KAPITEL EINS

Iris

Es ist ein Verbrechen, einen Tag wie heute ganz alleine zu feiern«, unterbricht mich Cal, mein bester Freund und Bruder meines Chefs.

Trotz des zerknitterten Zustands seines Anzugs und seiner schmutzig-blonden Haare zieht er die Aufmerksamkeit mehrerer Kellnerinnen, die an unserem Tisch vorbeigehen, auf sich.

Ich sperre das Display meines Handys und bringe ein Lächeln zustande. »Ich bin nicht diejenige, die heiratet.«

Er mustert mich. »Nein, aber du bist die Puppenspielerin, die das Unmögliche möglich gemacht hat.«

»So schlimm war es auch wieder nicht.«

»Jetzt weiß ich sicher, dass mit dir was nicht stimmt. Bist du etwa … traurig, dass Declan heiratet?« Seine Stimme fällt eine Oktave tiefer.

Ein Lachen bricht aus mir heraus. »Was? Nein.«

»Was ist dann los?«

Ich senke den Kopf, sodass mir ein paar meiner Korkenzieherlocken vor die Augen fallen, und fahre mit der Hand über mein Kleid, um nicht vorhandene Falten zu glätten. Der Stoff in fröhlichem Lavendelton hebt sich von meiner braunen Haut ab und lässt mich viel glücklicher erscheinen, als ich mich fühle. »Ich habe gerade eine E-Mail bekommen, dass ich den Job nicht gekriegt habe.«

»Scheiße. Das tut mir leid. Ich weiß, wie gründlich du dich auf das Vorstellungsgespräch vorbereitet hast.«

Nachdem ich monatelang an der Bewerbung für einen Job in der Personalabteilung der Kane Company gebastelt habe, wurde meine Bitte um Versetzung auf die Stelle abgelehnt. Was mehr wehtut, als es sollte. Mit einer Einstiegsposition im Personalbereich wollte ich zwar nicht gerade nach den Sternen greifen, aber es schien mir eine gute Idee mit einer vielversprechenden Zukunft. Eine Idee, die unzähligen Menschen mit Legasthenie zugutekommen könnte, die im Hamsterrad eines großen Unternehmens mitlaufen. Mein Plan könnte das Unternehmen auf die nächste Stufe heben, wenn sie mir nur eine Chance geben würden.

Du kannst es beim nächsten Mal wieder versuchen.

Mein Lächeln beginnt zu wackeln. »Es hat wohl einfach nicht sein sollen.«

»Das ist Bullshit, wenn du mich fragst.«

Ich lache. »Aber dennoch wahr. Immerhin hat Declan es nicht rausgefunden. Kannst du dir vorstellen, wie es gewesen wäre, wenn ich es ihm gesagt und dann nicht mal den Job bekommen hätte? Das hätte er mich nie vergessen lassen.«

»Er hat definitiv einen Hang zur Schadenfreude.«

»Daher die Party.« Mit einem breiten Grinsen deute ich auf den riesigen aus Ballons geformten Bogen.

Cal hebt angesichts des flackernden Neonschilds mit der Aufschrift Sie hat Ja gesagt eine Augenbraue. »Sehr dezent. Er wird begeistert sein.«

Ich klimpere unschuldig mit den Wimpern. »Ich habe nicht mehr getan, als eine Party zu planen, genau so, wie er es von mir verlangt hat. Er hätte mir eben sagen sollen, welche Art von Event er sich genau vorstellt.«

»Erinnere mich dran, dich niemals zu verärgern.«

»Für den Tag hab ich schon einen Plan in der Tasche.«

Cal tut so, als würde er vor Angst schaudern. »Wo ist denn überhaupt die zukünftige Braut?«

»Declan wollte sich vor der großen Ankündigung mit ihr unterhalten.«

Seine Augen weiten sich. »Warum zum Teufel lässt du das zu?«

»Ähm … weil er sie bisher noch nicht kennengelernt hat?«

»Exakt! Deshalb ist es ja so eine verdammt schlechte Idee!« Cal fährt sich mit beiden Händen durch die dichten, welligen Haare.

