Es hat viele Gründe, warum ich so gern Kekse backe. Der Erste ist, dass ich es liebe, sie zu essen. Kleine köstliche, liebevoll verzierte Plätzchen, Seelentröster, Gute-Laune-Macher und In-den-Feierabend-Starter. Ich liebe den Moment, wenn sich die Zutaten zu einem perfekten Teig vermengen, wenn die Plätzchen im Ofen zu duften beginnen, wenn man den ersten Bissen probiert und beglückt feststellt, dass es ein perfektes Plätzchen geworden ist. Ich erinnere mich noch, dass meine Mum früher Kekse gebacken hat. Nach ihrem Verschwinden haben Nana und ich mithilfe ihrer Rezeptbücher weitergebacken. Sehr viel mehr Persönliches ist mir von ihr nicht geblieben. Und deshalb zaubere ich Kekse in Glücksmomenten, wenn ich traurig bin oder einfach, wenn ich Lust darauf habe. Jetzt will ich unbedingt Liams Behauptung, ich sei die Queen of Cookies , Ehre machen. Insbesondere, als Matt mir ein paar Fotos der Backergebnisse aus vergangenen Weihnachtswochen zeigt – unregelmäßig gebräunte Klümpchen, ausgelaufene Füllungen und verrutschte Streuselhaufen. Ich habe vor, das Steigerungspotenzial voll auszuschöpfen. Die Küche und der Zutatenvorrat der Harrisons geben das allemal her. Zum Glück habe ich mit Matt und Charlotte zudem nicht die schlechteste Assistenz erwischt. Unsere Arbeitsteilung funktioniert: Ich mische, rühre, knete und rolle die Teige. Matt singt mit seiner wunderbar vollen, leicht rauen Stimme Weihnachtslieder, sticht mit jungenhafter Begeisterung Plätzchen aus und formt kleine Kekse exakt nach meinen Anweisungen. Charlotte übernimmt mit sicherer Hand die Dekoration. Während ich versuche, den Überblick über die Teige, Ruhezeiten und Füllungen zu behalten, stapeln sich die ersten Bleche mit Jammy Star Cookies und Florentinern. Charlotte bastelt Special Snowman Biscuits zusammen, auf die Matt besteht, weil sie Tradition im Haus der Harrisons sind. Meine Einwände bezüglich der vollkommenen Fehlbesetzung, die der Schneemann in meinen Augen als Weihnachtssymbol darstellt, lässt er nicht gelten. Nie die Hoffnung aufgeben, ist sein Motto.
Ich ziehe ein Blech Ginger Cookies aus dem Ofen. Die Kekse müssen abkühlen, ehe sie mit der Lemon Mascarpone Cream gefüllt werden können. Derweil schiebe ich die Christmas Crinkle Cookies in den Ofen und beschließe, dass es kein Weihnachten ohne Bunte-Streusel-Kekse geben darf. Also beginne ich noch einen Shortbread -Teig. Charlotte setzt den letzten Snowman Biscuit zusammen und steht auf, um die bereits abgekühlten Kekse in die wunderschönen, bunten Keksdosen zu füllen, die Joan uns gebracht hat. Unauffällig beobachte ich sie. Zu meiner Überraschung finde ich sie fast nett. Dass sie immer wieder Liam thematisiert, indem sie Geschichten aus ihrer Schulzeit oder anderen Phasen ihrer Beziehung ausgräbt, ist zwar anstrengend. Wäre ich wirklich Liams neue Freundin, würde mich das wahrscheinlich ziemlich mitnehmen. Aber da ich das nicht bin, rede ich mir ein, ihre Erzählungen seien mir egal. Immerhin erkundigt sie sich ausführlich nach meinem Studium und berichtet, dass sie Human Resource Management studiert. Ich habe das Gefühl, dass Matt weitaus weniger auf seine Ausstechformen und aufs Singen fokussiert ist, als er vorgibt. Denn sein Blick wandert immer wieder zwischen ihr und mir hin und her. Das macht es mir umso schwerer, Charlotte einzuschätzen. Für ihre beneidenswerte Schönheit kann sie ja nichts. Ihr Interesse an meinem Studium scheint ehrlich zu sein und ich begreife aus ihren Erzählungen, wie hart sie arbeitet. Nur dass sie so unsäglich hartnäckig über Liam spricht, stresst mich irgendwann doch. Denn ich kann das Gefühl seiner Lippen auf meinen nicht vergessen. Es ist bereits später Nachmittag, als wir alle erschöpft und mit geröteten Wangen von der Hitze in der Küche die letzten Kekse verpacken.
»Ich bin jedenfalls richtig froh, dass Liam dich mitgebracht hat«, verkündet Charlotte, indem sie mir ein strahlendes Lächeln schenkt. »Ich hatte schon Angst, wie er all das verkraften würde. Weißt du, er war so zerstört, als unsere Beziehung auseinanderging.«
Matt gibt ein Schnauben von sich und ich habe genug: »Charlotte, entschuldige. Aber findest du es in Ordnung, mir ständig zu erzählen, wie sehr er unter eurer Trennung gelitten hat? Das erscheint mir einfach nicht sehr nett.«
Ich drehe mich nicht zu ihr um, während ich ein Backblech abspüle, aber daran, dass sie einige Momente einfach nur still ist, erkenne ich, dass meine offenen Worte sie unvorbereitet getroffen haben.
