KAPITEL SIEBEN

Declan

Es war vielleicht etwas überstürzt von mir, anzukündigen, dass Iris und ich bereits in zwei Wochen statt in einem Monat heiraten würden. Im Nachhinein wird mir klar, dass ich sicherstellen wollte, dass sie keine Gelegenheit findet, einen Rückzieher zu machen. Aber nun muss ich mich den Konsequenzen meines Handelns stellen.

»Ich erwarte, dass du bis zum Ende des Wochenendes in mein Haus eingezogen bist«, sage ich zu Iris, als ich an ihrem Schreibtisch vorbei auf die Tür zu meinem Büro zugehe.

Sie schaut von ihrem Computer auf. »Wie bitte?«

»Du kannst die Umzugsfirma mit meiner Karte bezahlen.«

»Ich soll dieses Wochenende bei dir einziehen?«

»Ja.«

»Aber morgen ist schon Samstag.«

Ich hole tief Luft, während ich mich gegen den Türrahmen lehne. »Und?«

Sie fährt sich mit beiden Händen übers Gesicht und stöhnt. »So kurzfristig finde ich niemals ein Umzugsunternehmen.«

»Zum richtigen Preis ganz bestimmt.«

»Aber ich müsste meinen Mietvertrag vorzeitig kündigen.«

»Die Kosten übernehme ich.«

»Oder ich behalte sie vorerst, nur für den Fall …«

Ich schneide ihr das Wort ab. »Wie würde es deiner Meinung nach für die Öffentlichkeit aussehen, wenn man herausfindet, dass du ›nur für den Fall‹ deine Wohnung behalten hast?«

Ihre Unterlippe zittert. »Aber ich liebe meine Wohnung.«

»Ich bin mir sicher, dass es einen gewissen Charme hat, am Schauplatz echter Verbrechen zu leben, aber du wirst darüber hinwegkommen.«

»Ich wohne in Hyde Park, nicht in einem Kriegsgebiet.«

»Du hast in Hyde Park gewohnt. Ab morgen nicht mehr.«

Sie verengt die Augen. »Das war’s? Du schnippst einmal mit den Fingern, und ich soll wie eine gehorsame Ehefrau tun, was du willst, ohne irgendwas zu hinterfragen?«

»Darin hast du jahrelange Übung, es sollte also keine allzu steile Lernkurve bedeuten.«

Ihre Antwort besteht darin, dass sie mir einen Stressball an den Kopf wirft, und aus einem keuchenden Lachen, das auch noch durch meine geschlossene Bürotür zu hören ist.

* * *

Denk an deine Zukunft .

Mein rechtes Lid zuckt, als Iris eine weitere Topfpflanze in mein Haus schleppt. Bei dem Tempo wird mein Haus in wenigen Stunden aussehen wie eine Gärtnerei. Die überall auf den Hartholzböden verschüttete Erde scheint mich daran erinnern zu wollen, dass mein perfekt organisiertes Leben gerade gründlich auf den Kopf gestellt wird.

Ich muss um drei weitere Tontöpfe herummanövrieren, deren Inhalte eher an kleine Bäume erinnern, bevor ich die Haustür erreiche. Iris spricht mit gedämpfter Stimme mit einer ihrer Grünpflanzen, streichelt über die Blätter und entschuldigt sich dafür, dass sie sie aus ihrer gewohnten Umgebung herausgerissen hat. Sie ist verrückt. Zumindest wüsste ich nicht, wie ich sonst jemanden beschreiben sollte, der mit seinen Pflanzen spricht, als handelte es sich bei ihnen um Kleinkinder.

Immerhin wird sie eine anständige Mutter abgeben.

Ich schalte mein Telefon stumm, damit der Leiter unserer Revisionsabteilung mich nicht hört. »War’s das? Es zieht nämlich.« Ich deute auf die geöffnete Haustür. Wie aufs Stichwort schlägt mir ein Windstoß entgegen.

