Der Versuch , Muad’Dib zu verstehen, ohne auch seine Todfeinde, die Harkonnen, zu verstehen, ist wie der Versuch, die Wahrheit zu sehen, ohne die Lüge zu kennen. Es ist der Versuch, das Licht zu sehen, ohne die Dunkelheit zu kennen. Es ist nicht möglich.

– Aus: »Handbuch des Muad’Dib« von Prinzessin Irulan

Angetrieben von einer fetten, mit glitzernden Ringen bestückten Hand, drehte sich der teilweise in Schatten getauchte Reliefglobus einer Welt. Der Globus stand frei vor der Wand eines fensterlosen Raums, dessen übrige Wände mit einem bunten Wirrwarr aus Schriftrollen, Filmbüchern, Bändern und Spulen bedeckt waren. Erleuchtet wurde der Raum von goldenen Kugeln, die in mobilen Suspensorfeldern schwebten.

In der Mitte des Raums befand sich ein ellipsoider Schreibtisch mit einer Platte aus versteinertem Elaccaholz in Jaderosa. Darum herum standen selbstverformende Suspensorsessel, von denen zwei besetzt waren. In dem einen saß mit griesgrämiger Miene ein rundgesichtiger, dunkelhaariger Junge von etwa sechzehn Jahren, im anderen ein schmaler, kleiner Mann mit weibischen Zügen.

Junge und Mann beobachteten beide den Globus und den halb in den Schatten verborgenen Mann, der ihn drehte.

Ein Kichern ertönte neben dem Globus, und aus dem Kichern polterte eine Bassstimme hervor: »Da ist sie, Piter – die größte Menschenfalle, die es jemals gegeben hat. Und der Herzog ist in ihre Fänge unterwegs. Ist es nicht etwas Großartiges, was ich, Baron Vladimir Harkonnen, da eingefädelt habe?«

»Aber ja doch, Baron«, sagte der Mann. Er sprach in einem süßen, melodischen Tenor.

Die fette Hand senkte sich auf den Globus und brachte ihn zum Stehen. Jetzt konnten sich alle Blicke auf die unbewegte Oberfläche richten und erkennen, dass es jene Sorte Globus war, die man für reiche Sammler oder Planetengouverneure des Imperiums herstellte. Es war echte imperiale Handarbeit. Längen- und Breitengrade waren haarfeine Platindrähte; die Polkappen bestanden aus feinsten Wolkenmilchdiamanten.

Die fette Hand zog die Linien auf der Oberfläche nach. »Seht nur«, polterte die Bassstimme. »Sieh genau hin, Piter, und du auch, Feyd-Rautha, mein Liebster. Vom sechzigsten nördlichen Breitengrad bis zum siebzigsten südlichen – diese köstlichen Kräuselungen. Ihre Färbung, erinnert sie euch nicht an süßen Karamell? Nirgends ist das Blau von Seen, Flüssen oder Meeren zu sehen. Und diese herzallerliebsten Polkappen – wie klein sie sind. Ist das nicht ein unverwechselbarer Planet? Arrakis! Wahrhaft einzigartig. Ein grandioser Schauplatz für einen einzigartigen Sieg.«

Ein Lächeln ließ Piters Lippen zucken. »Und man stelle sich vor, Baron, der Padischah-Imperator glaubt, dass er dem Herzog Ihren Gewürzplaneten geschenkt hätte. Welch bittere Ironie.«

»Das ist eine unsinnige Aussage«, polterte der Baron. »Das sagst du, um Feyd-Rautha zu verwirren. Aber das ist völlig unnötig.«

Der Junge mit dem missmutigen Gesicht regte sich im Sessel und glättete eine Falte seines hautengen Anzugs. Er richtete sich auf, als hinter ihm an der Tür ein zurückhaltendes Klopfen ertönte.

