Was verabscheust du? Das ist es, was dich wirklich auszeichnet.

– Aus: »Handbuch des Muad’Dib« von Prinzessin Irulan

»Sie sind tot, Baron«, sagte Iakin Nefud, der Gardehauptmann. »Der Junge und die Frau sind mit Sicherheit tot.«

Baron Vladimir Harkonnen saß aufrecht in den Schlafsuspensoren seiner Privatgemächer. Jenseits dieser Räumlichkeiten und den Baron wie ein Ei mit zahlreichen Schalen umgebend, erstreckte sich die Raumfregatte, mit der er auf Arrakis gelandet war. Doch hier in seinen Gemächern waren die harten Metallwände des Schiffs hinter Wandbehängen verborgen, hinter Stoffpolstern und seltenen Kunstwerken.

»Wir können uns sicher sein«, wiederholte der Gardehauptmann. »Sie sind tot.«

Der Baron verlagerte sein Gewicht in den Suspensoren und blickte auf die Ebalin-Statue eines springenden Jungen, die in einer Nische am anderen Ende des Zimmers stand. Langsam verflüchtigte sich seine Müdigkeit. Er richtete den gepolsterten Suspensor unter den Fettfalten in seinem Nacken und sah an dem Leuchtglobus vorbei zu der Tür, in der Hauptmann Nefud stand. Ein Pentaschild versperrte ihm den Weg.

»Sie sind mit Sicherheit tot, Baron«, wiederholte Nefud.

Der Baron bemerkte den Anflug eines glasigen Semuta-Blicks in den Augen des Mannes. Offensichtlich war Nefud tief im Drogenrausch gewesen, als er den Bericht erhalten hatte, und hatte schnell ein Antidot eingenommen, bevor er hierhergeeilt war.

»Ich habe einen umfassenden Bericht«, sagte Nefud.

Soll er ein bisschen schwitzen , dachte der Baron. Man muss die Werkzeuge der Staatskunst immer gut geschärft und einsatzbereit halten  – Macht und Furcht. »Haben Sie ihre Leichen gesehen?«, polterte er.

Nefud zögerte.

»Nun?«

»Mylord … man hat gesehen, wie sie in einen Sandsturm geflogen sind … mit Windgeschwindigkeiten von über achthundert Stundenkilometern. Nichts überlebt in einem solchen Sturm, Mylord, nichts! Einer unserer eigenen Thopter wurde bei der Verfolgung zerstört.«

Der Baron starrte Nefud an. Ihm fiel das nervöse Zucken der Kieferlinie des Mannes auf, die Art, wie sich sein Kinn bewegte, wenn er schluckte. »Haben Sie die Leichen gesehen?«, wiederholte er.

»Mylord …«

»Warum kommen Sie dann her und plustern sich so auf?«, brüllte der Baron. »Um mir zu erzählen, dass etwas gewiss wäre, was es nicht ist? Glauben Sie, dass ich Sie für derlei Dummheiten lobe, Sie gleich noch mal befördere?«

Nefuds Gesicht wurde leichenblass.

Man sehe sich dieses Hühnchen an , dachte der Baron. Von was für nutzlosen Idioten ich umgeben bin! Wenn ich vor diesem Geschöpf Sand ausstreuen und ihm sagen würde, dass es sich um Korn handelt, würde er anfangen zu picken. »Dieser Idaho hat uns also zu ihnen geführt?«, fragte er.

»Ja, Mylord!«

Wie er seine Antwort herausblökt , dachte der Baron. »Sie haben versucht, zu den Fremen zu fliehen, was?«

»Ja, Mylord.«

»Gibt es sonst noch etwas über diesen … Bericht zu wissen?«

»Kynes, der imperiale Planetologe, ist in die Sache verwickelt, Mylord. Idaho hat sich mit ihm unter geheimnisvollen Umständen getroffen … ich möchte sogar sagen, unter verdächtigen Umständen.«

»Und?«

»Sie … äh, sind gemeinsam an einen Ort in der Wüste geflohen, an dem sich offenbar der Junge und seine Mutter versteckt hielten. In der Hitze der Verfolgung sind unsere Männer in eine Lasgun-Schild-Explosion geraten.«

