Ich habe mich gestern aus einer Vielzahl von Gründen wie ein Idiot benommen. Die Art und Weise, wie ich mich bei meiner Hochzeit präsentiert habe, war nur der erste Fehltritt in einer ganzen Reihe von bedauerlichen Verhaltensweisen, und das alles nur, weil ich meine Gefühle nicht in den Griff bekommen habe. Nach all der Zeit sollte man meinen, ich hätte inzwischen die Kunst gemeistert, mich nicht darum zu scheren. Dass Iris in einem Hochzeitskleid zu sehen, ausreicht, um Jahre harter Arbeit auf einen Schlag zunichtezumachen, ist enttäuschend.
Du wirst diesen Fehler nicht noch einmal begehen.
Nicht, wenn ich es irgendwie verhindern kann. Ich bin gestern Abend viel zu lange aufgeblieben, um mir eine neue Herangehensweise an unsere Scheinehe zu überlegen. Was auch immer in unserer Hochzeitsnacht passiert ist, liegt in der Vergangenheit. Von nun an werden wir sorgfältiger darauf achten, uns nicht in Situationen zu bringen, die katastrophale Folgen haben könnten.
Wie zum Beispiel nur mit einem Handtuch um die Hüften die Tür zu öffnen, obwohl du genau weißt, dass sie auf der anderen Seite steht?
Exakt. Nicht mein klügster Schachzug, aber ich werde den Fehler nicht zweimal machen.
Ich klopfe mit meiner freien Hand an ihre Schlafzimmertür. Sie ruft etwas Unverständliches mit heiserer Stimme, also poche ich erneut mit den Knöcheln gegen das Holz. Ein dumpfer Schlag, als würde ein Kissen gegen die Tür knallen, bringt mich zum Lächeln.
Iris mag vieles sein, ein Morgenmensch ist sie nicht.
Ich räuspere mich. »Ich war unterwegs und habe dir einen Kaffee mitgebracht.«
»Von Joe’s?«
Es ist schon beinahe unheimlich, dass sie das weiß. »Ja.«
»French Vanilla Latte mit Vollmilch?«
Ich knirsche mit den Zähnen. »Offensichtlich.«
Ihr gedämpftes Stöhnen durch die Tür schickt einen Stromschlag meine Wirbelsäule hinab. »Und extra Sahne?«
Ich seufze. »Mach mir auf und finde es heraus.«
Ihr Lachen dringt durch den Spalt unter der Tür genauso wie in meine Brust. Ich warte ganze zwei Minuten, während sie wer weiß was in ihrem Zimmer anstellt. Als sie schließlich öffnet, enthüllt sie rot geränderte Augen, die von verschmierter Wimperntusche akzentuiert werden. Wofür ich mich nicht weiter interessieren sollte, aber die Art und Weise, wie der Anblick des ausgeblichenen T-Shirts, das über ihre Oberschenkel streicht, das Blut in meinen Adern zum Kochen bringt, lässt mich an meinem Verstand zweifeln. Es erfordert unerträgliche Anstrengung, meinen Blick von ihren Schenkeln zu lösen. Auf dem Weg zu ihrem Gesicht lasse ich mir Zeit, indem ich mich von den Rundungen ihrer Brüste ablenken lasse, die sich unter dem Stoff ihres T-Shirts abzeichnen.
Reiß dich zusammen!
»Hier.« Ich halte ihr den Kaffee hin, als wäre er ansteckend. Unsere Finger berühren sich und lösen ein leises Summen auf meiner Haut aus.
Ihr Blick wandert zu meinem Gesicht, bevor sie ihn auf den Kaffeebecher richtet. »Vielen Dank für den Entschuldigungsdrink.«
»Das ist er nicht.«
»Okay. Klar. Was auch immer dir dabei hilft, deine fragile Männlichkeit intakt zu halten.« Der Seufzer, den sie ausstößt, nachdem sie einen Schluck getrunken hat, fährt mir ohne Umwege in den Schwanz.
»Den nehme ich wieder mit …« Ich versuche, ihr den Becher aus der Hand zu nehmen, aber sie umklammert ihn mit eisernem Griff.
»Denk nicht mal dran! Dieser Kaffee ist das Beste, was mir jemals nach dem Aufstehen widerfahren ist.«
»Langsam verstehe ich, warum alle deine bisherigen Beziehungen gescheitert sind.« Die Worte rutschen mir raus, bevor ich darüber nachdenken kann.
Scheiße, Declan, wo kam das jetzt verdammt noch mal her?
Es war keine Absicht.
