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Die Atmosphäre in Dutch Harbor wirkte wie elektrisch aufgeladen, irgendetwas hatte die Stadt in Aufregung versetzt, Daishin Sato konnte es spüren, hörte es aus den Bruchstücken von Unterhaltungen heraus, die er im Vorbeigehen aufschnappte. Gleichzeitig bemerkte er, dass der Verkehr auf den Straßen des kleinen Orts zunahm. Da warf ein größeres Ereignis seine Schatten voraus, und es hatte mit der Pacific Lion zu tun.

Die Veränderung betraf auch Hannah an der Rezeption des Grand Aleutian. Sie war den ganzen Tag schwer beschäftigt gewesen, tippte auf dem Computer und telefonierte, hielt das Reinigungspersonal auf Trab und tauschte auf dem Ständer in der Lobby abgegriffene Werbeprospekte gegen neue aus.

Satos Interesse war geweckt. Mit der Suche nach Hiroki Okura kamen sie nicht weiter, auch wenn Daishin so gut wie sicher war, dass der Zweite Offizier der Pacific Lion noch lebte. Und von Hannah wusste er, dass der Mann mit einem hiesigen Bergungsschlepper zur Lion hinausgefahren war. Aber der Tote, den die Coast Guard von Bord geholt hatte, war Tomio Ishimaru. Folglich war Okura noch da draußen, irgendwo.

»Was ist los?«, fragte er Hannah. »Die Stadt summt wie ein Bienenstock.«

Hannah strahlte über das ganze Gesicht. »Das havarierte Schiff. Die Bergungsleute haben es aufgerichtet und schleppen es hierher, nach Dutch Harbor.«

»Ah. Das ist allerdings aufregend.«

»Sie sagen es. Der halbe Vorstand der Reederei kommt mit einer gecharterten Maschine aus Japan. Die gesamte obere Etage ist für sie reserviert.« Sie klopfte mit den Fingerknöcheln dreimal auf die Tresenplatte. »Ich hoffe, sie bleiben für länger. Das könnte die ganze Saison retten.«

»Ich wünsche es Ihnen.« Sato neigte sich ein wenig vor. »Aber das allein kann unmöglich so viel Gesprächsstoff liefern. Alle reden über die Pacific Lion, in jedem Geschäft, in jedem Restaurant. Sind Gäste aus Japan hier so selten?«

Hannah musterte ihn verständnislos. Dann lachte sie. »Oh!«, sagte sie. »Ha! Ich verstehe. Das ist lustig.«

Sato erwiderte das Lächeln. Rang um Geduld, obwohl er dieser ständig fröhlichen, sorglosen Person am liebsten den Hals umgedreht hätte. Höflich bleiben. Plauderton. Freundlich.

Seine Geduld trug Früchte. Hannah beugte sich vertraulich über den Tresen. »Da ist noch etwas anderes.«

»Ja?«

»Es geht das Gerücht, dass es eine Schießerei gegeben haben soll. Auf dem Schiff hielt sich ein blinder Passagier versteckt, und als die Bergungsmannschaft ihn entdeckte, hat er versucht, einen von ihnen zu erschießen.«

Sato heuchelte Erschrecken. »Liebe Güte, ich hoffe, es wurde niemand verletzt.«

»Nein, nach allem, was man hört. Jedenfalls nicht ernsthaft.« Hannah zuckte mit den Schultern. »Sie haben den Mann gefasst und vom Schiff geholt, soweit ich weiß.«

»Und was geschieht mit ihm?«

»Keine Ahnung. Sie haben ihn hergebracht und in eine Zelle gesperrt. Es heißt, man diskutiert noch, wer für ihn zuständig ist.«

Sato nickte. »Das ist wirklich aufregend.«

»Und ob«, stimmte Hannah zu. »Schießereien, blinde Passagiere – das reinste Hollywood.«