»Wie viele haben wir verloren?«

»Ich … ähm, ich weiß es noch nicht genau, Mylord.«

Er lügt , dachte der Baron. Dann muss es ziemlich schlimm gewesen sein. »Dieser Lakai des Imperiums, dieser Kynes – hat er also ein doppeltes Spiel gespielt, was?«

»Darauf würde ich meinen Ruf verwetten, Mylord.«

Seinen Ruf! »Lassen Sie ihn töten.«

»Mylord, Kynes ist der imperiale Planetologe. Ein Diener Seiner Majestät höchstpersönlich …«

»Dann soll es eben wie ein Unfall aussehen.«

»Mylord, bei der Unterwerfung dieses Fremen-Nests waren Sardaukar bei unseren Truppen. Sie sind es, die Kynes nun in Gewahrsam haben.«

»Dann holen Sie ihn da weg. Sagen Sie, dass ich ihn befragen will.«

»Und wenn sie Einwände erheben?«

Der Baron kniff die Augen zusammen. »Das werden sie nicht, wenn Sie die Sache richtig anpacken.«

Nefud schluckte. »Ja, Mylord.«

»Der Mann muss sterben. Er hat versucht, meinen Feinden zu helfen.«

Nefud trat von einem Fuß auf den anderen.

»Was noch?«

»Mylord, die Sardaukar haben … zwei Personen in ihrem Gewahrsam, die interessant für Sie sein könnten. Sie haben auch den Assassinenmeister des Herzogs gefangen genommen.«

»Hawat? Thufir Hawat?«

»Ja. Ich habe den Gefangenen selbst gesehen, Mylord. Es ist Hawat.«

»Das hätte ich nicht für möglich gehalten!«

»Offenbar wurde er von einer Betäubungspistole getroffen, Mylord. In der Wüste, wo er seinen Schild nicht einsetzen konnte. Er ist praktisch unverletzt. Wenn wir ihn in die Finger bekommen, haben wir sicher viel Freude an ihm.«

»Sie sprechen von einem Mentaten. Einen Mentaten verschwendet man nicht. Hat er schon geredet? Was sagt er zu seiner Niederlage? Weiß er möglicherweise, wie sehr … aber nein.«

»Er hat fast nichts gesagt. Aber aus dem wenigen, was er gesagt hat, wurde deutlich, dass er meint, von Lady Jessica verraten worden zu sein.«

»Aahh …« Der Baron ließ sich zurücksinken und dachte nach. »Sind Sie sich sicher? Ist es Lady Jessica, die seinen Zorn auf sich zieht?«

»Er hat es in meiner Anwesenheit gesagt, Mylord.«

»Dann soll er glauben, dass sie noch lebt.«

»Aber Mylord …«

»Seien Sie still! Ich möchte, dass Hawat freundlich behandelt wird. Er darf nichts von Yueh erfahren, dem wirklichen Verräter. Man soll sagen, dass Dr. Yueh bei der Verteidigung des Herzogs starb – und in gewisser Weise stimmt das sogar. Jedenfalls nähren wir stattdessen seinen Verdacht gegen Lady Jessica.«

»Mylord, ich weiß nicht …«

»Man kontrolliert einen Mentaten durch die Informationen, die man ihm gibt, Nefud. Falsche Informationen – falsche Ergebnisse.«

»Ja, Mylord, aber …«

»Hat Hawat Hunger? Durst?«

»Mylord, Hawat befindet sich nach wie vor in den Händen der Sardaukar.«

»Allerdings. Aber die Sardaukar werden ebenso dringend Informationen aus Hawat herausbekommen wollen wie ich. Und mir ist etwas an unseren Verbündeten aufgefallen, Nefud. Sie sind nicht besonders durchtrieben – politisch gesehen. Ich glaube, das ist Absicht – der Imperator will es so. Ja, das glaube ich. Sie werden den Befehlshaber der Sardaukar daran erinnern, dass ich bekannt dafür bin, Informationen aus widerspenstigen Subjekten herauszubekommen.«

Nefud sah unglücklich aus. »Ja, Mylord.«

»Sie sagen dem Sardaukar-Befehlshaber, dass ich Hawat und diesen Kynes gleichzeitig befragen will – um den einen gegen den anderen auszuspielen. Das zumindest sollte er verstehen.«

»Ja, Mylord.«

»Und sobald wir sie in den Fingern haben …« Der Baron nickte.