»Oh, Febe, das tut mir leid. Ich hätte so nicht reden sollen. Darüber habe ich nicht nachgedacht.«
Diesmal werfe ich ihr ein fast zu freundliches Lächeln zu. »Schon in Ordnung.«
Während Matt und ich die Küche zu Ende aufräumen, murmelt Charlotte wenig später, sie wolle nachsehen, wo Nelson sei, und verschwindet.
»Ich finde dich ziemlich cool«, erklärt Matt, sobald wir allein sind. Misstrauisch drehe ich mich zu ihm um. Der Schalk ist aus seinen Augen verschwunden. »Ehrlich. Ihre hundert Provokationen sind einfach an dir abgeperlt und dann hast du ihr auch noch voll lässig deine Meinung gesagt. Bäm!«
Ich grinse ihn an. »Vielleicht bin ich einfach nur ein bisschen dickfellig.«
Er hebt die Augenbrauen. »Bist du zu allen so charmant oder nur zu dir selbst?«
»Dickfellige Menschen wissen gar nicht, was Charme ist.« Ich blinzle ihm zu und beuge mich über Hamlet, dem ich etwas Mehl aus dem Lockenfell klopfe. Abgesehen von dem Staubhäufchen, das sich um seinen Körper sammelt, sieht die Küche wieder blitzblank aus. Matt betrachtet zufrieden die zahlreichen gut gefüllten Keksdosen.
»Wenn man von deinen Backkünsten auf deinen Charakter schließen kann, hat Liam endlich mal Geschmack bewiesen.« Das schalkhafte Grinsen kehrt in seine Züge zurück, als er mir die Hand hinhält. »Also, willkommen in der Familie.«
Seine Worte treffen mich wie ein gezielter Faustschlag. Nicht, dass ich schon mal einen abbekommen hätte, aber als sich alles schmerzhaft in mir zusammenzieht, vermute ich, dass es sich in etwa so anfühlen muss. Es tut mir so leid, dass ich ihn anlüge. Trotzdem drücke ich seine Hand und hoffe, dass er meine plötzliche Verstocktheit für Rührung hält. Als er mir aus der Küche folgt, plane ich, mich schnellstmöglich unter dem verhängnisvollen Mistelzweig hindurchzuducken, der im Türrahmen zum Salon baumelt. Ich mache einen raschen Schritt, um Abstand zu Matt zu gewinnen, und pralle im nächsten Moment unter der Tür mit Liam zusammen. Wir geben beide ein Ächzen von uns. Schlagartig erinnere ich mich, wie ich bei Joss im Hausflur zum ersten Mal in ihn hineingerannt bin. Leider erinnere ich mich auch daran, dass mir der Blick in seine faszinierenden Augen schon in diesem Moment den Atem nahm. Allein deshalb hätte ich mich niemals auf diese Geschichte einlassen dürfen. Ich versuche, seinen Duft nach warmer Zitronenverbene und Kiefer auszublenden und die Erinnerung von seinen Lippen auf meinen aus dem Gedächtnis meiner Zellen zu löschen.
»Du legst es offensichtlich darauf an, mit mir unterm Mistelzweig zu stehen«, zieht Liam mich auf.
»Wieso, wer hat mir denn schon wieder in der Tür aufgelauert?«, gebe ich zurück.
Er hebt die Augenbrauen. »Alles eine Frage des Blickwinkels.«
»Seid ihr fertig mit Schmücken?«, will Matt hinter mir wissen. »Ihr werdet die weltbesten Plätzchen serviert bekommen. Ich hoffe also, das Deko-Team kann mithalten.«
»Mum sagt eh jedes Jahr, es sei der schönste Weihnachtsbaum, den wir je hatten«, meint Liam.
»Darf ich ihn mir ansehen?« Ich versuche, über seine Schulter einen Blick in den Salon zu erhaschen, aber er dreht sich mit mir im Arm herum. »Später. Wir ruhen uns jetzt alle etwas aus vorm Abendessen und nachher gibt es die Lasagne, die Mum und Granny vorbereitet haben.«
Er ist mir noch immer zu nah. In meinen Nervenenden singt die Erinnerung an unseren Kuss. Ich weiche seinem Blick aus, weil ich fürchte, seine Augen werden mich wieder in diesem Kaleidoskop fangen, in dem der Rest der Welt bedeutungslos wird. Ich muss höllisch aufpassen, mich hier nicht in etwas zu verlieren, das reine Illusion ist. Mich von ihm loszumachen wage ich angesichts von Matt in meinem Rücken jedoch nicht und bleibe etwas unbeholfen in seinem Arm stehen.
»Und anschließend«, wendet sich Liam an Matt, »testen wir eure Plätzchen. Wenn sie uns überzeugen, schalten wir die Weihnachtsbeleuchtung ein.«
Matt verdreht die Augen. »Da mache ich mir keine Sorgen.«
Er hält mir die Hand zum High Five hin, und ich habe endlich einen Grund, mich von Liam zu lösen, um bei Matt einzuschlagen.
