Ich hätte gerne einen Moment, um mit meiner Verlobten unter vier Augen zu sprechen.« Die Worte kratzen wie Sandpapier über meine Zunge.
Iris’ Blick verschränkt sich mit meinem. Ihre Augen weiten sich, bevor sie in einem stillen Hilferuf Cal ansieht. Ihre Fähigkeit, mich wie ein Lügendetektor zu durchschauen, macht sie in ihrem Job unglaublich effizient, doch in diesem Moment ist sie einfach nur unangenehm.
Cal öffnet den Mund, doch der Blick, den ich ihm daraufhin zuwerfe, veranlasst ihn, langsam zurückzuweichen. »Wir sehen uns drinnen.« Er nickt Iris halbherzig zu, bevor er den Ballsaal betritt.
Die Hochzeitsplanerin wirft einen raschen Blick auf ihre Uhr. »Ich bin in fünf Minuten zurück, um Sie zu holen. Laufen Sie mir bloß nicht wieder davon.« Sie zwinkert uns zu, bevor sie Richtung Küche verschwindet.
Mein Herz pocht viel zu schnell in meiner Brust, und ich versuche, dreimal tief durchzuatmen, um meinen Puls zu beruhigen.
Du hast ihr den Auftrag gegeben, jemanden mit einem XX -Chromosom und der Fähigkeit zur Fortpflanzung für dich zu finden. Es ist allein deine Schuld.
Ich habe den Punkt überschritten, ab dem es kein Zurück mehr gibt. Niemals hätte ich gedacht, dass Iris auf einen solchen Plan zurückgreifen könnte, ohne mich vorab zu fragen, ob ich damit einverstanden bin. Das Ganze ist eine furchtbare Idee, die alles aufs Spiel setzt, was wir im Laufe der Jahre gemeinsam aufgebaut haben.
Beruhig dich.
Eins … zwei …
Scheiße!
»Was zum Teufel haben Sie sich dabei gedacht?«
Iris verzieht angesichts meines Tonfalls keine Miene, schürzt nur vor Abscheu ihre vollen Lippen. »Ihren Arsch zu retten, daran habe ich gedacht.«
»Ich fürchte, es fällt mir schwer zu erkennen, wie das funktionieren soll.«
»Dann sollte ich eventuell einen Termin beim Augenarzt für Sie vereinbaren. Ich habe gehört, dass die Sehkraft mit dem Alter nachlässt.« Ihre übliche humorvolle Anspielung darauf, dass ich zwölf Jahre älter bin als sie, aber der Effekt verpufft.
Ich funkele sie aus zusammengekniffenen Augen an. »Fordern Sie mich nicht heraus.«
»Und wagen Sie es nicht, mich so anzusehen.« Sie stemmt eine Hand in die Hüfte, als würde sie in Kampfhaltung gehen. Der Diamant an ihrem Finger reflektiert das Licht und lenkt damit meine Aufmerksamkeit auf ihn. »Hätte ich nicht eingegriffen, hätten Sie einem Raum voller erwartungsvoller Gäste erklären müssen, wo Ihre Verlobte abgeblieben ist. Was hätten Sie denen antworten wollen? Dass sie in der Post verloren gegangen ist?«
»Nein.« Ich beiße so fest die Zähne zusammen, dass sie knirschen. »Obwohl mir eine Versand-Verlobte aus dem Katalog im Moment als die bessere Alternative erscheint.«
Ihre dunklen Augen funkeln. »Sehen Sie den Tatsachen ins Auge, Ihnen sind sowohl die Zeit als auch die Optionen ausgegangen.«
»So scheint es, ja.« Ich werfe ihr einen kurzen Blick zu.
Etwas blitzt in ihren Augen auf, verschwindet jedoch gleich wieder. Dann reckt sie trotzig das Kinn und sieht mir fest in die Augen. »Eine wunderbare Art, einer Frau das Gefühl zu geben, etwas ganz Besonderes zu sein.«
»Besonders ist das letzte Wort, mit dem ich Sie beschreiben würde.« Es fühlt sich viel zu banal für jemanden wie Sie an.
