KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG

Declan

Für den Rest meiner Flitterwochen offline zu bleiben, war ein Fehler. Ich habe noch nie länger als eine Stunde nicht auf mein Handy geschaut, geschweige denn tagelang.

Das passiert, wenn du dir Urlaub nimmst.

Während meiner internetfreien Zeit hat jemand den Klatschmagazinen eine Geschichte zugespielt, in der behauptet wird, meine Ehe sei inszeniert. Ich zweifle keine Sekunde, dass mein Vater hinter der Kampagne steckt, obwohl es schwierig sein wird, das zu beweisen.

Für sein Vorgehen muss ich ihm Respekt zollen. Er war äußerst gründlich und hat sichergestellt, der Presse eine Reihe gefälschter Dokumente mitzuliefern, in denen Dinge stehen, die Iris und ich so nie vereinbart haben. Darin wird genau das Bild des Monsters gezeichnet, das die Welt von mir hat. Spekulationen über eine Erbschaft. Interviews mit zukünftigen Ex-Mitarbeitern, die behaupten, meine Beziehung zu Iris sei wie aus dem Nichts entstanden, und das alles wegen einer Klausel im Testament meines Großvaters in Bezug auf die Geburt eines Erben. Es gibt sogar Ultraschall-Fotos von einem Kind, das verdammt noch mal nicht von mir ist. Unter anderen Umständen würde ich wegen der Schlagzeilen nicht mal mit der Wimper zucken, aber die Art und Weise, wie sie über Iris sprechen, ist absolut inakzeptabel.

Früher hast du dich auch nicht um ihre Meinung geschert …

Das war, bevor ich jemanden in meinem Leben hatte, der es wert ist, vor dem Abschaum der Erde beschützt zu werden. Iris ist nicht naiv. Sie weiß, wie die Medien mich darstellen und was eine Heirat mit mir gegebenenfalls für Folgen haben würde. Aber das hier … Sogar ich bin über einige der Kommentare entsetzt.

Schnell stecke ich mein Handy in die Hosentasche, bevor ich es in eine Million Stücke zerschmettern kann. »Ruf meinen Anwalt an, sobald wir landen.«

Iris sieht von ihrem Tablet auf. »Wozu?«

»Ich bin in der Stimmung, ein paar Menschen sehr unglücklich zu machen.«

»Kann man einen Dauerzustand noch als Stimmung bezeichnen?«

Ich funkele sie wütend an.

Sie hebt ergeben die Hände. »Was ist los?«

»Ich werde halb Chicago mit Verleumdungsklagen überziehen.«

Ihre Lippen bilden ein kleines O, als sie mit dem Kopf nickt. »Aha. Ich nehme mal an, du hast die Schlagzeilen gelesen?«

Ich blinzle. »Du weißt davon?«

Sie nickt erneut und wendet den Blick ab.

»Und dir ist keine Sekunde in den Sinn gekommen, mich über diese Schmutzkampagne zu informieren?«

Ihr schweres Seufzen ist sogar über den Fluglärm hinweg zu hören. »Meine Mutter hat mich heute Morgen beim Packen angerufen und mir davon erzählt. Ich hatte gehofft, dass wir den Flug hinter uns haben, bevor du was liest, aber das hat sich jetzt offensichtlich erledigt.«

»Warum hast du es mir nicht gleich gesagt?« Und bitte sag mir, dass du die Kommentare nicht gelesen hast.

»Weil ich sie es nicht wert fand, damit unseren letzten Urlaubstag zu ruinieren.«

»Wen zum Teufel interessiert das?«

Sie lächelt angespannt. »Falls du dir Sorgen machen solltest, was der Anwalt denken könnte, ich habe bereits einen Plan. Ich werde nicht zulassen, dass dein Vater uns schlägt.«

Uns . Nicht dich . Die Vorstellung, dass wir als Team gegen meinen Vater arbeiten, gefällt mir, aber nicht genug, um die Wut auszulöschen, die ich empfinde, weil sie mein Erbe an erste Stelle setzt. »Scheiß auf den Plan und Scheiß auf meinen Vater. Das ist gerade nicht wichtig.«

Sie klimpert mit den Wimpern. »Meine Güte, Declan, bist du etwa stellvertretend für mich gekränkt?«

»Sie haben dich als geldgierige Hure bezeichnet.« Ich beiße die Zähne zusammen.