»Glaubst du, er wird sie dazu bringen, ihre Meinung zu ändern?«

»So wie ich meinen Bruder kenne, würde das nicht viel Überzeugungsarbeit erfordern.«

»Sie hat einen Vertrag unterschrieben. Der Deal ist beschlossene Sache.«

»Wenn du meinst …« Er zuckt mit den Schultern.

»Vielleicht sollte ich nach ihnen sehen.« Ich wende mich den Aufzügen zu.

Cal hakt sich bei mir unter. »Auf keinen Fall. Du nimmst dir heute Abend frei.«

»Aber …«

»Wahrscheinlich hast du recht. Declan würde nicht riskieren, alles zu verlieren, indem er etwas Dummes tut. Sogar er weiß, wann er sich zurückhalten muss.«

»Jetzt weiß ich, dass du lügst.«

Er kichert. »Na los. Lass uns reingehen und auf Declan warten. Stell dir einfach vor, was für eine Mühe er sich geben wird, keine finstere Miene zu machen, und wie er auf ganzer Linie damit scheitern wird. Ich glaube nicht, dass ich ihn auf andere Weise als höhnisch jemanden habe anschauen sehen, seit …« Er unterbricht sich.

»Seit?«

Er vermeidet es, mir in die Augen zu sehen. »Schon immer. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sein Schwanz schon ganz wund davon ist, dass er sich jeden Abend einen runterholt.«

Lachend klopfe ich ihm auf die Schulter. »Sag so was nicht, er ist mein Boss.«

»Das macht es nicht weniger wahr. Ich bin überrascht, dass ihm das Ding noch nicht abgefallen ist.«

Ich muss schon wieder kichern.

»Callahan «, dröhnt Declan hinter uns.

Beim Klang seiner Stimme huschen ein paar Nachzügler in den Ballsaal.

»Er weiß auf jeden Fall, wie man seine Gäste auf ihre Plätze verweist«, bemerkt Cal.

Das fröhliche Glitzern in Cals Augen erlischt in dem Moment, als Declan mit gerunzelter Stirn neben uns stehen bleibt. Die Luft um uns herum scheint sich auf einmal auf Minusgrade abzukühlen, als hätte Declans eisiger Blick die Macht, den Klimawandel umzukehren. Sein muskulöser Körper versperrt mir die Sicht auf die Lobby. Der Scheinwerfer hinter ihm hebt die Schärfe in seinen Gesichtszügen hervor und bringt die Dunkelheit in seinen Augen und an den Rändern seines Kiefers zum Vorschein.

Im Vergleich zu Cals Goldjungen-Look mit blonden Haaren und blauen Augen erinnert mich Declan an den tiefsten Teil des Ozeans – kalt, dunkel und verstörend ruhig. Wie ein Monster, das in Reichweite lauert, nur einen Atemzug davon entfernt, jemanden zu seiner Beute zu machen. Von seinen dunklen Haaren bis zu der permanenten Grimasse, die in sein Gesicht geätzt zu sein scheint, strahlt er etwas aus, das jeden Menschen, der ihm begegnet, dazu bringt, sich in die entgegengesetzte Richtung zu wenden.

Nun, alle außer mir. Einige würden vielleicht behaupten, dass er sich meine Loyalität durch einen Gehaltsscheck verdient, aber das ist nicht der Fall. Wir teilen einen gegenseitigen Respekt füreinander, der über die Zeit Bestand hatte und noch immer hat. Während die ersten Monate unserer Zusammenarbeit steinig waren, hat mein Ehrgeiz, eine gute Assistentin für ihn zu sein, dazu beigetragen, den Weg für unsere heutige Beziehung zu ebnen.

Irgendwie passen wir zusammen, obwohl wir in fast jeder Hinsicht sehr verschieden sind. Ich bin eine Schwarze Frau. Er ist ein weißer Mann. Ich lächle, er macht ein finsteres Gesicht. Er steht jeden Morgen früh auf, um zu trainieren, während mich keine zehn Pferde ins Fitnessstudio bringen, es sei denn, um mir an der Bar einen Smoothie zu holen. Selbst wenn wir uns Mühe geben würden, könnten wir nicht unterschiedlicher sein, und dennoch bekommen wir es irgendwie hin. Zumindest bekomme ich es irgendwie hin.

