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Ich rief die meisten meiner Drohnen zurück und wies ihnen Spähpositionen vor und Deckungspositionen hinter uns zu. Dann nahm ich den langen Weg außen herum zur Krankenstation. Die trübe Gangbeleuchtung glomm auf, als wir vorbeigingen, ein autonomer Reflex. Für einen Menschen wäre das so gewesen wie der Anblick einer Leiche, die zuckte. Fifo war nicht da, von seinen Drohnen war nichts zu sehen, aber einige seiner nachrangigen Funktionen waren aktiv, weil die Programme auch ohne die übergeordnete Intelligenz noch liefen.
Ein eingedrungenes System, wahrscheinlich irgendeine Art Botpilot, hatte den Sicherheitsschlüssel für die Zieldrohnen verändert. Und es lenkte wohl auch das Schiff durch das Wurmloch. Frachtschiffe können das nicht einfach per Autopilot machen, jedenfalls WeltenSpringer und all den anderen Serien über Schiffe zufolge, die ich gesehen hatte. Die Fifo hatte sehen wollen.
Ich markierte den Eindringling als Ziel-ControlSystem.
Hoffentlich verfügte es über genug Bewusstsein, um zu leiden, wenn ich es tötete.
Bis dahin hatte ich noch jede Menge Arbeit vor mir. Und das Bild der dampfenden Leichen von Z1 und Z3 in Fifos makellosem Kommandobereich nahm deutlich zu viel Arbeitsspeicher weg.
Ich hatte noch einige wenige Spähdrohnen in den Gängen um den Kommandobereich herum und sagte ihnen, dass sie jede Bewegung und ungewöhnliche Aktivität lokalisieren und in meine Kopie von Fifos Übersichtsplan eintragen sollten. Ich musste einen Weg finden, die Zieldrohnen frühzeitig zu erkennen.
Eine Spähdrohne (markiert: SD2), die an der Decke des Vorraums zum Kommandobereich parkte, fing Aktivität auf. Weitere Ziele stürmten den Vorraum und versuchten, die Luke zu öffnen, aber die hatte Z3 offenbar unter Benutzung der manuellen Notsteuerung von innen verriegelt. Die neuen Ziele – nachfolgend Z4, Z5 und Z6 – drückten an den Knöpfen herum, wussten aber augenscheinlich nicht, wie sie die Abdichtung rückgängig machen sollten. Und was immer auf ihrem seltsamen Feed und Ziel-ControlSystem lief, Fifos Systeme konnten sie damit offenbar nicht erreichen.
Fifo war tot.
Ich wäre stehen geblieben und hätte den Kopf ans Schott gelehnt, aber dafür war keine Zeit.
Hinter mir sahen meine Drohnen, dass Eletra einen Arm um Amenas Taille gelegt hatte und ihr beim Gehen half. Ras hinkte ebenfalls; dabei versuchte er, gleichzeitig nach hinten zu sichern und mich im Auge zu behalten. Alle drei zitterten entweder oder schwitzten, wahrscheinlich eine Schockreaktion.
Richtig. Menschen. Menschen mit Bedürfnissen. Mensahs heranwachsender Mensch und die beiden neuen Menschen, die offensichtlich auch verletzt waren.
Killerbot, du musst dich dringend mal zusammenreißen.
»Wissen Sie, wie viele Ziele sich an Bord befinden?«, fragte ich.
»Ziele?«, wiederholte Ras.
»Sie meint diese grauen Leute«, sagte Amena und bleckte die Zähne, als sie ihr schlimmes Bein belastete.
»Ich habe fünf gesehen, aber keine Ahnung, ob das alle sind«, sagte Eletra.
»Fünf Minimum«, stimmte Ras zu. »Sie hatten einen Haufen Bots oder Drohnen oder was das sind. Wir sollten versuchen, uns zum Maschinenmodul durchzuschlagen. Sagen Sie Ihrer SecUnit …«
»Wie ich schon sagte, die hört nicht auf mich«, sagte Amena genervt.
Ich hatte insgesamt bereits sechs Ziele identifiziert, von denen drei noch aktiv (noch keinen hässlichen Tod gestorben) waren, von daher taugten die Daten der Menschen nichts. (Wenig überraschend.) Ich arrangierte die Spähdrohnen vor uns zu einer Wolkenformation und schickte sie mit komplett hochgezogenen Scanfunktionen vor.
SD2 zeigte mir, dass Z4, Z5 und Z6 aufgehört hatten, sinnlos an der Luke herumzupfuschen. Sie veränderten gerade hektisch die Konfiguration ihrer Schutzanzüge; ihre Helme fuhren Panzerteile aus, bis sie den ganzen Kopf bedeckten. Das war ein Problem. Sieben Drohnen zum Töten von zwei Zielen war zu viel des Guten gewesen (wobei ein Ziel bereits verwundet gewesen war; sagen wir also: sieben zum Töten von anderthalb Zielen), zumal mein Vorrat an Drohnen begrenzt war. Ich besaß keinerlei belastbare Daten darüber, wie gut ihre Panzer zur Abwehr von Drohnen taugten, und das herauszufinden hieße, einen weiteren Schwarm zu verschwenden.