Piter erhob sich aus seinem Sessel, ging an die Tür und öffnete sie gerade weit genug, um einen Nachrichtenzylinder entgegenzunehmen. Nachdem er die Tür wieder geschlossen hatte, entrollte er den Inhalt des Zylinders und überflog ihn. Er gab ein leises Lachen von sich, dann noch eines.

»Und?«, fragte der Baron fordernd.

»Dieser Dummkopf hat geantwortet, Baron.«

»Wann hat ein Atreides jemals die Gelegenheit zu einer großen Geste ausgeschlagen?«, sagte der Baron. »Und, was schreibt er?«

»Er ist höchst ungehobelt, Baron. Er spricht Sie als ›Harkonnen‹ an, kein ›Sire und geschätzter Cousin‹, kein Titel, kein gar nichts.«

»Es ist ein guter Name«, knurrte der Baron, und sein Tonfall verriet seine Ungeduld. »Was schreibt der liebe Leto?«

»Er schreibt: ›Die Kunst des Kanly hat noch immer ihre Verehrer im Imperium.‹ Und unterzeichnet hat er mit ›Herzog Leto von Arrakis‹.« Piter lachte. »Von Arrakis! Liebe Güte! Das ist fast schon zu gut!«

»Sei still, Piter«, knurrte der Baron, und Piters Lachen verstummte, als hätte man einen Schalter umgelegt. »Kanly also?«, sagte der Baron. »Eine Vendetta, was? Und er benutzt dieses hübsche alte Wort, das von Traditionen trieft, damit ich auch ganz sicher weiß, dass er es ernst meint.«

»Sie haben eine Geste des Friedens gemacht, Baron«, sagte Piter. »Die Form wurde gewahrt.«

»Für einen Mentaten redest du zu viel, Piter«, sagte der Baron. Und er dachte: Ich muss mir diesen Kerl bald vom Hals schaffen. Er ist mir kaum noch von Nutzen. Der Baron sah quer durch den Raum seinen Mentaten-Assassinen an, und sofort fiel ihm das an Piter auf, was die meisten als Erstes bemerkten – die Augen, die überschatteten Schlitze aus Blau in Blau, diese Augen, in denen überhaupt kein Weiß mehr zu sehen war.

Ein Grinsen huschte über Piters Gesicht, unter den Augen wie Löchern hatte es etwas Maskenhaftes. »Aber Baron! Nie war Rache schöner. Wir sehen hier einen Plan von erlesenster Hinterlist. Leto dazu zu bringen , dass er Caladan gegen den Wüstenplaneten eintauscht – und zwar ohne dass ihm eine Alternative bleibt, weil der Imperator es befiehlt. Sie sind ein Schelm!«

Mit kalter Stimme sagte der Baron: »Du hast Sprechdurchfall, Piter.«

»Aber ich bin glücklich, mein Baron. Während Sie … Sie verspüren einen Anflug von Neid.«

»Piter!«

»Ah-ah, Baron! Ist es nicht bedauerlich, dass Sie nicht in der Lage waren, sich diese köstliche Intrige selbst auszudenken?«

»Eines Tages werde ich dich strangulieren lassen, Piter.«

»Aber gewiss, Baron. Enfin! Doch eine gute Tat ist nie vergebens, oder?«

»Hast du Verit oder Semuta gekaut, Piter?«

»Wahre Worte ohne Furcht überraschen den Baron«, sagte Piter. Er setzte eine gespielt finstere Miene auf. »Ah, ha! Aber Sie müssen sich darüber im Klaren sein, Baron, dass ich als Mentat weiß, wann Sie den Henker schicken. Sie werden sich zurückhalten, solange ich Ihnen von Nutzen bin. Früher zu handeln wäre Verschwendung, und noch kann man mich zu vielem gebrauchen. Ich weiß, welche Lektion Sie von diesem wunderbaren Dünenplaneten gelernt haben – verschwende nie etwas. Nicht wahr, Baron?«

Der Baron starrte Piter weiter an.