Sag, weswegen du hier bist, und verschwinde.
»War das gerade eine Spitze gegen mein bisheriges Beziehungsleben?« Ihr Tonfall ist tödlich.
Darauf werde ich auf keinen Fall eingehen. Ich presse meine Lippen zusammen, um mich daran zu hindern, etwas zu sagen.
Dann hättest du von Anfang an die Klappe halten sollen.
Ihr Blick wird hart. »Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir einige Grundregeln aufstellen.«
»Regeln«, wiederhole ich trocken.
»Ja, Regeln . Du erinnerst dich an unsere, nehme ich an?«
»Vage.«
Ihr Lächeln könnte einen Mann in die Knie zwingen. »Lass uns noch mal zusammenfassen. Jeder Blick.« Sie lässt ihren Blick wie eine Phantomberührung über meinen Körper gleiten und verbrennt mir damit die Haut. »Jede Berührung.« Ein einziger Finger, mit dem sie über meine Wange streicht, reicht aus, dass ich mich vorbeuge wie ein Mann, der geradezu nach Aufmerksamkeit hungert. »Jeder Kuss.« Dieses Mal umfasst sie grob mein Kinn und zieht meinen Kopf nach unten. Ihre Lippen streifen meinen Mundwinkel. Eine exakte Kopie meines Kusses bei unserer Verlobungsfeier, aber dieser hier löst eine ganz andere Reaktion bei mir aus. »Ist nichts als eine Lüge.«
Ich bin hart unter meinen Laufshorts. Hastig räuspere ich mich und blinzle die Erregung aus meinen Augen, bevor sie etwas merken kann.
So viel dazu, die gleichen Vorstellungen zu haben.
»Okay. Keine Gespräche über Ex-Freunde.« In meinem Leben gibt es keine Verflossenen, die eine Erwähnung wert wären, und ihre befinden sich genau dort, wo sie hingehören. In der Vergangenheit.
»Großartig. Schön, dass wir uns einig sind.« Sie nippt an ihrem Kaffee.
»So unterhaltsam dieses Gespräch auch ist, ich habe noch einiges zu tun.«
Sie hebt die Brauen. »Warum bist du dann hergekommen? Mit Kaffee?«
»Weil ich mit dir über gestern reden muss.«
»Welchen Teil genau?«
»Über alles.«
»Na dann leg mal los.« Sie trinkt einen weiteren Schluck Kaffee, während sie mich forschend mustert, als würde sie in meiner Miene nach Anzeichen von Gefühlsregungen suchen.
Sie wird keine finden. Dafür habe ich gesorgt.
Ich beginne mit dem schwierigsten Thema. »Unser Kuss …«
»Küsse. Plural. Die beide von dir initialisiert wurden, um den Sachverhalt korrekt darzustellen.«
Meine Haut brennt unter meinem T-Shirt. »Küsse. Es wird nicht wieder vorkommen.«
Sie lächelt. »Okay. Keine Einwände von meiner Seite.«
Okay? So wie sie mich am vergangenen Abend angesehen hat, hätte ich gedacht, dass sie zumindest gewisse Einwände hat.
Vielleicht hast du ihre Reaktion gestern falsch interpretiert.
»Dich zu küssen, war ein notwendiges Übel, um die Öffentlichkeit zufriedenzustellen, aber ab sofort müssen wir nicht länger so tun, als würden wir uns voneinander angezogen fühlen.«
Etwas blitzt in ihren Augen auf, bevor sie sich rasch wieder im Griff hat. »Gut. Gott bewahre, dass du auch nur so tun musst, als ob du auf mich stehst.«
Mir ist bewusst, wie beschissen das klingt, was aus meinem Mund kommt, aber meine Worte erfüllen ihren Zweck. Sie richten den Schaden an, den sie anrichten sollen. So ist es am besten. Die Art und Weise, auf die ich sie am vergangenen Abend berühren wollte, sagt alles.
»Okay, nachdem wir das geklärt haben, werde ich jetzt meinen Kaffee genießen.« Sie macht Anstalten, mir die Tür vor der Nase zuzuschlagen.
Wenn dies ein erster Eindruck davon ist, was es bedeutet, eine Ehe zu führen, wundert es mich nicht, dass die Scheidungsrate dermaßen hoch ist. Ich kann mich glücklich schätzen, wenn ich nicht Teil der Statistik werde, bevor unsere geplante gemeinsame Zeit abgelaufen ist.