»Wenigstens haben sie ein gutes Foto von mir danebengesetzt. Die Reporter vom Chicago Chronicle waren weniger nett, als es um meine geheime Schwangerschaft ging.«

»Was?« Schwarze Punkte tanzen vor meinen Augen, als ich erneut mein Handy herausziehe.

Iris legt eine Hand auf meine. »Mach dir keine Sorgen.«

Ich sollte sie beruhigen. Niemand hat es verdient, dass auf diese Weise über sie oder ihn gesprochen wird. Einige der Kommentare waren zu erwarten gewesen, wie zum Beispiel, dass sie mich nur wegen meines Vermögens oder meines Namens geheiratet hat, aber alles andere ist nichts weiter als verachtenswert. Sie nehmen ihr Aussehen auseinander. Ihre Intelligenz. Ihr Herz. Jeder einzelne Kommentar weckt in mir den Wunsch, den Internet-Troll zu finden, der ihn in die Welt gesetzt hat, um ihn mit seinem Computerkabel zu erwürgen. Bisher habe ich geglaubt, die Boulevard-Medien zu verachten, doch das Gefühl war nichts im Vergleich mit dem brennenden Hass, den ich in diesem Moment auf die Presse empfinde.

Iris drückt meine Hand und reißt mich damit aus meinen mörderischen Gedanken. »Das sind nur Worte.«

Innerlich koche ich. Äußerlich gebe ich mich genauso kalt und kalkuliert, wie die Artikel mich beschreiben. »Ich habe eine andere Reaktion von dir erwartet.«

Was dachtest du denn, was sie tun würde? Schreien? Weinen?

Alles wäre erträglicher als ihre Versuche, mich zu beruhigen. Das verdiene ich nicht.

»Mir war klar, dass es irgendwann passieren würde.« Sie zuckt mit den Schultern, als würde sie das alles nicht weiter stören, aber das stimmt nicht. Ihr Kinn zittert, und ich ertappe mich dabei, wie ich meine Hände im Schoß balle, um mich davon abzuhalten, sie zu trösten.

Sie zu trösten? Ich wüsste nicht mal, wie ich mit so etwas Absurdem beginnen sollte.

»Ich kümmere mich darum.«

Sie hebt eine Augenbraue. »Was hast du vor? Meine Ehre verteidigen?«

»Das ist das Mindeste.«

Ihr Lachen löst etwas von der Anspannung in meinen Muskeln. »Bitte tu nichts Unüberlegtes, weil du wütend bist.«

»Das werde ich nicht.«

Sie hebt eine Augenbraue. »Oder etwas, das als Verbrechen angesehen werden könnte.«

»Ist es ein Verbrechen, wenn ich mich nicht erwischen lasse?«

Ihre Augen leuchten auf und kratzen an dem eisigen Block, der mein Herz darstellt. »Sich aus dem Gefängnis freizukaufen, ist nichts, womit man angeben sollte.«

»Was nützt mir all das Geld, wenn ich mich an das Gesetz halten muss?«

»An dieser Aussage ist so viel falsch, dass ich nicht mal weiß, wo ich anfangen soll.«

»Dann lass es.«

Sie zieht die Nase kraus. »Themawechsel. Wir müssen strategisch vorgehen. Ich bin mir sicher, dass der Anwalt deines Großvaters allmählich misstrauisch wird, was die Echtheit unserer Ehe angeht.«

Der Funken gute Laune, den sie gerade hat aufkommen lassen, wird durch ihren Kommentar ausgelöscht. Wie kann sie in einer Situation wie dieser an den Anwalt denken? Die Leute haben verdammte Todesdrohungen gegen sie ausgesprochen.

»Der Anwalt ist mir egal.« Zumindest für den Moment.

Sie sieht mich an, als wäre mir ein zweiter Kopf gewachsen. »O-kay. Nun, unabhängig von deiner derzeitigen Meinung zu diesem Thema habe ich den perfekten Plan.«

Da ihr letzter Plan zu einer Hochzeit zwischen uns geführt hat, kann ich mir ungefähr vorstellen, wie dieser laufen wird.