»Mylord, die Sardaukar werden bei der … Befragung einen Beobachter dabei haben wollen.«

»Ich bin mir sicher, dass wir eine Notsituation erzeugen können, die einen solch unerwünschten Beobachter ablenken wird.«

»Ich verstehe, Mylord. Das ist dann der Moment, in dem Kynes seinen Unfall haben kann.«

»Sowohl Kynes als auch Hawat werden dann Unfälle erleiden, Nefud. Aber nur Kynes wird einen richtigen Unfall haben. Hawat will ich behalten. Ja. Ah, ja.«

Nefud blinzelte und schluckte. Offenbar wollte er eine Frage stellen, doch er schwieg.

»Hawat bekommt zu essen und zu trinken«, sagte der Baron. »Behandeln Sie ihn freundlich. Aber mit seinem Wasser verabreichen Sie ihm das von Piter de Vries entwickelte Spurengift. Und gleichzeitig sorgen Sie dafür, dass das Antidot fester Bestandteil von Hawats Speiseplan ist – bis ich etwas anderes anordne.«

»Das Antidot, ja.« Nefud schüttelte den Kopf. »Aber …«

»Sind Sie begriffsstutzig, Nefud? Das Giftgas, das der Herzog in meiner Gegenwart ausgeatmet hat, hat mich meines höchst wertvollen Mentaten Piter beraubt. Ich brauche einen Ersatz.«

»Hawat?«

»Hawat.«

»Aber …«

»Sie wollen sagen, dass Hawat den Atreides ganz und gar treu ergeben ist. Das stimmt, aber die Atreides sind tot. Wir werden ihn umwerben. Er muss zu der Überzeugung gelangen, dass ihn keinerlei Schuld am Schicksal des Herzogs trifft. Es war alles das Werk dieser Bene-Gesserit-Hexe. Er hat einem minderwertigen Herrn gedient, einem, dessen Verstand durch Gefühle getrübt war. Mentaten bewundern die Fähigkeit zur gefühllosen Berechnung, Nefud. Wir werden den herausragenden Thufir Hawat umwerben.«

»Ihn umwerben. Ja, Mylord.«

»Hawat hatte unglücklicherweise einen Herrn mit armseligen Ressourcen, der ihn nicht auf die Gipfel des Denkens heben konnte, die einem Mentaten angemessen sind. Darin wird er ein gewisses Maß an Wahrheit sehen – der Herzog konnte sich einfach keine tüchtigen Spione leisten, um seinen Mentaten mit den nötigen Informationen zu versorgen.« Der Baron sah Nefud an. »Wir sollten uns nichts vormachen, Nefud. Wir wissen, wie wir die Atreides besiegt haben. Und Hawat weiß es ebenfalls. Wir haben sie mit unserem Reichtum besiegt.«

»Mit Reichtum. Ja, Mylord.«

»Wir werden Hawat umwerben. Wir werden ihn vor den Sardaukar verstecken. Und in der Hinterhand behalten wir … den Entzug des Antidots. Und, Nefud, Hawat wird nichts davon ahnen. Kein Giftschnüffler erkennt das Antidot – Hawat kann sein Essen so oft untersuchen, wie er will.«

Nefud riss die Augen weit auf, als er begriff.

»Das Fehlen von etwas«, sagte der Baron, »kann so gefährlich sein wie sein Vorhandensein. Das Fehlen von Luft. Das Fehlen von Wasser. Das Fehlen von etwas, wonach wir süchtig sind.« Er nickte. »Du verstehst mich doch, Nefud?«

Nefud schluckte. »Ja, Mylord.«

»Dann mach dich ans Werk. Finde den Sardaukar-Befehlshaber, und bring die Dinge ins Rollen.«

»Sofort, Mylord.« Nefud verbeugte sich, drehte sich um und eilte davon.