Feyd-Rautha rutschte in seinem Stuhl herum. Dieses alberne Gerangel der beiden! , dachte er. Mein Onkel kann nicht mit seinem Mentaten reden, ohne Streit anzufangen. Denken die etwa, dass ich nichts Besseres zu tun hätte, als mir ihr Gezänk anzuhören?

»Feyd«, sagte der Baron. »Als ich dich hergebeten habe, habe ich dir gesagt, dass du zuhören und lernen sollst. Lernst du etwas?«

»Ja, Onkel.« Feyd-Rautha war sorgsam auf einen unterwürfigen Tonfall bedacht.

»Manchmal gibt mir Piter wirklich zu denken«, sagte der Baron. »Ich verursache aus Notwendigkeit Schmerz, aber er … ich könnte schwören, dass es ihm echte Freude bereitet. Ich für meinen Teil kann Mitleid mit dem armen alten Herzog Leto empfinden. Dr. Yueh wird bald handeln, und das wird dann das Ende der Familie Atreides sein. Aber mit Sicherheit wird Leto erkennen, wessen Hand den gefügigen Doktor lenkte – und dieses Wissen wird schrecklich für ihn sein.«

»Warum haben Sie den Doktor dann nicht angewiesen, Leto still und effektiv einen Kindjal zwischen die Rippen zu bohren?«, fragte Piter. »Sie sprechen von Mitgefühl, aber …«

»Der Herzog muss begreifen, dass ich es bin, der hinter seinem Verderben steht«, erwiderte der Baron. »Und die anderen Großen Häuser müssen auch davon erfahren. Dieses Wissen wird sie zum Nachdenken bringen. Was mir etwas Spielraum verschafft. Die Notwendigkeit ist offensichtlich, aber deshalb muss mir das nicht gefallen.«

»Spielraum«, höhnte Piter. »Schon jetzt hat der Imperator Sie im Auge, Baron. Sie handeln zu kühn. Eines Tages wird er ein bis zwei Legionen seiner Sardaukar hierher nach Giedi Primus schicken, und dann ist es vorbei mit Baron Vladimir Harkonnen.«

»Das würde dir gefallen, was, Piter?«, sagte der Baron. »Es würde dir gefallen zu sehen, wie ein Sardaukar-Korps meine Städte plündert und dieses Schloss hier einnimmt. Das würde dir wirklich Freude bereiten.«

»Muss der Baron das überhaupt fragen?«, flüsterte Piter.

»Du hättest ein Baschar bei den Korps werden sollen«, sagte der Baron. »Du interessierst dich zu sehr für Blut und Schmerz. Vielleicht war es voreilig von mir, dir etwas von unserer Beute auf Arrakis zu versprechen.«

Piter machte fünf seltsam affektierte Schritte in den Raum hinein und blieb direkt hinter Feyd-Rautha stehen. Knisternde Anspannung lag in der Luft, der Junge blickte mit einem besorgten Stirnrunzeln zu Piter auf.

»Spielen Sie lieber nicht mit Piter, Baron«, sagte der Mentat. »Sie haben mir Lady Jessica versprochen … Sie haben sie mir versprochen.«

»Wofür willst du sie, Piter?«, fragte der Baron. »Für Schmerzen?«

Piter starrte ihn an, während sich das Schweigen ausdehnte.

Feyd-Rautha bewegte seinen Suspensorsessel zur Seite und sagte: »Onkel, muss ich bleiben? Du meintest, du …«

»Mein liebster Feyd-Rautha wird ungeduldig«, sagte der Baron und bewegte sich neben dem Globus in den Schatten. »Geduld, Feyd.« Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Mentaten zu. »Was ist mit dem Herzöglein, dem Kind Paul, mein lieber Piter?«

»Die Falle wird ihn in Ihre Hände spielen, Baron«, brummte Piter.