Iris reibt ihre Hände aneinander, bevor sie hineinpustet. »Es würde sehr viel schneller gehen, wenn du mir helfen würdest.«

»Ich arbeite nicht mit den Händen.«

»Gott sei Dank bekommen wir kein Kind auf die altmodische Art, sonst würde die ganze Arbeit dabei an mir hängen bleiben.«

Jede Erwiderung bleibt mir im Hals stecken, was sie zum Lachen bringt.

»Hältst du dich für witzig?«

»Das bin ich auf jeden Fall lieber als faul.« Damit tritt sie durch die Tür, offensichtlich zufrieden damit, mich zum Schweigen gebracht zu haben.

Ich habe die Person am anderen Ende der Leitung beinahe vergessen, als sie etwas sagt. Iris’ Präsenz richtet schon jetzt Chaos in meinem Leben an, und ich frage mich, wie ich drei Jahre mit ihr überleben soll. Mein gesamtes Haus ist mit ihrem Zeug vollgestellt, von den bunten Decken, die sie auf meine eleganten Sofas geworfen hat, bis hin zu ein paar gerahmten Fotos von zwei Frauen, die ich noch nicht kennengelernt habe.

Ich gebe mein Bestes, mich auf das Telefonat zu konzentrieren, bekomme jedoch nur die Hälfte von dem mit, was gesagt wird. Meine Konzentrationsfähigkeit ist stark beeinträchtigt, seit Iris’ Umzugswagen in meiner Einfahrt aufgetaucht ist.

Zwanzig Minuten später lässt sich Iris auf den Boden sinken. »Alles erledigt!« Ihre Zöpfe, die mit Schneeflocken bedeckt sind, liegen um ihren Kopf gefächert. Einige spiralförmige Locken haben sich daraus gelöst und kleben an ihrem Gesicht. Ihre Winterjacke in Babyrosa wirkt fehl am Platz – ein krasser Kontrast zu meinem schwarzen Anzug, meinen schwarzen Schuhen und meiner schwarzen Seele.

Ich sehe mich um und zähle dabei keine zehn Kisten. »Du hast mehr Pflanzen als Dinge.«

Sie lacht laut Richtung Decke. »Was soll ich sagen? Ich bin eine verrückte Pflanzen-Lady.«

»Großartig.«

Ihr Körper vibriert, diesmal unter einem lautlosen Lachen, als sie aufsteht. »Wie fühlt es sich an, jemanden in deinen vier Wänden zu haben?«

»Laut.«

»Stell dir mal vor, wie du dich erst fühlen wirst, wenn hier ein Kind rumrennt und schreit.«

»Ich investiere in ein Halsband mit elektrischen Impulsen, wie es das für Hunde gibt.«

Sie blinzelt. »Bitte sag mir, dass das ein Scherz war.«

Ich kneife mir in den Nasenrücken. »Fuck! Natürlich meine ich das nicht ernst.«

Sie stößt erleichtert den Atem aus.

»Obwohl ein schallisoliertes Schlafzimmer keine schlechte Idee wäre.«

Ihre Brauen schnellen in die Höhe. »Für das Kind oder für dich?«

»Für das Kind. Meins hab ich schon vor Jahren renovieren lassen.«

Auf einmal scheint sie sehr bedacht darauf, mir nicht in die Augen zu sehen. Ich würde eine Menge Geld dafür bezahlen, um nur eine Sekunde ihre Gedanken zu hören.

Millionen. Vielleicht sogar Milliarden.

»Also …« Sie wippt auf ihren Stiefeln vor und zurück, während sie ihre Habseligkeiten begutachtet. »Wie genau gehen wir mit dieser Situation um?«

Richtig so, halt dich an den Plan.

