Der Nebel lag wie eine Glocke über Hiddensee. Damp saß in seinem Polizeiauto immer noch vor dem Haus von Bürgermeister Durk. Sehen konnte er eigentlich nichts. Die Haustür war keine zwanzig Meter entfernt, aber kaum noch zu erkennen.
Er hatte bei der Hiddensee-Reederei angerufen. Der Fährverkehr war bis auf weiteres eingestellt. So nebenher erfuhr er, dass auch der Inselbus nicht mehr fuhr und es deshalb an der Inselschule in Vitte heute keinen Unterricht geben würde. „Wussten Sie das nicht?“, fragte ihn die Servicekraft der Reederei am Telefon. Damp fiel nichts weiter ein als einfach aufzulegen. Aber in ihm kochte es, weil es offenbar niemand auf der Insel für nötig befand, den zuständigen Leiter des Inselreviers auf dem Laufenden zu halten. Seinen Frust goss er über dem Meteorologen vom Dienst in der Wetterwarte im Hafen von Kloster aus. „Warum werde ich nicht informiert?!“, brüllte er durchs Telefon. „Ich bin der Revierleiter. Über Unwetterwarnungen bin ich unverzüglich ins Bild zu setzen. Haben Sie mich verstanden?“
Völlig verstört versuchte sich der Mann aus der Affäre zu ziehen. „Ich habe es schlicht vergessen. Ich musste heute Morgen so viele Interviews für verschiedene Hörfunksender geben. Außerdem muss ich ja auch die Wetterlage beobachten und die Daten auswerten. Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht.“
Der Meteorologe legte einfach auf. Damp konnte es nicht fassen. Offenbar nahm ihn niemand ernst auf der Insel. Als er wieder durch die Windschutzscheibe blickte, sah er, dass in Durks Haus das Licht angegangen war. Offenbar war der Bürgermeister jetzt wach. Damp überlegte, wie er jetzt vorgehen sollte. Da öffnete sich die Haustür, und Durk kam heraus. Die Aktentasche in der Hand, ging er in den Schuppen, wo er wahrscheinlich sonst sein Rad abstellte. Verwundert kam er wieder heraus, sah sich um und verschwand wieder.
Damp stieg aus dem Polizeiwagen. Als Durk wieder erschien, war er völlig erstaunt, den Polizisten vor sich zu haben.
„Tach, Damp. Was machen Sie denn hier? Gehört das jetzt zum Service, mich zum Dienst abzuholen? Oder ist irgendetwas passiert?“
Damp tippte nur kurz mit zwei Fingern an den Schirm seiner Mütze.
„Suchen Sie was Bestimmtes?“, fragte er und wies in Richtung Schuppen.
Durk sah ihn an. „Mein Rad. Da können Sie gleich mal eine Anzeige aufnehmen. Jemand hat mein Rad geklaut.“
„Ihr Rad ist nicht geklaut.“
„Nicht geklaut?“
„Es steht noch oben am Dornbusch. Bei Ihren Bienenstöcken.“
Durk griff sich an die Stirn und massierte sie intensiv. „Aber warum bin ich dann hier und das Fahrrad da oben?“
„Weil wir Sie, besoffen wie Sie waren, dort oben eingesackt und dann hierher runtergefahren haben.“
„Besoffen? Und wer ist wir?“
„Malte Fittkau und ich.“ Damp fragte sich, ob der Bürgermeister ihm nur etwas vorspiele oder wirklich den totalen Filmriss hatte. „Wo wollen Sie eigentlich hin?“
„Wohin wohl? Ins Rathaus!“
„Und was wollen Sie da?“
„Was will ich da?“, fragte Durk ärgerlich. „Damp, was soll das? Ist das hier die, Sendung mit der Maus‘? Was macht ein Bürgermeister im Rathaus?“
Damp schüttelte ungläubig den Kopf. „Herr Durk, Sie sind nicht mehr Bürgermeister. Sie wurden gestern abgesetzt. Haben Sie das vergessen?“
Durk stutzte bei den Worten von Damp. Dann wurden seine Augen immer größer. Seine Aktentasche rutschte ihm aus der Hand. Damp konnte den Mann gerade noch auffangen. „Ach ja“, stammelte Durk. „Ich erinnere mich.“ Damp brachte den völlig verstörten Durk zurück in sein Haus und bettete ihn in seinem Wohnzimmer auf das Sofa. Er überlegte, was er tun sollte. Inselarzt Möselbeck anrufen? Er verwarf den Gedanken wieder. Möselbeck war gestern bei der Absetzung dabeigewesen. Dann kam ihm die rettende Idee. Er schlich nach draußen und wählte die Nummer des Büros des Bürgermeisters. Lottti Stein meldete sich. „Haben Sie ihn gefunden?“, fragte sie ängstlich.
Damp berichtete ihr über den Zustand ihres ehemaligen Chefs und bat sie vorbeizukommen, damit sie sich um ihn zu kümmere. Sie sagte ohne Zögern zu. „Übrigens, Möselbeck ist jetzt kommissarischer Bürgermeister“, fügte sie noch hinzu. Damp wusste nicht, ob er sich darüber freuen sollte.