»Das habe ich nicht gefragt«, sagte der Baron. »Du wirst dich an deine Vorhersage erinnern, dass die Bene-Gesserit-Hexe dem Herzog eine Tochter gebären wird. Da hast du dich geirrt, nicht wahr, Mentat?«

»Ich irre mich nur selten, Baron«, sagte Piter, und erstmals lag ein Hauch von Angst in seiner Stimme. »Das müssen Sie mir zugestehen. Und Sie wissen selbst, dass die Bene Gesserit meistens Töchter zur Welt bringen. Auch die Gemahlin des Imperators hat nur weibliche Kinder hervorgebracht.«

»Onkel«, sagte Feyd-Rautha, »du meintest, dass es hier etwas Wichtiges für mich …«

»Hör dir meinen Neffen an«, sagte der Baron. »Er hat es darauf abgesehen, über meine Baronie zu herrschen, dabei hat er sich nicht einmal selbst im Griff.« Der Baron regte sich neben dem Globus, ein Schatten in den Schatten. »Also gut, Feyd-Rautha Harkonnen, ich habe dich in der Hoffnung hierherbestellt, dir etwas Klugheit beizubringen. Hast du unseren Mentaten beobachtet? Du müsstest etwas aus unserem Wortwechsel gelernt haben.«

»Aber Onkel …«

»Ein höchst tüchtiger Mentat, unser Piter, findest du nicht, Feyd?«

»Ja, aber …«

»Ah! Allerdings, aber ! Aber er nimmt zu viel Gewürz zu sich, er konsumiert es wie eine Süßigkeit. Sieh dir seine Augen an! Er könnte ebenso gut ein Tagelöhner auf Arrakis sein. Er ist tüchtig, aber er ist trotzdem emotional und neigt zu leidenschaftlichen Ausbrüchen. Tüchtig ist er, unser Piter, aber er kann sich irren.«

Leise und im Schmollton sagte Piter: »Haben Sie mich hergerufen, um meine Tüchtigkeit durch Kritik zu beeinträchtigen, Baron?«

»Deine Tüchtigkeit beeinträchtigen? Du kennst mich doch, Piter, ich will nur, dass mein Neffe begreift, welche Grenzen einem Mentaten gesetzt sind.«

»Bilden Sie bereits meinen Nachfolger aus?«, wollte Piter wissen.

»Einen Nachfolger für dich ? Aber Piter, wo sollte ich denn einen anderen Mentaten finden, der eine so verschlagene Giftschlange ist wie du?«

»Am selben Ort, an dem Sie mich gefunden haben, Baron.«

»Hm, vielleicht sollte ich das wirklich versuchen«, sinnierte der Baron. »Du kommst mir in letzter Zeit etwas instabil vor. Und wie viel Gewürz du verspeist!«

»Sind meine Verlustierungen zu teuer, Baron? Haben Sie Einwände dagegen?«

»Mein lieber Piter, deine Verlustierungen sind es, die dich an mich binden. Wie könnte ich etwas dagegen haben? Ich möchte lediglich, dass mein Neffe das an dir sieht.«

»Dann werde ich also vorgeführt«, sagte Piter. »Soll ich tanzen? Soll ich dem hochgeehrten Feyd-Rautha meine zahlreichen Talente demonstrieren?«

»Ganz genau«, sagte der Baron, »du wirst vorgeführt. Und jetzt sei still.« Er wandte sich Feyd-Rautha zu, und sein Blick fiel auf die Lippen seines Neffen, den vollen Schmollmund, genetischer Ausweis der Harkonnen und in diesem Moment in leichter Belustigung verzogen. »Dieses Geschöpf ist ein Mentat, Feyd. Man hat es dazu ausgebildet und konditioniert, bestimmte Pflichten zu erfüllen. Jedoch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass es in einem menschlichen Körper steckt. Das ist ein ernsthafter Nachteil. Manchmal glaube ich, dass unsere Vorfahren mit ihren Denkmaschinen auf der richtigen Spur waren.«

»Im Vergleich zu mir waren das Spielzeuge«, fauchte Piter. »Selbst Sie, Baron, könnten Besseres leisten als diese Maschinen