Mit einem Stöhnen hebe ich eine schwere Kiste von einem Stapel. »Was ist hier drin?«

Sie wirft einen Blick auf die Handschrift an der Seite des Umzugskartons. »Meine High Heels.«

»Die werden im Kamin toll aussehen.«

Sie stürzt auf mich zu, um mir die kostbare Fracht aus den Händen zu reißen. »Wag es ja nicht!«

Ihre Schuhkollektion zu zerstören, wäre den Ärger, den ich mit ihr deswegen bekommen würde, wert. Sie steht auf meiner Liste, seit Iris in ihrem Arbeitsvertrag ein Schlupfloch bezüglich ihrer Arbeitskleidung gefunden hat. Anstatt sich einfach an die neutrale Kleiderordnung im Büro zu halten, testet sie meine Geduld mit halsbrecherischen Absätzen und Accessoires in allen Farben des Regenbogens.

Zumindest macht sie damit ihrem Namen alle Ehre.

»Du solltest es besser wissen, als mich nach all der Zeit zu unterschätzen.«

Sie stemmt eine Hand in die Hüfte. »Declan Lancelot Kane, ich schwöre dir, wenn auch nur ein einziger Schuh verloren geht, dann …«

»Nenn mich nicht so«, fahre ich sie an.

Sie grinst. »Wäre dir der förmliche Sir Lancelot lieber?«

»Am liebsten wäre mir dein Schweigen.«

Sie verdreht die Augen. »Du bist nicht witzig.«

»Das sollte auch kein Scherz sein.« Nur dass es sich auch nicht nach Ernst anfühlt.

Genau deshalb ist das alles so eine unfassbar schlechte Idee.

Mit Iris fällt es mir leicht, in einen angenehmen Rhythmus zu verfallen. Fast zu leicht.

»Eines Tages wirst du wegen all deiner aufgestauten neurotischen Ängste an einem Herzinfarkt sterben, da bin ich mir sicher. Das ist nicht gut für deinen Blutdruck.«

Ich ignoriere sie und wende mich stattdessen Richtung Treppe. »Ich zeige dir unser Schlafzimmer.«

»Unser Schlafzimmer?« Sie stolpert über ihre Stiefel.

»Ich kann nicht riskieren, dass die Haushälterin auf die Idee kommt, die Legitimität unserer Ehe anzuzweifeln.«

»Stimmt. Natürlich.« Sie nickt mit rehäugiger Miene, die in starkem Kontrast zu ihrer gewohnten Schlagfertigkeit steht.

Sie ist nervös.

Ich drehe ihr den Rücken zu, um ein Grinsen zu verbergen, und gehe ihr voraus die große Treppe hinauf ins erste Stockwerk, auf dem mein Schlafzimmer liegt. Mein Lieblingsort im ganzen Haus. Die hellblauen Wände und weißen Möbel heben sich von den dunklen Holzdielen ab.

»Wow. Es ist viel heller, als ich erwartet hatte.«

»Entgegen der landläufigen Meinung geben Särge keine bequeme Schlafgelegenheit ab.«

Meine Mundwinkel zucken als Antwort auf ihr heulendes Lachen.

Ich stelle den Umzugskarton neben der Tür zu ihrem begehbaren Schrank ab. »Der ist für deine Kleidung.«

»Aber ich werde nicht … Wir werden nicht … Du erwartest nicht, dass ich …« Ihr Blick zuckt hektisch umher.

Meine Fähigkeit, die einzige Person zu sein, von der ich weiß, dass sie sie aus dem Konzept bringen kann, erfüllt mich mit einem brennenden Gefühl der Befriedigung.

»Dass wir im selben Bett schlafen?«, beende ich die Frage für sie.

Ich sehe, wie sie schluckt, bevor sie nickt. »Ja. Genau.«

»Nein.«

Sie kaut auf ihrer Unterlippe. »Gott sei Dank. Das wäre ziemlich seltsam.«

»Stimmt.« Mein Nacken kribbelt. »Innerhalb des Hauses können wir uns verhalten, wie wir wollen. Aber in der Öffentlichkeit erwarte ich von dir, dass du vorgibst, dich zu mir hingezogen zu fühlen.«

»Bist du dir sicher, dass du es aushältst, wenn ich dich länger berühre?«

»Es wird mich an meine Grenzen bringen, aber ich werde damit klarkommen.« Ich betrete ihren Kleiderschrank und öffne die Tür am anderen Ende.

