Da Iris kein Handy halten kann, tippe ich, was sie mir diktiert. Mir war immer bewusst, dass sie viel zu tun hat, aber wie umfangreich ihre Arbeit tatsächlich ist, ist mir erst jetzt bewusst. Kein Wunder, dass sie unglücklich ist. Die Flut an E-Mails, die sie in einer Stunde erreichen, würde jeden in den Wahnsinn treiben. Vielleicht werde ich aber auch einfach nur ganz verrückt, weil ich so dicht neben ihr sitze. Der Geruch ihrer Kokosseife brennt sich dauerhaft in mein Gedächtnis, als sie sich an mich schmiegt und mit der unverletzten Hand auf die einzelnen E-Mails zeigt. Mir entgeht nicht, dass sie nervöser wird, je näher wir dem Krankenhaus kommen. Sie wackelt mit den Beinen, während sie mir eine Nachricht nach der anderen diktiert, die ich rausschicken muss, um meinen Terminplan für den heutigen Tag umzustellen.
Und damit nimmt die Arbeit kein Ende. An der Anmeldung überreicht uns eine Krankenpflegerin ein Klemmbrett mit seitenlangen Formularen, die ausgefüllt werden müssen. Iris starrt darauf, als könnte es jeden Moment Feuer fangen.
»Hier.« Ich reiche ihr das Klemmbrett.
Ihr Blick wandert Richtung Ausgang. »Hilfst du mir bitte? Ich kann so nicht schreiben«, flüstert sie kaum hörbar.
»Okay. Sag mir deine Antworten, und ich schreibe sie auf.«
Sie schluckt, während sie die erste Seite überfliegt. Sie braucht viel länger als nötig, um die Fragen zu lesen, weswegen ich mich wieder meinem Handy zuwende.
»Macht es dir was aus, mir die Fragen vorzulesen? Ich bin im Moment zu gestresst, um mich zu konzentrieren.« Ihr angestrengtes Lächeln irritiert mich.
»Bist du dir sicher? Einige sind wahrscheinlich ziemlich persönlich.«
Sei kein Arsch. Tu einfach, was sie sagt.
»Das macht mir nichts.« Ihre steife Körperhaltung drückt allerdings das komplette Gegenteil aus.
Da sie kurz vor einem Zusammenbruch zu stehen scheint, gebe ich nach. Mit einem Seufzen nehme ich den Stift und beginne mit der ersten Frage.
Den Papierkram zu erledigen, dauert nicht so lange, wie ich erwartet habe, und danach sitzen Iris und ich schweigend nebeneinander. Immer wieder starrt sie sehnsüchtig Richtung Ausgang. Die Art, wie sie den Blick durch den Raum huschen lässt und dabei an ihrer Unterlippe nagt, lässt mich gnädig genug werden, sie von der Angst zu erlösen, die sie innerlich aufzufressen scheint.
»Wenn es dich tröstet, ich hasse Krankenhäuser auch.«
Beim Klang meiner Stimme dreht sie den Kopf in meine Richtung. »Wirklich?«
Ich nicke. »Ich war seit meiner Jugend in keiner Klinik mehr.«
»Warum?«
Meine Brust hebt und senkt sich unter einem schweren Atemzug, während ich über die möglichen Konsequenzen nachdenke, sollte ich ihre Frage beantworten.
Als ich es schließlich tue, halte ich den Blick auf den stumm geschalteten Fernseher gerichtet, der in einer Ecke steht. »Wir haben viel Zeit in Krankenhäusern verbracht, als meine Mutter krank war. Ich habe gelernt, alles an ihnen zu hassen, und daran hat sich nach ihrem Tod nichts geändert.«
Iris greift mit ihrer gesunden Hand nach meiner und drückt sie. Ich bin dankbar, dass sie mich gut genug versteht, um mich nicht zu drängen, mehr zu erzählen. Die Vorstellung, einen weiteren rohen Teil von mir zu offenbaren, fühlt sich an wie ein Verrat an den Jahren, die ich damit verbracht habe, sorgfältig eine bestimmte Art von Persönlichkeit zu entwickeln.
»Ich hasse sie auch.« Ihre Stimme bricht.
»Warum?«
Sie starrt auf ihre geschwollenen Finger. »Mein Dad …« Sie hält inne, und ich drücke beruhigend ihre Hand, so wie sie es eben bei mir getan hat. »Sagen wir einfach, meine Mutter ist ein paarmal in der Notaufnahme gelandet, weil sie sich ungeschickt angestellt hat.«
Ich atme tief ein, um die unter der Oberfläche brodelnde Wut niederzukämpfen. »Warst du manchmal auch ungeschickt? « Wenn sie mit Ja antwortet, schwöre ich bei Gott, dass heute Nacht zwei Männer im Chicago River schwimmen werden.