»Ich gehe eine Runde laufen«, erklärt er dann. »Kann ich Hamlet mitnehmen?«
»Klar«, stimme ich zu. »Ich hole dir die Leine.«
Hamlet folgt Matt wenig später wedelnd auf die Straße, blickt jedoch irritiert zu ihm hoch, als er sich in Bewegung setzt und an der Leine zieht. Matts Lauftempo ist eindeutig höher als unsere übliche Geschwindigkeit. Ich muss lachen, während ich den beiden hinterherschaue. Als ich gleich darauf ins Haus zurückkomme, ist es still geworden im Erdgeschoss. Anscheinend haben sich alle in ihre Zimmer zurückgezogen. Ich steige die Treppe hinauf und bleibe etwas unschlüssig vor Liams geschlossener Tür stehen. Soll ich anklopfen? Erwischen lassen dürfte ich mich dabei allerdings nicht. Also trete ich einfach ein. Liam ist nicht im Zimmer. Da im angrenzenden Bad Wasser rauscht, nehme ich an, dass er duscht. Mir fällt auf, dass die Tür einen Spalt offen steht. Ich nehme an, es ist keine Einladung, sondern ein Hinweis darauf, dass Liam keine engen geschlossenen Räume mag.
Um nicht in Versuchung zu geraten, einen Blick zu riskieren, setze ich mich an seinen Schreibtisch. Woher allein der Gedanke kam, will ich lieber nicht wissen. Stattdessen blicke ich in den grau verhangenen Himmel. Unten im Garten schüttelt der Wind den Sträuchern die kahlen Zweige durch. Ich seufze leise. Vielleicht hätte ich Matt doch nicht Hamlet mitgeben sollen. Der Hund wäre jetzt die ideale Ausrede, mich in das feindliche Winterwetter zu wagen. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte. Aber dass Liams Familie so nett ist, macht es mir nicht leichter, sie anzulügen. Nur Liams Vater wirkt etwas distanziert. Wenn ich die Informationen aus Liams App richtig verstanden habe, ist er es, der den Reichtum geerbt und durch seine Schönheitsklinik vermehrt hat. Vielleicht ist er deshalb misstrauisch geprägt und vermutet, ich habe es nur auf Liams Geld abgesehen. Nun, ich kann nicht behaupten, dass er mit diesem Verdacht falschläge.
Hinter mir geht die Tür auf und ich zucke zusammen. Liam ist aus dem Bad gekommen – mit nichts am Körper als einem Badetuch um die Hüften. Mein Blick entgleitet meiner Kontrolle und wandert über sein Sixpack. Er schweift über die Wölbungen seiner Brustmuskeln und gleitet die sanfte Kurve zwischen Schultern und Hals hinauf. Seine Haut ist makellos. Nur seine Haare stehen ihm im obligatorischen Strubbel-Look vom Kopf ab. Ein Wassertropfen rinnt seinen Körper hinab und ich brauche wirklich meine ganze Willenskraft, um ihm nicht hinterherzusehen – dorthin, wo er irgendwo im Handtuch verschwindet. Himmel! Ich erkenne mich selbst nicht wieder. Ich bin es: Febe, die Herzklopfen bekommt, wenn ihr jemand ein Sonett zusteckt. Noch nie hat mein Körper mir so deutlich signalisiert, dass ich aufstehen und einem Mann das verdammte Badetuch von den Hüften reißen will. Hastig drehe ich mich um. Diese Gedanken müssen sofort aufhören. Mein Blick fällt auf der Suche nach Ablenkung auf mein Handy und ich bemerke erst jetzt, dass Joss mich angerufen hat.
»Entschuldige«, sagt Liam hinter mir. »Ich habe meine Klamotten nicht mitgenommen.«
»Kein Problem«, bringe ich hervor, während ich nachsehe, ob Joss mir eine Nachricht hinterlassen hat. Beeindruckend! Meine Stimme klingt fest und überzeugt mich davon, dass ich das hier durchziehen kann, ohne Liam anzuspringen. Der Typ sieht halt gut aus. Mein Körper reagiert auf Reize, wie es ihm evolutionär einprogrammiert wurde. Aber ich habe einen Kopf, der in der Lage ist, vernünftige Entscheidungen zu treffen. Spätestens nach einem Tag auf der Skipiste werde ich Liam vergessen haben.
»Febe?«
»Ja.« Warum zieht er sich nicht endlich was an? Ich starre auf die Textnachricht von Joss, ohne sie zu lesen.