Sie wirft mit einem lauten Stöhnen die Hände in die Luft. »Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, warum ich das für eine gute Idee gehalten habe.«
»Damit sind wir immerhin schon zu zweit. Was genau ist Ihr Motiv bei der Aktion?«
»Ich mag Sie genug, um Sie vor sich selbst retten zu wollen. Das muss an irgendeinem chemischen Ungleichgewicht in meinem Körper liegen; gleich am Montag werde ich meine Therapeutin konsultieren.«
Ich blinzle sie an. »Behaupten Sie jetzt nicht, dass Sie mich aus reiner Herzensgüte heiraten wollen.«
Sie zieht die dunklen Brauen zusammen und drückt den Rücken durch. »Und wenn doch?«
»Sparen Sie sich die Show. So was gibt es nur in Dreamland-Filmen.«
Ihre Lippen teilen sich. »Das ist keine Show. Auch wenn ich mir angesichts Ihrer Reaktion wünschen würde, es wäre eine.«
Irgendetwas an dieser ganzen Sache irritiert mich. Warum meldet sich Iris nach monatelanger Suche nach der perfekten Kandidatin plötzlich freiwillig selbst für den Job?
Weil sie nicht mitansehen wollte, wie du jemand anderen heiratest , meldet sich eine sehr leise Stimme in meinem Kopf zu Wort.
Nein. Das kann nicht sein.
Oder doch?
Das könnte ihr unberechenbares Verhalten erklären.
Als ich ihrem Blick folge, fällt mir auf, dass sie ihn auf den Verlobungsring gerichtet hat. Langsam fährt sie die abgerundeten Kanten des Diamanten nach. Die Geste hat beinahe etwas Ehrfürchtiges.
Verdammt .
Sich von jemandem angezogen fühlen ist eine Sache. Verliebtsein dagegen ein ganz anderes tödliches Spiel, an dem ich in absehbarer Zeit kein Interesse habe.
Ich spanne den Kiefer an. »Tun Sie das alles, weil Sie heimlich in mich verliebt sind?« Die Worte kommen mir hastig über die Lippen. Mein Herz schlägt hart gegen meinen Brustkorb, als würde es einen Weg hinaus suchen.
Dass sie mir gegenüber irgendwelche starken Gefühle abgesehen von Gleichgültigkeit hegt, habe ich nie in Betracht gezogen. Verdammt, ich wollte nie darüber nachdenken, aus Hunderten unterschiedlichen Gründen, aber vor allem, weil sie die beste Assistentin ist, die ich je hatte. Sie als Mitarbeiterin zu verlieren, ist keine Option. Vor allem nicht, wenn sie ein wesentlicher Bestandteil meines Plans ist, die Position meines Vaters zu übernehmen.
Meine Gedanken werden in tausend Stücke zerschmettert, als Iris sich vorbeugt und laut losprustet. In den drei Jahren, die ich in ihrer Gegenwart verbracht habe, habe ich sie nie unvernünftig erlebt. Wer hätte gedacht, dass es nur meinen Ring an ihrem Finger braucht, um einen kompletten Zusammenbruch bei ihr auszulösen?
Hilfe suchend tastet sie nach Halt und greift nach dem Erstbesten, das sich in Reichweite befindet, und das bin zufällig ich. Jeder Muskel in meinem Körper spannt sich an, während Hitze meinen Arm hinaufwandert, als würde ich von Flammen verzehrt. Ich bleibe stocksteif und kerzengerade stehen, als sich ihr Lachen in ein asthmatisches Keuchen verwandelt.
Anstatt erleichtert zu sein, bin ich von ihrer Reaktion fast ein wenig enttäuscht. Angesichts der Tatsache, dass sie die Vorstellung, in mich verliebt zu sein, dermaßen lächerlich findet, zieht sich mein Magen auf unangenehme Weise zusammen.
