Es fällt mir schwer, meinen Blick von Iris loszureißen, als wir den Mittelgang entlang zum Ausgang der Kirche gehen. Mit ihrem Lächeln, das ebenso strahlend ist wie der neue Diamantring an ihrem Finger, ist sie der Inbegriff von Eleganz und Anmut. Der Ring dient als Erinnerung an ihr Versprechen an mich.
Ich war mir nicht sicher, ob wir es jemals bis zu diesem Punkt schaffen würden. Nach meiner gescheiterten Verlobung dachte ich, wir würden irgendwann auch auf Schwierigkeiten stoßen. Dass Iris vielleicht eines Tages aufwachen und zu dem Schluss kommen würde, dass ihre Entscheidung ein großer Fehler war. Heute empfinde ich zum ersten Mal seit zwei Wochen so etwas wie Erleichterung.
Der Druck auf meine Brust wird mit jedem Schritt, den wir uns vom Altar entfernen, schwächer. Nachdem ich diesen Teil für mein Erbe erfüllt habe, steht nur noch eine Sache zwischen mir und dem Posten als CEO .
Übersteh erst mal den Rest des heutigen Tages, bevor du dir darüber Gedanken machst.
Ich drehe den Ehering mit meinem Daumen, teste, wie sich das Metall an meiner Haut anfühlt. Weniger bedrückend, als ich erwartet hatte. Iris hat einen schlichten, unauffälligen Ring ausgewählt. Doch unsere beiden Ringe vermitteln dieselbe Botschaft.
Verheiratet .
Zwei Angestellte öffnen das Kirchenportal, und Iris und ich treten in das helle Sonnenlicht hinaus. Einer der Fotografen positioniert sich vor uns und ruft unsere Namen. Ich lege einen Arm um Iris’ Hüfte und ziehe sie an mich, ignoriere, wie sie sich in meinem Griff anspannt.
Ihre Reaktion überrascht mich nicht, frustriert mich aber trotzdem. Nach unserem leidenschaftlichen Kuss bin ich davon ausgegangen, sie hätte sich inzwischen daran gewöhnt, von mir berührt zu werden, aber offensichtlich lag ich mit meiner Annahme falsch. Stattdessen hat sie eine weitere Barriere zwischen uns errichtet. Ihre distanzierte Miene fordert mich heraus. Ich möchte den Ausdruck auf ihrem Gesicht direkt nach unserem Kuss zurückholen, bevor uns die Realität der Situation eingeholt hat, in der wir uns befinden.
Ich streiche mit meiner Hand über ihren Rücken und fahre die Reihe Elfenbeinknöpfe nach.
Ihre Reaktion besteht aus einem kühlen Lächeln, das ihre Augen nicht erreicht.
Ich hasse es.
»Sag mir, was los ist«, flüstere ich, bevor ich ihr eine Haarsträhne hinter das Ohr stecke.
Ihr falsches Lachen zerrt an meinen Nerven. »Warum sollte etwas nicht stimmen?«
Ich verziehe das Gesicht. »Du siehst unglücklich aus.«
»Im Gegensatz zu dir gibt es Menschen, die nicht dazu in der Lage sind, sich vierundzwanzig Stunden am Tag zu verstellen.« Sie spricht so leise, dass ich sie bei dem leichten Wind, der in diesem Moment aufkommt, kaum verstehe.
»Was redest du …«
»Ein Kuss-Foto, bevor sie die Gäste rauslassen!«, ruft der Fotograf.
Ich muss grinsen, als Iris ein nervöses Lachen ausstößt. Das Klicken der Kamera fängt den Moment ein.
»Ich glaube, sie kommen jetzt raus«, ruft Iris.
»Dann schnell!«, erwidert er.
Ich sollte der Aufforderung des Fotografen nicht nachkommen, aber ich möchte rausfinden, ob unser Kuss eine einmalige Sache oder ein Beweis für die Chemie war, die zwischen uns herrscht. Ein Kuss, der sich angesichts der Umstände nicht so gut hätte anfühlen sollen. Ein Kuss, den ich nun wiederholen möchte, in der Hoffnung, festzustellen, dass das elektrisierende Gefühl, das ich dabei empfunden habe, nur ein Produkt meiner Erleichterung war, die erste Bedingung zum Antritt meines Erbes erfüllt zu haben.