Ich trete zwischen die beiden Brüder. »Mr. Kane, was machen Sie hier draußen? Ist es schon Zeit für die Ankündigung?«

Declan wendet seinen Blick von Cal ab und richtet ihn auf mich. Die meisten Leute ducken sich unter seinem Blick, aber ich strecke den Rücken durch und erwidere ihn, wie es mir meine Nana beigebracht hat.

»Sie ist raus.«

Ich blinzle. »Wer ist raus? Die Hochzeitsplanerin?«

»Nein. Die Frau. Belinda.«

»Bethany hat hingeschmissen?!«

Cal wagt es tatsächlich, selbstgefällig dreinzuschauen.

Declan macht sich nicht mal die Mühe, diskret oder im Mindesten verlegen den Blick zu senken, während er meinen sorgfältig ausgearbeiteten Plan implodieren lässt.

»Ja. Die.«

»Das darf nicht wahr sein.« Ich weigere mich zu glauben, dass er gerade Monate harter Arbeit ruiniert hat. Meiner Arbeit. Eine Frau zu finden, die bereit war, ihn zu heiraten und ein Kind mit ihm zu bekommen, damit er sich sein Erbe verdienen und CEO werden kann, war beinahe ein Ding der Unmöglichkeit.

Deine Weigerung, die Tatsachen anzuerkennen, ändert nur leider nichts an ihnen.

»Ich weise dich natürlich nur ungern darauf hin, dass ich es dir gesagt habe …«, bemerkt Cal.

»Das ist alles deine Schuld.« Ich starre ihn an.

Cal hebt abwehrend die Hände. »Ist es nicht! Was kann ich dafür, dass das Ego meines Bruders größer ist als sein Schwanz?«

Declan versetzt Cal mit der flachen Hand einen Schlag auf den Hinterkopf. Ich ignoriere ihr Gezänk, während ich im Kreis um sie herumlaufe.

»Du hättest abhauen sollen, als du die Chance dazu hattest.« Cal leert sein Glas, bevor er sich meine noch zur Hälfte gefüllte Sektflöte schnappt.

»Sprichst du aus Erfahrung?«

Cals Nasenflügel beben, während er die Hände an seinen Seiten zu Fäusten ballt, bevor er tief Luft holt und die Wut in sich schmelzen lässt. Er richtet seine Aufmerksamkeit auf mich. »Und das ist der Grund, aus dem unser Grandpa überhaupt erst diese Erbschaftsklausel in sein Testament eingefügt hat. Er wusste, dass Declan noch nicht bereit ist, CEO zu werden, und dachte, eine Familie zu haben, könnte ihn weicher machen. Ich meine, wie soll jemand wie er die Massen inspirieren, wenn er ständig versucht, jeden um sich herum zu zerstören?«

Declan spannt sichtlich den Kiefer an, worauf Cal in stummem Hohn eine Augenbraue hebt.

Ich deute auf Cal. »Hör auf, dich wie ein Kind zu benehmen, und benutz dein Großhirn, um uns aus diesem Schlamassel rauszuhelfen.« Declans Blick ist auf mich gerichtet, als ich mich wieder ihm zuwende. »Und Sie hören auf, Ihre Wut an anderen auszulassen. Ihr Scheitern hat nichts mit Cal zu tun, sondern allein mit Ihnen

Er starrt mich nur mit diesem leeren Blick an, den ich mehr als alles andere hasse.

»Natürlich hat er die Sache vermasselt«, mischt sich Cal erneut spöttisch ein. »Sein neuestes Software-Update verfügt eben über kein Handbuch, wie man zu einem anständigen Menschen wird.«

»Es ist hoffnungslos. Mit dir und mit Ihnen«, grummele ich leise, während ich mein Handy raushole und Bethanys Nummer wähle. Es klingelt lediglich zweimal, bevor die Mailbox anspringt. Ich lege auf und rufe erneut an, aber diesmal geht sofort die Mailbox dran. »Scheiße!«

»Geht niemand ran?« Cal besitzt tatsächlich die Frechheit, amüsiert zu klingen.

»Was haben Sie getan?«, fahre ich Declan an.

Declan zupft an einem unsichtbaren Fussel am Ärmel seines Anzugs, als wäre dies das langweiligste Gespräch, das er heute geführt hat. »Sie war ungeeignet für den Job.«

»Und was soll ich mit dieser Information angesichts der Tatsache, dass da drin hundert Leute darauf warten, von Ihrer Verlobung mit einer mysteriösen Frau zu erfahren, anfangen? Ich bin ganz Ohr.«

Er sieht mich aus zusammengekniffenen Augen an, und ich erwidere sein Starren, die Hände in die Hüften gestemmt.

