KAPITEL DREIZEHN

Iris

Mehr Shots!« Rowans Freundin Zahra hält eine Flasche Tequila in der Hand. Sie wankt, und Rowan stürzt zu ihr, um sie zu stützen.

Mein Magen zieht sich bei der liebevollen Geste leicht zusammen. Zu sehen, wie sie miteinander umgehen, wie Zahra Rowan anlächelt, als hätte er persönlich den Mond für sie an den Nachthimmel gehängt, ist kaum zu ertragen. Und gleichzeitig fasziniert mich ihr Umgang auf seltsame Weise, nachdem ich im Laufe der Jahre nur begrenzt Kontakt zu glücklichen Paaren hatte. Vielleicht besteht doch noch Hoffnung, wenn jemand so Mürrisches und Isoliertes wie Rowan eine Frau auf diese Weise ansehen kann.

Ich sollte bei meiner eigenen Hochzeit nicht derart verbittert sein, aber da mich mein Mann weitestgehend meidet, seitdem wir den Kuchen angeschnitten haben, bin ich nicht besonders gut drauf. Seit unserer Eheschließung in der Kirche ist er verändert, und ich frage mich, ob es etwas mit unserem Kuss zu tun hat.

»Was haben wir über Tequila gesagt?« Rowan nimmt Zahra die Flasche aus der Hand.

»Dass wir niemals einem Mann namens Jose vertrauen sollten.« Sie verschränkt die Arme und lässt sich mit einem Schmollmund neben mich auf einen Stuhl fallen, wodurch sich der Stoff ihres Kleides um sie herum bauscht.

Rowans Brust vibriert unter einem lautlosen Lachen, als er sich ebenfalls einen Stuhl heranzieht und sich neben Zahra setzt.

Cal schnappt sich die Flasche und schenkt Tequila in vier Schnapsgläser ein. »Du kannst auf keinen Fall nüchtern von einer Hochzeit kommen. Das wäre ein Sakrileg.«

»Als wüsstest du, was das Wort bedeutet«, bemerkt Rowan.

»Meine Hochzeit, meine Regeln!« Ich reiche Zahra ein Schnapsglas.

»Die Braut hat das Sagen.« Zahra grinst, bevor sie den Shot runterstürzt. Dann lehnt sie sich an Rowan und flüstert ihm etwas ins Ohr.

Was auch immer sie gesagt hat, führt dazu, dass er sich nach dem ersten Tequila gleich noch einen zweiten genehmigt. Er streicht ihr die Haare hinter das Ohr und flüstert etwas zurück, das sie erröten lässt.

Ekelhaft .

Ich greife nach meinem Glas und führe es an die Lippen. Doch es wird mir aus der Hand genommen, bevor ich auch nur daran nippen kann.

»Ich glaube, du hast genug.« Declans raue Stimme lässt mein Herz schneller schlagen.

Cal wedelt mit der Tequilaflasche in Declans Richtung. »Komm schon. Setz dich zu uns und gönn dir zur Feier des Tages einen Shot.«

Declan wirft Cal einen vernichtenden Blick zu. »Ich denke, du hast genug gefeiert.«

»Sie ist ein großes Mädchen. Wenn sie bei ihrer Hochzeit etwas trinken möchte, ist das ihre Entscheidung.«

»Sie ist anwesend.« Ich stehe auf, worauf sich der Raum um mich herum zu drehen beginnt; rasch greife ich nach der Rückenlehne meines Stuhls, um das Gleichgewicht zu halten. »Es geht mir gut. Hört auf, über mich zu reden, als wäre ich nicht da.«

»Du riechst nach Spring Break in Mexiko.«

Irgendetwas an seinem Kommentar lässt mich mein Lachen mit einer zitternden Handfläche dämpfen.

Declans Lippen verziehen sich zu einem mürrischen Ausdruck.

Ich mache ein paar wackelige Schritte auf ihn zu, bevor ich mich an seinen Smoking klammere, damit ich nicht umfalle. Mit einer Hand ziehe ich seinen Mundwinkel nach oben. »Siehst du. Schon besser.«

»Wir gehen nach Hause.« Declan legt einen Arm um mich. Die Geste erinnert mich an unseren Kuss in der Kirche, und meine Wangen beginnen unter den zahlreichen Schichten Make-up zu glühen.