Ich lege die Arme um Iris’ Rücken und ziehe sie an mich. Ihre Lippen öffnen sich, und sie schließt die Augen, als ich mich vorbeuge. Funken tanzen über meine Haut, als sich unsere Lippen berühren, flüssige Hitze pulsiert durch meine Adern. Sie zu küssen, macht süchtig. Es ist aufregend. Und so verdammt falsch, dass ich nicht anders kann, als mich zu fragen, warum es nicht richtig ist.
Sie ist deine Assistentin.
Ich knabbere an ihrer Unterlippe, um mich von dem Gedanken abzulenken. Als sie nach Luft schnappt, schlucke ich das Geräusch, bevor es der Fotograf hören könnte.
Du bezahlst sie dafür, dass sie dein Kind bekommt.
Mein Kuss wird strafender, und sie scheint gut auf meine Verzweiflung anzusprechen. Mit einem Seufzen schlingt sie die Arme um meinen Hals. Ihr Bouquet kitzelt meine Haut. Ich bin umgeben von Iris’ Duft und dem der Blumen.
Der Fotograf hüstelt. »In Ordnung. Es sollten ein paar schöne dabei sein.«
Die Realität trifft mich wie ein Schwall Eiswasser, und ich reiße mich von Iris los, bevor ich sie noch näher an mich ziehe und unseren Kuss aus egoistischeren Zwecken als für ein Foto wiederhole. Unser Kuss war weder Zufall noch das Resultat des Highs, weil ich die Bedingung meines Großvaters erfüllt habe. Er war etwas sehr viel Schlimmeres als das.
Iris blinzelt mich mit geweiteten Augen an.
Du lässt sie auch nicht kalt.
Es sollte mich mit Erleichterung erfüllen, zu sehen, dass sie ebenfalls zu kämpfen hat, aber dafür bin ich viel zu besorgt wegen der möglichen Folgen einer Offenbarung wie dieser.
Bevor ich die Gelegenheit habe, mir noch länger Gedanken darüber zu machen, was gerade zwischen uns passiert, öffnen sich die Türen hinter mir. Hunderte von Gästen strömen aus der Kirche, versammeln sich im Kreis um uns herum, drohen uns zu ersticken. Die Glückwünsche, mit denen sie uns überhäufen, sind mir beinahe ebenso zuwider wie die Tatsache, dass die Menschenmenge von Minute zu Minute größer wird.
Iris klammert sich an meine Hand. »Entspann dich. Konzentrier dich auf mich.«
Das ist ja mein Problem. Ich kann mich auf nichts außer auf sie konzentrieren. Ich ertrage es nicht, sie länger als ein paar Sekunden anzusehen. Der Drang, mit ihr davonzulaufen, ist schwer zu ignorieren, und es würde nicht viel brauchen, um mich dazu zu bringen, es tatsächlich zu tun.
Denk daran, was gerade wirklich wichtig ist.
Iris schweigt, als wir in den Maybach steigen. Ich verbringe die gesamte Autofahrt zur Partylocation damit, mich daran zu erinnern, dass ich der Anziehungskraft, die sie auf mich ausübt, nicht nachgeben darf. Trotz der beiden Küsse, die wir geteilt haben, ist am allerwichtigsten, die Dinge zwischen uns professionell zu halten. Wir haben beide viel zu viel zu verlieren, als dass wir es uns leisten könnten, der flüchtigen Anziehungskraft zueinander nachzugeben.
Meine Zukunft ist wichtiger, als den momentanen Drang danach zu stillen, Iris zu küssen. Das muss ich mir einfach immer wieder sagen.
* * *
Ich hasse Hochzeiten. Sie sind eine klischeehafte Entschuldigung für Leute, Drinks auf meine Rechnung zu trinken, während sie so tun, als würden sie sich tatsächlich für meine Eheschließung interessieren. Doch das tun sie nicht. Sie alle sind nur deshalb hier, weil niemand so dumm wäre, eine Einladung zur Hochzeit des Jahrzehnts abzulehnen, wie Iris es ausgedrückt hat.
Unerfreulicherweise muss ich noch drei weitere unerträgliche Stunden überstehen, inklusive dem Anschneiden der Hochzeitstorte.
