In jedem Planetensystem gibt es offensichtliche Einflüsse höherer Ordnung. Das zeigt sich häufig, wenn terraförmiges Leben auf neu entdeckten Planeten eingeführt wird. In diesen Fällen entwickelt das Leben in vergleichbaren Zonen auffällige Ähnlichkeiten bei der Anpassung. Die Art der Anpassung betrifft nicht nur die körperliche Gestalt, sondern auch eine Organisationsweise des Überlebens und ein Verhältnis solcher Organisationsweisen. Die menschliche Suche nach dieser wechselseitig abhängigen Ordnung und unserer Nische darin ist eine tiefgreifende Notwendigkeit. Diese Suche kann jedoch zu einem konservativen Festklammern am Gleichartigen pervertiert werden. Das hat sich immer wieder als tödlich für das gesamte System erwiesen.

– Die Wüstenplanet-Katastrophe, nach Harq al-Ada

»Mein Sohn hat nicht die Zukunft gesehen. Er hat den Prozess der Schöpfung und sein Verhältnis zu den Mythen, in denen die Menschen schlafen, gesehen«, sagte Jessica. Sie sprach schnell, aber ohne dabei den Eindruck zu erwecken, dass sie es eilig hatte. Sie wusste, dass die verborgenen Beobachter einen Weg finden würden einzugreifen, sobald sie erkannten, was sie hier tat.

Farad’n saß auf dem Boden, eingerahmt vom Nachmittagslicht, das schräg durch das Fenster hinter ihm fiel. Wenn Jessica von ihrer Position an der gegenüberliegenden Wand aus zu ihm blickte, konnte sie gerade so die Krone eines Baums erkennen. Sie hatte einen neuen Farad’n vor sich: schlanker, sehniger. Drei Monate der Ausbildung hatten ihre unvermeidlichen Spuren hinterlassen. Seine Augen funkelten, wenn er sie ansah.

»Er hat die Formen gesehen, die die vorhandenen Kräfte erzeugen würden, wenn man sie nicht umlenkt«, fuhr sie fort. »Anstatt sich gegen seine Mitmenschen zu wenden, hat er sich gegen sich selbst gewandt. Er hat sich geweigert, nur das hinzunehmen, was bequem für ihn war, weil das eine moralische Feigheit gewesen wäre.«

Farad’n hatte gelernt, schweigend zuzuhören, zu untersuchen, was er hörte, und mit seinen Fragen so lange zu warten, bis er ihnen eine scharfe Schneide verleihen konnte. Jessica hatte über die Bene-Gesserit-Vorstellung einer molekularen Erinnerung und wie sich diese Vorstellung als Ritual ausdrückte geredet und war von dort aus ganz selbstverständlich auf die Art zu sprechen gekommen, auf die die Schwesternschaft Paul Muad’Dib analysiert hatte. Farad’n sah allerdings einen Schatten in ihren Worten und Handlungen, eine Projektion unbewusster Formen, die von der oberflächlichen Stoßrichtung ihrer Aussagen abwich.

»Von all unseren Beobachtungen ist das die entscheidendste. Das Leben ist eine Maske, durch die sich das Universum zum Ausdruck bringt. Wir gehen davon aus, dass die gesamte Menschheit und die Lebensformen, die sie unterstützen, eine natürliche Gemeinschaft repräsentiert und dass sich im Schicksal des Einzelnen das Schicksal allen Lebens erfüllt. Wenn es also zur ultimativen Selbstprüfung, dem amor fati , kommt, hören wir auf, Gott zu spielen, und wenden uns wieder dem Lehren zu. Wenn es hart auf hart kommt, wählen wir Einzelne aus und befreien sie, soweit wir das können.«

Farad’n begriff nun, worauf sie hinauswollte, und weil er wusste, welche Wirkung es auf diejenigen haben würde, die sie gerade beobachteten, musste er sich zurückhalten, um nicht sorgenvoll zur Tür zu blicken. Nur ein geübtes Auge wie Jessicas konnte diesen kurzen Verlust seines inneren Gleichgewichts bemerken. Sie lächelte ihn an. Ein Lächeln konnte schließlich alles bedeuten.

»Dies ist eine Art Abschlusszeremonie«, sagte sie dann. »Ich bin sehr zufrieden mit dir, Farad’n. Würdest du dich bitte erheben.«

Er stand auf und versperrte ihr dadurch die Sicht auf die Baumkrone im Fenster.

Sie hielt die Arme reglos an den Seiten und sagte: »Es ist mir aufgetragen, dir das Folgende zu sagen. ›Ich stehe in der heiligen Gegenwart des Menschen. Wie ich dies nun tue, so sollst auch du es eines Tages tun. Ich bete zu deiner Gegenwart, dass es so sein wird. Die Zukunft bleibt ungewiss, und das soll sie auch, denn sie ist die Leinwand, auf die wir unsere Wünsche malen. So sieht sich der Mensch in seinem Sein immer einer wunderbar leeren Leinwand gegenüber. Wir verfügen nur über diesen Augenblick, in dem wir uns beständig der heiligen Gegenwart widmen, an der wir teilhaben und die wir erschaffen.‹«

Als Jessica zu Ende gesprochen hatte, betrat Tyekanik durch die Tür zu ihrer Linken den Raum. Seine Bewegungen waren von einer Gelassenheit, die seine gerunzelte Stirn Lügen strafte.

»Mylord«, sagte der Baschar.

Aber es war zu spät. Jessicas Worte und all die Vorbereitungen, die sie zuvor getroffen hatte, hatten ihr Werk getan. Farad’n war kein Corrino mehr. Er gehörte nun zu den Bene Gesserit.