Ich ziehe einen Schmollmund. »Warum?«

»Du bist betrunken.«

»Es ist eine Hochzeit! Unsere Hochzeit!« Ich habe Mühe, mich auf Declans drei Köpfe gleichzeitig zu konzentrieren. »Hey, warum bist du eigentlich nicht betrunken?«

Seine drei Köpfe verschmelzen zu einer einzigen wütenden Version. »Weil einer von uns beiden über ein gewisses Maß an Selbstbeherrschung verfügt«, fährt er mich an.

»Das ist alles Cals Schuld!«, platze ich heraus.

»Hey!« Cal hebt verteidigend die Hände.

»Er hat eine Flasche von der Bar mitgehen lassen. Ich hab gesehen, wie er sie genommen hat«, gibt Rowan mir Rückendeckung.

Declan deutet auf Rowan. »Mit dir will ich gar nicht erst anfangen.«

Die Art und Weise, wie die drei interagieren, lässt mich eine Augenbraue in Zahras Richtung heben. »Siehst du? Ich habe dir doch gesagt, dass die beiden nicht miteinander auskommen.« Zahra lächelt. »Noch nicht.«

»Ich mag sie jetzt schon«, spreche ich meine Gedanken laut aus.

»Lass uns gehen«, zischt Declan.

»Vergiss nicht, mir zu schreiben! Ich will alle Details«, ruft Zahra mir hinterher.

Ich recke einen Daumen über die Schulter. Wie sich herausgestellt hat, ist sie außer Cal und Rowan die einzige andere Person, die von der Täuschung weiß. Nicht, dass ich Declan davon erzählen würde. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er Rowan umbringen würde, wenn er wüsste, dass sein Bruder dadurch riskiert, dass unser großes Geheimnis gelüftet wird.

Declan führt mich zum Ausgang des Ballsaals.

»Warten Sie!«, ruft uns die Hochzeitsplanerin hinterher. »Sie können noch nicht gehen. Sie haben nicht mal den Strauß geworfen!«

Declan stößt den längsten Seufzer aller Zeiten aus, worauf meine Brust unter einem erstickten Lachen vibriert.

Er sieht mich an. »Was ist daran so lustig?«

»Du hasst jede einzelne Sekunde dieser Veranstaltung.«

»Geht uns neuerdings beim Unmut des anderen einer ab?«

»Als ob du dir ein Urteil darüber erlauben dürftest – das ist doch deine liebste Art des Vorspiels.«

Seine geröteten Wangen bringen mich zum Lächeln.

Ein Punkt für Team Iris.

Tati gibt dem DJ ein Zeichen, alle Damen zum Brautstraußfangen auf die Tanzfläche zu bitten.

Declan hält mich fest, als hätte er Angst, dass ich umkippen könnte. Gut möglich, dass er das nur tut, weil er sicherstellen will, dass die Leute uns unsere Ehe abkaufen.

So viel dazu, zu vergessen, was er in der Kirche gesagt hat.

Meine Mutter reicht mir mit einem wissenden Lächeln den Strauß. »Ich hab für dich darauf aufgepasst.«

»Du bist die beste Mom auf der ganzen Welt.«

Sie schüttelt den Kopf. »Pass auf mein Mädchen auf, Declan. Sieh zu, dass sie ins Bett kommt, bevor sie in die betrunkene Heulphase eintritt.«

»Sag mir, dass sie Witze macht«, verlangt er, nachdem meine Mutter zu ihrem Platz zurückgekehrt ist.

Ich kichere.

»Fuck.«

Ich tätschele ihm die Wange. »Nur in deinen Träumen, mein Liebster.«

»Hast du sämtliche deiner Gehirnzellen im Alkohol ertränkt?«

»Na los!«, ruft eine Frau. »Macht weiter, ihr zwei!«

Ich wende den Frauen meinen Rücken zu.

»Eins. Zwei. Drei!« Mit Schwung werfe ich den Strauß über meinen Kopf und drehe mich anschließend auf dem Absatz um, wobei ich beinahe das Gleichgewicht verliere.