Du wirst es niemals wert sein, geliebt zu werden . Die Stimme meines Vaters schleicht sich wie immer im ungünstigsten Moment in meinen Kopf und jagt mir einen Schauer über den Rücken.
Ich zupfe Iris’ Finger einen nach dem anderen von meinem Bizeps. »Haben Sie gerade eine Art Zusammenbruch?«
»Nein, Sie Idiot. Und ich bin auch nicht in Sie verliebt.« Sie muss schon wieder lachen; jedes Mal, wenn sie einatmet, gibt sie ein furchtbares pfeifendes Geräusch von sich. »Ich tue das, weil wir Freunde sind.«
»Ich werde niemals Ihr Freund sein.« Und ich will es auch niemals sein .
Sie verzieht spöttisch die Lippen. »Lügner. Freunde helfen Freunden, wenn sie krank sind.«
»Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden.«
»Erinnern Sie sich daran, als ich die Grippe hatte?«
Ich verschränke die Arme. »Ich bin mir bis heute nicht sicher, ob Sie die wirklich hatten.«
»Also erinnern Sie sich!« Ihr Lachen verwandelt sich in ein kratziges Husten.
»Nur weil ich eine ganze Reinigungsmannschaft anheuern musste, um zu gewährleisten, dass jeder Quadratzentimeter des Büros desinfiziert wird.«
»Okay. Was ist mit dem Mal, als ich Ihnen geholfen habe, nachdem Sie sich auf dieser Geschäftsreise so wahnsinnig betrunken haben?«
»Ich habe nie um Ihre Hilfe gebeten.«
»Sie sind über Ihre eigenen Füße gestolpert und haben mich gebeten, Ihnen meinen Zwilling vorzustellen.«
Meine Alkoholtoleranz ist ungefähr genauso hoch wie meine Toleranz gegenüber Menschen – gegen null gehend.
»Ihr betrunkenes Ich ist sehr viel netter. Sie haben mich gebeten, Sie ins Bett zu bringen und Ihnen ein Schlaflied vorzusingen.«
»Jetzt weiß ich, dass Sie lügen. Sie sind eine der schlechtesten Sängerinnen, die ich kenne.« Meine Lippen drohen sich zu einem Lächeln zu verziehen, aber ich rette mich stattdessen in eine Grimasse.
Sie wirft ihre Hände in die Luft. »Okay, schon gut. Ich habe gelogen. Aber ich hätte es getan, wenn Sie mich gefragt hätten! Weil Freunde einander helfen.«
Ich bin versucht, jeden Preis dafür zu zahlen, das Wort Freunde aus sämtlichen Wörterbüchern entfernen zu lassen. Ich habe keine Freunde. Ich will keine Freunde. Und ich will auch niemandes Freund sein, schon gar nicht ihrer.
Ein weiteres krächzendes Lachen verwandelt sich in einen Hustenanfall. Bevor ich mich selbst daran hindern kann, nehme ich ihre winzige Handtasche vom Tisch und drücke sie ihr in die Hände. »Unternehmen Sie was gegen dieses gottverdammte Geräusch.«
Sie durchsucht die Tasche nach ihrem Inhalator. »Sorgen Sie sich etwa um mein Wohlbefinden?«
»Ausschließlich zu meinem eigenen Vorteil.«
»Natürlich. Wie konnte ich das vergessen.« Sie verzieht die Lippen um die Öffnung des Inhalators zu einem Lächeln, bevor sie das Medikament einatmet.
