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McKenna kletterte dem freien Himmel entgegen, zehn Stockwerke hoch zum Steuerborddeck der Lion. Ridley stand dort, versunken in den Anblick der jagenden grauen Wolken. Um Viertel nach neun Uhr abends war es noch fast taghell, in dieser Ecke der Welt ging die Sonne in den Sommermonaten offiziell erst gegen Mitternacht unter. Und solange es hell war, konnte man arbeiten.

McKenna rief die Munro über Funk. Schilderte die Situation. Die Lüftungsschächte, das Leckwasser im Schiffsbauch.

»Mein Ingenieur schätzt, dass wir die Schlagseite um circa acht Grad reduzieren können, wenn wir das eingedrungene Wasser lenzen«, erklärte sie. »Würden Sie uns mit Ihrem Helikopter unterstützen?«

Der Funker hatte ein Glucksen in der Stimme. »Liebend gern, Kapitän Rhodes. Wir stellen der Reederei jede Minute in Rechnung, die wir hier draußen verbringen. Der Dolphin ist in einer halben Stunde bei Ihnen.«

McKenna bedankte sich und trennte die Verbindung. Rief Al Parent auf der Gale Force und teilte ihm mit, dass die Pumpen abgeholt würden.

»Roger«, erwiderte Parent Senior. »Ihr übernachtet drüben?«

»Es wird neun oder zehn Stunden dauern, bis wir den Laderaum trockengelegt haben. Vielleicht brauche ich nicht alle Mann auf der Lion, aber ich bleibe auf jeden Fall und sehe zu, dass alles reibungslos abläuft. Schläuche brauchen wir auch, Al. Ein paar Kilometer.«

»Ich schicke euch alles, was ich finden kann. Sonst noch Wünsche?«

McKennas Blick schweifte über das leere Deck. Ihr Magen knurrte laut, und sie versuchte sich zu erinnern, wann sie das letzte Mal etwas gegessen hatte. »Was zu essen«, sagte sie. »Ich sterbe hier drüben vor Hunger.«

***

Innerhalb einer Stunde hatten Al und Jason Parent die Geräte samt Zubehör zur Abholung bereitgemacht und ein Fresspaket obendrein. Nelson Ridley und Court Harrington halfen McKenna, den Stahlkorb des Helikopters durch die Luke zu Deck sieben hinunterzubugsieren. Sie luden einen Karton mit dick belegten Broten und Thermoskannen voll Kaffee aus, ein paar Schlafsäcke und für jeden eine Taschenlampe. Sie verstauten die Liebesgaben in dem Winkel der Treppe, wuchteten die dicken Schlauchrollen aus dem Korb und machten sich dann an das schwerste Stück Arbeit: das Ausladen einer der beiden je vierundzwanzig Kilogramm schweren Pumpen.

Diese Lenzpumpen hatten das Format eines Koffers, wie er gerade noch in das Gepäckfach über einem Flugzeugsitz passt. McKenna laschte sie an das Geländer im Niedergang und hielt sie dort fest, während Harrington der Helikopterbesatzung all clear signalisierte. Der Helikopter schwebte seitwärts ein Stück nach achtern, wo Matt und Stacey Jonas sich in ihrer eigenen Luke eingerichtet hatten. Während auch dort ausgeladen wurde, verfrachteten McKenna, Ridley und Harrington ihre Pumpe drei Decks weiter nach unten, wo sie zum Einsatz kommen sollte, ein langer, kräftezehrender Prozess. Ein Seil kam um die Pumpe, ein zweites an McKennas Klettergurt. McKenna stieg durch die Luke, nahm die Pumpe in die Arme, damit sie auf dem Weg nach unten nicht irgendwo anschlug und beschädigt wurde. Ridley und Harrington blieben oben und gaben Seil nach. Endlich stand die Maschine am Schott von Deck vier.

»Angekommen, Jungs!«, rief McKenna nach oben. »Jetzt die Schläuche, bitte.«

Die Männer ließen die Schläuche hinunter und kletterten beladen mit Schlafsäcken und Proviant hinterher. Noch war die Arbeit nicht getan. Die Pumpe musste erst in den Laderaum geschafft werden und durch das Labyrinth der Autos zu ihrer Wirkungsstätte. Sie fixierten die Pumpe ein Stück oberhalb der Wasserfläche an vier Laschaugen im Deck und installierten die Schläuche. Der eine hing in das ölig schillernde Wasser, der andere musste nach oben geschleppt werden, zur Luke an Deck sieben, um dort die hochgepumpte Bilge ins Meer zu speien.

Als McKenna den Schlauch aus der Luke schob und festband, war es dunkel geworden. Fast Mitternacht, der eben noch graue Himmel schwarz, der Wind voller Salzwasserstaub, selbst so hoch über dem Meer.

McKenna sicherte den Schlauch, dann rief sie den Niedergang hinunter: »Okay, Jungs. Einschalten.«

Eine Weile geschah nichts. Dann ein Rumpeln, eine Wolke Benzingestank; der Schlauch hustete Fäulnisgase, bekam Schluckauf, und plötzlich schoss ein öliger Wasserstrahl an der Bordwand hinunter ins Meer.

Sechzig Meter achteraus hatten Matt und Stacey ihre Pumpe ebenfalls angeworfen. McKenna winkte Matt von ihrem Platz aus zu, bevor sie wieder nach unten kletterte, um sich mit Ridley und Harrington für die Nacht einzurichten.