Declan fängt mich auf und zieht mich an seine feste Brust.

Feste Brust? Bäh! Vielleicht bist du doch betrunken.

Der Strauß landet in ausgestreckten Armen. Ich kenne die Frau, die ihn gefangen hat, nicht, aber die Menge um sie herum johlt, als sie ihn gierig umklammert.

»Na endlich.« Declan steuert den Ausgang an, als der DJ verkündet, dass jetzt Declan mit dem Strumpfband an der Reihe sei.

O nein.

»Die wollen mich doch verarschen.« Die Härchen in meinem Nacken stellen sich auf, als er mich an der Hüfte an sich zieht.

Cal drückt dem DJ einen Hundert-Dollar-Schein in die Hand, während Rowan einen Stuhl in die Mitte der Tanzfläche stellt.

Cal tänzelt auf mich zu und reicht mir die Hand, um mir auf den Stuhl zu helfen; wobei er darauf achtet, nicht auf die Lagen aus Spitze und Tüll zu treten, die wie ein Fallschirm um mich herumwirbeln. »Vorsicht, Iris, dein Mann beißt.«

Eine für Außenstehende nicht sichtbare Röte breitet sich vom Kopf bis zu den Zehenspitzen auf meiner Haut aus.

»Ich hasse euch beide.« Declan sieht zwischen Cal und Rowan hin und her.

Aufs Stichwort spielt der DJ den sinnlichsten Song, den man sich vorstellen kann, und in meinem Bauch prickeln tausend kleine Champagnerbläschen im Takt, während sich mein Herzschlag beschleunigt.

Declan sinkt vor mir auf ein Knie. Seine linke Hand zittert, bevor er sie zur Faust ballt, genau wie früher am Abend, als uns alle beim Tanzen zugesehen haben.

Anscheinend ist er doch auch nur ein Mensch.

Ich reiße ihn aus seiner Nervosität. »Auf Knien machen Sie eine richtig gute Figur, Mr. Kane.«

»Versuch, es dir nicht zu Kopf steigen zu lassen.« Seine Mundwinkel verziehen sich zu dem üblichen Declan-Lächeln.

Der Blitz einer Kamera zuckt und fängt den Moment ein.

Declan berührt meinen Oberschenkel durch den Stoff. »Das ist falsch«, murmelt er.

»Du hast absolut recht. Ich bin empört«, erwidere ich übertrieben pikiert.

Er schüttelt den Kopf, als ein Geräusch, das ich als Lachen interpretiere, aus ihm herausbricht. »Du bist so unglaublich betrunken.«

»Falsch, ich bin angesäuselt.«

»Was ist die Quadratwurzel aus 64?«

»Acht, du Arsch.«

Er zuckt mit den Schultern. »Nüchtern genug.«

»Wofür?«

Er antwortet nicht, während er den Stoff meines Kleides so vorsichtig anhebt, dass niemand darunter sehen kann. Meine Lungen ziehen sich zusammen in dem verzweifelten Versuch, Sauerstoff aufzunehmen, als Declan unter meinem Kleid verschwindet.

»Denk dran, keine Hände!«, ruft Cal, während die Menge johlt und brüllt.

Declan streckt einen Arm unter den Stoffschichten hervor und reckt den Mittelfinger in die Richtung, in der er Cal vermutet. Ein paar Leute lachen, während andere nach Luft schnappen, wahrscheinlich genauso schockiert wie ich über Declans seltene Gefühlsäußerung.

Ich blende sie alle aus und konzentriere mich auf das, was ich spüre. Das Kratzen von Declans Bartstoppeln an meiner Wade. Wie sein Haar über die Innenseite meiner Schenkel streicht, als er sie mit dem Kopf teilt. Das Gefühl seiner Zähne, die die Haut um das Strumpfband herum streifen, begleitet vom Druck seiner weichen Lippen, als er sie um das rüschenförmige Stück Spitze schließt.

Ich zittere, und ein Vibrieren seiner Kehle verrät mir, dass Declan es bemerkt und leise lacht .

Ich hasse ihn. Ich hasse meinen Mann so sehr, dass er von Glück reden kann, wenn ich ihn nicht mit dem verdammten Ding erwürge, sobald er wieder auftaucht.

