Am Morgen war die Krängung auf achtunddreißig Grad zurückgegangen. McKenna seilte sich zu Ridley und Jason ab. Ridley schlief, Jason blätterte in einer Liebesschmonzette.
»Mein Vater hat die Schwarte eingepackt.« Er verdrehte die Augen. »Ein Automagazin oder so was wäre mir lieber gewesen.«
»Matt und Stacey hat er mit einem Krimi beglückt. Gib her, dann frage ich, ob sie tauschen wollen.«
Jason schaute zwischen ihrer ausgestreckten Hand und dem Buch hin und her. Er errötete leicht. »Vielleicht lieber nicht. Ich finde es jetzt doch ganz spannend. Die Charaktere, weißt du?«
McKenna lachte. »Wie du willst. Sonst alles im grünen Bereich?«
»Keine Probleme. Nur Ridley sägt im Schlaf ganze Wälder ab.«
»Schade. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich ihm Matt als Partner gegeben, der hört sich an wie die Diesel auf der Gale Force, sagt Stacey. Aber ein Gutes hat es – du bleibst wach.«
Als Nächstes vergewisserte sie sich, dass auch bei Matt und Stacey und ihrer Pumpe alles in Ordnung war.
»Aber der Sprit geht uns aus«, sagte Stacey. »Was machen die anderen?«
»Jason entwickelt sich zum Romantiker, und Ridley schläft. Al singt seinen Enkel mit Songs von Waylin’ Jennings in den Schlaf.«
Matt lachte. »›Don’t let your babies grow up to be cowboys‹?«
»Erstaunlicherweise nicht. Aber wenn es verlangt wird, wahrscheinlich jederzeit.«
»Und du? Wie geht es dir?«, forschte Stacey. »Hast du zwischendurch ein Auge zumachen können?«
»Mir geht es gut«, antwortete sie, um jeder Diskussion aus dem Weg zu gehen. Dann bemerkte sie Staceys prüfenden Blick. »Ich habe Court gestern Abend zur Gale Force zurückgeschickt, damit er sich ausruht. Das hat den Stressfaktor reduziert.«
Matt und Stacey nickte verständnisinnig, als wüssten sie genau, wovon sie redete. »Er ist Court der Unverbesserliche«, sagte Stacey. »Das wird sich auch nie ändern.«
»Ein Genie«, fügte Matt hinzu. »Und ein kleiner Junge.«
»Und immer noch mein Exfreund oder nicht einmal mehr das.« McKenna seufzte. »Ridley glaubt, ich wäre besonders streng zu Court, weil ich ihm immer noch nicht verziehen habe.«
Die Eheleute schauten sich an. »Und könnte er damit recht haben?«, fragte Matt. »Eigentlich wollte ich nichts sagen, aber …«
»Ihr zwei beiden habt einigen Klärungsbedarf, weiter nichts«, beendete Stacey den angefangenen Satz für ihn. »Aber wer nicht, stimmt’s?«
»Stimmt«, sagte McKenna. »Ich habe nur gehofft, die Aussprache ließe sich verschieben, bis wir dieses Schiff abgeliefert haben.« Sie zuckte mit den Schultern. »Was soll’s. Jedenfalls bringe ich euch einen neuen Kanister Benzin. Kann aber eine Stunde dauern.«
Sie kletterte wieder nach oben, wo der Himmel immer noch grau war, aber nicht mehr ganz so grau und die Wolken sich auf der Flucht vor dem Sturm auf der anderen Seite an die Vulkanberge von Umnak Island klammerten. Nach der Vorhersage des Wetterdienstes bestand auf Tage hinaus keine Aussicht auf Besserung, weiterhin Windstärke acht bis neun. Sie zog frierend die Schultern hoch und war dankbar, nicht dort draußen mit der See um den Besitz der Pacific Lion kämpfen zu müssen.
Gegen acht Uhr erschien der Helikopter der Coast Guard. Er brachte Benzin und tatsächlich Court Harrington mit dem Frühstück.
Und einem Karton Red Bull. »Für dich«, sagte er. »Wie ich dich kenne, warst du die ganze Nacht auf den Beinen, um deine Schäfchen zu hüten.«
McKenna fiel es nicht leicht, ihn anzusehen, sie musste an die Unterhaltung mit Ridley am vergangenen Abend denken. »Da könntest du recht haben.«
»Läuft alles nach Plan? Das Schiff sieht besser aus.«
»Alles wunderbar. Keine Probleme. Und wie geht es dir?«
»Ich habe geschlafen wie ein Baby.« Harrington grinste. »Zum ersten Mal in all den Jahren habe ich mich in der alten Koje gefühlt wie in Abrahams Schoß.«
Sie luden gemeinsam aus. »Noch gilt es«, sagte Harrington. »Der Heli ist da, und für ihn ist es bis zur Gale Force nur ein Katzensprung. Warum lässt du dich nicht zurückfliegen? Mal wieder ein ebenes Deck unter den Füßen und ein paar Stunden Schlaf im eigenen Bett? Die Lion braucht noch einen Tag, bis sie komplett ausbalanciert ist.«
McKenna rang ihre Befangenheit nieder und musterte ihn.
Eine Nacht durchschlafen hatte ihm sichtlich gut getan. Er hatte Farbe bekommen, sah erholt aus und unternehmungslustig. Und du siehst nach einer schlaflosen Nacht und der dauernden Kletterei durch den Mief unter Deck selber aus wie ein halbes Wrack.
»Ich muss die Sachen an unsere getreuen Pumpenwächter verteilen«, wehrte sie ab. »Die übrigens bestimmt froh wären, wenn sie mal wieder frische Luft schnappen könnten.«
»Dann übernehme ich da unten die Vertretung, und sie verteilen den Proviant. Du musst noch lernen zu delegieren, Kapitän Rhodes.«
»Wir haben einen Job zu erledigen.« McKenna griff sich einen Benzinkanister. »Danach ist Zeit zum Schlafen.«
Harrington legte den Kopf schief. »Betrachte es nicht als Insubordination, wenn ich dir sage, dass das auf Dauer nicht gut geht. Du musst doch todmüde sein.«
»Ich bin todmüde«, sagte McKenna. Sie deutete mit einer Kopfbewegung auf den Karton mit Energydrinks. »Aber dafür haben wir ja das da.«