Ein anderer Fotograf als vor der Kirche fordert uns auf, in die Kamera zu schauen. »Darf ich Sie beide mit dem Kuchen fotografieren?«
»Warum haben wir uns mit diesen ganzen verdammten Fotos einverstanden erklärt?«, murmele ich verärgert, als ich den silbernen Kuchenschneider von einem Tablett nehme, das mir ein Kellner hinhält.
Iris lächelt mich an. »Weil wir ganz viele Schnappschüsse mit der Welt teilen werden, um zu unterstreichen, wie sehr wir uns lieben.«
»Warum sollte sich die Welt dafür interessieren?«
Sie lacht, und das Klicken des Auslösers ist zu hören. »Weil du ein berühmter Milliardär bist, der Märchen verkauft.«
Ich stöhne. »Ruhm ist vergänglich.«
»Unbehagen auch, also find dich damit ab.« Sie legt eine Hand auf meine, sodass wir den Kuchenschneider zusammen festhalten.
In ihrer Nähe zu sein, löst alles andere als Unbehagen in mir aus. Vielmehr lässt ihre warme Berührung eine Welle des Verlangens durch mich hindurchströmen. Ich rücke ein wenig näher an sie heran.
Du bist erbärmlich. Was ist aus deinem Vorsatz geworden, anderen Menschen nicht nahezukommen?
Entschieden schüttele ich den Kopf. Ich versuche gar nicht, Iris näher zu kommen, aber es ist schwer, Abstand zu wahren, wenn uns alle zusammenschubsen.
»Declan, ein Lächeln bitte?«
Ich starre den Fotografen an.
Er beeilt sich abzuwinken. »Schon gut.« Der Blitz seiner Kamera flammt auf und erwischt mich mit einem halb toten Blick.
Iris lacht. »Das möchte ich so schnell wie möglich geschickt bekommen.«
Als ich ihr einen Blick zuwerfe, lacht sie nur noch lauter. Bei dem Geräusch zieht sich meine Brust zusammen. Verglichen mit der eisigen Show, die sie in der Kirche nach unserem Kuss für unsere Gäste abgezogen hat, fühlt es sich gut an, dass sie sich anscheinend wieder etwas für mich erwärmen kann.
Und deshalb musst du dich von ihr fernhalten. Weil dieses Gefühl in deiner Brust … Verdammt.
Der Fotograf macht noch ein Bild, bevor ich ihn entlasse. Meine Stimmung verschlechtert sich, und ich schenke Iris kaum Beachtung, während wir den Kuchen anschneiden. Wir ziehen das komplette Programm durch. Sie füttert mich, ich füttere sie. Ein paar Leute schnappen nach Luft, als sie mir Sahne ins Gesicht schmiert, und ich erwidere den Gefallen, indem ich ihr einen vollen Löffel in den Mund schiebe, als sie lacht.
Nichts daran ist echt. Ich distanziere mich innerlich, aber nicht genug, um das verletzte Aufflackern in ihren Augen zu übersehen, als ich sie schließlich stehen lasse, um zur Bar zu gehen. Ich bin ein Arsch, weil ich sie mit der Gästeschar, die sich um uns versammelt hat, allein lasse. Das ist mir ebenso bewusst wie die Tatsache, dass meine Entschlossenheit mit jeder Minute, die ich in ihrer Nähe verbringe, bröckelt.
Ich habe sie nicht aus Liebe, Zuneigung oder wegen ihres Geldes geheiratet. Ich habe sie geheiratet, weil ich ein gieriges Arschloch bin, das vor nichts zurückschreckt, um zu bekommen, was es will, selbst wenn das bedeutet, sie mit dem gleichen beschissenen Happy End zu strafen wie mich. Ein paar Küsse und ein paar Berührungen werden an unserem Schicksal nichts ändern, warum also tun, als wäre dies etwas anderes als ein Arrangement?
Ich kippe den ersten Drink des Abends herunter.
Alkohol löst niemandes Probleme.
Mir dreht sich der Magen um. Was nichts mit dem Drink zu tun hat, sondern mit der Vorstellung, Alkohol könnte mir helfen, mit der Situation fertigzuwerden.
Ein Barkeeper eilt herbei, um mein Glas aufzufüllen, aber ich schiebe es beiseite.
Du bist nicht er.
Rasch entferne ich mich von der Bar, bevor ich etwas tun kann, das ich bereuen werde.