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In dieser Nacht bekam ich kein Auge zu. Ich lag auf dem Rücken. Arme und Beine von mir gestreckt. Die Decke weit weg am Fußende des Bettes. Um kurz nach vier Uhr morgens gab ich auf.

Ich griff nach meinem Smartphone und suchte nach einer Erklärung. Anfangs war das eine schwachsinnige Idee. Ich hätte mir denken können, dass man nur auf Grausiges stößt, wenn man nach Schlagwortkombinationen wie ›Menschen‹, ›krank‹ und ›verbrennen‹ sucht. Wer lud solche Bilder hoch? Und, schlimmer noch, wer wollte sie sehen? Ich war in eine Ecke des Internets vorgestoßen, die ich eigentlich versuchte zu meiden.

Ich klickte mich durch unzählige Artikel, las über Brandopfer und brennende Ausschläge, über Notfälle in Flugzeugen, selbst über das Burning Man Festival. Keiner der Texte enthielt hilfreiche Hinweise.

Nach einer Weile kam ich auf die Idee, nach Videos aus dem Flugzeug zu suchen. Einige der Passagiere hatten mitgefilmt. Vielleicht hatte jemand einen Mitschnitt online gestellt.

Fast war ich erleichtert, als auch diese Suche keine Ergebnisse hervorbrachte. Wollte ich das Ganze wirklich noch einmal auf dem Display ansehen? Die Bilder waren auch so in mein Gehirn eingebrannt.

Ich war kurz davor, aufzugeben und mich einer Nacht voller Albträume zu stellen, als ich auf den ersten nützlichen Artikel stieß. Er war wenige Wochen alt. Darin wurden ein Dutzend Todesfälle miteinander in Verbindung gebracht. Von einigen hatte ich schon in den Medien gehört, weil die Opfer so prominent waren.

Der reichste Mann der Welt. Ein saudischer Prinz. Der spanische Besitzer eines der größten Textilunternehmen der Welt. Ein Mitarbeiter eines amerikanischen Agrarkonzerns. Ein indischer Kohlebaron. Der CEO einer US-amerikanischen Investmentfirma ... Ihre Todesfälle gaben Experten weltweit Rätsel auf.

In dem Artikel behauptete der Journalist, einen Zusammenhang erkannt zu haben. Mehreren Quellen zufolge hätten einige der Betroffene kurz vor ihrem Tod von einem Hitzegefühl berichtet. Die Körpertemperatur stiege schlagartig an. Augenzeugen zufolge hatten mindestens drei von ihnen beklagt, dass sie das Gefühl hätten, von innen zu verbrennen.

Die Todesfälle traten alle unabhängig voneinander auf. Viele der Betroffenen waren einander nie begegnet. Im näheren Umfeld der Verstorbenen hingegen gab es bisher keine ähnlichen Fälle oder Vorerkrankungen. Der Autor des Artikels glaubte trotzdem felsenfest an eine Verbindung. Die Opfer zählten zum Who’s who der Weltwirtschaft. Entscheider. Staatslenker.

Das konnte kein Zufall sein.

Nachdem ich den Artikel gelesen hatte, war mir unwohler als zuvor. Ich hatte meine Suche in der Hoffnung nach Antworten gestartet. Antworten, die mir Gewissheit gaben. Die hatte ich nicht gefunden. Und jetzt saß ich aufrecht im Bett.

Ich suchte nach weiteren Quellen. Einige Seiten zitierten den Artikel. In mehreren Foren wurde darüber diskutiert. Ein Großteil der Nutzer hielt den Autor für einen Spinner. Und die Nutzer, die ihn doch ernst nahmen, klangen selbst nach den ärgsten Verschwörungstheoretikern. Sie trugen Nutzernamen wie flatearther4real und princelebt.

Kaum ein anderes Medium sprang auf die Theorie auf. Die Sache war im täglichen Nachrichtenkreislauf untergegangen.

Trotzdem klang der Artikel für mich glaubhaft. Die vielen Todesfälle. Die Beschreibung der Symptome. Es traf alles genau auf den Mann aus dem Flugzeug zu. Nur hatte ich keine Ahnung, wie der dazu passen sollte.

Ich hatte einen ersten Hinweis gefunden.

An Schlaf war in dieser Nacht nicht mehr zu denken.