* * *

Ich überlege, meinem Vater einen Besuch abzustatten. Die Versuchung, ihm den Kiefer zu brechen, ist groß, aber ich halte mich zurück. Ihn zu schlagen, würde mich nur für einen kurzen Moment zufriedenstellen; alles zu zerstören, was er liebt, ist die sehr viel befriedigendere Alternative. Bei jemandem wie ihm aufzuwachsen, bedeutete, die gleichen Eigenschaften wie er zu entwickeln, denn um ihn zu überleben, musste ich über mich selbst hinauswachsen. Ich habe durch viele schmerzhafte und gescheiterte Versuche gelernt, mich nach außen zu verschließen, denn etwas zu lieben, bedeutete, das Risiko einzugehen, es zu verlieren. Ich habe geliebt und verloren, und ich verachte beide Gefühle gleichermaßen.

Eine dröhnende Stimme vor meiner Bürotür, gefolgt von Iris’ schrillem Lachen, veranlasst mich, zur Tür zu stürmen. Iris und mein Vater stehen mitten in Iris’ Büro und starren sich an.

Mein Vater wendet sich grinsend zu mir um. »Perfektes Timing. Befiehl deinem Vorzimmer-Wauzi, bei Fuß zu gehen.«

Ich schaffe einen einzigen Schritt, bevor Iris’ Faust mit dem Kiefer meines Vaters kollidiert. Iris schreit auf. Mir läuft ein kalter Schauer über den Rücken, und ich schlucke die Säure hinunter, die mir bei Iris’ Schrei in die Kehle steigt.

Mein Vater betastet seinen Kiefer und reibt mit der Handfläche über die Stelle, die sie getroffen hat. »Du verdammte …«

Ich sehe rot und will mich auf meinen Vater stürzen, wende meine Aufmerksamkeit jedoch Iris zu, als sie ein Wimmern ausstößt.

»Au.« Eine einzelne Träne läuft über ihre Wange, als sie ihre Faust untersucht.

Ich denke nicht nach, bevor ich handele. Sie faucht mich an, als ich versuche, mir ihre Hand anzusehen, während sie sich mit der unverletzten die Tränen vom Gesicht wischt. Irgendetwas stimmt nicht mit ihrem kleinen Finger; sie zuckt zusammen, als ich nur ganz leicht darüberstreiche.

»Das fühlt sich nicht besonders gut an …«, flucht Iris, während sie mit dem Daumen ihre Knöchel betastet.

»Das hast du davon, wenn du glaubst, ungestraft Hand an mich legen zu können.«

Ich schwöre, dieser Mann hat Todessehnsucht.

»Oh, ich würde gerne mehr tun, als nur Hand an dich zu legen, du verdammtes Arschloch.« Iris versucht, sich an mir vorbeizudrängen, aber ich versperre ihr den Weg.

»Ich übernehme das.« Beruhigend drücke ich ihre Schulter.

Sie zieht die Brauen zusammen, sagt jedoch nichts weiter.

»Ich bin hier, weil ich sehen wollte, wie es Iris geht, nachdem diese Artikel erschienen sind. Ich bin mir sicher, dass es nicht besonders angenehm ist, als hirnlose Schlampe bezeichnet zu werden …«

Knochen knirschen unter meiner Faust, als ich sie meinem Vater gegen die Nase ramme. Ein tiefes Gefühl der Befriedigung erfüllt mich, als sein Kopf von der Wucht meines Schlags nach hinten geworfen wird. Blut strömt über sein Gesicht und tropft auf den Teppich.

Ich grinse.

Er versucht, die Blutung zu stillen, aber nichts scheint zu helfen. »Sieht so aus, als wärst du mir ähnlicher, als ich dachte.«

Etwas Dunkles übernimmt die Kontrolle in mir. »Raus!«, brülle ich, während ich mich gleichzeitig auf ihn stürze. Meine Finger greifen in die Luft, als er rückwärts und über seine eigenen Füße stolpert, während er gleichzeitig den Kopf zurückzieht.

Der Druck in meiner Brust lässt selbst dann nicht nach, als er durch die Doppeltür verschwunden ist. Hoffentlich kehrt er in die Ecke der Hölle zurück, aus der er gekrochen ist, bevor ich die Chance habe, ihn wieder in die Hände zu bekommen.

Iris schnauft. »Das ist etwas anders gelaufen als erwartet.«

Ich drehe mich zu ihr um. Sie presst sich eine Hand auf die Brust. Ihr verzerrter Gesichtsausdruck führt dazu, dass ich das Blut in meinen Ohren rauschen höre.