»Mag sein«, sagte der Baron. »Ach ja …« Er holte tief Luft und rülpste. »Und jetzt, Piter, umreiße für meinen Neffen die hervorstechenden Merkmale unserer Kampagne gegen das Haus Atreides. Übe deine Funktion als Mentat aus, wenn es dir genehm ist.«

»Baron, ich habe Sie davor gewarnt, einem so jungen Menschen diese Informationen anzuvertrauen. Meine Beobachtungen …«

»Das lass meine Sorge sein«, sagte der Baron. »Ich befehle es dir, Mentat. Demonstriere eines deiner zahlreichen Talente.«

»So sei es«, sagte Piter. Er straffte sich und nahm eine seltsam würdevolle Haltung an – als setzte er eine weitere Maske auf, die diesmal seinen ganzen Körper bedeckte. »In einigen Standardtagen wird der gesamte Hofstaat von Herzog Leto mit einem Schiff der Raumgilde nach Arrakis aufbrechen. Die Gilde wird die Atreides bei der Stadt Arrakeen absetzen, nicht bei unserer Stadt Carthag. Der Mentat des Herzogs, Thufir Hawat, wird zu Recht zu dem Schluss gelangt sein, dass sich Arrakeen besser verteidigen lässt.«

»Hör gut zu, Feyd«, sagte der Baron. »Beachte, wie sich in jedem Plan ein weiterer versteckt, und darin noch einer.«

Feyd-Rautha nickte und dachte: So habe ich mir das schon eher vorgestellt. Endlich weiht mich das alte Ungetüm in ein paar Geheimnisse ein. Offenbar will er mich wirklich als seinen Erben.

»Es gibt mehrere randständige Möglichkeiten«, sagte Piter. »Ich sage voraus, dass das Haus Atreides nach Arrakis gehen wird. Wir dürfen allerdings nicht die Möglichkeit außer Acht lassen, dass der Herzog eine Abmachung mit der Gilde getroffen hat und man ihn an einen sicheren Ort außerhalb des Systems bringen wird. Schon andere Häuser sind unter ähnlichen Umständen zu Renegaten geworden. Sie haben ihre Atomwaffen und Schilde mitgenommen und sind über die Grenzen des Imperiums geflohen.«

»Dafür ist der Herzog ein zu stolzer Mann«, sagte der Baron.

»Die Möglichkeit besteht«, sagte Piter. »Im Endeffekt liefe es für uns aber auf das Gleiche hinaus.«

»Nein, das liefe es nicht!«, zischte der Baron. »Ich brauche ihn tot – und sein Haus muss mit ihm sterben.«

Piter nickte. »Das ist das Wahrscheinlichere. Es gibt gewisse Vorbereitungen, die darauf hindeuten, dass ein Haus abtrünnig wird. Der Herzog trifft offensichtlich keine davon.«

»Na also.« Der Baron seufzte. »Mach weiter, Piter.«

»In Arrakeen«, sagte Piter, »wird der Herzog mit seiner Familie die Residenz beziehen, die zuletzt das Zuhause von Graf und Lady Fenring war.«

»Der Schmuggler-Botschafter«, warf der Baron kichernd ein.

»Was für ein Botschafter?«, fragte Feyd-Rautha.

»Dein Onkel beliebt zu scherzen«, sagte Piter. »Er nennt Graf Fenring Schmuggler-Botschafter und spielt damit auf das Interesse des Imperators am Schmuggel auf Arrakis an.«

Feyd-Rautha sah seinen Onkel verwirrt an. »Warum?«

»Sei nicht dumm, Feyd«, blaffte der Baron. »Wie sollte es denn anders sein, solange sich die Gilde der Kontrolle durch das Imperium weitgehend entzieht? Wie sonst sollten sich Spione und Assassinen bewegen?«

Feyd-Rauthas Mund bildete ein lautloses »Oh«.