Ich brauchte die Drohnen als Frühwarnsystem für die Zieldrohnen, die in Kombination mit Ziel-ControlSystem vielleicht eine schlimmere Bedrohung darstellten als die matschigen Ziele. Außerdem waren in den letzten 97 Sekunden drei meiner Drohnen in unmittelbarer Nähe von Fifos Kommandobereich verschwunden, was bedeutete, dass sie auf getarnte Zieldrohnen gestoßen waren. Ich verlor meine Augen im Schiff, und das war wirklich keine Idealsituation. Im Gegenteil, sie ließ grundlegend zu wünschen übrig. Selbst mein Gefahrenbewertungsmodul fand das, und das wollte etwas heißen.
Wir gelangten bei der Luke zum Wohnmodul an, und ich trat zur Seite, um die Menschen durchzulassen, dann drückte ich die manuelle Verriegelung. Die Luke glitt zu, ich nahm die Bedienplatte ab und zerschmolz einige wichtige Komponenten mit der Energiewaffe in meinem rechten Arm.
Hinter mir spielte sich zeitgleich Folgendes ab:
»Wieso tut sie das?«, fragte Ras Amena.
Sie starrte ihn ausdruckslos an und fragte dann: »SecUnit, wieso tust du das?«
Anhand von Fifos Übersichtsplan hatte ich einige Zugangspunkte identifiziert. Ich konnte das Wohnmodul – mit Unterkünften, Krankenstation, Bordküche, Seminar- und Aufenthaltsräumen – vom restlichen Schiff abriegeln, indem ich zwei weitere Luken verriegelte. Nicht die beste Entscheidung, aber ein Wechsel rüber ins Maschinen- oder Labormodul war vorläufig nicht machbar, und die Menschen brauchten die hier vorhandenen Vorräte. Ich spekulierte darauf, dass die Zieldrohnen keine Armerweiterungen zum Reparieren der Luken besaßen. Das bekamen nur die Ziele hin, aber ich hatte genug Vorwarnzeit, um als Erstes dorthin zu gelangen. (Die Ziele kamen auch über eine Außenluke an uns ran, aber dafür mussten sie in Raumanzügen quer über die Hülle, während wir uns in einem Wurmloch befanden, und laut den Serien, die ich gern anschaute, war das keine gute Idee.) »Ich versuche, eine Schutzzone zu errichten.«
Amena wandte sich zu Ras um und sagte: »Sie versucht, eine Schutzzone zu errichten.«
Während er zwischen uns hin und her sah, trat ich vorbei und bewegte mich den Gang hinunter. Beim Quergang weiter vorn erloschen die drei Drohnen meines Spähschwarms. Ich hechtete mich voran, rollte mich in den Kreuzungsbereich und schoss mit der Energiewaffe in meinem linken Arm auf die beiden dort lauernden Zieldrohnen. Die eine krachte zu Boden, die andere wackelte in der Luft. Ich kam hoch und zerschmetterte sie am Schott.
Spähdrohne zwei im Vorraum des Kommandobereichs zeigte, wie die Ziele erneut auf die abgedichtete Luke einschlugen. Glaubten sie, wir – oder sonst jemand – wäre dort drinnen? Untereinander benutzten sie keine Translatoren, darum verstand ich nicht, was sie sagten.
Ich wies meine Drohnenwolke an, weiter dem Gang zur Krankenstation zu folgen und zu überprüfen, ob er sicher war. Die Menschen wies ich an, sich zu beeilen. Niemand hatte etwas dagegen einzuwenden, und sie hinkten in schnellem Tempo hinter mir her.
Zwei Gänge entlang, einmal abgebogen, und wir waren dort. Der Behandlungstisch des MedSystems war leer und abgeschaltet, die OP-Suite oben in der Decke versenkt, die Medodrohnen sonst wo versteckt. Diesen Ort wiederzusehen war seltsam (nicht gruselig seltsam, sondern berührend seltsam). Hier hatte Fifo meine Konfiguration verändert, damit ich besser als Mensch durchgehen konnte; hier hatte es meine Klientin Tapan gerettet.
Emotionen. Bäh.
Ich überprüfte alles, die Nasszelle mit Toilette und Dusche, den Leichenaufbewahrungsraum und die anderen angrenzenden Zimmer, und überzeugte mich, dass nirgends Zieldrohnen, Ziele oder sonstige bislang unbekannte Feinde lauerten. Die Menschen standen da und sahen mir nervös zu.
Ich beendete meine Durchsuchung und sagte: »Bleiben Sie hier.« Eine Drohne ließ ich zurück, um meine Feedweiterleitung zu Amena aufrechtzuerhalten, ging raus und schloss hinter mir die Luke.
Ich schickte meine Drohnenwolke vor und sprintete zu der Luke am anderen Ende des Moduls. Wenn die Ziele sich denken konnten, was ich tat, kamen sie vom Kommandobereich aus zu dieser Luke am schnellsten.
Dort angekommen, riskierte ich einen Blick die kurze Modulpassage entlang in die nächste Sektion. Mein organisches Nervengewebe nahm Bewegung wahr, und ich schlug auf den Schalter, der die Luke schloss. Ich zerschmolz die manuelle Steuerung, ließ eine Drohnenwache zurück und machte mich auf den Weg zur nächsten Luke.
In der Krankenstation standen die Menschen immer noch dicht beieinander. Eletra flüsterte: »Wissen Sie, was sie gerade tut?«
Amena sagte: »Sie verriegelt die Luken, wie sie gesagt hat.«
Ras wirkte frustriert und ungeduldig, beließ es aber dabei.