Sie schüttelt beinahe schon aggressiv den Kopf. »Nein. Nein.«
Mein Herzschlag dröhnt mir in den Ohren. »Falls ja, kannst du es mir sagen.« Ich kann ihr nicht versprechen, dass ich nichts unternehmen werde, aber dass ich ihm wehtun werde, sehr wohl. Schrecklich wehtun.
Das überwältigende Gefühl, sie beschützen zu wollen, trifft mich mit aller Wucht, doch ich scheue nicht davor zurück. Es gibt nichts, das ich mehr hasse als Männer, die ihre Hände gegen Frauen und Kinder erheben.
»So weit ist es nie gekommen. Dafür hat Nana gesorgt.«
»Wie?«
»Sie hat die Warnzeichen erkannt und sich eingemischt, bevor es richtig schlimm wurde. Sie hat die Ersparnisse aus der Lebensversicherung meines Grandpas verwendet, um Mom dabei zu helfen, sich scheiden zu lassen und ein neues Leben zu beginnen.« Eine Träne läuft über ihr Gesicht, ein Anblick, den ich kaum ertragen kann.
Ich streiche den Tropfen mit der Daumenkuppe weg, aber die feuchte Spur bleibt zurück. Ich verspüre einen unbändigen Drang danach, den traurigen Ausdruck von ihrem Gesicht zu löschen. »Hat Nanas Plan zufällig auch Schwefelsäure beinhaltet?«
Sie ringt sich ein Lachen ab. »Ich glaube, Betonschuhe waren damals angesagter.«
Ich täusche ein Schaudern vor. »Erinnere mich daran, Nana niemals wütend zu machen.«
»Vergiss Nana. Du müsstest dich mit mir auseinandersetzen.« Sie reckt die verletzte Hand wie eine Trophäe in die Luft.
»Ich habe wirklich Angst.«
»Mrs. Kane?«, ruft eine Krankenpflegerin.
Iris rührt sich nicht.
»Du bist gemeint.« Ich lege eine Hand auf ihren Oberschenkel und drücke ihn leicht.
Sie holt tief Luft, während sie auf meine Finger hinunterstarrt. Als sie aufspringt und ihre gesunde Hand in die Luft reckt, fällt beinahe ihr Stuhl um. »Hier!«
Die Krankenpflegerin führt uns durch die Notaufnahme. Betten, die durch einen Papiervorhang voneinander und teilweise vom Gang abgetrennt sind, säumen die Wände.
Das leere Bett für Iris ist absolut inakzeptabel. Ich weigere mich, zuzulassen, dass sie zwischen der Person, die hinter dem einen Vorhang würgt, und dem Patienten auf der anderen Seite, der sich die Seele aus dem Leib hustet, liegen muss.
»Ich möchte, dass meine Frau in einem Privatzimmer behandelt wird«, verlange ich.
Die Krankenpflegerin verzieht das Gesicht, während sie mich von Kopf bis Fuß mustert. »Wir sind in einem Krankenhaus. Nicht im Ritz. Nehmen Sie Platz, und warten Sie wie alle anderen auf den Arzt.«
Iris hüpft klaglos aufs Bett, und ich bin versucht, sie mir zu schnappen und woanders hinzutragen.
Die Krankenpflegerin scheint sich von dem Lärm um uns herum nicht im Geringsten gestört zu fühlen, während sie Iris’ Vitalwerte überprüft und einige Routinefragen stellt.
Iris antwortet, während sie ihre Unterlippe wund kaut. Diese Atmosphäre würde niemanden beruhigen, und erst recht nicht sie.
Als die Krankenpflegerin das Klemmbrett ans Fußende des Bettes hängt, beschließe ich, es noch einmal zu versuchen.
»Ich zahle jede Summe, damit sie an einen ruhigeren Ort gebracht wird. Geld spielt keine Rolle.«
Die Krankenpflegerin antwortet, indem sie den Papiervorhang vor meinem Gesicht zuzieht.
Iris lacht, während ich sprachlos angesichts dieser Behandlung auf den Vorhang starre.