Hawat an meiner Seite! , dachte der Baron. Die Sardaukar werden ihn mir geben. Wenn sie überhaupt einen Verdacht schöpfen, dann den, dass ich den Mentaten vernichten will. Und diesen Verdacht werde ich ihnen bestätigen. Diese Narren! Einer der herausragendsten Mentaten der Geschichte, ein Mentat, der zum Töten ausgebildet ist, und sie werfen ihn mir vor wie ein Spielzeug zum Kaputtschlagen. Ich zeige ihnen, was man aus so einem Spielzeug machen kann!

Er griff hinter den Wandvorhang neben dem Bett und drückte auf einen Knopf, um seinen älteren Neffen Rabban herbeizubeordern. Lächelnd lehnte er sich zurück.

Und alle Atreides sind tot!

Natürlich hatte der dumme Gardehauptmann recht – nichts konnte einen großen Sandsturm auf Arrakis überleben. Kein Ornithopter … und auch nicht seine Insassen. Die Frau und der Junge waren tot. Die gut investierten Bestechungsgelder, die unvorstellbaren Ausgaben, um eine gewaltige militärische Streitmacht auf einen einzigen Planeten zu befördern, die Hintertriebenheit, mit der er Berichte allein für das Ohr des Imperators maßgeschneidert hatte … all die sorgfältig geschmiedeten Pläne trugen nun endlich Früchte.

Macht und Furcht  – Furcht und Macht.

Der Baron konnte den vor ihm liegenden Weg deutlich erkennen. Eines Tages würde ein Harkonnen Imperator sein. Nicht er selbst – und auch keine Frucht seiner Lenden. Aber ein Harkonnen. Natürlich nicht Rabban, den er gerade gerufen hatte. Sonderns Rabbans kleiner Bruder, der junge Feyd-Rautha. Er hatte eine Schläue, die dem Baron gefiel … eine Wildheit. Ein wunderhübscher Junge , dachte er. Noch ein oder zwei Jahre  – sagen wir, wenn er siebzehn ist  – , dann weiß ich genau, ob er das Werkzeug ist, das das Haus Harkonnen braucht, um den Thron zu erlangen.

»Mylord.«

Der Mann, der jetzt vor dem Kraftfeld in der Tür zum Schlafgemach des Barons stand, war gedrungen und hatte die dicht beieinanderstehenden Augen und die wulstigen Schultern der väterlichen Harkonnen-Linie. Sein Fett hatte noch eine gewisse Festigkeit, aber es war offensichtlich, dass auch er eines Tages die Hilfe von Suspensoren benötigen würde, um sein Gewicht zu tragen.

Ein Muskelberg mit dem Gehirn eines Kampfpanzers , dachte der Baron. Kein Mentat, mein Neffe, kein Piter de Vries, aber ein Werkzeug, das vielleicht sogar besser für die anstehende Aufgabe geeignet ist. Wenn ich ihm freie Hand lasse, wird er alles in seiner Bahn niederwalzen. Oh, wie sehr sie ihn hier auf Arrakis hassen werden!

»Mein lieber Rabban!« Der Baron schaltete das Kraftfeld ab, aber ließ seinen persönlichen Schild demonstrativ auf voller Kraft. Er wusste, dass man das Schimmern im schwachen Schein des Nachttischglobus sehen konnte.

»Du hast mich gerufen«, sagte Rabban. Er betrat das Zimmer, streifte mit dem Blick kurz die Luftverzerrung um den Baron und sah sich dann erfolglos nach einem Suspensorstuhl um.

»Komm näher heran, damit ich dich besser sehen kann«, sagte der Baron.

Rabban machte einen weiteren Schritt und dachte dabei, dass der verdammenswerte alte Mann mit Absicht alle Stühle hatte entfernen lassen, sodass seine Besucher stehen mussten.