Die dritte Luke führte zu einer Verbindungssektion, die als sekundärer Weg ins Maschinenmodul diente. Diese Luke war bereits zu und verriegelt, aber ich fackelte die manuelle Steuerung trotzdem ab. Bis auf vier hatte ich draußen im Schiff sämtliche Drohnen verloren: Die eine (SD1) war immer noch mit den beiden toten Zielen im Kommandobereich eingeschlossen. SD2 befand sich im Vorraum an der Decke und beobachtete die bei der verriegelten Luke versammelten Ziele, SD3 und SD4 kuschelten sich in nahe gelegenen Gängen unter die rippenförmigen Stützbögen.
Ich bewegte mich zurück zur Krankenstation und ließ meine überlebende Drohnenwolke ein bisschen ausfächern. Einige Stellen am Körper taten mir so weh, dass ich meine Schmerzsensoren runterregeln musste.
Im Gang zur Krankenstation teilte ich meine Drohnen in zwei Schwärme und positionierte sie an den gegenüberliegenden Enden. Ich musste diese Sektion sichern und dafür sorgen, dass ich uns hier drin nicht mit irgendetwas eingeschlossen hatte, aber davor musste/wollte ich noch ein paar Sachen wissen.
Als ich nach drinnen trat, fragte Ras: »Was ist los?« Er warf einen Blick zu Amena, weil er immer noch unsicher war, mit wem er reden musste. »Sind wir hier in Sicherheit?«
Ich kannte Fifos übliche Crewgröße; die Kommandocrew allein bestand aus mindestens acht Mitgliedern, hinzu kam eine rotierende Besatzung aus Lehrenden und Studierenden. Bei meiner kurzen Durchsuchung hatte nichts darauf hingedeutet, dass kürzlich jemand in der Krankenstation behandelt worden war, und in der Kühlung wurden keine toten Menschen aufbewahrt. Was gut war; allerdings konnte es sein, dass die Leichen auch ins All entsorgt worden waren. Ich wusste, wie es Fifo damit gegangen wäre.
Ich fragte: »Wo ist die Crew dieses Schiffes?«
Ras sah wieder Amena an. Sie runzelte die Stirn und sagte zu mir: »Ich dachte, die beiden sind die Crew.«
»Nein«, sagte Eletra. Sie wirkte ebenfalls verwirrt. »Unser Schiff war ein Frachter von Barish-Estranza.«
Amena wandte sich zu Ras und Eletra um. »Und wo ist dann die Crew dieses Schiffes?«
Ras schüttelte verärgert den Kopf. »Hören Sie, ich sehe doch, dass Sie noch jung sind. Vermutlich hat diese SecUnit den Befehl, Sie zu schützen, aber …«
Amena prustete abfällig. »Die kann mich nicht mal leiden.«
Zugegebenermaßen bin ich das ganze Konzept von Menschen derzeit leid, aber das war unfair, weil sie mich zuerst nicht hatte leiden können.
»Wenn Sie ihr sagen, sie soll unseren Anweisungen gehorchen«, versuchte Ras es erneut, »dann wird das Ganze um einiges einfacher.«
Eletra nickte. »Das wäre das Beste. Sie wissen anscheinend nicht, wie man sie lenkt …«
Amena wedelte entnervt mit den Händen. »Hören Sie, das ist alles …«
Wie ich sehe, muss ich ein paar Betriebsparameter festlegen.
Ich durchquerte den Raum, packte Ras bei der Front seiner Uniform und warf ihn auf den Behandlungstisch. »Beantworten Sie meine Frage.«
Eletra war hinter mir zusammengezuckt und zurückgewichen. Amena sagte: »SecUnit! Meine Mutter wird stinksauer, wenn du ihm was tust!«
Ach, nun versuchten wir es mit dieser Taktik. Ich sagte: »Du weißt eindeutig nicht, was deine Mutter wirklich von Konzernen hält.«
Eletra sagte hektisch: »Wir wissen nicht, wo die Crew ist! Ras, nun sag ihr doch, dass wir das nicht wissen.«
Ras keuchte heraus: »Das wissen wir nicht!«
Ich fragte: »Entspricht das der Wahrheit, oder ist das nur die Geschichte, die Sie mir weismachen wollen?«
»Das ist die Wahrheit«, brachte Ras heraus. »Wir wissen nicht, was der Crew zugestoßen ist.«
»Ehrlich nicht«, fügte Eletra eindringlich genug hinzu, um glaubwürdig zu sein. »Seit wir an Bord gebracht worden sind, haben wir niemand anderes gesehen. Nur … diese Leute.«
Ich entließ Ras aus meinem Griff, und er beeilte sich, von mir wegzukommen, rüber zu Eletra auf der anderen Seite des Raums. Seine Miene war verängstigt und fassungslos.
»Hör auf, so gemein zu sein«, zischte Amena mir zu.