»Bitte sag mir, dass das nicht der große Plan war, an dem du gearbeitet hast.«

»Nein. Die Situation ist mir etwas entgleist; meine andere Idee ist narrensicher, versprochen.«

»Angesichts deiner aktuellen Erfolgsbilanz würde ich erst mal abwarten, bevor ich mir ein Urteil bilde.«

Sie lacht, zuckt jedoch im nächsten Moment zusammen. »Autsch.«

»Lass mich mal sehen.« Mein Puls beschleunigt sich, als ich erneut ihre Verletzung begutachte. Ich achte darauf, die Haut in der Nähe ihrer Knöchel nicht zu berühren, und mustere die Schwellung an ihrem kleinen Finger. »Du bist verrückt. Es gibt keine andere Erklärung dafür, warum man sonst jemandem ins Gesicht schlägt, ohne zu wissen, wie.«

»Ich dachte, das funktioniert wie im Kino.« Sie zuckt erneut zusammen, als sie den Schaden an ihrer Hand betrachtet.

»Wir müssen dich ins Krankenhaus bringen.« Die Worte bleiben mir beinahe im Halse stecken; ich hasse Krankenhäuser.

»Nicht nötig. Mir geht’s gut. Schau!« Sie wackelt mit den Fingern und zuckt zusammen.

Ich verspüre den Drang, meinem Vater hinterherzulaufen, halte mich aber zurück. »Warum hast du ihn geschlagen?«

Sie presst die Lippen zusammen und richtet den Blick auf ihre lila High Heels.

Ich hebe ihr Kinn mit einem Finger an. »Sag es mir.«

Sie seufzt, und es kostet mich beinahe übermenschliche Anstrengung, die Antwort nicht aus ihr herauszuschütteln.

»Versprichst du, nichts Illegales zu tun, wenn ich es dir sage?«

»Nein.«

Sie lässt den Kopf sinken. »Du wirst nicht glücklich darüber sein.«

»Ich bin nie glücklich.« Nur in sehr seltenen Fällen. Und in jedem dieser Fälle hat Iris eine Rolle gespielt.

Sie sieht mich wieder an. Ihre Augen haben einen Glanz, der nichts mit ihrer verletzten Hand zu tun hat. »Er hat mir Geld angeboten, um …«

»Um was?« Jeder Muskel in meinem Körper spannt sich an.

»Um zu verhindern, dass ich jemals ein Baby bekomme.« Sie wendet den Blick ab, als könnte sie verbergen, dass ihr Gesicht von Emotionen verzerrt ist.

Ich bin schon halb aus der Tür, mein Körper fühlt sich heiß an, und mein Kopf ist leer bis auf den einen Gedanken, meinen Vater zu finden und ihn in den Boden zu rammen.

Ich hätte wissen müssen, dass er etwas in der Art versuchen würde. Ein Teil von mir hat dummerweise gehofft, er hätte noch einen Funken Anstand in sich, aber wie es scheint, ist ihm sämtliche Moral abhandengekommen. Ich habe unterschätzt, wie weit er gehen würde, um seine Position als CEO zu halten. Denn ohne den Posten hat er nichts, wofür es sich zu leben lohnt. Seine Kinder hassen ihn, und seine Frau ist tot. Der Verlust seiner Führungsposition wäre der letzte Schlag für ihn in seinem elenden Leben.

Iris greift nach meinem Arm und zieht mich zurück. »Warte!«

»Ich kann gerade nicht mit dir reden.« Ich kann mit niemandem reden, erst recht nicht mit ihr.

Du bist derjenige, der sie in diesen Schlamassel reingeritten hat. Was hast du erwartet?

Das Blut in meinen Adern kocht. Ich versuche, Iris abzuschütteln, aber ihr Griff wird immer verzweifelter.

»Du musst mich ins Krankenhaus bringen.«

Ich halte inne und versuche, etwas durch die rote Dunstwolke, die meine Entscheidungsfindung blockiert, zu erkennen. »Was?«

Ihr umwölkter Blick begegnet meinem und hält ihn fest. »Ich habe ziemliche Schmerzen.«

Scheiße .

Ich stoße abgehackt den Atem aus und schließe die Augen. »Harrison fährt dich.«

»Bitte lass mich nicht allein.«

Ihre Bitte ist mein Verderben. Mein Plan, meinen Vater ins Koma zu schicken, entgleitet mir, als ich die Augen öffne und nicke. »Okay. Bringen wir dich zu einem Arzt.«