Cal räuspert sich, als wollte er uns an seine Anwesenheit erinnern. »Ich wäre auch daran interessiert, zu erfahren, wie es jetzt weitergehen soll. Vater wird begeistert sein, von Declans gescheiterter Verlobung zu hören.«

O mein Gott. Auch wenn Declans Vater nichts von Brady Kanes Brief an Declan weiß, in dem er die Bedingungen zum Antritt seines Erbes aufgeführt hat, ist er nicht dumm. Nicht umsonst ist er ein erfolgreicher Geschäftsmann. Ich habe keinen Zweifel daran, dass er, wenn er auch nur den leisesten Hinweis darauf findet, dass die geplante Verlobung nur inszeniert war, zu Bradys Anwalt rennen wird. Und wenn der Anwalt ihm glaubt, könnte Declan alles verlieren.

Denk nach, Iris. Denk. Nach.

Ich versuche es noch einmal unter Bethanys Nummer in der Hoffnung, dass sie meinen Anruf beim dritten Versuch magischerweise entgegennimmt.

Die Mailbox-Ansage ist laut und deutlich über den Lautsprecher des Telefons zu hören.

Cal pfeift, bevor er ein Explosionsgeräusch ausstößt. »Das ist der Klang von Declans bevorstehendem Tod.«

»Müsstest du nicht irgendwo sein? In einer zwielichtigen Bar zum Beispiel?«, fährt Declan ihn an.

»Warum für Alkohol bezahlen, wenn ich ihn auf deine Kosten umsonst abstauben kann?« Cal schwenkt grinsend sein Glas.

Ich versuche, die Stimmen der beiden auszublenden, während ich meine Optionen durchgehe.

Was kannst du tun? Ein für alle Mal hinschmeißen?

Nein. Ich weigere mich, jetzt aufzugeben. Nicht, wenn ich so nah dran bin, Declan dabei zu helfen, sein Ziel zu erreichen.

Du könntest die Nummer zwei auf der Liste anrufen, allerdings hat Declan sie zum Weinen gebracht …

»Wusstest du eigentlich, dass Iris Single ist?« Cals Lächeln hat etwas Unheilvolles. »Sie ist wie geboren für die Rolle; niemand kennt dich besser als sie.«

»Auf keinen Fall«, grollt Declan.

Moment mal.

Ja.

Ich!

Es ist nicht so, als gäbe es vieles, das mich davon abhält, als Ersatz einzuspringen. Ohne festen Freund oder sonstige Verpflichtungen könnte ich Bethany ohne Schwierigkeiten ersetzen.

Nur weil du es kannst, heißt das nicht, dass du es tun solltest.

Aber wenn nicht ich, wer dann? Uns läuft die Zeit davon, und weitere passende Kandidatinnen für die Rolle als zukünftige Ehefrau von Declan Kane haben wir auch nicht.

Ich öffne meinen Mund, nur um im selben Moment von einer kreischenden Tati, Declans Hochzeitsplanerin, unterbrochen zu werden. »Da sind Sie ja! Ich habe mich schon gefragt, wo sich der Bräutigam versteckt hat.« Tatis hohe Stimme hallt von den Wänden wider.

»Diese Show ist besser als alles, was man für Geld bekommen kann.« Cal leert mein Glas, bevor er sich mit einem Lächeln an den nächstbesten Stehtisch lehnt.

»Wo ist denn die Verlobte, über die ich bisher so wenig gehört habe?« Tati schwenkt ihr Klemmbrett wie einen Zauberstab.

Ich bin froh, dass ich Bethanys Identität geheim gehalten habe, nur für den Fall, der nun tatsächlich eingetreten ist.

Du kannst nicht ernsthaft in Erwägung ziehen, ihn zu heiraten. Du liebst ihn nicht einmal.

Ich muss auch nicht in ihn verliebt sein. Es wäre ein Vertrag, keine Liebesbeziehung.