Ich senkte die Stimme und klang absolut normal und keinesfalls aufgeregt. »Ich versuche nur, dich am Leben zu halten.«
»Das weiß ich zu schätzen, aber …« Sie sah mich mit schmalen Augen an. »Du siehst wirklich schlimm aus. Bist du sicher, dass es dir gut geht? Diese Drohne hat dich echt übel erwischt.«
Ja, na ja, daran kann ich jetzt nichts ändern. Ich sagte: »Du musst dich um dein Bein kümmern. Aber aktiviere nicht das MedSystem. Das wurde von …« Für fast zehn Sekunden hatte ich nicht mehr daran gedacht. »Von dem Botpilot gesteuert. Der ist kompromittiert worden, bevor er … zerstört wurde, sonst hätte er die Eindringlinge getötet. Irgendetwas steuert immer noch das Schiff und bringt uns durchs Wurmloch, und was immer das ist, kontrolliert vielleicht auch das MedSystem.«
Amena warf einen beunruhigten Blick zu dem stillen Behandlungstisch. Ras und Eletra taten es ihr gleich. Amena sagte: »Ich wusste gar nicht, dass Botpiloten auch Leute töten können.«
»Sie sind fast so gefährlich wie Menschen.« Schon klar, von allen dümmlich-sinnlosen Argumenten, die ich gerade hätte bringen können, rangierte dies unter den ersten fünf.
Amena bedachte mich mit einem skeptischen Blick, sagte jedoch: »Schön, also kein MedSystem. Irgendwo wird es hier ja auch ein paar Erste-Hilfe-Sachen geben.«
»Benutzt einen Notfallkoffer da aus dem Schrank. Ich muss erst mal diese Sektion fertig sichern.« Ich ging auf unsere private Weiterleitung und fügte hinzu: Ich lass euch ein paar Drohnen da. Ich trennte einen Achterschwarm aus meiner Wolke ab und sagte ihnen, dass sie bei Amena bleiben sollten.
Amenas Augen wurden groß, und sie zögerte. Drei Sekunden lang begriff ich nicht, wieso. Sie hatte keine Angst gehabt, als ich mir Ras schnappte; ihre Miene war eher genervt gewesen als sonst etwas. Dann ging mir auf, wieso sie nicht wollte, dass wir uns trennten. Sie holte scharf Luft und sagte: »Alles klar.« Über die Feedweiterleitung sagte sie: Toll, Drohnen. Wollte ich schon immer mal haben.
Ich hätte »Sag nicht, du hättest nie etwas von mir bekommen« erwidern können, und wir hätten uns so ein aufbauendes sarkastisches Gefrotzel liefern können wie in einer meiner Serien. Aber ich lief in Fifos Leiche herum, und mich baute hier gerade gar nichts auf. Ich sagte einfach nur: Ich bleibe in Kontakt.
Ich ging hinaus, rüber zum Wohnmodul. SD2 beobachtete im Vorraum zum Kommandobereich immer noch eine aufgeregte Unterredung zwischen den Zielen. Moment, ihre Helme waren irgendwie verändert. Ich ging im Video zurück und fand es heraus: Die Farbe hatte von einem matten Blaugrau zum Muster des Tarnmaterials der Zieldrohnen gewechselt. Die Ziele bemerkten es, als es passierte; sie zeigten aufeinander und gaben Kommentare ab, aber sie schienen es weder für überraschend noch für ungewöhnlich zu halten.
Ein weiteres Security-Update vom Ziel-ControlSystem. Mist, das hatte mir gerade noch gefehlt. Es versaute mir komplett meine Taktik. Zum Glück war das Update nicht auch in ihre Schutzanzüge geladen worden – beziehungsweise ließ es sich wahrscheinlich nicht dorthin laden. Aber Angriffe mit Killerdrohnen konnte ich jetzt wohl vergessen.
Ich fragte mich, wieso die Ziele gegen die Luke geschlagen hatten. Falls Z1 und Z3 von den Toten zurückkehren konnten, so hatte SD1 davon jedenfalls nichts aufgezeichnet.
Hm. Abhängig davon, wie Ziel-ControlSystem die Daten von den Zieldrohnen sammelte, wie sie Video aufnahmen und übermittelten, hatten die drei verbliebenen Ziele vielleicht wirklich kaum eine Vorstellung, was aus Z1, Z2 und Z3 geworden war. Sie wussten, dass Amena und ich an Bord gebracht worden waren; das mussten sie wissen. Aber sie schienen sich auf den abgeriegelten Kommandobereich zu konzentrieren. Sie waren nicht zu dem Aufenthaltsraum gegangen, wo immer noch Z2s Leiche lag. Vielleicht besaßen sie trotz der Zieldrohnen und des Ziel-ControlSystems keinen Zugriff auf Überwachungsdaten? Ziel-ControlSystem wusste eindeutig, dass die Ziele durch physische Einwirkung gestorben waren, sonst hätte es die Updates nicht programmiert – teilte es diese Information nicht mit den Zielen?
Eine seltsame Vorstellung, ich weiß. Aber wenn sie zutraf, war es ein Beweis mehr für die Theorie, dass die Ziele wenig bis gar keinen Zugriff auf die meisten Bordsysteme von Fifo hatten, obwohl Ziel-ControlSystem die Helme und vermutlich auch die Waffen steuerte. Wobei Fifo keine feedzugänglichen Überwachungskameras besaß wie ein normales Frachtschiff.
Fifo.
Ich kloppte ein simples Programm für Penetrationstests zusammen und ließ es im Hintergrund laufen, auf allen Kanälen, wo es vielleicht Zieldrohnenaktivität gab.