»Findest du das etwa lustig?«
Sie nickt, ihre Augen leuchten zum ersten Mal an diesem Tag. »Hast du ihr Gesicht gesehen, als du gesagt hast, Geld spielt keine Rolle? Ich glaube, wenn sie das Klemmbrett nicht schon weggelegt hätte, hätte sie dich damit geohrfeigt.«
»Es ist nicht meine Schuld, dass sie keine Ahnung hat, wie die Dinge in der realen Welt laufen.«
»Aufwachen, mein Lieber. Du bist in der realen Welt.« Sie schließt mit einer Geste die kleine abgetrennte Kabine ein.
»Die reale Welt ist erschreckend.«
»Komm zu mir, ich tröste dich.« Iris klopft neben sich auf das Bett.
Das bezweifle ich, aber in letzter Zeit bin ich nicht in der Lage, ihr irgendetwas abzuschlagen.
Papier knistert, als ich mich neben sie setze. Ich nehme den größten Teil des Bettes ein und lasse ihr damit wenig Möglichkeiten, Abstand zu mir zu halten. Mein Oberschenkel streift ihren. Sie versucht wegzurutschen, aber es ist nicht genug Platz.
»Ist das nicht gemütlich?«, witzelt sie, bevor sie ängstlich den Infusionsbeutel beäugt.
»Was ist los?«
Sie beugt sich zu mir rüber und flüstert: »Wäre das jetzt ein schlechter Zeitpunkt, um zuzugeben, dass mir beim Anblick von Nadeln schlecht wird? Vor allem dann, wenn jemand versucht, sie mir in die Haut zu stechen?«
Meine Lippen heben sich an den Winkeln. Ich weiß nicht, warum ich die Vorstellung so amüsant finde, wenn man bedenkt, dass sie acht Stunden hintereinander Gruselfilme ansehen kann, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. »Du hast Angst vor Spritzen?«
»Nein … keine Angst«, murmelt sie. »Das ist eine rein körperliche Reaktion, die ich nicht kontrollieren kann.«
»Was gut ist, denn die Krankenpflegerin muss dir diese Infusion geben, wenn sie zurückkommt.«
»Nein, sag so was nicht! Ich dachte, sie wäre eine von den Guten.«
Während ich nicke, presse ich fest die Lippen zusammen, um nicht laut loszuprusten.
»Sie hat mich angelogen!« Sie springt vom Bett und wäre über ihre eigenen Absätze gestolpert, wenn ich nicht die Arme ausstrecken würde, um sie aufzufangen.
»Vorsicht.« Ich drücke sie sanft zurück aufs Bett und beschließe, Wache zu stehen, falls sie noch einmal auf die Idee kommen sollte, zu fliehen.
Ihr Blick huscht von mir zu der Lücke zwischen den Vorhängen, als überlege sie, wie sie an mir vorbeikommen könnte.
»Ich mache nur Spaß.«
Sie scannt mein Gesicht auf der Suche nach der Wahrheit, bevor sie mir mit ihrer unverletzten Hand auf die Schulter schlägt. »Du Arsch! Ich habe dir geglaubt!«
Das Lachen sprudelt einfach so aus mir heraus.
Iris starrt mich überrascht an. »Hast du gerade gelacht?«
»Nein.«
»Ja«, ruft jemand von der anderen Seite des Vorhangs. »Macht es Ihnen was aus, jetzt die Klappe zu halten? Einige von uns versuchen hier drüben, etwas zu schlafen, nachdem ihnen der Magen ausgepumpt wurde.«
Scheiß auf diesen Ort und die Leute hier drin. »Wir gehen.« »Nicht so schnell. Sie können nicht gehen, bevor ich Sie mir nicht angesehen habe«, sagt der Arzt, der in diesem Moment hereinkommt, und zeigt mit seinem Klemmbrett auf das Bett.
Iris bleibt wortkarg, während der Arzt ihre Akte überfliegt. Er stellt ihr einige Fragen darüber, wie sie sich verletzt hat, während er mich von oben bis unten mustert, als wäre ich derjenige, den sie hatte verletzen wollen. Während sie für Röntgenaufnahmen in einen anderen Raum gebracht wird, laufe ich unruhig auf und ab. Meine Atmung normalisiert sich erst wieder, als die Krankenpflegerin sie zurückbringt.
Das sollte mir ein erster Hinweis darauf sein, dass die Dinge meinerseits aus dem Ruder laufen. Ich nähere mich einem emotionalen Minenfeld, und das ohne jede Art von Karte, immer nur einen falschen Schritt von einer Explosion entfernt.