»Ich wollte dir sagen … Der Kuss … Das tut mir leid.« Seine Worte verkrampfen mir das Herz. »Wir haben darüber vorher nicht gesprochen und ich hätte das nicht einfach tun dürfen. Vor allem hätte ich dich vor diesen blöden Mistelzweigen warnen müssen. Ich hatte nicht daran gedacht.«
»Schon gut.« Ich drehe mich mit einem – wie ich hoffe – ungezwungenen Lächeln zu ihm um. »Alle haben uns angestarrt und es gab wohl keine plausible Begründung, es nicht zu tun.«
»Ich weiß.« Liam steht vor mir – mit seinem Handtuch um die Hüften und einem Stapel Kleider im Arm – und sieht mich unsicher an. »Es ist nur … Ich sollte mich auch entschuldigen, weil irgendetwas passiert ist und ich … Aber Charlotte …«
Da ist er wieder: ihr Name, der jede Regung in mir mit der Schnelligkeit eines Kurare-Pfeils lähmt. Ich sehe Liam nach Worten ringen und will einfach nur, dass dieses Gespräch vorbeigeht.
»Du meinst, wir hätten den Kuss nicht ganz so in die Länge ziehen müssen, damit er überzeugend wirkte?«
Er stutzt. Da ich mir so viel Mühe gebe, die Fassung zu bewahren, klinge ich ganz schön abgebrüht.
»Ja«, sagt er schließlich. »Genau. Ich weiß nicht, was passiert ist, und ich will nicht, dass du auf falsche Gedanken kommst. Es … Es hatte nichts zu bedeuten. Es war nur ein Versehen.«
»Klar.« Ich bringe ein schiefes Lächeln zustande. »Ich weiß. Mach dir keinen Kopf.«
Ich sehe, wie sein Brustkorb sich hebt, als er seufzt – wahrscheinlich erleichtert. »Gut, ich bin froh, dass wir das geklärt haben.«
Er verschwindet im Badezimmer und lässt die Tür erneut einen Spalt offen. Angestrengt starre ich auf mein Handy-Display. Endlich registriere ich Joss’ Worte: Wie läuft’s? Warte dringend auf ein Update.
»Noch was, Febe«, ruft Liam aus dem Bad. »Ich hatte dich doch gebeten, für Weihnachten was Schickes zum Anziehen mitzubringen. Jetzt wäre es Zeit dafür.«
Ach ja! Mit einem Seufzen stehe ich von meinem Platz auf und gehe zum Schrank. Diese Besonderheit in Liams Familie habe ich völlig verdrängt – vor allem deshalb, weil ich fürchte, dass Liam nicht restlos überzeugt von meinem Outfit sein wird. Ich habe ja bereits die Erfahrung gemacht, wie pingelig er ist. Und da ich kein Geld hatte, um mir extra für diesen Anlass etwas Neues zu kaufen, beschränkt sich meine Auswahl an schicken Kleidungsstücken auf ein paar Teile, zu denen Joss mich irgendwann überredet hat. Die trage ich normalerweise nur, wenn wir ausgehen, damit sie nicht die ganze Zeit an meiner Kleidung herumzupft und zieht, um meine Figur mehr zu betonen.
»Warum putzt ihr euch an Weihnachten überhaupt so raus?«, will ich wissen und höre Liam im Badezimmer lachen.
»Ich bin ja kein Fan dieser Tradition, aber meine Mum wünscht sich, dass wir uns zumindest einmal im Jahr von unserer besten Seite zeigen. Und da wir meistens nur an Weihnachten wirklich komplett sind, ist das die einzige Gelegenheit, alle Register zu ziehen.«
Alle Register? Ich trete vor den Spiegel an der Wand neben der Badezimmertür und halte mir unsicher die rote Bluse vor, die ich für diesen Anlass eingeplant hatte. Langsam kommen mir Zweifel, ob ein Aufzug wie für eine Cocktailbar das ist, was Liam im Sinn hatte.
»Was genau verstehst du denn unter schick?«
»Normal schick«, antwortet er. »Als würdest du in die Oper gehen oder so.«
»In die Oper?« Entsetzt reiße ich die Augen auf. »Das ist für dich normal schick?«
Sofort renne ich zurück zum Schrank. Angesichts von Liams irgendwie schillernder Familie kommt mir alles, was ich besitze, ziemlich konventionell vor – abgesehen von den Sachen, die ich für den Skiurlaub dabeihabe. Denn neben der langen Unterwäsche habe ich auch ein paar Teile für das Unterhaltungsprogramm am Abend eingepackt. Allerdings ist das eher Après-Ski-Party- und weniger opernbesuchgeeignet. Hektisch suche ich ein paar Sachen zusammen, ignoriere, dass Liam mich – mittlerweile in einem Zweiteiler in edlem Indigoblau – irritiert beobachtet, und stürme an ihm vorbei ins Bad.
»Wie ernst ist es dir mit dem Opernbesuch?«, rufe ich noch über die Schulter. »Volles Programm?«
»Volles Programm.«
Ich schlage die Tür hinter mir zu und ziehe mich eilig aus.