Ich wollte ins Ziel-ControlSystem eindringen und ihm grässliche Dinge antun.
Und wenn die Ziele dermaßen verwirrt darüber waren, was passiert war und wo wir uns befanden, dann konnte ich das ausnutzen. Ich startete einen weiteren Prozess, der Audioaufnahmen aus meinem Archiv zog. (Hätte ich in diesem Moment einen Plan gehabt, was nicht der Fall war, dann hätte er sich darum gedreht, Zeit zu schinden. Wir befanden uns im Wurmloch, und wo auch immer wir hinflogen, bis dorthin würden wir mindestens mehrere Tagzyklen brauchen, vielleicht sogar deutlich mehr. Bis dahin musste ich die Kontrolle über das Schiff (Fifo) ergreifen.)
In der Krankenstation sahen meine Drohnen zu, wie Eletra einen Notfallkoffer aus dem Schrank holte. Amena setzte sich schwer auf eine Trage, während Eletra den Koffer auf einen Labortisch stemmte und öffnete.
Ras sah misstrauisch zu meinen Drohnen hinauf, die gleichmäßig unter der Decke kreisten. Er fragte: »Diese … Ihre SecUnit wird uns wirklich beschützen?«
»Klar«, sagte Amena abgelenkt, als Eletra ihr einen Wundpack gab.
Eletra seufzte erleichtert, als sie einen Behälter mit Tabletten fand. »Mein Rücken bringt mich gerade um. Die haben uns Proviantriegel aus einem Notfallpack gelassen, aber keine Medikamente, nichts anderes.«
Ras ließ nicht locker. »Sie sagten, sie gehört Ihrer Familie?«
»Nein, das sagte ich nicht.« Amena wickelte den Wundpack um ihr verletztes Bein. Dann brach sie fast zusammen, weil es ihr Medikamente gegen Schock und Schmerzen direkt durch das zerrissene Hosenbein schoss.
Ich meldete mich bei ihr. Sag ihnen, ich stehe bei Preservation Survey unter Kontrakt.
»Sie steht bei Preservation Survey unter Kontrakt.« Amena richtete sich wieder auf. Das stimmt doch, wieso soll ich das so sagen, dass es wie eine Lüge klingt?
Weil »unter Kontrakt« für Konzernleute etwas völlig anderes bedeutet. In der Preservation Alliance bedeutete es, dass ich zugestimmt hatte, für einen ausdrücklich benannten befristeten Zeitraum gegen eine Vergütung für die Erkundung zu arbeiten. In Corporation Rim hätte es bedeutet, dass die Erkundung mich von einem Eigentümer gemietet hatte, wie man ein Habitat oder ein Bodenfahrzeug mietete, nur dass Menschen ihren Habitaten und Bodenfahrzeugen gegenüber in der Regel freundliche Gefühle entwickelten.
Amenas Antwort schien Ras zu verwirren, aber er sagte schlicht: »Wir brauchen irgendwas, das diese Drohnen ausschaltet.« Er suchte in dem Notfallkoffer und zog einen Feuerlöscher hervor. »Das hier könnte funktionieren.«
Eletra setzte sich auf den Boden. Sie hielt Amena den Medikamentenbehälter hin. »Ich glaube nicht, dass ich je von Preservation Survey gehört habe. Ist das ein Tochterunternehmen eines größeren Konzerns oder …?«
Während Amena ihr das Konzept eines Gemeinwesens ohne Konzerne erklärte (und dass viele Gemeinwesen tatsächlich Forschungsteams und Stationen und Städte und so weiter besaßen und nicht bloß aus Brüllaffen in Lendenschurzen bestanden), gelangte ich bei den Unterkünften an und begann mit einer raschen Durchsuchung. Einige Kabinen waren eindeutig unbenutzt, zumeist diejenigen mit Stockbetten, die für die Studierenden gedacht waren. Die Betten waren nach wie vor in die Wände gefaltet, und es waren nirgends persönliche Besitztümer zu sehen, genau wie beim letzten Mal, als ich hier gewesen war. Andere Kabinen wiesen Anzeichen kürzlicher Bewohnung auf: benutzte Betten und Möbel, die Betten bezogen, aber zerwühlt, Kleidung, persönliche Gegenstände und Hygieneartikel im Raum verteilt. Als wäre das Crewmitglied eben noch hier gewesen und nur kurz rausgegangen. Es war gruselig, nichts bewegte sich, nur die Fransen eines Wandschmucks wackelten im Luftzug der Lebenserhaltung.
Weiterhin keine Hinweise auf Leichen. Ich schickte Amena: Sag den Konzernleuten nicht, dass du Dr. Mensahs Tochter bist.