Sie bleibt wie angewurzelt stehen. »Du hast eine versteckte Tür zu einem anderen Raum einbauen lassen? In einem Schrank?!«

»Ja.«

»Warum?«

»Weil ich mich auf so etwas wie das hier vorbereitet habe.« Die Worte kommen mir leicht über die Lippen.

»Moment mal«, sie hebt eine Hand, »Menschen bereiten sich auf Scheinehen vor?«

»Ab einer bestimmten Steuerklasse ist damit zu rechnen.«

Sie kraust die Nase. »Das ist abstoßend.«

»Falsch, das ist das Leben.«

Sie starrt mich mit geöffneten Lippen an.

Ich wende mich ab und betrete das zweite Schlafzimmer. Die Farben harmonieren mit denen in meiner Master Suite, aber statt in Blau sind die Wände hier in einem blassen Gelb gehalten.

»Es ist sehr schön.« Sie streicht über den mit Spitze abgesetzten Bettüberwurf. Das Zimmer ist groß, mit eigener Sitzecke, einem Bad und Fenstern mit Blick auf den weitläufigen Garten.

»Du kannst es dekorieren, wie du willst. Nur um die Reinigung müsstest du dich selbst kümmern, da die Haushälterin natürlich nichts von der Existenz des Raums wissen darf.«

Sie sieht zu mir auf. »Du hast wirklich an alles gedacht, oder?«

»An alles außer dich.«

* * *

»Sieht so aus, als würde sich Iris wie zu Hause fühlen. Ich bin sicher, das gefällt dir.« Cal begutachtet eine der Pflanzen, die sie in eine Ecke unseres Wohnzimmers gestellt hat. Mein Zuhause hat sich langsam, aber sicher in ein Gewächshaus verwandelt, in dem jeden Tag neue Pflanzen eintreffen, um leere Ecken und Wände zu füllen.

Ich ignoriere Cal, indem ich einen Schluck von meinem Drink nehme. »Wie läuft es bei dir mit Großvaters Testament?«

Er zuckt mit den Schultern. »Warum die Eile? Ist schließlich nicht so, als würdest du morgen CEO werden.«

»Das nicht, aber wenn es nach mir geht, ist es bis Ende des Jahres so weit.«

Er hebt die Brauen. »Weiß Iris von der verkürzten Timeline?«

»Sie wusste über den Deal Bescheid, als sie den Vertrag unterschrieben hat.«

»Das bedeutet nicht, dass sie bereit ist, sofort ein Kind zu bekommen.«

»Gut, dass sie neun Monate Zeit hat, sich mit der Idee anzufreunden.«

Ein Geräusch verfängt sich in seiner Kehle. »Und wir dachten, dass die Verlobung und Ehe mit ihr dich ein bisschen menschlicher machen würde.«

»Warum?«

»Weil du sie respektierst.«

»Das tue ich.« Mit ihrer Fähigkeit, als Ressource mit guten Ideen anstatt als Hindernis an meiner Seite zu arbeiten, ist sie allen anderen um Längen voraus. Sie arbeitet schnell und ist bereit, alles zu tun, um für meinen Erfolg zu sorgen, selbst wenn das bedeutet, mich zu heiraten und ein Kind mit mir zu bekommen. Solche Art Loyalität ist mit Geld nicht zu bezahlen. Ich habe es versucht, aber nachdem ich mehrere Verlobte vergrault habe, ist mir sehr wohl bewusst, wie sehr ich Iris brauche. Wenn sie denkt, dass wir deswegen beste Freunde werden, dann ist es eben so.

»Und wir wissen, dass du dich zu ihr hingezogen fühlst.«

Das ist mir neu .