Declan zieht das Strumpfband an meinem Bein herunter und unter meinem Kleid hervor. Der weiße Kranz aus Spitze steckt zwischen seinen Zähnen. Mit einer wütenden Geste reißt er ihn sich aus dem Mund und wirft ihn ohne einen zweiten Blick in die Luft. »Genießen Sie Ihren Abend.« Er macht sich nicht die Mühe, mir vom Stuhl zu helfen. Stattdessen hebt er mich – ganz der galante Bräutigam und zur großen Begeisterung der Gäste – in seine Arme.

Ich klopfe ihm auf die Schulter. »Ähm, Declan?«

»Was?« Sein Blick wird weicher.

»Du sollst mich ins Haus tragen, nicht hier raus.«

Er seufzt, als wäre ich die größte Plage auf dieser Welt. »Du würdest es nicht mal in flachen Schuhen bis zur Tür schaffen, geschweige denn in diesen.«

»Hmm.«

Er zieht die Brauen zusammen. »Was?«

»Vielleicht sorgst du dich doch um mich.«

»Da spricht der Alkohol aus mir.«

Ich seufze. »Jose kann tatsächlich gut mit Worten umgehen.«

Sein Griff wird fester. »Wer zum Teufel ist Jose?«

Ich grinse in das Revers seines Jacketts. »Niemand Wichtiges.«

»Gut, dann wird er wenigstens nicht vermisst, wenn er tot ist.«

* * *

Man könnte meinen, Declan würde jetzt, da ich offiziell seine Frau bin, mir gegenüber ein wenig weicher werden.

Falsch gedacht.

In dem Moment, in dem Harrison im Maybach vorfährt, wirft mich Declan fast auf den Rücksitz. Ich lande mit einem dumpfen Plumps auf dem gesteppten Leder, und der Stoff meines Kleides fächert sich wie eine Wolke um mich auf.

»Würde es dich umbringen, etwas sanfter zu sein?« Ich schaue zu ihm hoch.

Declan ignoriert mich, indem er die Tür vor meiner Nase zuschlägt. Ich bin mir fast sicher, dass ein Teil meines Kleides im Rahmen hängt.

»Ich verstehe das mal als Ja«, grummele ich.

Sein Fahrer stolpert fast über seine eigenen Füße, um Declan zuvorzukommen. Der arme Harrison hat angesichts des gruseligen Ausdrucks auf Declans Gesicht wahrscheinlich Angst, seinen Job zu verlieren. Nicht, dass ich ihm daraus einen Vorwurf machen könnte.

Aber weswegen ist er überhaupt so wütend?

Declan würdigt mich keines Blickes, als er neben mir Platz nimmt, was das Gewicht, das auf meine Brust drückt, noch schwerer macht.

»Du benimmst dich wie ein Kind.«

Stille.

»Hast du vor, mich ab sofort einfach zu ignorieren?«

Die einzige Antwort, die ich bekomme, besteht im Aufheulen des Motors, als Declans Fahrer Gas gibt.

»Okay.« Ich tippe auf der Anlage herum, um Musik abzuspielen, aber Declan wirft mir einen Blick zu, der mich dazu bringt, meine Hand zurückzuziehen.

Nach vollen fünf Minuten Schweigen gibt mein von Tequila durchsetztes Gehirn nach.

»Ich hatte ganz vergessen, wie nett eine Hochzeit sein kann. Es ist Jahre her, seit ich zuletzt auf einer war.«

Declan schweigt, während er weiter mit dem Daumen über das Display seines Handys fährt.

»Es war schön, Rowans Freundin kennenzulernen. Sie ist süß.« Sein Griff um das Smartphone wird fester.

Hmm. Interessant.

»Ich verstehe nicht, warum du sie nicht magst. Es ist schließlich nicht ihre Schuld, dass Rowan Dreamland dem Posten als CFO vorgezogen hat. Du solltest ihr wenigstens eine Chance geben.«

Das Zucken in seinem Kiefer ist wieder da, aber er macht sich nicht die Mühe, mich anzusehen.

Na los, gib mir irgendwas, womit ich arbeiten kann.