Ich bin doch nicht blöd, schickte sie zurück. Sie hatten die Erklärung, was Preservation war, hinter sich und tauschten inzwischen richtige Daten aus, darunter ihre Namen und was zur Hölle hier lief. Amena sagte: »Dieses Schiff hat uns angegriffen, sobald wir aus dem Wurmloch kamen. Wie sind Sie an Bord gekommen?«
»Uns hat es auch angegriffen. Wir waren auf einem Versorgungsfrachter, der das eigentliche Expeditionsschiff begleitete, einen Explorer, und da hat dieses Schiff hier plötzlich auf uns geschossen. Wir sind in einem Beiboot entkommen, dann wurden wir an Bord gezogen. Jedenfalls glaube ich, dass es sich so abgespielt hat.« Eletra strich ihre Haare zurück und wirkte erschöpft. »Die haben irgendwie dafür gesorgt, dass wir in dem Beiboot ohnmächtig wurden. In dem einen Moment waren wir dort, im nächsten lagen wir hier in diesem Schiff auf dem Boden, und diese grauen Leute haben uns ausgelacht. Was aus den anderen geworden ist, weiß ich nicht.«
Ich fragte mich, ob das Beiboot immer noch an Bord war. Ob Fifos Beiboote immer noch an Bord waren. Ohne Zugang zu Fifos Systemen ließ sich das nur durch eine physische Durchsuchung klären; als hätte ich gerade nicht schon genug zu tun. Apropos, ich tippte SD1 im Kommandobereich an und gab ihr die Anweisung, einen systematischen Scan sämtlicher aktiver Displayoberflächen vorzunehmen, die sie finden konnte.
»Wir wissen nicht, wieso sie uns aufgegriffen haben«, sagte Ras. »Sie haben uns in eine Kabine eingeschlossen und einfach dort schmoren lassen. Keine Ahnung, was sie wollen, sie haben es uns nicht verraten.«
»Der Explorer war viel schneller«, sagte Eletra. »Vielleicht ist er noch entkommen.«
»Unser Basisschiff ist entkommen, glaube ich«, sagte Amena langsam. »SecUnit wollte dort gerade mit mir hin, und dann haben sie sich uns gegriffen und in ihre Schleuse gezogen.«
Es gab zu viele Stellen in Fifo, die ich noch nicht durchsucht hatte und an denen die Leichen der Crew verstaut sein mochten.
Vielleicht schaue ich zu viele Medien, jedenfalls kam mir in den leeren Gängen, vorbei an leeren, aber vor Kurzem noch benutzten Räumen, das Bild in den Kopf, wie ich die Hütte von Mensahs Familie in ähnlichem Zustand vorfand. Leer, nirgends Menschen, nur ihre zurückgelassenen Besitztümer, keine Spur im Feed, keine Kameras, keine Möglichkeit, sie zu finden.
Mir fehlte die Zeit für solchen Quatsch.
»Gibt es hier drin irgendwas zu essen oder zu trinken?«, fragte Eletra. Sie ließ den Kopf in die Hände sinken. »Ich habe schreckliche Kopfschmerzen.«
Ras schob sich in den Stand und verzog das Gesicht. »Nebenan ist ein Badezimmer, da gibt’s Wasser.«
In der nächsten Reihe Unterkünfte stieß ich dann auf die ersten Anomalien. Bei einer Kabine war ich mir ziemlich sicher, dass Ras und Eletra darin eingesperrt gewesen waren. Auf einer der Kojen lag eine zusammengeknüllte Jacke, die zu ihren Uniformen passte. Die Kabine verfügte nicht über ein Bad, roch aber weniger schlimm, als ich erwartet hätte. (Für mehrere Zyklen ohne Zugang zu Wasser oder Sanitäranlagen eingeschlossene Menschen wirken sich üblicherweise nachteilig auf das Raumklima aus.) Die Ziele mussten sie regelmäßig rausgelassen haben.
Mein Prozess zur Auswahl von Audioschnipseln (eine Reihe von Gesprächen zwischen zweien meiner liebsten wiederkehrenden Figuren in Waldmond) war beendet. Ich filterte Musik und Effekte aus, regelte die Lautstärke runter und schnitt die Schnipsel zu 1:22 Stunden zusammen, dann schickte ich sie an SD1 im abgeriegelten Kommandobereich. Sie spielte das Audio ab. Ich hatte nach Gesprächen gesucht, in denen die beiden Figuren flüsterten oder mit leisen, aufgeregten Stimmen sprachen. Der Effekt würde sogar noch besser sein, während SD1 sich auf der Suche nach Displayoberflächendaten durch den Raum bewegte.
Ich setzte meine Durchsuchung der Unterkünfte fort. Vermutlich hatten die Ziele auch diese Kabinen benutzt (sie kamen mir nicht gerade wie Wesen vor, die bereitwillig die Privatsphäre anderer Wesen respektierten), aber der merkwürdige Geruch war der erste Hinweis, dass ich richtig lag. Die Wohnräume von Menschen tendieren dazu, nach schmutzigen Socken zu riechen, selbst wenn sie sauber sind. Dieser Geruch dagegen war merkwürdig … landwirtschaftlich, wie das Wachstumsmedium, das in Systemen zur Herstellung von Lebensmitteln benutzt wird.
Laut SD2 im Vorraum zum Kommandobereich pressten sämtliche Ziele ihre Helme jetzt gegen die Luke und versuchten, dem Gespräch im Inneren zu folgen.
Das fand ich bei allem Ernst der Lage durchaus witzig.
»Dann waren Sie auch auf einer Erkundung?«, fragte Amena. Ich merkte, dass sie es beiläufig klingen lassen wollte, aber für die anderen Menschen war es vielleicht nicht so offensichtlich.
