Nakadate starrte ungläubig auf den Computerschirm.
Eine Eilmeldung von Google: NOCH EIN DRAMA AUF DER PACIFIC LION.
Drei Männer japanischer Nationalität von einem zerstörten Rettungsboot geborgen. In dem Wrack wurden Schusswaffen gefunden. Ein Bericht von einer verwegenen Attacke auf die Pacific Lion und den Hochseebergungsschlepper Gale Force, dasselbe Schiff, das den Frachter nach seiner Beinahe-Kenterung im Nordpazifik geborgen hatte.
Die drei Japaner waren gerettet worden, las Nakadate weiter, aber sie befanden sich im Gewahrsam der kanadischen Behörden. Die Pacific Lion setzte derweil ihre Reise nach Seattle fort – von nun an allerdings mit einer Militäreskorte.
Nakadate las den Bericht ein zweites Mal. Sato und seine Helfer hatten versagt. Die Lion fuhr unbehelligt weiter. Kein Wort von einem Aktenkoffer. Keine Erwähnung eines gefundenen Gegenstandes, »zu dem wir aus ermittlungstechnischen Gründen keine näheren Angaben machen können«.
Vielleicht gab es nichts zu erwähnen. Das Ausmaß von Satos Versagen war dermaßen universal, dass Nakadate überzeugt war, der Aktenkoffer befand sich noch auf dem Bergungsschlepper. Ein Problem, aber noch keine Katastrophe.
Er griff nach dem Telefonhörer. Rief Masao Tanaka an. Die Besatzung der Gale Force hatte den Behörden nichts von dem Aktenkoffer und seinem Inhalt gesagt. Nakadate fragte sich, ob sie unter Umständen an einem Tauschhandel interessiert wären.
***
»Eine Sache macht mich stutzig«, erzählte Stacey Jonas McKenna über Funk. Sie und Matt hatten sich nach längerem Warten aus dem Versteck gewagt und sofort die Gale Force angefunkt, um zu fragen, ob alles in Ordnung war. Sie selbst waren mit dem Schrecken davongekommen und schon wieder obenauf.
»Und die wäre?« McKenna beobachtete, wie die Lichter der Lion sich dem Heck der Gale Force näherten. Die Winde spulte die ausgerauschte Trosse auf und stellte den vorherigen Abstand wieder her. Querab von der Lion folgte der kanadische Seenotrettungskreuzer, der die drei Männer von ihrem fast vollgelaufenen Rettungsboot gepflückt hatte. Am Himmel wachte ein großer Helikopter der Royal Canadian Air Force über den Schlepper und seinen Anhang.
»Mir kam es vor, als wüssten sie verdammt gut Bescheid«, sagte Stacey. »Zum Beispiel, was hat sie veranlasst, von der Lion zur Gale Force zu schippern?«
»Vielleicht haben sie mit diesem schießwütigen blinden Passagier gesprochen. Die Coast Guard hat ihn nach Dutch Harbor gebracht. Er wäre mein Tipp als Informationsquelle für unsere drei Freunde.«
»Kann sein. Aber in den paar Tagen seit Dutch Harbor können sie unmöglich den ganzen Frachter durchsucht haben, was meinst du? Sie haben sich nicht einmal die Mühe gemacht, mich oder Matt zu fragen, ob wir etwas von einem Aktenkoffer wissen.«
McKenna versetzte sich in Gedanken zurück nach Dutch Harbor. Die vage Erinnerung an einen Mann in einem Pick-up am Kai tauchte aus ihrem Gedächtnis auf. Und der Mann auf dem Flugplatz, der es so eilig gehabt hatte und noch vor Court in die Maschine gestiegen war.
Bestand da ein Zusammenhang? Oder war das schon Verfolgungswahn?
»Diese Typen hatten einen Auftrag«, fuhr Stacey fort. »Sie wussten, wo sie suchen mussten. Woher wohl?«
Verdammt! McKenna starrte aus dem Fenster in die fast pechschwarze Nacht.
»Ich melde mich gleich wieder«, sagte sie zu Stacey. »Ich muss ganz dringend jemanden anrufen.«