Liam klopft von außen. »Du hast eine knappe Stunde. Dann treffen wir uns unten.«
Was erwartet er, wie viel ich zu tun habe, um mich schick genug für diesen Anlass zu machen? »Verschwinde, Liam, und lass mich arbeiten.«
Ich höre ihn lachen. »Schon gut.«
Die Dusche in Liams Badezimmer ist großartig. Der Rainshower-Brausekopf verteilt einen samtigen Sprühnebel auf meiner Haut, den ich gerne ausgiebig genossen hätte. Ich hoffe, in den nächsten Tagen, mehr Gelegenheit zum Duschen zu bekommen. Jetzt muss ich erst mal herausfinden, wie ich mir eine Ausgehgarderobe zusammenbastele, die den Ansprüchen von Liams Familie genügt. Also föhne ich mir rasch die Haare und schlüpfe in das äußerst gewagte Camisole-Kleid – bodenlang und in hellem Gold. Ich kombiniere es mit einem schwarzen Strickpullover und meiner langen Goldkette. Mit einem Hauch Bronzer in dunklem Gold betone ich meine Wangenknochen. Die Lidschattenfarbe, die ich auftrage, nennt sich Arabesque und behauptet goldbraun zu sein. Ich habe sie extra für das Kleid und den Silvesterabend gekauft. Auf meiner Haut sieht sie vor allem braun aus – vielleicht mit einem Hauch ins Rötliche und einem zarten Metallicglanz. Immerhin bringt sie meine hellbraunen Augen zum Strahlen. Was ich mit meinen Haaren anfangen soll, ist mir allerdings ein Rätsel. Für einen Opernball wäre wohl eine Hochsteckfrisur angemessen, aber ich bin – was das angeht – eher ungeschickt. Schließlich binde ich meine Haare zu einem hohen Pferdeschwanz, schiebe sie über der Stirn ein wenig auf und zupfe einzelne Strähnen heraus, die um mein Gesicht fallen. Tief atme ich durch. Ich hoffe, das ist schick genug für Liams Geschmack. Da ich ihn durch die Tür sprechen höre, trete ich leise ins Zimmer.
»Das ist kompletter Mist, Dillon. Wer soll das spielen?« Liam steht an seinen Schreibtisch gelehnt und bemerkt mich offenbar nicht sofort. »Es ist mir egal, was die Marktanalysen sagen. Das ist einfach Blödsinn. So findet das Spiel gar nicht gemeinsam statt, sondern jeder macht sein eigenes Ding.«
Vor dem Fenster ist es mittlerweile dunkel geworden. Im Spiegel der Scheibe registriert Liam anscheinend, dass ich hinter ihm zu meinem Koffer gehe und nach Schuhen suche, denn er dreht sich zu mir um. Ich habe nur ein Paar Sandaletten dabei. Sicher entsprechen sie nicht Liams Kriterien, denn sie haben weder Absätze noch eine aufregende Farbe. Die hauchdünnen, dunklen Riemchen bilden ein kompliziertes Muster um meine Füße, wodurch sie erstaunlich guten Halt bieten und perfekt für lange Tanzabende geeignet sind – wofür ich sie im Hinblick auf Silvester eingepackt habe.
»Nein, bin ich nicht.« Liams Antwort auf irgendetwas, das sein Gesprächspartner gesagt haben muss, klingt genervt. »Ich weiß, ich weiß«, meint er, während ich meine Füße in die Schuhe fummele. »Lasst uns einfach alle noch mal nachdenken und im neuen Jahr wieder darüber reden.«
Er verabschiedet sich und ich blicke zu ihm auf. »Probleme?«, erkundige ich mich. »Ich dachte, an Weihnachten habt ihr alle frei.«
»Ich habe frei.« Mit einer ungeduldigen Geste fährt er sich durch die Haare, sodass sie schon wieder von seinem Kopf abstehen. »Wir planen in der Firma ein Spiel für eine neue Zielgruppe. Mein Partner Dillon hat Unsummen für eine Marktanalyse ausgegeben, aber mich überzeugt das nicht.« Er seufzt ungehalten. »Das interessiert dich sicher nicht.«
Ich hebe die Schultern. »Wer ist denn eure neue Zielgruppe?«
»Stell dir vor, du wärst mit einem Computerspiel-Nerd zusammen. Dann wärst du exakt unsere Zielgruppe.«
»Du meinst, mit so jemandem wie dir?«, rutscht es mir heraus. Seine Augen verengen sich leicht. Damit er nicht auf die Idee kommt, mir einen weiteren Vortrag über den Kuss zu halten, füge ich rasch hinzu: »Das ist ziemlich unrealistisch.«
»Kannst du nicht deine Vorstellungskraft gebrauchen?« Er tritt an den großen Spiegel zwischen dem Kleiderschrank und der offenen Badezimmertür und legt sich eine graue Krawatte um den Hals. Ich beobachte skeptisch seine Bemühungen, einen perfekten Krawattenknoten hinzubekommen. Liam begegnet meinem Blick im Spiegel und grinst mich an. »So wie dein Pullover. Man hat keine Ahnung, was sich darunter verbirgt, aber er regt durchaus die Vorstellungskraft an. Ist das ein Rock oder ein Kleid, was du darunter trägst?«
Ich zupfe an dem goldfarbenen Paillettenstoff. »Das ist ein Kleid, aber für einen Opernball absolut nicht geeignet.«
»Du machst mich neugierig.« Liam zupft an seiner Krawatte herum, aber das ändert kaum etwas am Neigewinkel des Knotens. »Und du solltest bedenken, dass wir heute Abend am Kamin essen. Der Pullover wird dir garantiert zu warm. Ich wage kaum zu fragen, aber hast du vielleicht irgendwas Dünneres?«
Ich seufze. Eine Weile krame ich durch meine mitgebrachte Kleidung und entscheide mich schließlich für einen hellgrauen Cardigan mit einem feinen Lochmuster. Ich streife den Pullover ab und höre Liam scharf die Luft einziehen.