»Nein. Na ja, in gewisser Weise schon«, sagte Ras. Er hatte im Bad einige Wasserbehälter gefüllt und brachte sie jetzt für die Gruppe nach draußen. »Es ging um eine Rückgewinnung.«
»Eine versuchte Rückgewinnung.« Eletra nahm einen langen Zug aus einem Behälter und wischte sich den Mund ab. »Unsere Abteilung war für untergegangene Siedlungen zuständig.« Sie zögerte. »Ich bin nicht … Das sind proprietäre Informationen …«
»Ich bin eine kleine wissenschaftliche Praktikantin, und ich lebe nicht mal in Corporation Rim«, stellte Amena klar. »Ich erzähle es schon niemandem.«
Ras scheute offenbar nicht so vor Auskünften zurück wie Eletra. »Wir hatten den Auftrag, einen besiedelbaren Planeten zurückzugewinnen. In einem der Systeme, die noch vor der Gründung von Corporation Rim kartografiert worden sind. Sagt Ihnen das was?«
»Natürlich.« Amena zog verwirrt die Stirn kraus. Ich begriff es ebenfalls nicht. Meine Lernmodule weisen Lücken auf, durch die man mit einem Kampfschiff fliegen könnte, aber ich wusste aus den Unterhaltungsmedien, dass es schon vor Corporation-Rim-Zeiten Prospektionsflüge gegeben hatte. (Die Konzerne hatten Weltraum und Planeten schließlich nicht erfunden, auch wenn die Firma ständig versucht, sich irgendwelches Zeug patentieren zu lassen.)
Eletra setzte sich anders hin, verzog das Gesicht, holte Luft. »Die Koordinaten vieler Systeme sind wieder verloren gegangen, bevor die Technik zur Stabilisierung von Wurmlöchern entwickelt wurde, aber manchmal lassen sie sich aus Datenfunden rekonstruieren. Wenn ein Konzern die Koordinaten eines Planeten findet, kann er gerichtlich seine Eigentumsrechte geltend machen, und dann steht es ihm frei, dort eine Kolonie aufzubauen.«
»Diese Art Spekulation gab es vor vierzig, fünfzig Jahren zuhauf«, fuhr Ras fort. »Natürlich haben sich auch viele Konzerne übernommen und mussten Konkurs anmelden, was zu vielen verschollenen Kolonien geführt hat.«
»Verschollen?« Amenas Miene zeigte, dass sie jetzt begriff, aber wenig begeistert war. »Sie meinen im Stich gelassene Kolonien. Siedlungen, die einfach sich selbst überlassen wurden.«
Nun begriff ich ebenfalls. Das kannte ich aus historischen Spielfilmen und Dokus. Preservation war von Überlebenden einer Saatkolonie besiedelt worden, die zusammenbrach, als der Nachschub ausblieb. Im Fall von Preservation war rechtzeitig ein unabhängiges Schiff gekommen und hatte die Kolonisten zu einem besiedlungsfähigeren Planeten gebracht.
(Eine beliebte Geschichte in den Medien von Preservation. Es gibt ständig neue Filmversionen von Captain Consuela Makebas Rede darüber, dass kein einziges Lebewesen zum Sterben zurückgelassen werden würde. Mensah hat einen Ausschnitt von einer der beliebtesten Darstellungen in ihrem Stationsbüro auf einer Displayoberfläche an der Wand hängen.)
(Hätte es in der Saatkolonie eine SecUnit gegeben, wäre den Menschen aber bestimmt ein überzeugender Grund eingefallen, warum die trotzdem auf dem sterbenden Planeten hätte zurückbleiben müssen.)
(Eigentlich glaube ich das gar nicht.)
(Manchmal aber schon.)
»Die Rückgewinnung untergegangener Kolonien ist aktuell ein Riesengeschäft«, sagte Ras. Er hatte sein Wasser ausgetrunken und stellte den Behälter beiseite. »Die Terraforming-Anlagen sind normalerweise noch vor Ort, ebenso Habitate und andere Altausrüstung.«
Amenas Miene war leer und wie versteinert. Sie tat so, als müsse sie ihren Wundpack zurechtzupfen, damit sie die beiden nicht ansehen musste. »Dann haben Sie eine untergegangene Kolonie gefunden?«
»Auf dem Weg dorthin wurden wir angegriffen«, sagte Eletra, während Ras noch Luft zum Antworten holte.
Ich fand eine größere Kabine, die aussah, als wäre sie absichtlich verwüstet worden. Kleidung lag zertrampelt auf dem Boden, manche in dem Blauton von Fifos Crewuniform. In dem kleinen angrenzenden Bad waren Körperpflegeartikel geöffnet und umgeworfen oder überall verschmiert worden. Ein paar echte statische Kunstgegenstände und ein holografischer Druck von Menschen, die Musikinstrumente spielten, lagen zerbrochen auf dem Boden. Jemand hatte vergeblich versucht, eine Displayoberfläche kaputt zu machen; sie hing schief und zeigte noch immer das statische Bild zweier männlicher Menschen, nicht jung, vielleicht in Mensahs Alter oder knapp darüber, genauer bekam ich das nicht hin. (Ich war nicht gut darin, das Alter von Menschen zu schätzen.)
Einer hatte dunkle Haut und auf der vorderen Hälfte des Schädels keine Haare, der andere war heller mit kurzem weißem Haar. Sie lächelten beide in die Kamera, mit einer Reliefversion von Fifos Logo an der Wand hinter ihnen. Ich hätte sie in meiner Archivdatei von Fifos Besatzungsverzeichnis nachschlagen können, aber ich wollte nicht.
