen zu sehen. Bei dem heraufziehenden Sturm gingen die Hiddenseer nicht vor die Tür. Selbst von den Touristen ließ sich kaum einer sehen. Immer wieder peitschten heftige Regengüsse über die Insel. Die Vorboten des Unwetters. Die Tropfen schlugen dann wie ein Trommelfeuer auf das Fensterglas.
Um Damp herum war nur Chaos. Herausgerissene Schubladen. Verstreute Papiere. Zerschlagenes Geschirr. Oben unterm Dach sah es nicht besser aus. Dort lag überall Kleidung herum. Ein Koffer war völlig zerschlitzt worden. Damp horchte, ob es nicht irgendwo ein verdächtiges Geräusch gäbe. Er hatte nur Behm erreicht. Der wollte sofort zu kommen, wenn sich Gebauer bei dem Wetter mit seinem Kahn auf den Bodden traute.
Damp fiel ein, das er eigentlich zum Hafen fahren müsste, um Behm abzuholen. Aber konnte er das Haus von Karin Knoop ohne Bewachung lassen?
Eigentlich hatte sich Damp aus dem Fall „Karin Knoop“ heraushalten wollen. Das war Rieders Sache. Aber nachdem ihm Andreas von Krenz von der gemeinsamen Bürgerinitiative mit seiner Nachbarin gegen die „Ostseetherme“ erzählt hatte, war er doch zu ihrem Haus gelaufen.
Schon als er beim „Gasthaus Norderende“ angekommen war, hatte er das Klappen einer Tür gehört. Immer wieder. Kein Hiddenseer vergaß im Herbst, Fenster und Türen zu verriegeln. Ein Sturm konnte immer schnell kommen. Das Geräusch kam aber nicht von der Veranda zur Straße hin, auch nicht vom Ausschank an der rechten Seite des Hauses.
Er ging um das Gebäude herum. Da sah er bereits, dass die Haustür nur noch in den Angeln hing. Hier stimmte etwas nicht. Damp hatte sich an die Hauswand gepresst und war immer an der Wand entlang zur klappernden Tür geschlichen. Vorsichtig hatte er durch das Fenster neben der Tür geschaut und im Innern das Chaos entdeckt. Er war schnell unter dem Fensterbrett in Deckung gegangen. Sein Herz hatte gerast. Er hatte Angst., Sollte ich nicht besser zurückgehen und Rieder alarmieren?‘, hatte er sich gefragt. Dann hatte er sich besonnen. Er war der Revierleiter auf Hiddensee. Wahrscheinlich würde er öfter auf sich allein gestellt sein. Er hatte seine Waffe gezogen, war wagemutig in die Türöffnung gesprungen, hatte gebrüllt: „Polizei! Hände hoch! Waffen weg! Kommen Sie heraus!“ Keine Antwort. Stattdessen hatte der Wind ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen. Er hatte sie wieder aufgestoßen. Die Waffe mit gestreckten Armen vor sich haltend, war er weiter in das Haus eingedrungen. Er hatte versucht, nicht zu atmen, doch er hatte die Luft ausgestoßen wie eine Dampflok. Kurzzeitig war ihm der Gedanke durchs Hirn geschossen, dass er wohl doch mehr Sport treiben müsse, um ein paar Kilo zu verlieren. So schlecht war er in Form. Er war von Raum zu Raum geschlichen. Aber es war niemand da gewesen.
Damp wurde kalt. Der Wind pfiff durch das Haus. Er hatte sich nicht getraut, die Tür zu verschließen, aus Angst, Spuren zu verwischen. Er schaute aus dem Fenster, das Karin Knoop als Ausschank genutzt hatte, auf die Häuser im Vitter Ortsteil Norderende. Auf der anderen Straßenseite standen auf einer kleinen Koppel zwei Pferde eng aneinandergeschmiegt und versuchten sich gegenseitig vor Wind und Regen zu schützen. Auf der brüchigen Dorfstraße radelte jemand gegen den Wind in Richtung Kloster. Obwohl er fest in die Pedale trat, kam er nur langsam voran. Die Häuser in Norderende schienen sich unter ihren breiten Reetdächern vor dem Sturm zu verstecken. Selbst im Sturm war das hier immer noch eine Idylle. Sollte das alles verloren gehen? Er war wahrlich kein Hiddensee-Fanatiker wie manche Urlauber. Nun aber regten sich in ihm heimatliche Gefühle.
Ein Piepsen holte Damp aus seinen Gedanken. Es war aber nur sein Handy. Behm schickte ihm eine SMS. Gebauers Boot hatte gerade die erste Boje zur Fahrrinne zum Hafen Vitte passiert. Damp war erleichtert.