Declan unterbricht meine Gedanken: »Bea…«

»Sie heißt Tati, mein Schatz.« Ich lege eine Hand auf seine Brust. Als er sich versteift, tätschele ich ihn zusätzlich auf eine Weise, die sagt: Verhalte dich ganz natürlich .

Er starrt mit zusammengezogenen Brauen auf meine Hand, als wollte er sie Finger für Finger von seiner Brust reißen. »Was machst …«

Hastig falle ich ihm ins Wort. »Dir die Mühe ersparen, mich vorzustellen und unsere Geschichte zu erzählen.« Ich schenke ihm das süßeste Lächeln, das ich angesichts der Umstände zustande bringe.

Willst du das wirklich durchziehen, Iris?, erkundigt sich meine Stimme der Vernunft.

Ich wüsste nicht, wie die Alternative aussehen sollte.

Es geht um eine Ehe! Aus der kannst du dich nicht einfach so verabschieden, wenn du es irgendwann mit der Panik zu tun bekommst.

Ich schiebe jeden Gedanken beiseite, der gegen meinen Plan spricht. Es geht lediglich um ein paar Jahre meines Lebens.

Und was ist mit der Sache mit dem Kind?!

Ich wollte immer Kinder.

Ja. In einigen Jahren!

Immerhin kann ich so schon etwas früher mit der Umsetzung meines Fünfjahresplans beginnen.

Ich schlucke den Kloß in meinem Hals runter und richte meine Aufmerksamkeit wieder auf Tati. Dann löse ich mich aus Declans steifer Umarmung und greife nach seiner Hand, worauf er die Muskeln, die sich sichtlich unter dem Stoff seines Jacketts abzeichnen, anspannt.

Großartig. An seiner deutlichen Abneigung gegen jede Art von Berührung durch dich müssen wir auf jeden Fall noch arbeiten.

»Tati, ich muss zugeben, dass ich am Telefon nicht ganz ehrlich zu Ihnen war.«

Ihr Lächeln wird etwas blasser. »Oh.«

»Ich habe gezögert, mich als jemand anderes als Declans Assistentin vorzustellen, bevor ich Sie persönlich kennenlerne. Sehen Sie, ich arbeite seit geraumer Zeit bei der Kane Company, und Sie wissen, wie leicht sich Klatsch und Tratsch verbreiten.«

Sie nickt, das Klemmbrett fest an die Brust gedrückt. »Natürlich. Ich verstehe.«

»Ich hatte solche Angst davor, was die Leute vielleicht über mich denken würden, darüber, dass ich mit meinem Chef zusammen bin … Aber nun können wir nicht länger damit hinterm Berg halten. Wir möchten es nicht mehr.« Meine Stimme rutscht ein wenig höher, ohne dass ich es beabsichtigt habe.

Das einzige Anzeichen, das verrät, dass Declan angespannt ist, ist sein zweimaliges Blinzeln. Ich habe ihn noch nie zweimal blinzeln sehen. Nicht als ein Geschäftsdeal, an dem er zwei Jahre lang gearbeitet hatte, geplatzt war, und schon gar nicht, als sein Großvater gestorben ist. Es … verunsichert mich.

Ich straffe die Schultern und wende mich wieder Tati zu. »Wir sind bereit, unsere gemeinsame Zukunft zu gestalten. Es gibt keinen Grund mehr, unsere Liebe geheim zu halten.«

Cal reckt hinter Tatis Rücken zwei Daumen. Oscar-würdig formt er stumm mit den Lippen, was Declan dazu veranlasst, ihm beide Mittelfinger zu zeigen.

Tati strahlt übers ganze Gesicht. »Wow! Der heutige Abend ist also aus mehreren Gründen eine große Sache für Sie beide.« Ihr Blick fällt auf meinen nackten Ringfinger.

»Oh, richtig. Der Ring!« Ich sehe Declan an. Das Zucken seines Kiefers ist für alle sichtbar.

Tut mir leid, Declan, aber ich bewahre dich davor, deine gesamte Zukunft wegzuwerfen, auch wenn es im Moment vielleicht nicht danach aussieht.