»Die beiden haben uns zum Essen eingeladen. Morgen Abend. Und da wir keine Flitterwochen machen …«

Declan reißt den Kopf hoch. »Wir werden nicht mit ihnen essen gehen.«

»Aber du hast kaum mit Rowan gesprochen, seit er beschlossen hat, in Dreamland zu bleiben. Es wäre doch schön, etwas Zeit mit ihnen zu verbringen, während sie in der Stadt sind …«

»Ich bezahle dich nicht dafür, dass du dich um meine Familienangelegenheiten kümmerst.«

Ich balle eine Faust um den Stoff meines Kleides. »Zu deinem Glück tue ich das umsonst.«

Er richtet seine Aufmerksamkeit wieder auf das Handydisplay. »Spar dir die Mühe. Ich werde nicht mit Rowan und seiner Freundin essen gehen.«

»Zahra. Ihr Name ist Zahra.«

»Ihr Name ist genauso irrelevant wie ihre Beziehung zu meinem Bruder.«

Ich starre ihn entsetzt an. »Gott, du bist wirklich erschreckend nachtragend.«

»Betrachte es als Lektion, nicht den Fehler zu begehen, meine dunkle Seite herauszufordern.«

»In letzter Zeit fühlt es sich so an, als ob du nur dunkle Seiten hättest.«

»Wer hätte gedacht, dass eine Ehefrau meinem Ego dermaßen guttun würde?«, erwidert er in sarkastischem Ton.

»Es ist der Job deiner Frau, dich wegen des Bullshits, den du von dir gibst, zur Rede zu stellen, weil der Rest der Welt es mit Sicherheit nicht tun wird. Nicht, solange sie zu viel Angst davor haben, in deiner Gegenwart offen zu sprechen.«

»Welcher Teil von wir sind kein echtes Paar ist für dich so schwer zu verstehen?«

Meine Brust zieht sich zusammen. Ich dachte, Declan und ich würden als Freunde zusammenleben, aber seine Laune heute Abend lässt in mir die Frage aufkommen, ob er mich nur deswegen bis zu diesem Punkt bei der Stange gehalten hat, damit ich nicht von unserer Vereinbarung zurücktrete.

Seine Worte vom Abend unserer Verlobung verfolgen mich. Es gibt nichts, was ich nicht tun würde, um mir mein Erbe zu verdienen. Rufen Sie sich das in Erinnerung, wenn Sie vergessen sollten, dass dies nicht mehr als ein Spiel für mich ist.

War es das? Ein Spiel? Nachdem er bekommen hat, was er wollte, gibt es keinen Grund mehr für ihn zu spielen. Die Vorstellung verursacht einen seltsamen Schmerz in meiner Brust auf Höhe meines Herzens.

Ich versuche, den Kloß in meinem Hals herunterzuschlucken. Niemand außer mir selbst trägt Schuld an der Situation. Declan war sich über seine Absichten immer im Klaren, und ich habe dummerweise etwas Falsches in unsere Beziehung hineininterpretiert.

Warum kümmert es dich überhaupt? Diese Ehe ist nicht echt.

Weil ich vielleicht irgendwo auf dem Weg bis hierher vergessen habe, dass alles nicht mehr als eine Lüge ist.

* * *

Den Rest der Fahrt schweige ich. Wäre gegenseitiges Ignorieren eine sportliche Disziplin, kämen wir beide als Mannschaftskapitän infrage.

Sobald Harrison den Wagen geparkt hat, kämpfe ich mich inklusive Tüll und Spitze mit der Anmut eines neugeborenen Fohlens aus dem Auto.

»Iris«, ruft Declan mir nach.

Ich drehe mich nicht um. Dafür habe ich zu viel Angst, dass mir meine Gefühle deutlich ins Gesicht geschrieben stehen. »Ich gehe ins Bett.«

»Du hast deine Handtasche vergessen.«

Der Drang, mit dem Fuß aufzustampfen, überkommt mich, aber ich halte mich zurück. »Stimmt.« Blöde Tasche. Wusste ich doch, dass ich das Hochzeitskleid mit Taschen hätte nehmen sollen.

Ich drehe mich um, meide jedoch weiterhin seinen Blick, während ich die Tür öffne und die Rückbank absuche.