»Wer sind diese wir, von denen du die ganze Zeit sprichst?«

»Rowan und ich.«

»Hast du nichts Besseres zu tun, als hinter meinem Rücken über mich zu tratschen? Ich weiß auch nicht, zum Beispiel Alana finden und tun, worum Grandpa dich gebeten hat?« Cal wird seiner Ex-Freundin nicht für alle Zeiten aus dem Weg gehen können, zumal unser Großvater die Erbschaftsklausel mit einer Deadline versehen hat. Er muss sich bis Ende des Jahres bei ihr melden, wenn er jemals seinen Unternehmensanteil erhalten will. Nach all seinen nervigen Kommentaren in Bezug auf meine Rolle in der ganzen Angelegenheit kann ich ihn zumindest an seinen Mangel an Initiative erinnern.

Sein Kiefer zuckt. »Es wird nicht funktionieren.«

»Wie bitte?«

»Du versuchst mich zu provozieren, weil du dich wegen Iris in der Defensive fühlst.«

»Warum sollte ich mich in der Defensive fühlen?«

»Verrat du es mir. Immerhin warst du derjenige, der behauptet hat, dass es ihm egal ist, wen er heiratet, solange sie … Wie hast du es noch einmal ausgedrückt?« Er tippt sich ans Kinn. »Ach ja, richtig, nützlich und fruchtbar ist und ein Gesicht hat, das wohlproportioniert genug ist, um als attraktiv empfunden zu werden.«

Ich spüre, wie mein Griff um das Glas in meiner Hand unwillkürlich fester wird. »Ich weiß, was ich gesagt habe.«

»Kein Spruch, der besonders gut gealtert ist, oder was meinst du?«

Mein Kiefer verkrampft sich. »Warum bringst du das alles ausgerechnet jetzt noch mal aufs Tableau?«

»Als Warnung.«

Statt darauf zu reagieren, entscheide ich mich, einen großen Schluck von meinem Drink zu nehmen.

»Du bist mein Bruder, davon habe ich zwei, aber Iris ist meine beste Freundin. Und obwohl ich möchte, dass du erfolgreich bist und CEO wirst, werde ich nicht zulassen, dass du sie in deinem rücksichtslosen Streben nach dem, was dich deiner Meinung nach glücklich machen wird, zerstörst.«

Ich bedenke ihn mit einem gelangweilten Blick. »Wenn sich Iris wegen etwas Sorgen machen sollte, kann sie selbst mit mir sprechen. Dafür muss sie mir nicht ihren Wachhund auf den Hals hetzen.«

»Sie macht sich keine Sorgen; ich dagegen schon.«

»Wenn es das ist, was Freundschaft bedeutet, dann bin ich tatsächlich ohne besser dran.«

Er presst die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. »Brich ihr nicht das Herz.«

Ein leises Glucksen steigt mir in der Kehle auf. »Das sollte deine geringste Sorge sein.«

»Natürlich mache ich mir Sorgen. Du bist ein kaltherziger Bastard, der nicht die geringste Ahnung hat, wie man sich um jemand anderen kümmert.«

»Ich habe dabei geholfen, dich großzuziehen, und aus dir ist schließlich auch was geworden.«

Er beißt merklich die Zähne zusammen. »Wir sind blutsverwandt. Du bist also gezwungen, uns zu mögen, ob du willst oder nicht.«

»Blut bedeutet mir nichts. Und das solltest du am besten von allen wissen.«

Dass ich mich um meine Brüder gekümmert habe, hat nichts mit unserer gemeinsamen DNA zu tun. Ich habe meiner Mutter vor ihrem Tod versprochen, dass ich für sie da sein würde, und ich habe meinen Teil unseres Deals eingehalten, ungeachtet der persönlichen Konsequenzen für mich.