»Die Atreides sind tot«, sagte der Baron. »Bis auf den letzten Mann. Deshalb habe ich dich hierher nach Arrakis gerufen. Dieser Planet gehört nun wieder dir.«

Rabban blinzelte. »Aber ich dachte, du wolltest Piter de Vries zum …«

»Piter ist ebenfalls tot.«

»Piter?«

»Piter.«

Der Baron schaltete das Kraftfeld in der Tür wieder an und stellte es so ein, dass es den Raum gegen alle Formen von Energie abschirmte.

»Warst du ihn endlich leid, was?«, fragte Rabban. In dem abgeschirmten Raum klang seine Stimme flach und leblos.

Der Baron kniff die Augen zusammen. »Mein lieber Rabban, ich möchte dir das nur einmal sagen. Du deutest an, dass ich Piter beseitigt habe, wie man eine Lappalie beseitigt.« Er schnippte mit den fetten Fingern. »Einfach so, was? Aber so dumm bin ich nicht, Neffe. Solltest du jemals wieder durch Worte oder Handlungen andeuten, dass ich so dumm bin, werde ich das nicht freundlich aufnehmen.«

Angst war auf Rabbans Gesicht erkennbar. Er wusste, wie weit der alte Baron innerhalb seiner Familie gehen würde. Selten so weit, jemanden umzubringen – wenn es nicht gerade um große Profite oder eine außerordentliche Provokation ging –, aber die Strafen konnten dennoch ziemlich schmerzhaft ausfallen.

»Vergib mir, Mylord.« Rabban senkte den Blick, zum einen, um seine Wut zu verbergen, zum anderen, um sich unterwürfig zu zeigen.

»Du hältst mich nicht zum Narren, Rabban«, sagte der Baron. »Im Übrigen geht es hier um die Sache. Man darf nie jemanden auslöschen, ohne zuvor gut darüber nachzudenken, so, wie es ein Staatswesen auf der Grundlage anzuwendenden Rechts tun würde. Man muss immer einen guten Grund dafür haben – und man muss diesen Grund kennen

Jetzt starrte Rabban seinen Onkel fast schon panisch an.

Doch der Baron lächelte. »Ich gehe sehr vorsichtig mit gefährlichen Waffen um. Dr. Yueh war ein Verräter, er hat mir den Herzog gegeben. Ich habe einen Arzt der Suk-Schule für meine Zwecke eingespannt. Der inneren Schule! Hörst du, Junge? Aber so etwas ist eine Waffe, die man nicht einfach herumliegen lässt. Ich habe ihn nicht beiläufig ausgelöscht.«

Rabban schluckte. »Weiß der Imperator davon, dass du dich eines Suk-Arztes bedient hast?«

Eine scharfsinnige Frage , dachte der Baron. Beurteile ich meinen Neffen etwa falsch? »Nein, der Imperator weiß noch nichts davon. Seine Sardaukar werden es ihm bestimmt berichten, doch bevor es so weit kommt, wird er meinen eigenen Bericht in Händen halten, den ich ihm über unsere MAFEA-Kanäle zukommen lasse. Darin erkläre ich, dass ich glücklicherweise auf einen Arzt gestoßen bin, der sich für konditioniert ausgegeben hat, ein Betrüger, verstehst du? Und da jeder weiß, dass man die Konditionierung der Suk-Schule nicht aufheben kann, wird er das glauben.«

»Ich verstehe«, murmelte Rabban.

Und der Baron dachte: Das will ich hoffen, dass du das verstehst. Ich hoffe, dir ist klar, dass das unbedingt geheim bleiben muss. Mit einem Mal wunderte er sich über sich selbst. Warum habe ich das getan? Warum habe ich vor diesem Trottel von einem Neffen geprahlt  – ausgerechnet vor dem Neffen, den ich benutzen und dann wegwerfen werde?