»Hier.« Seine Brust drückt gegen meine Wirbelsäule, als er mich zwischen dem Auto und seinem Körper einklemmt.

Ich drehe mich um in dem Versuch, Körperkontakt zu vermeiden. Und scheitere. Die Vorderseite seines Smokings streift mein Mieder und sendet eine Hitzewelle durch mich hindurch.

Er hält mir meine Clutch hin. Der glitzernde Schriftzug Mrs. Kane funkelt unter der Außenbeleuchtung und sieht genauso schrecklich aus wie an dem Tag, als mir die Hochzeitsplanerin das Accessoire überreicht hat. Dem Ausdruck auf Declans Gesicht nach zu urteilen, findet er es genauso schrecklich wie ich, dass sein Name darauf wie ein Showpony zur Schau gestellt wird. Auch wenn ich nicht das Gleiche erlebt habe wie er, fange ich langsam an, ihn ein bisschen besser zu verstehen. So wie mich die Leute bei der Hochzeit behandelt haben, fühlt es sich an, als würde man sämtlichen Menschen, die auf der gesellschaftlichen Leiter ein paar Sprossen höher klettern wollen, eine Einladung überreichen, sich an einen dranzuhängen, sobald man den Namen Kane trägt.

Ich starre auf die Tasche hinunter, die mich an meine Pflichten erinnert. An das Versprechen, Declan in jeder Hinsicht beizustehen. Egal, was er tun muss, um seinen Willen durchzusetzen.

»Würde es dir was ausmachen …« Ich bedeute ihm, mir Platz zu machen.

Er tritt beiseite. Doch als ich an ihm vorbeimarschieren will, hält er mich am Ellbogen zurück. Er tut mir nicht weh, aber in der Geste liegt eine stille Bitte.

Bleib .

Aber warum?

»Ja?«, frage ich.

»Ist es so schlimm?«

Ich sehe zu ihm auf. »Was?«

»Die Vorstellung, meine Frau zu sein.«

Ich schwöre, das Auf und Ab seiner Launen macht mich wahnsinnig.

»Plötzlich ist dir also meine Meinung wichtig? Ich bin mir nicht sicher, ob du mir für diese Art von Service genug bezahlst.«

Sein Kiefer verkrampft sich. »Beantworte die Frage.«

» Nein.«

»Musst du immer so unmöglich sein?«

»Keine Ahnung. Musst du dich immer wie ein Arschloch aufführen?«

»Ja, weil ich eins bin.«

Ich reiße meinen Ellbogen aus seinem Griff. »Glaub mir, bei mir hat es vielleicht länger gedauert als bei anderen, aber langsam begreife ich, warum dich alle für eins halten.«

Sein langsames Blinzeln spricht für sich. »Wie bitte?«

»Die Art und Weise, wie du mich heute Abend behandelt hast – an unserem Hochzeitstag –, ist absolut inakzeptabel. Aber ich schätze, es ist dir egal, wie oder wann du die Gefühle anderer verletzt, solange du deinen Willen bekommst.«

»Was ich im Auto gesagt habe …«

Ich hebe eine Hand. »Mach dir keinen Kopf. Es ist meine Schuld, dass ich dermaßen unrealistische Erwartungen an uns geknüpft habe.«

Seine Augen verengen sich ganz leicht.

Ich rede weiter, möchte das ein für alle Mal zwischen uns klären. »Ich tue das hier nicht aus Liebe. Offensichtlich nicht.« Ein seltsames Lachen dringt aus meiner Kehle. »Ich wollte dir helfen, weil ich dachte, wir wären Freunde. Und ja, ich weiß, dass du nicht mit mir befreundet sein möchtest, also spar dir den Atem. Inzwischen ist mir klar, dass es wahrscheinlich ziemlich dumm von mir war, so zu denken. Ich habe meine Lektion gelernt.« Er öffnet den Mund, aber ich lasse ihn nicht zu Wort kommen. »Ich möchte auch nicht mit dir befreundet sein. Denn dir nahezukommen, bedeutet, immerzu deine Motive zu hinterfragen, und ehrlich gesagt ist mir das zu viel Aufwand für jemanden, der mich sowieso nicht zu mögen scheint.«