»Heiß«, kommentiert er, als ich mich zu ihm umdrehe. »Jetzt verstehe ich, was du meinst.« Mit verschränkten Armen lehnt er an der Kommode unter dem Spiegel – seine Krawatte noch immer leicht windschief – und beobachtet mich. »Ich sehe, das Ding kann sich selbst nicht recht entscheiden, ob es ein Kleid oder ein Rock sein will.«
Ich blicke an mir hinab und weiß genau, worauf er anspielt. Ich kann nicht von mir behaupten, viel Busen zu haben, aber die ins Kleid integrierten Cups nehmen, was da ist, und pressen es in Richtung des tiefen Ausschnitts, sodass es sich in Sichtweite wölbt. Was den Rücken angeht … Es wäre untertrieben von einem Rückenausschnitt zu sprechen, weil abgesehen von den hauchdünnen Trägern kein Rücken da ist.
»Im Koffer war kein Platz für zig Outfits«, verteidige ich mich. »Und ich bin dieses Jahr noch auf eine Silvesterparty eingeladen.«
»Und anscheinend hast du vor, jeden auf der Party darauf hinzuweisen, dass du Single bist.«
Ich verdrehe die Augen. »Spricht was dagegen?«
»Ganz und gar nicht.«
Ich wende Liams süffisantem Lächeln den Rücken zu – meinen sehr bloßen Rücken – und ziehe den Cardigan über.
»Wer hätte gedacht, dass unter deinen dicken Pullovern so was zum Vorschein kommen würde. Das hat meine Erwartungen übertroffen.«
Über die Schulter werfe ich ihm einen spöttischen Blick zu. »Du hattest Erwartungen?«
Mit einem ertappten Grinsen hebt er die Schultern. »Haben wir die nicht alle?«
»Versuche ich generell zu vermeiden. Ist das besser?« Während ich noch die Knöpfe des Cardigans schließe, drehe ich mich zu ihm um.
»Von mir aus reicht das Kleid«, verkündet Liam grinsend.
Ich runzele die Stirn. »Hast du dir mal überlegt, was deine Eltern von mir denken, wenn ich in einem Hauch von Nichts zum Weihnachtsessen erscheine?«
»Wenn meine Freundin so aussieht wie du, ist es mir egal, was meine Eltern darüber denken.« Liam beginnt erneut, an seinem Krawattenknoten zu ziehen.
»Ja, schon klar.« Ich hebe den Saum des Kleides leicht an und setze mich in einen der Sessel in der Sitzgruppe. »Weil dich nur interessiert, was Charlotte denkt.«
Liam wendet sich wieder dem Spiegel zu. »Glaub mir, seit Mum diesen Dresscode eingeführt hat, fährt Charlotte selbst das volle Programm. Sag mal, kannst du einen Krawattenknoten binden?«
Ich verschränke die Arme vor der Brust. »Nein, und wenn du auch mal Wert auf meine Meinung legst, solltest du die Krawatte weglassen.«
Im Spiegel sehe ich, wie er die Stirn runzelt. »Wieso?«
»Du siehst gut aus in dem Anzug.« Genau genommen sieht er verdammt gut aus in diesem Anzug – sportlich, selbstbewusst und lässig. »Die Krawatte macht es spießiger.«
»Charlotte sagt immer, ein perfektes Ensemble ist es nur, wenn Anzug, Hemd, Schuhe und Krawatte zusammenpassen.«
»Himmel, Liam, vielleicht überlegst du dir zur Abwechslung mal, womit du dich selbst wohlfühlst.«
Er zögert einen Moment und ich blicke an mir hinab. Irgendwie ertappe ich mich mit meinem gegen Liam gerichteten Ausbruch gerade selbst. Schließlich trage ich ein Kleid, das Joss mir aufgedrängt hat und das ich nach Liams Anweisungen zu einem Outfit kombiniert habe. Erstaunlicherweise fühle ich mich trotzdem nicht so unwohl, wie ich dachte. Denn im Spiegel sehe ich, dass Liam recht hatte mit dem, was er im Auto gesagt hat. Ich sehe selbstbewusster aus – gar nicht mehr nach jemandem, der sich so leicht in Joss’ Schatten verstecken könnte.