»Das muss ein Geheimnis bleiben«, sagte Rabban. »Ich verstehe.«

Der Baron seufzte. »Diesmal erhältst du von mir andere Anweisungen für Arrakis, Neffe. Als du hier das letzte Mal geherrscht hast, habe ich dir straffe Zügel angelegt. Diesmal verlange ich nur eines.«

»Mylord?«

»Einkünfte.«

»Einkünfte?«

»Hast du auch nur im Entferntesten eine Vorstellung davon, was es uns gekostet hat, eine derartige Streitmacht gegen die Atreides aufzubieten? Hast du eine Ahnung, welche Summen die Gilde für Militärtransporte verlangt?«

»Teuer?«

»Teuer!« Der Baron hob einen seiner fetten Arme. »Wenn du sechzig Jahre lang jeden Cent aus Arrakis herausquetschst, dann deckt das vielleicht gerade so unsere Kosten.«

Rabban öffnete den Mund und schloss ihn wieder, ohne etwas zu sagen.

»Dieses verdammte Gildenmonopol auf den Weltraum hätte uns ruiniert«, fuhr der Baron fort, »wenn ich diese Aufwendungen nicht schon lange eingeplant hätte. Du musst wissen, Rabban, dass wir die Kosten beinahe allein getragen haben. Wir haben sogar für den Transport der Sardaukar bezahlt.«

Nicht zum ersten Mal fragte sich der Baron, ob sie die Gilde eines Tages würden umgehen können. Sie war hintertrieben, blutete ihre Wirte gerade so sehr aus, dass sie keinen Einspruch erhoben, bis sie einen fest im Griff hatte und zwingen konnte zu zahlen, zu zahlen und wieder zu zahlen. Und dabei entfielen die wirklich exorbitanten Summen immer auf militärische Unterfangen. »Gefahrenzuschläge«, erklärten einem die schmierigen Gildenleute. Und für jeden Agenten, den man als Wachhund in die Gildenbank einschleuste, platzierten sie zwei Agenten bei ihren Klienten. Unerträglich!

»Einnahmen also«, sagte Rabban.

Der Baron senkte den Arm und ballte die Hand zur Faust. »Du musst diesen Planeten ausquetschen.«

»Und ich darf machen, was ich will, solange ich ihn ausquetsche?«

»Alles.«

»Die Geschütze, die du mitgebracht hast. Kann ich …«

»Die ziehe ich ab.«

»Aber du …«

»Diese Spielzeuge wirst du nicht brauchen. Sie waren eine Spezialanfertigung, jetzt sind sie nutzlos. Wir brauchen das Metall. Sie sind nicht gegen Schilde einsetzbar, Rabban, sie haben uns lediglich ein Überraschungsmoment verschafft. Es war abzusehen, dass sich die Männer des Herzogs in Felshöhlen zurückziehen würden. Mit unserer Artillerie haben wir sie darin eingesperrt.«

»Die Fremen verwenden keine Schilde.«

»Du kannst eine Handvoll Lasguns behalten, wenn du möchtest.«

»Danke, Mylord. Und ich habe freie Hand.«

»Ja. Solange du Arrakis ausquetschst.«

Rabban lächelte verschmitzt. »Ich verstehe genau, Mylord.«

»Du verstehst gar nichts genau«, grollte der Baron. »Damit das klar ist, das Einzige, was du verstehst, ist, wie man meine Befehle ausführt. Hast du schon einmal daran gedacht, Neffe, dass es auf diesem Planeten an die fünf Millionen Bewohner gibt?«

»Haben Mylord vergessen, dass ich hier bereits Regent-Siridar war? Und wenn Mylord verzeihen, seine Schätzung ist womöglich zu niedrig angesetzt. Es ist schwer, eine Bevölkerung zu zählen, die in den Sinks und Talbecken verstreut lebt. Bedenkt man dann noch die Fremen …«

»Die Fremen sind es nicht wert, dass man auch nur einen Gedanken an sie verschwendet.«

»Verzeihung, Mylord, aber die Sardaukar sehen das anders.«

Der Baron sah seinen Neffen argwöhnisch an. »Was soll das heißen?«

»Mylord hatten sich bereits zurückgezogen, als ich gestern Abend angekommen bin. Ich … äh … habe mir erlaubt, Verbindung zu einigen meiner Hauptleute von … äh … früher aufzunehmen, die den Sardaukar als Führer dienen. Sie berichten, dass im Südosten ein Fremen-Trupp einer Sardaukar-Streitmacht aufgelauert und sie völlig ausgelöscht hat.«

»Sie haben eine Sardaukar-Streitmacht ausgelöscht

»Ja, Mylord.«

»Unmöglich!«

Rabban zuckte mit den Schultern.