* * *
Ich wusste, dass es sich um eine Falle handelt, als mein Vater mich zum Mittagessen treffen wollte, aber ich bin seiner Einladung trotzdem bereitwillig gefolgt. Nach seinem Gespräch mit Iris will ich herausfinden, wie gefährlich er mir werden kann. Meine Intuition sagt mir, dass mein Kampf um die CEO -Position in keiner Hinsicht leicht wird.
Der Blick meines Vaters wandert von der Speisekarte zu meinem Gesicht. »Irgendwelche Flitterwochenpläne?«
»Du musst nicht so tun, als würdest du dich für mich interessieren.«
Er seufzt. »Ich mache nur Small Talk.«
Schwachsinn. Bei jeder Frage, die er stellt, bei jeder seiner Äußerungen hat er einen Hintergedanken. Durch ihn bin ich zum Experten darin geworden, zwischen den Zeilen zu lesen.
»Iris und ich reisen am Freitag ab.« Zumindest habe ich das gerade beschlossen. Es ist mir egal, wohin, Hauptsache weg von hier.
»Was ist mit der Quartals-Budget-Besprechung?«
»Ich bin mir sicher, dass du meine Reports auch ohne meine Hilfe prüfen kannst. Auf Hochzeitsreise geht man schließlich nur einmal im Leben.« Meine Mundwinkel drohen sich zu heben.
»Du scheinst für alles eine Lösung parat zu haben.«
Mir entgeht die Doppeldeutigkeit seiner Bemerkung nicht. »Ich hatte viel Übung, indem ich jahrelang den Scheiß von jemand anderem in Ordnung bringen musste.«
»Gibst du überhaupt noch vor, mich zu mögen?«
»Das wäre vergebliche Liebesmühe. Du hasst mich, und ich hasse dich, warum also tun, als wäre es nicht so?«
Er wagt es, entsetzt auszusehen. »Ich hasse dich nicht.«
»Was ich angesichts unserer Vergangenheit kaum glauben kann.« Eine Vergangenheit, die ich mein ganzes Leben lang nicht vergessen werde.
»Genau deshalb respektiere ich dich mehr als deine Brüder. Im Gegensatz zu Cal oder Rowan scheust du dich nicht, deine Meinung zu sagen.«
»Wie es aussieht, definieren wir Respekt auf sehr unterschiedliche Weise.«
»Dennoch bewundere ich deine Bemühungen. Deshalb habe ich dich von vornherein als Bedrohung gesehen.«
»Nicht dass ich dasselbe über dich sagen könnte.«
Er lacht leise. »Ich dachte, ich hätte dir beigebracht, niemals deine Feinde zu unterschätzen.«
»Bitte, wenn überhaupt, traue ich dir zu viel zu.«
»Du magst clever sein, aber dein Wunsch nach Rache wirkt sich negativ auf deine Fähigkeit aus, klar zu denken. Warum sonst würdest du ausgerechnet deine Assistentin heiraten? Selbst ich hätte nicht gedacht, dass du so verzweifelt nach deinem Erbe gierst.«
Bei seinen Worten brennt eine Sicherung in mir durch. »Wenn du noch mal so über sie redest, dann mache ich dir deine letzten zwölf Monate als CEO zur Hölle, das schwöre ich dir.«
Ich kann mit ihm oder gegen ihn arbeiten. Zum Wohle des Unternehmens war ich bereit, mich für die erste Option zu entscheiden, aber wenn er Iris weiterhin beleidigt, ist alles möglich. Sie hat sich immer wieder als loyal erwiesen, also kann ich sie zumindest vor Abschaum wie ihm verteidigen.
Mein Gesichtsausdruck entlockt ihm ein tiefes Lachen. »Sag mir nicht, dass sie dir tatsächlich was bedeutet.«
Ich bemühe mich um eine ausdruckslose Miene.
Er schüttelt langsam den Kopf. »Dass ich dich immer für meinen klügsten Sohn gehalten habe … Was für eine Enttäuschung.«
»Dient dieses Gespräch irgendeinem Zweck, oder willst du dich einfach nur selbst reden hören?«
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass du weißt, warum ich dich um dieses Treffen gebeten habe.« Sein boshaftes Lächeln versetzt mich in Alarmbereitschaft.