Mit einem Seufzen richtet er den Blick an die Decke. »Pass einfach auf sie auf.«

Mein Herz schlägt heftiger gegen meine Brust, während ich mir unsere Unterhaltung noch einmal durch den Kopf gehen lasse. Ein Schauer läuft mir den Rücken hinunter. »Bist du in sie verliebt?« Die Frage kommt mir mit mehr Beunruhigung im Ton über die Lippen, als ich es beabsichtigt habe.

Seine Augen leuchten auf, als er lacht. »Nein.«

»Aus irgendeinem Grund fällt es mir schwer, das zu glauben.« So wie er über sie spricht, wäre es blauäugig von mir, anzunehmen, ihre Beziehung zueinander sei rein platonisch.

»Wir haben uns einmal geküsst.«

Ich spüre, wie mir das Blut in die Ohren schießt und die Spitzen rot werden. »Ihr habt was?« Mein tödlicher Tonfall lenkt Cals Blick wieder auf mich.

»Es war ein Fehler.«

»Ein verdammter Riesenfehler, du Penner.« Das Kristallglas in meiner Hand zittert, so fest halte ich es umklammert.

Seine Mundwinkel biegen sich leicht nach oben. »Ich wusste, dass du eifersüchtig bist.«

»Als ob ich je auf jemanden wie dich eifersüchtig sein könnte.«

Er zwinkert mir zu. »Dass du gerade aussiehst, als wolltest du mich ermorden, sagt etwas anderes.«

»Folter ist meine bevorzugte Rachemethode, nur damit du es weißt.«

Jetzt grinst er breit. »Wenn du dich dann besser fühlst: Der Kuss war schrecklich.«

Warum verdammt noch mal sollte ich mich deswegen besser fühlen? Ich bekomme das Bild von den beiden, wie sie sich küssen, nicht aus meinem gottverdammten Hirn, egal wie viel Mühe ich mir auch gebe, die letzten fünf Minuten unseres Gesprächs aus meiner Erinnerung zu löschen.

Warum stört es dich überhaupt?

Weil sie gesagt hat, dass sie nur Freunde sind.

Genau, rede dir das immer wieder ein.

»Du weißt auf jeden Fall, wie du mir eine Ehe mit ihr schmackhaft machen kannst«, erwidere ich trocken, trotz der Wut, die in mir brennt.

Seine Brust erbebt unter einem leisen Lachen. »Sie hatte nichts damit zu tun. Ich war betrunken und sie einsam. Das Ergebnis war, gelinde gesagt, unangenehm.«

»Sie war einsam?«

»Natürlich ist sie einsam. Dass sie mit mir befreundet ist, sollte der erste Hinweis darauf sein.«

»Mir war nicht bewusst, dass sie sich so fühlt.«

»Erwartest du etwa, dass sie mit dir darüber spricht? Im Gegensatz zum Rest der Menschheit bist du gerne allein.«

Ich beiße mir auf die Zunge, um nicht zu viel preiszugeben. Sich an etwas zu gewöhnen, bedeutet nicht, dass es einem gefällt. Ich habe lediglich gelernt, es der Option vorzuziehen, Menschen zu nahe an mich heranzulassen. Was hat es für einen Sinn, wenn sie einen irgendwann sowieso wieder verlassen?

Ich nehme einen Schluck von meinem Drink, um den bitteren Geschmack der Schwäche aus meinem Mund zu spülen. »Küss sie noch mal, und ich werde dir mit Vergnügen die Zunge rausreißen.«

Er hebt wie zur Verteidigung beide Hände. »Ich habe dir nur aus einem einzigen Grund von unserem Kuss erzählt – damit du nicht mehr denkst, dass ich auf eine andere Weise als eine rein freundschaftliche an ihr interessiert bin. Vertrau mir.«

»Weil der Kuss schrecklich war«, wiederhole ich in einem Tonfall, der von jeglichen Emotionen befreit ist.

»Weil sie von vornherein nie für mich bestimmt war.«

Verdammt richtig, das ist sie nicht. Scheinehe hin oder her, Iris ist dazu bestimmt, mit einem ganz bestimmten Mann zusammen zu sein.

Mit mir .