Declan entzieht mir seine Hand und nimmt einen Platinring mit einem wunderschönen einzelnen Diamanten aus seiner Tasche. Ich bin etwas überrascht angesichts der Eleganz des Rings. Er ähnelt in keiner Weise der gottlosen Monstrosität, die ich für seine zukünftige Frau ausgesucht habe. Was mich verwirrt. Hat er beim Juwelier das falsche Schmuckstück abgeholt? Mir war von Anfang an klar gewesen, dass ich ihm eine so wichtige Aufgabe nicht anvertrauen durfte, aber er hat darauf bestanden.

Tati hebt eine Augenbraue zu einer stummen Frage und reißt mich damit aus meinen Gedanken.

»Ich habe Declan gebeten, ihn erst einmal wieder an sich zu nehmen, da wir ihn anpassen lassen müssen. Das verdammte Ding ist mir regelrecht vom Finger geflogen, als ich mich nach dem Antrag in seine Arme geworfen hab.«

»O nein!« Tati verzieht mitleidig die Lippen.

Cal tritt einen Schritt vor, um Tatis Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. »Ich habe meinem Bruder noch gesagt, dass es eine ganz schlechte Idee ist, den Antrag während eines Regengusses zu machen, aber er hat darauf bestanden, dass es der perfekte Moment ist, weil Iris Gewitter liebt.«

»Ich habe noch nie jemanden gesehen, der schneller auf die Knie gegangen ist als er.« Ich zwinkere Tati zu, und ihre Wangen färben sich leicht rot.

Declans Stirnrunzeln wird tiefer, was mich zum Lachen bringt.

»Mein Bruder hat fast seine Tom-Ford-Hose in zwei Hälften gerissen, als er dem Ring hinterhergehechtet ist. Er ist noch nie dermaßen in Panik gewesen, also ist es gut, dass er das gute Stück erwischt hat, bevor es im nächsten Gully verschwinden konnte.« Cal legt einen Arm um Declans Schultern, doch er stößt ihn weg.

»Haben Sie den Antrag auf Video? Es wäre schön, ihn den Gästen zu zeigen.« Tati strahlt wieder bis über beide Ohren.

Mir wird am ganzen Körper heiß. »Nein. Declan hat den Antrag ganz spontan gemacht. Es war so romantisch …« Ich hole scharf Luft, als der Teufel meine linke Hand packt und damit eine Gänsehaut bei mir auslöst. Er streicht über meinen Handrücken, als er den Ring an meinen Finger steckt.

»Oh, sehen Sie, er passt doch!« Tati klatscht begeistert in die Hände. Ich könnte schwören, dass sie lediglich zwei Lautstärkeeinstellungen hat – laut und ohrenbetäubend.

»Er muss in seinem vollen Terminkalender endlich eine Minute Zeit gefunden haben, ihn anpassen zu lassen.« Meine Wangen werden noch heißer.

Declan dreht den Ring, als wollte er testen, ob er nun tatsächlich passt, bevor er seine Hand in die Tasche steckt.

Ich fahre den Diamanten mit einem Finger nach, bevor ich am Ring ziehe. Der sich keinen Millimeter bewegt. Ich räuspere mich und zwinge mich zu einem Lächeln. »Er klemmt.«

Wie es aussieht, hat Bethany schmalere Finger als ich. Gönnt man mir heute Abend denn gar nichts?

»Du steckst definitiv in der Klemme«, sagt er so leise, dass nur ich ihn verstehen kann. Etwas an der Tiefe seiner Stimme jagt mir einen Schauer über den Körper. Als er einen Schritt zurücktritt, hole ich tief Luft.

Er streicht sein Jackett glatt. »Zeit, mit der Show weiterzumachen.«

Eine Show. Nicht mehr, nicht weniger. Eine Scheinehe, die meinen Boss davor bewahren soll, alles zu verlieren, wofür er sein ganzes bisheriges Leben gearbeitet hat.

Der Gedanke lässt erneut Panik in mir aufsteigen, größere als jemals zuvor. Ich versuche mir einzureden, dass es nur eine Ehe auf dem Papier ist, aber nichts scheint das Tempo meines Herzschlags drosseln zu können.

Declan fängt meinen Blick auf, als könnte er meine wachsende Angst spüren, und die Realität bricht über mich herein wie eine riesige Welle. Mit jeder Sekunde, die vergeht, fällt mir das Atmen schwerer.

Ich habe mich gerade freiwillig gemeldet, Declan beizustehen – im Guten wie im Schlechten.

Bis dass der Tod uns scheidet.