»Lassen Sie uns ein paar Dinge klarstellen.«
Sie zieht die Brauen zusammen, und ihr Mund öffnet sich, aber ich bringe sie zum Schweigen, bevor sie etwas erwidern kann. »Jede Freundlichkeit, die ich Ihnen in der Vergangenheit entgegengebracht habe, hat ausschließlich aus Respekt vor Ihnen als meiner Assistentin hergerührt. Ich verschwende meine Zeit nicht mit etwas so Sinnlosem wie Freundschaft. Wenn Sie also glauben, dass zwischen uns etwas in dieser Richtung existiert, dann liegt das an Ihnen, nicht an mir.«
Im Gegensatz zu den meisten Leuten, die unter meinem scharfen Ton in der Regel in sich zusammensinken, wenn nicht sogar in Tränen ausbrechen, zuckt Iris nur mit den Schultern. »Wie dumm von mir, anzunehmen, Sie könnten tatsächlich irgendwelche Gefühle außer Verachtung für jemanden hegen. Ich kann Ihnen versichern, dass ich nie wieder auf so eine absurde Idee kommen werde.«
»Ich empfinde nichts außer dem brennenden Verlangen, mein finales Ziel zu erreichen.«
Sie seufzt. »Das Leben hat Ihnen mehr zu bieten, als Ihren Vater zu zerstören.«
Ich ignoriere sie, indem ich auf meine Uhr schaue; die Zeit läuft uns davon. »Ich muss ein paar Grundregeln aufstellen.«
»Regeln.« Ihre Augen werden riesig.
»Jeder Blick.« Der unstete Schlag meines Herzens wummert in meinen Ohren. Ihr stockt der Atem, als ich ihre Wange berühre, mit dem Daumen ihre weiche Haut streichle, als könnte ich meinen Namen allein mit dieser Geste in sie hineinbrennen. »Jede Berührung.« Ihre Augen schließen sich. Jede Zelle meines Körpers verlangt danach, mich zurückzuziehen, Abstand zwischen uns zu bringen, weil ich sie nicht so anfassen sollte. Es verwischt zu viele Grenzen. Aber meine Vernunft wird ausgeschaltet, als ich ihren Kokosduft einatme und meine Lungen gegen die Invasion protestieren. »Jeder Kuss … Das alles ist nichts weiter als eine Lüge.« Als ich mit den Lippen über ihre Mundwinkel streiche, fühlt es sich an wie Hunderte kleiner Stromschläge, die durch meinen Körper fahren.
Sie reißt die Augen auf, als ich mich zurückziehe. Es ist ihr deutlich anzusehen, dass in ihrem Kopf ein wahrer Sturm wütet. Ich stecke die Hände in die Taschen und gebe mich unbeeindruckt, während sich ihre Brust mit jedem abgehackten Atemzug, den sie ausstößt, heftig hebt und senkt.
»Sie … Ich … Was …« Ihr Gestammel ist so wirr, wie es vermutlich auch ihre Gedanken sind. Ich sollte mich geschmeichelt fühlen, in der Lage zu sein, sie dermaßen außer Gefecht setzen zu können, aber es bringt mich im Gegenteil vollkommen aus der Fassung. Meine Berührungen sollten nicht diese Art von Reaktion bei ihr hervorrufen. Nicht, wenn sie ehrlich war, als sie behauptet hat, sie tue all das nur, weil sie uns als Freunde betrachtet.
Ich versuche, die Situation wieder in den Griff zu bekommen, so etwas wie eine Barriere um mich herum zu errichten. »Es gibt nichts, was ich nicht tun würde, um mir mein Erbe zu verdienen. Rufen Sie sich das in Erinnerung, wenn Sie vergessen sollten, dass dies nicht mehr als ein Spiel für mich ist.«
Ihr Mund öffnet sich, aber sie wird von dieser schrillen Stimme unterbrochen, die mich für immer verfolgen wird.
»Wollen wir dann? Die Gäste werden langsam unruhig. Alle möchten wissen, wer die zukünftige Mrs. Kane ist«, unterbricht die Hochzeitsplanerin unser Gespräch und richtet ihr Klemmbrett wie eine Militärkommandantin auf den Eingang zum Ballsaal.
»Sind Sie bereit?« Iris klammert sich an meine Hand. Ihr Lächeln ist eine verwässerte Version von dem, das sie Cal zuvor geschenkt hat.
Ich antworte nicht, weil ich weiß, dass alles, was aus meinem Mund kommen würde, eine Lüge wäre.