Der Arzt sieht sich die Röntgenbilder an. »Wie es aussieht, haben sie eine Boxer-Fraktur.«
Ihre Miene hellt sich auf. »Das klingt cool.«
Ich starre sie an. »Krieg dich mal wieder ein, Muhammad Ali. Ich würde die Aktion heute auf keinen Fall als Sieg verbuchen.«
Ein amüsiertes Funkeln tritt in die Augen des Arztes. »Vermeiden Sie beim nächsten Mal jeglichen Erstkontakt mit dem vierten und fünften Knöchel.«
»Bitte ermutigen Sie sie nicht auch noch.«
Der Arzt schüttelt lachend den Kopf, bevor er Iris detaillierte Anweisungen für die Behandlung gibt.
Ich stehe diesem Klinikbesuch skeptisch gegenüber und zweifele angesichts des Umfelds an der Qualität der Betreuung. Ich will verdammt sein, wenn Iris wegen meines Vaters bleibende Schäden davonträgt. Allein bei der Vorstellung zieht sich meine Brust zusammen.
»Großartig! Vielen Dank, Doktor.« Iris hüpft vom Bett, aber ich halte sie mit ausgestrecktem Arm auf.
»Ich möchte eine zweite Meinung von einem anderen Arzt.« Ohne Sinn und Verstand bricht der Befehl aus mir heraus. Tief im Inneren weiß ich, dass Iris weit schlimmer hätte verletzt werden können. Aber wenn es um sie geht, funktioniert mein Kopf nicht richtig. Nicht mehr.
Die Augenbrauen des Arztes wölben sich. »Wegen eines kleinen Bruchs?«
»Hören Sie nicht auf ihn. Er neigt dazu, ein bisschen herrisch zu sein.« Sie bedenkt mich mit einem Blick, als ob ich der Verrückte von uns beiden wäre.
»Okay …«, sagt der Arzt.
Vielleicht verliere ich langsam den Verstand, warum sollte es mich sonst kümmern?
Du hasst es, wenn sie weint.
Es würde dir nichts ausmachen, jemanden zu ermorden, der sie verletzt hat.
Du hast sie ins Krankenhaus gebracht, obwohl sich jede Faser deines Körpers dagegen gesträubt hat.
Alle Zeichen deuten auf eines hin: Unsere Situation verändert sich, und ich trage als Einziger die Schuld daran.
Iris unterbricht meine Gedanken. »Ich werde die Schiene auf jeden Fall einige Wochen lang tragen und alle Aktivitäten vermeiden, die die Verletzung verschlimmern könnten.«
»Perfekt. Und vergessen Sie nicht, einen Kontrolltermin bei Ihrem Hausarzt zu vereinbaren.« Der Doktor wirft mir einen letzten Blick zu, bevor er Iris die Entlassungspapiere überreicht. »Hat mich gefreut, Mrs. Kane.«
»Hilfst du mir dabei?« Sie hebt mit der linken Hand das Klemmbrett, nachdem der Arzt gegangen ist.
Mit einem unwilligen Schnauben nehme ich es ihr aus der Hand und fülle es aus.
Sie überprüft die Uhrzeit auf ihrem Handy. »Zumindest hat das nicht so lange gedauert, wie ich befürchtet habe. Du willst wahrscheinlich sofort zurück ins Büro.«
Das ist das Beängstigende. Seit wir im Krankenhaus angekommen sind, habe ich kein einziges Mal an den Job gedacht; meine einzige Sorge galt ihr und dass man sich um sie kümmert. Ich habe die letzten vierzehn Jahre meines Lebens damit verbracht, jede Sekunde an die Arbeit zu denken, und es braucht nicht mehr als eine einzige Frau, um mich meine Pflichten für ein paar Stunden komplett vergessen zu lassen.
Und als ob mir das nicht schon genug Angst machen würde, lässt ein Blick auf ihre Schiene das Blut unter meiner Haut brennen. Ich weiß genau, warum mich ihre Verletzung mehr als alles andere wütend macht. Aus dem gleichen Grund verspüre ich den Drang, Cal von ihr wegzustoßen, sobald er ihr zu nahe kommt, oder das unerklärliche Verlangen danach, in ihrer Nähe zu sein, sobald ich sie länger als ein paar Stunden nicht gesehen habe.
Sie bedeutet dir etwas.
Verdammt.
* * *
Meine erste Station, nachdem ich Iris im Büro abgesetzt habe, ist das Stadthaus meines Vaters. Seine Assistenz hat mir mitgeteilt, dass er wegen einer »plötzlichen Erkrankung« den Rest des Tages freigenommen hat, also ist es nicht schwer, ihn festzunageln.