In diesem Moment zieht Liam sich die Krawatte vom Hals. Mit einem Seufzen lässt er sich neben mich in den zweiten Sessel fallen. »Ich bin gar kein Anzugtyp.«
»Hast du mal darüber nachgedacht, ob Charlotte und du überhaupt zusammenpasst?«
»Das hängt doch nicht vom Kleidungsstil ab.«
»Natürlich nicht«, stimme ich zu. »Und ich finde es nicht schlimm, wenn man unterschiedliche Dinge mag. Schlimm ist es nur, wenn sie zum Anlass werden, ständig am anderen herumzumeckern.«
Liam antwortet nicht sofort. Einen Moment lang starrt er düster vor sich hin. Ich nutze die Gelegenheit, eine kurze Antwort an Joss zu tippen: Alles o. k. Die Harrisons sind sehr nett. Ich melde mich später. Gerade als ich die Nachricht abschicke, wechselt Liam das Thema: »Also, wie ist es nun um deine Vorstellungskraft bestellt? Wenn du einen Freund hättest, der nicht nur einen anderen Kleidungsstil mag als du, sondern auch noch ein leidenschaftlicher Gamer ist …«
Ich hebe die Augenbrauen. »Wo sollte ich den denn kennengelernt haben?«
»Vielleicht ist er ein Schulfreund vom Ehemann deiner besten Freundin«, schlägt Liam mit einem unschuldigen Lächeln vor.
Ich gebe ein Schnaufen von mir, weise ihn aber nicht darauf hin, dass ich ihn für einen Idioten und er mich für einen verstaubten Sonderling gehalten hat, als wir uns bei Joss und Damien getroffen haben. Stattdessen lasse ich mich auf das Gedankenexperiment ein. »Ich habe also einen Nerd zum Freund, der in seiner Freizeit vor irgendeiner Konsole hängt.«
»Richtig. Aber das heißt ja nicht, dass er kein Sozialleben hat oder dich nicht liebt.« Er grinst mich herausfordernd an. »Vor allem, wenn du dieses scharfe Kleid trägst. Das wird seine Aufmerksamkeit schon auf dich lenken.«
Aus verengten Augen erwidere ich seinen Blick. »Ich bin also mit jemandem zusammen, der entweder auf seinen Bildschirm oder in meinen Ausschnitt starrt?«
Liam hebt die Schultern. »Klar.«
»Okay, und was verbindet uns?«
»Das ist der Knackpunkt. Natürlich habt ihr großartigen Sex, aber das reicht euch irgendwann nicht mehr.« Er ignoriert meine erhobenen Augenbrauen und fährt fort: »Also liest du ihm ein paar Sonette vor und er will im Gegenzug ein Videospiel mit dir spielen. Was sagst du?«
Erwartungsvoll sieht er mich an.
»Aber nichts mit sinnlosem Herumgeballer.«
Liam streckt die Beine weit von sich. »Natürlich sagst du das.«
Ich hebe die Schultern. »Was würdest du darauf erwidern?«
»Es gibt etliche Formate. Es muss ja kein Shooter sein.«
»Was gibt es denn für Formate?«
»Action Games , Hack and Slash , Role Playing Games , Strategie- und Taktik-Spiele, Adventure Games , Jump and Run , Simulationsspiele, Sport- und Rennspiele …«
»Schon gut«, unterbreche ich ihn. »Das ist großartig. Wirklich. Und mir ist klar, dass ich absolut nichts darüber weiß und ich nicht darüber urteilen sollte. Aber ich hab es nicht so mit Strategien und Taktiken, kann Wettkämpfen nicht viel abgewinnen und habe schon als Kind Zeichentrick- und Animationsfilme gehasst. Jump and Run klingt irgendwie anstrengend und Hack and Slash nach einem Shakespeare-Finale, in dem am Ende alle tot sind – nur, dass man es unnötig in die Länge zieht. Was würdest du als Experte mir also empfehlen?«
Liam starrt mich einen Moment lang an und muss schließlich schmunzeln. »Wahrscheinlich würde ich dir empfehlen, lieber ein gutes Buch zu lesen.«
»Dann trennen wir uns jetzt?«, erkundige ich mich.