»Wir haben in der Residenz für Ablenkung gesorgt«, fuhr Piter fort. »Es wird einen Anschlag auf das Leben des Atreides-Erben geben – einen Anschlag, der von Erfolg gekrönt sein könnte.«

»Piter«, polterte der Baron, »du hast vorhergesagt …«

»Ich habe vorhergesagt, dass es zu Unfällen kommen kann«, sagte Piter. »Und der Anschlag muss glaubwürdig aussehen.«

»Ah, aber der Junge hat einen so süßen Körper«, sagte der Baron. »Natürlich ist er potenziell gefährlicher als der Vater … wo er doch von seiner Hexenmutter ausgebildet wird. Verfluchte Frau! Nun ja, mach weiter, Piter.«

»Hawat wird voraussehen, dass wir einen Agenten auf ihn angesetzt haben«, erklärte Piter. »Der offensichtliche Verdächtige ist Dr. Yueh, der tatsächlich unser Agent ist. Aber Hawat hat Untersuchungen angestellt und herausgefunden, dass unser Doktor ein Absolvent der Suk-Schule mit imperialer Konditionierung ist – eigentlich müsste er damit vertrauenswürdig genug sein, um selbst den Imperator zu behandeln. Man geht davon aus, dass die ultimative Konditionierung nicht entfernt werden kann, ohne die betreffende Person zu töten. Aber wie einmal jemand feststellte, kann man mit dem richtigen Hebel sogar einen Planeten bewegen. Wir haben den Hebel gefunden, mit dem sich der Doktor bewegen lässt.«

»Wie?«, fragte Feyd-Rautha. Dieses Thema fand er faszinierend. Jeder wusste, dass sich eine imperiale Konditionierung nicht unterwandern ließ.

»Ein andermal«, sagte der Baron. »Weiter, Piter.«

»Anstelle von Yueh werfen wir Hawat also eine andere hochinteressante Verdächtige zum Fraß vor«, sagte Piter. »Die schiere Kühnheit eines Verdachts gegen diese Person wird seine Aufmerksamkeit erregen.«

»Eine Frau?«, fragte Feyd-Rautha.

»Die Lady Jessica persönlich«, sagte der Baron.

»Ist das nicht göttlich?«, sagte Piter. »Hawats Verstand wird so sehr mit dieser Möglichkeit befasst sein, dass seine Funktion als Mentat darunter leidet. Vielleicht wird er sogar versucht sein, sie zu töten.« Piter runzelte die Stirn. »Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er tatsächlich dazu fähig ist.«

»Du willst nicht, dass er das tut, was?«, sagte der Baron.

»Bleiben wir bei der Sache, Baron«, sagte Piter. »Während Hawat mit Lady Jessica beschäftigt ist, lenken wir ihn zusätzlich mit ein paar Aufständen in Garnisonsstädten und derlei mehr ab. Diese Aufstände wird man niederschlagen. Der Herzog soll glauben, dass er ein gewisses Maß an Sicherheit gewinnt. Und dann, wenn die Zeit reif ist, geben wir Yueh ein Zeichen und marschieren mit unserer Hauptstreitkraft ein … ähm …«

»Nur zu, erzähl ihm alles«, sagte der Baron.

»Wir marschieren verstärkt um zwei mit Harkonnen-Uniformen getarnte Sardaukar-Legionen ein.«

»Sardaukar?«, hauchte Feyd-Rautha. Seine Gedanken wandten sich den gefürchteten imperialen Truppen zu, den gnadenlosen Killern, den fanatischen Soldaten des Padischah-Imperators.