»Fremen, die Sardaukar besiegen? Lächerlich!«

»Ich wiederhole nur das, was man mir berichtet hat«, sagte Rabban. »Angeblich hatten diese Fremen bereits den gefürchteten Thufir Hawat gefangen genommen.«

»Aaahh.« Der Baron nickte lächelnd.

»Ich halte den Bericht jedenfalls für zutreffend. Du weißt ja nicht, was für Probleme uns diese Fremen früher gemacht haben.«

»Vielleicht. Aber das waren keine Fremen, die deine Hauptleute gesehen haben. Es müssen Atreides-Männer gewesen sein, von Hawat ausgebildet und als Fremen verkleidet. Das ist die einzig mögliche Erklärung.«

Erneut zuckte Rabban mit den Schultern. »Nun, die Sardaukar glauben, dass es Fremen waren. Sie planen bereits, die Fremen mit Stumpf und Stiel auszurotten.«

»Gut!«

»Aber …«

»Damit sind die Sardaukar beschäftigt. Und wir haben schon bald Hawat. Ich weiß es. Ich spüre es. Ah, was für ein Tag! Die Sardaukar sind unterwegs, um ein paar nutzlose Wüstenbanden zu jagen, während wir uns die eigentliche Trophäe holen.«

»Mylord …« Rabban runzelte die Stirn. »Ich hatte schon immer das Gefühl, dass wir die Fremen unterschätzen, sowohl zahlenmäßig als auch …«

»Beachte sie gar nicht, Junge! Das ist Geschmeiß. Wichtig für uns sind die bevölkerungsreichen Städte und Dörfer. Da gibt es einen ganzen Haufen Leute, was?«

»Einen ganzen Haufen, Mylord.«

»Sie machen mir Sorgen, Rabban.«

»Sorgen?«

»Nun ja, um neunzig Prozent von ihnen müssen wir uns keine Gedanken machen. Aber es gibt immer einige wenige … Kleine Häuser, Leute mit Ambitionen, die vielleicht etwas Gefährliches versuchen. Wenn einer von ihnen mit einer unschönen Geschichte über das, was hier geschehen ist, Arrakis verlässt, wäre ich höchst ungehalten. Hast du eine Vorstellung davon, wie ungehalten ich wäre?«

Rabban schluckte.

»Du musst sofort Vorkehrungen treffen und dir von jedem Kleinen Haus eine Geisel beschaffen. Jenseits von Arrakis muss es so aussehen, als habe es sich hier um einen Kampf Haus gegen Haus gehandelt. Die Sardaukar hatten nichts damit zu tun, verstehst du? Dem Herzog wurden wie üblich Schonung und Exil angeboten, doch bedauerlicherweise starb er bei einem Unfall, bevor er das Angebot annehmen konnte. Aber er wollte es annehmen. So lautet unsere Geschichte. Jedes Gerücht darüber, dass die Sardaukar hier waren, muss lachhaft erscheinen.«

Rabban nickte. »Gemäß den Wünschen des Imperators.«

»Gemäß den Wünschen des Imperators.«

»Und was ist mit den Schmugglern?«

»Niemand glaubt Schmugglern, Rabban. Man toleriert sie, aber man glaubt ihnen nicht. Trotzdem wirst du ein paar Bestechungsgelder unter ihnen verteilen … und dir noch weitere Maßnahmen einfallen lassen, was dir sicher keine Schwierigkeiten bereiten wird.«

»Ja, Mylord.«

»Ich will also zwei Dinge, Rabban. Einkünfte und eine gnadenlose Hand. Du darfst hier keine Milde zeigen. Stell dir diese Menschen als das vor, was sie sind – missgünstige Sklaven, die nur auf die Gelegenheit warten, sich gegen ihre Herren aufzulehnen. Du darfst dir ihnen gegenüber nicht den leisesten Anflug von Mitgefühl oder Nachsicht leisten.«

»Kann man die Bevölkerung eines ganzen Planeten ausradieren?«, fragte Rabban.