»Unsinn, denn es gibt ja Saga World Games – ein junges, immens erfolgreiches Unternehmen. Saga World hat ein Spiel entwickelt, das von Gamern und ihren Freundinnen gespielt werden kann.«
Ich hebe die Augenbrauen. »Das ist eure neue Zielgruppe?«
Liam nickt. »Es gibt Frauen, die zocken genau wie Männer. Es gibt Frauen, die eher Simulationsspiele wie Sims lieben. Aber es gibt jede Menge Frauen, die so wie du nie Kontakt mit Videospielen hatten. Nicht wenige von denen sind mit Männern zusammen, die zumindest hin und wieder spielen. Warum sollen die sich für ihre LAN -Partys immer von ihren Freundinnen freinehmen?«
»Verstehe. Aber eure Kreativität scheitert bisher an dem Projekt?«
»Wie gesagt hat Dillon ein Marktforschungsunternehmen beauftragt herauszufinden, was Frauen in einem Spiel wollen. Und damit meine ich keine Frauen, die regelmäßig zocken, sondern nur solche, die das höchstens selten tun.«
»Und du bist mit den Ergebnissen nicht einverstanden?«
Liam gibt ein Schnaufen von sich. »Bisher gibt es Vorschläge, die eine Mischung aus Strategie und Simulation vorsehen. Aber ich finde die Pläne zu zweigleisig.«
»Wie meinst du das?«
»Zum Beispiel: ein Hafen in der Karibik, türkisblaues Meer, eine Promenade – alles täuschend echt. Zwei Charaktere spielen. Der eine versucht, durch geschickte Investments im Import-Export zu Reichtum zu kommen. Ziel ist es, so viele und so große Luxusjachten wie möglich zu erwerben.«
»Und was tut der andere?«
»Der oder die andere sammelt Popularity Points .«
»Wie?«
»Je besser das verdiente Geld in Kleidung und Accessoires investiert wird, je mehr Aufmerksamkeit man auf Partys erregt, je bekannter man wird, desto höher steigt die Popularität. Umso leichter wird es der erste Spielpartner haben, gute Geschäfte zu machen, denn das Paar gewinnt insgesamt an Charisma. Aber abgesehen von dieser Verbindung sieht es aus wie zwei Spiele in einem.«
»Und ich vermute, Dillon stellt sich vor, die Nerds setzen ihre Strategiespielkenntnisse ein, um das große Geld zu machen, während ihre Freundinnen shoppen gehen, sich die Zeit vertreiben und ins Partyleben stürzen.«
»Ein Kleid wie deins würde dich garantiert über Nacht zum Star machen, und dein Spielpartner würde so viel Charisma einheimsen, dass ihr beide sofort reich wärt.« Liams spöttisches Lächeln lässt ein Kribbeln durch meine Nervenfasern jagen. Langsam werde ich wütend auf meinen Körper, dass er sich durch solche Dummheiten aus der Fassung bringen lässt. »Aber ich verstehe deinen Punkt. Für mich fühlt sich das genauso klischeehaft an. Stattdessen könnten wir auch einen Prinzen losschicken, der die Prinzessin aus den Fängen des Drachen rettet. Es ist das gleiche alte Spiel.«
Ich hebe die Schultern. »Lass doch den Prinzen versuchen, die Prinzessin zu retten. Vielleicht trifft er ja auf eine Überraschung.«
Fragend sieht Liam mich an. »Wie meinst du das?«
»Es gibt mehr Ding’ im Himmel und auf Erden, als eure Schulweisheit sich träumt «, zitiere ich. »Warum bricht euer Prinz nicht auf, um die Prinzessin zu retten, aber als er sie findet, trägt sie keine Tiara und kein rosafarbenes Ballkleid, sondern Reithosen und ein Schwert?«
»Du meinst, sie ist gar keine Gefangene des Drachen?«
»Nein, sie erklärt dem Prinzen, dass Drachen einer bedrohten Spezies angehören und geschützt statt verfolgt werden müssen.«
Liam lacht auf. »Aha, die Prinzessin ist eine Besserwisserin.«
»Es sei Unwissenheit der Fluch von Gott …«
»Schon gut.« Liam hebt beide Hände. »Verschone mich. Lass uns lieber zur Prinzessin zurückkommen. Worin genau besteht die Spielidee?«
Nachdenklich ziehe ich die Füße an und lasse den Saum des Kleides darüberfallen. »Die Prinzessin und der Prinz müssen gemeinsam den Drachen gegen die Truppen des Königs verteidigen. Vielleicht müssen sie Aufgaben und Rätsel bewältigen, um dem Drachen ein Habitat zu erspielen, in dem er in Frieden leben kann. Aber dabei werden sie und der Drache von den königlichen Truppen angegriffen.«
»Warum kann der Drache sich nicht selbst verteidigen?«, fragt Liam skeptisch. Ich sehe genau, dass seine Augen diesen silbrigen Glanz bekommen, der verrät, dass die Idee in seinem Kopf Gestalt anzunehmen beginnt.
»Das kann er«, spinne ich weiter. »Aber wenn er die Truppen angreift, bekommt er negative Popularität oder wie hast du das genannt? Imageschaden sozusagen. Und dann schickt der König umso mehr Truppen.«
»Okay, aber kann der Drache auch echten Schaden erleiden?«
»Klar, er kann verletzt und sogar getötet werden. Dann haben der Prinz und die Prinzessin verloren.«
»Oder sie müssen schnell Heiltränke für den Drachen erspielen«, überlegt Liam. »Sie müssen sich um ihn kümmern und ihn gesund pflegen.«
Wir schrecken zusammen, als die Tür aufgerissen wird. »Wo bleibt ihr denn?« Matt platzt mitten ins Zimmer. »Wir warten alle auf euch. Ich dachte, ihr habt wenigstens Sex! Aber ihr sitzt einfach nur da?«
»Oh, Entschuldigung.« Ich springe auf. »Wir waren beim Brainstorming und haben nicht auf die Zeit geachtet.«
»Beim Brainstorming?« Entgeistert starrt Matt uns an.
Mit scheinbarem Ernst hebt Liam die Schultern. »War fast besser als Sex.«
Matt schnaubt. »Was hattest du denn bisher für Sex?«
»Du solltest mal mit Febe brainstormen, dann weißt du, wovon ich spreche.«
Matt grinst breit. »Willst du das wirklich?«
»Solange ihr es nicht unterm Mistelzweig tut.« Liam lächelt mich an und verzaubert mich mit dem silberhellen Funkeln in seinen Augen, als wäre er der Prinz und ich die verdammte Prinzessin.