Ich spürte, wie sich in meiner Brust etwas aufbaute. Ich holte mir die Aufnahme meiner Gespräche mit Fifo, die Art, wie es »meine Crew« gesagt hatte. Schlimm genug, dass Fifo tot sein musste; da war es nicht fair, dass die Menschen, die es so sehr geliebt hatte, auch tot waren.
Ich hätte jetzt gern ein paar mehr algenstinkende graue pampige Arschlöcher aufgetrieben und aus jedem einzelnen die Scheiße rausgekillt.
Ein unvermittelter Abfall der Leistungszuverlässigkeit um fünf Prozent verschaffte mir zittrige Knie, und ich lehnte mich an die Kabinenluke. Zwölf Sekunden lang erschien es mir eine gute Idee, bis ganz runter zum Boden zu rutschen und dort zu bleiben.
Aber ich musste langsam zu Amena zurück.
Außerdem war der Boden ganz schön eklig, nachdem die Ziele hier gewütet hatten.
In der Krankenstation war das Gespräch wieder bei mir gelandet. (Na toll.) Eletra sagte gerade: »Sie müssen wirklich vorsichtig sein. Diese SecUnit macht den Eindruck, als wäre an ihr herumgebaut worden, damit sie weniger nach einem Bot aussieht, aber das ändert nichts am Programm.«
»Hmm«, machte Amena, ohne Eletra anzusehen, und fummelte wieder an dem Wundpack um ihr Bein herum.
Ras warf ein: »Ich weiß, Sie denken, sie versucht, Sie zu beschützen …«
»Sie versucht es nicht.« Amenas Tonfall war schnippisch. »Sie beschützt mich.«
»Aber die sind unzuverlässig«, beharrte Ras. »Wegen all diesem menschlichen Nervengewebe.«
Nun, da lag er nicht ganz falsch.
Ras fügte hinzu: »Die drehen frei, und dann greifen sie ihre Kontraktinhaber und die Supportkräfte an.«
Amena biss sich auf die Lippen und kniff die Augen auf eine Weise zusammen, die besagte, dass sie eine Emotion unterdrückte; nur konnte ich nicht sagen, welche. »Ich frage mich, warum das so ist«, sagte sie mit ausdrucksloser Stimme.
Auf dem Weg zur Krankenstation ging ich durch die Bordküche und die Seminarräume, kurvte an einem Vorratsschrank vorbei und griff mir eine abgepackte Notration. Die hatten hier schrecklich viel Proviant für planetare Erkundungen, nicht gerade das, was man auf einem Schiff erwartet, auf dem kartografiert, unterrichtet und Fracht transportiert wird.
Als ich in unseren Gang einbog, tippte ich Amenas Feed an, um ihr zu sagen, dass ich gleich da sein würde, und fing an, mein Archiv durchzugehen und das, was ich aktuell sah, mit der Zeit zu vergleichen, als ich das letzte Mal an Bord gewesen war. Wusste ich denn wirklich, was Fifo und seine Crew taten? Ich hatte mir nie die Mühe gemacht, danach zu fragen; Weltraumforschung klang langweilig. Fast so langweilig wie die Bewachung von Bergbauausrüstung.
In der Krankenstation sagte Eletra: »Sie hatten Glück, dass die Einheit sich nicht gegen Sie gewandt hat, während Sie auf diesem Schiff festgehalten wurden. Sie müssen tagelang mit ihr eingesperrt gewesen sein.«
Moment, wie bitte? Hatten die Menschen etwa Probleme mit der Realitätswahrnehmung? Also noch mehr Probleme, als Menschen ohnehin damit haben? Das hatte mir gerade noch gefehlt. Damit sollte Amena allein fertigwerden, ich hatte zu tun.
Amena war verblüfft. »Nein, nein, wir sind gerade erst angekommen. Wirklich gerade erst. Unmittelbar bevor die grauen Leute mich in diesen Raum geschleift haben.«
Ras rieb sich das Gesicht; entweder verbarg er seine Miene, oder es ging ihm wirklich nicht gut. Eletra guckte mitfühlend. »Sie sind ziemlich durcheinander, glaube ich.«
Amena runzelte erneut die Stirn, aber sie schüttelte den Kopf. »Hören Sie, SecUnit kommt gleich zurück, darum müssen Sie aufhören, diese ganzen Sachen über sie zu sagen. Ich weiß, Sie sind davon überzeugt, aber Sie irren sich, und ich möchte das nicht hören. Und ich glaube, wir sind vielleicht alle drei durcheinander, weil …«
Vielleicht tat Fifos Crew ja noch mehr, als ins All zu starren und jungen Menschen beizubringen, wie man ins All starrte. Vielleicht hatte Fifo mich das nur glauben lassen.
Tja, und darum hatte ich zwar Drohneninput aus der Krankenstation, aber ich schenkte ihm keine Beachtung. Stattdessen suchte ich gerade nach Vergleichsbildern von eingelagerten Vorräten, um Anomalien aufzuspüren, fehlende Artikel oder sonstige Hinweise. Deshalb blieben mir nur 1,4 Sekunden Vorwarnzeit, als ich durch die Luke trat und Ras eine Waffe auf mich abfeuerte.
Für einen Menschen zielte er richtig gut.