»Vielleicht musst du etwas genauer werden, wenn man bedenkt, wie enttäuscht du von meiner Intelligenz bist.«
»Betrachte es als eine Warnung von Vater zu Sohn.«
»Vor?«
»Dein Großvater hat dir vielleicht die Möglichkeit gegeben, meinen Platz einzunehmen, aber das bedeutet nicht, dass du damit Erfolg haben wirst. Ich habe nicht vor, kampflos zurückzutreten.«
»Was meinen Sieg umso süßer machen wird.«
Er hebt sein Wasserglas. »Möge der beste Kane gewinnen.«
Ich stoße mit ihm an. »Das hat er bereits getan.«
* * *
Ich bleibe neben Iris’ Schreibtisch stehen. »Du musst eine Reise buchen.«
Nachdem ich die ganze Fahrt lang über das Gespräch mit meinem Vater nachgedacht habe, bin ich zu einem Schluss gekommen. Ich muss meine Rolle als verliebter Ehemann ausfüllen – Flitterwochen eingeschlossen.
Iris sieht mit schmalen Augen von ihrem Schreibtisch auf. »Nach Tokio?«
»Nein. Such dir ein Ziel aus. Egal welches. So lange es fließendes Wasser und WLAN gibt.«
Iris sieht sich im Büro um, bevor sie unter den Schreibtisch schaut.
»Suchst du nach einer versteckten Kamera?«
Das leiseste Lächeln huscht über ihre Lippen. »Oder einem Abhörgerät. Nur um das klarzustellen, ich habe nie und werde niemals Drogen nehmen. Welche Substanzen auch immer du in meinem Büro finden solltest, sie gehören definitiv Cal.«
»Sehr witzig«, antworte ich trocken.
»Lachst du manchmal auch?«, erkundigt sie sich.
»Nur wenn ich jemanden zum Weinen bringe.«
Sie verzieht das Gesicht und presst sich eine Hand auf die Brust. »Cal hat recht. Du bist tatsächlich ein Monster.«
»Ein Monster, das erwartet, dass du bis heute Abend eine Hochzeitsreise gebucht hast.«
»Eine Hochzeitsreise? Wow!«
Für meinen Geschmack wirkt sie viel zu begeistert.
»Komm ja nicht auf irgendwelche Ideen. Die Flitterwochen dienen ausschließlich dem Schein.«
»Schein?« Ihr Grinsen verblasst.
»Ich bin überzeugt, dass mein Vater alles in seiner Macht Stehende tun wird, um unsere Ehe infrage zu stellen. Wir müssen seine Versuche ins Leere laufen lassen.«
Sie schürzt die Lippen. »Indem du auf Hochzeitsreise fährst? Wie willst du damit irgendwelche Probleme lösen?«
»Indem ich damit beweise, dass du mir so wichtig bist, dass ich für uns meinen ersten Urlaub seit über zehn Jahren nehme.«
Sie lacht. »Dein Leben muss wirklich traurig sein, wenn du es für eine Liebeserklärung hältst, deine Arbeit den Flitterwochen zu opfern.«
»Ist es denn kein Opfer?« Hat sie mir nicht richtig zugehört? Ich mache keinen Urlaub. Dass sich das mit ihr ändert, sollte sämtliche Zweifler an unserer Beziehung zum Schweigen bringen.
Oder nicht?
»Nein. Ist es nicht.«
Ich verziehe das Gesicht. »Ich denke, das sollte ich selbst beurteilen.«
Sie verdreht die Augen. »Aber sicher. Wir sollten in Bezug auf unsere Beziehung auf jeden Fall so vorgehen, wie du es für richtig hältst, weil du so unglaublich viel Erfahrung auf dem Gebiet hast.« Sie murmelt noch etwas über Männer, die immer glauben, sie wüssten alles, vor sich hin.
Ich schlage mit der Faust auf ihren Schreibtisch. »Buch einen Flieger. Für Freitag.«
»Diesen Freitag?«
»Ist das ein Problem?«
»Nein!«, quietscht sie. »Selbst wenn, würde ich mich weigern, diese einmalige Gelegenheit ungenutzt verstreichen zu lassen. Ich hatte seit Jahren keinen Urlaub mehr.«
»Wenigstens kommt so für dich auch mal was Gutes bei der ganzen Sache raus.«
Nun ist sie es, die mit der flachen Hand auf den Schreibtisch schlägt, wobei sie mit strenger Miene zu mir aufsieht. »Du meinst, es gibt etwas Besseres, als dich zu heiraten? Ich weigere mich, das zu glauben.«
Ich wende mich ab, um das Grinsen zu verbergen, das sich auf meinem Gesicht ausbreitet. Iris ist die einzige Person, die mir ein Lächeln entlocken kann. Nicht, dass ihr das bewusst wäre. Ich tue alles in meiner Macht Stehende, um mir nicht anmerken zu lassen, wie viel Einfluss sie auf meine Launen hat.