Ich erwarte fast, dass er mein Klingeln ignoriert, aber ich hätte ahnen müssen, dass er zu stolz ist, um mir gegenüber Schwäche zu zeigen.
Als er die Tür öffnet, blinzle ich überrascht angesichts des Schadens, den sein Gesicht genommen hat. Seine Nase ist ein einziger riesiger Bluterguss. Es fühlt sich an, als würde ich in einen Spiegel schauen. Ich muss den kleinen Hubbel auf meiner Nase nicht berühren, um mich daran zu erinnern, dass er da ist. Eine Verletzung, die er mir nach zu viel Alkohol mit einem heftigen Schlag zugefügt hat. Bei der Vorstellung, dass ich nicht besser bin als er, dreht sich mir der Magen um. Wenn ich provoziert werde, schlage ich um mich.
Du wirst diesen Fehler nicht noch einmal machen. Du bist in der Lage, dich zu bessern.
Trotz der beruhigenden Worte, die ich stumm an mich selbst richte, fällt es mir schwer, gegen die erschreckende Erkenntnis anzukämpfen.
»Ich bezweifle, dass du hergekommen bist, um dein Werk zu begutachten, also rede, oder verschwinde von meiner verdammten Veranda.«
»Ich wollte dir etwas vorbeibringen.« Ich drücke ihm eine dicke Akte gegen die Brust.
Ich habe eine für jeden Menschen in meinem Leben. Geheimnisse sind so gut wie jede Währung, und dank des Privatdetektivs, der auf meiner Gehaltsliste steht, bin ich auch in dieser Hinsicht verdammt reich.
Er öffnet die Akte, bevor er sie keine Minute später wieder schließt. »Ich verstehe.«
»Nimm dir die Zeit, genau hinzusehen. Ich freu mich besonders über die Berichte meiner früheren Lehrer, die detailliert auf deinen Missbrauch eingehen. Obwohl die geheimen Krankenhausbesuche wegen diverser gebrochener Knochen besonders überzeugend sind. Auf der Rückseite ist ein USB -Stick angebracht, der auch einige Videos unserer öffentlicheren Auseinandersetzungen enthält – nur für den Fall, dass du einen visuellen Kontext für das benötigst, was auf dich zukommt, wenn du dich jemals wieder mit Iris anlegst.«
»Warum zeigst du mir das? Warum teilst du die Informationen nicht gleich mit der ganzen Welt, damit du meinen Posten übernehmen kannst?«
Mir entfährt ein bitteres Lachen. »Weil ich mich nicht auf dein Niveau herablassen muss, indem ich dir die Position stehle; aber ich wäre dazu bereit, solltest du jemals wieder so etwas wie heute abziehen.«
»Du würdest den Ruf unserer Familie für sie ruinieren?«
»Wir sind keine Familie. Dafür hast du in dem Moment gesorgt, als du meiner Frau gesagt hast, sie soll sich sterilisieren lassen, du verdammtes Monster.« Die Hände an meinen Seiten ballen sich unwillkürlich zu Fäusten, aber ich halte mich zurück. Lieber setze ich meine Worte als Waffe ein.
»Ich versuche nur, dir den Fehler zu ersparen, allein wegen einer Erbschaft ein Kind mit jemandem zu zeugen. Du solltest mir dankbar sein.«
Tief durchatmen, Declan. Ganz tiefe Atemzüge.
»Wenn ich dich noch einmal dabei erwische, wie du mit Iris sprichst, egal ob es ums Geschäft geht oder nicht, werde ich diese Akte der Öffentlichkeit zugänglich machen. Keine Rückfragen. Keine zweite Chance. Es ist mir egal, ob du verdammte Rauchzeichen geben musst, um im Büro mit mir in Kontakt zu treten, solange du meine Frau aus dem Spiel lässt.«
»Du würdest das veröffentlichen, auch wenn es dich schwach aussehen lässt?«
»Das ist die Sache, Vater , ich habe viele Jahre damit verbracht, zu denken, ich sei erbärmlich, weil ich nicht in der Lage war, mich gegen dich zu wehren. Aber irgendwann ist mir klar geworden, dass der einzige schwache Mann hier derjenige ist, der gerade vor mir steht. In gewisser Weise bin ich fast froh, dass Mom tot ist, weil ihr so zumindest der abstoßende Abklatsch eines Menschen erspart bleibt, zu dem du geworden bist.« Damit drehe ich mich um und spüre, wie mich sein brennender Blick den ganzen Weg zurück zu meinem Auto verfolgt.