Überrascht wandte der Baron den Kopf. »Ausradieren? Wer hat etwas von Ausradieren gesagt?«

»Nun ja, ich gehe davon aus, dass du neues Brutmaterial herbringen und …«

»Ich sagte ausquetschen, Neffe, nicht ausradieren. Du sollst die Bevölkerung nicht vergeuden, sondern in die totale Unterwerfung treiben. Du musst ein Raubtier sein, mein Junge.« Mit seinem fetten Gesicht lächelte der Baron wie ein Baby. »Ein Raubtier lässt niemals von seiner Beute ab. Zeig keine Gnade. Gnade ist eine Schimäre. Man kann sie mit einem vor Hunger grollenden Magen und einer vor Durst schreienden Kehle besiegen. Du musst immer hungrig und durstig sein.« Er streichelte seinen massigen Leib. »So wie ich.«

»Ja, Mylord.« Rabban blickte nervös nach links und nach rechts.

»Ist also alles klar, Neffe?«

»Nur eines nicht, Onkel. Was ist mit dem Planetologen, diesem Kynes?«

»Ah, ja. Kynes.«

»Er arbeitet für den Imperator, Mylord. Er kann nach Belieben kommen und gehen. Und er steht den Fremen sehr nahe … er hat sogar eine Fremen-Frau geheiratet.«

»Kynes wird den morgigen Tag nicht überleben.«

»Das ist gefährlich, Onkel – einen Diener des Imperators zu töten.«

»Wie, glaubst du, bin ich so weit gekommen?« Die Stimme des Barons war nun gedämpft, fast leise. »Außerdem müssten wir keine Angst haben, dass Kynes Arrakis verlassen könnte. Du vergisst, dass er vom Gewürz abhängig ist. Wer sich darüber im Klaren ist, wird nichts tun, was seine Versorgung gefährdet. Und Kynes ist sich darüber im Klaren.«

»Natürlich«, sagte Rabban. »Das hatte ich vergessen.«

Eine Weile sahen sie sich schweigend an. Dann sagte der Baron: »Übrigens wirst du meine eigene Versorgung mit Gewürz zu einer deiner ersten Aufgaben machen. Ich habe zwar eine ganze Menge für den Privatgebrauch gehortet, aber das Selbstmordkommando des Herzogs hat den Großteil unserer zum Verkauf bestimmten Vorräte zerstört.«

»Ja, Mylord.«

Die Miene des Barons hellte sich auf. »Also, morgen früh versammelst du, was immer hier noch an Verwaltung übrig ist, und sagst zu ihnen: ›Unser erhabener Padischah-Imperator hat mich damit beauftragt, diesen Planeten in Besitz zu nehmen und allen Streitigkeiten ein Ende zu setzen.‹«

»Ich verstehe, Mylord.«

Der Baron nickte. »Nun, davon gehe ich in diesem Fall aus. Morgen besprechen wir die Einzelheiten. Und jetzt lass mich weiterschlafen.« Er schaltete das Kraftfeld an der Tür ab und sah zu, wie sein Neffe verschwand. Das Gehirn eines Kampfpanzers , dachte er. Ein Muskelberg mit dem Gehirn eines Kampfpanzers. Wenn er mit ihnen fertig ist, wird von den Menschen hier nur blutiger Brei übrig sein. Und dann, wenn ich Feyd-Rautha herschicke, um die Last von ihren Schultern zu nehmen, werden sie ihrem Retter zujubeln. Geliebter Feyd-Rautha, gütiger Feyd-Rautha, der Mitfühlende, der sie vor einer Bestie rettet! Feyd-Rautha, ein Mann, dem man folgt und für den man stirbt! Bis dahin wird der Junge wissen, wie man ein Volk subtil unterdrückt. Und er ist ein so hübscher Junge. Ein wirklich hübscher Junge.