»Du siehst, wie sehr ich dir vertraue, Feyd«, sagte der Baron. »Nicht ein Hauch von alldem darf jemals einem anderen Haus zu Ohren kommen, sonst würde sich der Landsraad womöglich gegen das Haus des Imperators zusammenschließen, und Chaos wäre die Folge.«

»Die Hauptsache ist«, sagte Piter, »dadurch, dass das Haus Harkonnen eingesetzt wird, um die schmutzige Arbeit des Imperiums zu erledigen, gewinnen wir einen echten Vorteil. Es ist natürlich ein gefährlicher Vorteil, aber wenn wir ihn achtsam einsetzen, werden wir den Harkonnen größere Reichtümer verschaffen, als irgendein anderes imperiales Haus sie besitzt.«

»Du machst dir keine Vorstellung, um was für Reichtümer es geht, Feyd«, sagte der Baron. »Nicht in deinen wildesten Träumen. Für den Anfang erhalten wir einen permanenten Posten im Direktorat der MAFEA-Gesellschaft.«

Feyd-Rautha nickte. Es ging um Reichtum. Die MAFEA war der Schlüssel zum Reichtum, und jedes Adelshaus angelte sich aus der Schatzkammer der Gesellschaft so viel wie über das Direktorat möglich. Die MAFEA-Direktoratsposten – sie waren der eigentliche Ausweis politischer Macht im Imperium. Und sie passten sich der Stimmenstärke im Landsraad an, der ein Gegengewicht zum Imperator und dessen Unterstützern darstellte.

»Herzog Leto wird vielleicht versuchen, zu dem Fremen-Abschaum am Rande der Wüste zu fliehen«, sagte Piter. »Oder seine Familie in diese trügerische Sicherheit zu schicken. Aber dieser Weg wird ihm durch einen Agenten Seiner Majestät versperrt sein – den planetaren Ökologen. Du erinnerst dich vielleicht an ihn – Kynes.«

»Feyd erinnert sich an ihn«, sagte der Baron. »Red weiter.«

»Ihr Geifern ist recht unschön, Baron«, sagte Piter.

»Red weiter, habe ich gesagt!«, brüllte der Baron.

Piter zuckte mit den Schultern. »Wenn alles wie geplant abläuft«, sagte er, »dann wird das Haus Harkonnen innerhalb eines Standardjahrs ein neues Lehen auf Arrakis haben. Dein Onkel wird über dieses Lehen verfügen. Und sein persönlicher Agent wird auf Arrakis herrschen.«

»Mehr Profite«, bemerkte Feyd-Rautha.

»In der Tat«, sagte der Baron. Und er dachte: Das ist nur gerecht. Wir sind es, die Arrakis gezähmt haben  … abgesehen von diesen Fremen-Missgeburten, die sich an den Rändern der Wüste verstecken  … und einigen handzahmen Schmugglern, die beinahe ebenso fest an den Planeten gebunden sind wie die einheimischen Arbeitskräfte.

»Und die Großen Häuser werden wissen, dass der Baron die Atreides vernichtet hat«, sagte Piter. »Sie werden es wissen.«

»Sie werden es wissen«, hauchte der Baron.

»Das Allerschönste daran ist allerdings«, sagte Piter, »dass der Herzog es auch wissen wird. Er weiß es schon jetzt. Er spürt, dass ihn eine Falle erwartet.«

»Es stimmt, der Herzog weiß es.« In der Stimme des Barons lag ein trauriger Unterton. »Er konnte sich diesem Wissen nicht entziehen … umso bedauerlicher.«

Der Baron entfernte sich von dem Arrakis-Globus, und als er aus den Schatten trat, nahm er deutlicher Gestalt an – er war widerwärtig und unglaublich fett. Die Ausbeulungen unter den Falten seiner schwarzen Gewänder verrieten, dass all das Fett großteils von tragbaren Suspensoren gehalten wurde, die er um den Leib geschnallt trug. Er mochte an die zweihundert Standardkilo wiegen, doch seine Füße trugen nicht mehr als fünfzig davon.

»Ich bin hungrig«, brummte der Baron und rieb sich mit seiner beringten Hand die vorstehenden Lippen. Dann sah er aus fettverquollenen Augen Feyd-Rautha an. »Lass etwas zu essen bringen, mein Liebster. Wir halten ein Mahl, bevor wir uns zurückziehen.«