Iris erhebt sich in dem Moment, in dem sich Leo entschuldigt.
»Wohin gehst du?«
Sie kann mir nicht mal in die Augen sehen, als sie antwortet. »Zur Toilette.«
Ich stehe ebenfalls auf und nehme ihre Hand, damit sie mich ansehen muss. »Ist alles in Ordnung?« Es missfällt mir, dass ich sie das fragen muss, ebenso wie ihr gequälter Blick. Verzweiflung macht sich in mir breit, und ich verspüre den Drang, sie an meiner Seite zu halten.
»Natürlich.« Sie schenkt mir ein angespanntes Lächeln. »Könntest du Harrison anrufen, damit er uns abholt?«
Ich nicke.
»Klasse. Ich bin gleich wieder da.« Ihr Körper bleibt steif, als sie den Ballsaal durchquert und um die Ecke biegt.
Ich überlege, was sie aus dem Konzept gebracht haben könnte, und komme zu dem Schluss, dass es nur etwas mit Leos improvisierter Rede zu tun haben kann. Bevor er über die Ehe gesprochen hat, wirkte sie, als ginge es ihr gut …
Kam ihr dadurch plötzlich alles zu real vor? Das ist möglich, wenn man bedenkt, dass sie eine Aversion gegen Liebe hat. Das hat sie von Anfang an deutlich gemacht, und ich habe es respektiert. Für mich ist die Sache jedoch auch nicht einfacher. Da ich gesehen habe, wie mein Vater nach dem Tod meiner Mutter unsere Familie zerstört hat, wollte ich mich nicht in die gleiche Lage bringen. Alle, die ich liebe, verlassen mich am Ende ohnehin. Warum sollte ich jemanden an mich heranlassen, wenn es keine Garantie gibt, dass es für immer ist?
Aber willst du den Rest deines Lebens allein verbringen, weil du Angst hast, dich jemandem zu öffnen? Das führt am Ende auch dazu, dass du einsam bist.
Als mein Nacken heiß wird, drehe ich mich um und sehe, dass Iris mich ansieht. Ein paar Männer bleiben stehen, um sie anzustarren, und es kostet mich große Mühe, sie zu ignorieren, als ich den Saal durchquere.
»Wartet Harrison unt…«
Ich unterbreche sie, indem ich sie in meine Arme ziehe.
»Was ist in dich gefahren?«
»Leo ist vorbeigekommen und hat gefragt, ob wir auch noch für die Auktion hierbleiben. Ich habe Ja gesagt.«
Du bist ein Arschloch, weil du sie anlügst.
Morgen werde ich deshalb Schuldgefühle haben. Heute Abend nutze ich es aus.
Sie ächzt. »Warum das denn?«
»Weil ich nicht will, dass er denkt, wir seien nur wegen ihm gekommen.«
Sie seufzt und legt die Arme um mich. »Gibt es irgendeinen besonderen Grund, warum du mich umarmst?«
»Ich hab gedacht, ich hätte jemanden gesehen, den ich kenne.«
Willst du nicht endlich aufhören, sie anzulügen?
Nur wenn ich jemals ein Gewissen bekommen sollte. Aber wenn man bedenkt, wie viele Lügen ich schon erzählt habe, bezweifele ich, dass das in diesem Leben passieren wird.
»Ist die Person weg, oder hast du vor, mich den ganzen Abend festzuhalten?«
Nun, wenn das eine Option ist …
Ist es nicht.
Ich seufze und lasse sie widerwillig los, um stattdessen ihre Hand zu halten. »Komm, wir tanzen.«
»Spricht etwa der Wodka aus dir?«
Ich schaue sie an. »Es war nur ein Glas.«
Sie lacht. »Mehr braucht es nicht. Du tanzt doch so ungern.«
Ohne ihre Hand loszulassen, beuge ich mich vor, um in ihr Ohr zu flüstern. »Wenn du weiterhin vor allen so eine Show abziehst, werde ich dafür sorgen, dass du es später bereust.« Sie erschaudert spürbar, und ich fahre mit einem Finger die Gänsehaut nach, die sich auf ihrem Arm bildet. »Das ist vielversprechend.«
Sie macht mehrmals den Mund auf und wieder zu, während ich sie auf die Tanzfläche führe. Als ich einen Arm um ihre Taille lege, schlingt sie ihre Arme um meinen Hals.
Unsere Gesichter sind nur ein paar Zentimeter voneinander entfernt, als wir uns zu der langsamen Musik im Kreis drehen.
»Wenn du tanzen willst, brauchst du nur zu fragen. Kein Grund für leere Drohungen, um mich gefügig zu machen.«
»Ach, du glaubst, es seien leere Drohungen?« Ich schmunzele.
Sie zieht die Luft ein, ohne ihren Blick von meinen Lippen abzuwenden.
Ich fahre mit den Fingern über die sanfte Wölbung ihres Hinterns. Ein Ächzen bleibt mir im Hals stecken, als sie ihren Körper nach vorn bewegt, um meinen Fingern auszuweichen, wobei sie jedoch gegen meinen härter werdenden Schwanz prallt.
Sie blinzelt mich mit großen Augen an. »Bitte sag mir, dass das ein Handy in deiner Hosentasche ist.«
Ich werfe den Kopf zurück und lache, bis ich heiser bin. Als ich Luft hole, stelle ich fest, dass sie mich wie gebannt anschaut. Sie und ein paar andere Leute führen sich auf, als hätten sie noch nie einen lachenden Mann gesehen.
»Es ist schade, dass du nicht öfter so lachst.«
Ich hebe meine Hand und umfasse ihr Kinn. »Vielleicht habe ich ja endlich einen Grund dazu.«
Ihre Miene wird weicher, und sie schmiegt ihren Körper an mich. »Hör auf, mich so anzusehen.«
»Wie denn?«
Sie entzieht sich meiner Frage und meinem Griff zur gleichen Zeit.
Ich lasse sie gewähren, weil sie ihre Wange an meine Brust drückt und ihren Körper enger an mich schmiegt.
Als der langsame Song in einen schnellen übergeht, quietscht Iris. Ich mache Anstalten, von der Tanzfläche zu gehen, aber sie zieht mich an der Hand zurück.
»Ich liebe diesen Song!«
»Warum überrascht mich das nicht?« Ich tue so, als müsste ich mir die schmerzenden Ohren reiben.
Sie lacht und beginnt, wie verrückt auf- und abzuspringen. Als sie ihre Arme in die Luft wirft, schlägt sie mich fast.
Ein paar Männer schauen sie an, als sie ihre Hüften schwingt, aber mein wütender Blick schreckt sie ab.
»Lass uns gehen und uns hinsetzen.«
»Bitte, nur noch ein Lied.« Sie nimmt meine Hände und legt sie an ihre Hüften. »Sieh mir zu.«
Ich kann ohnehin nichts anderes tun, als sie anzusehen. Ich bin wie in Trance, als sie sich zur Musik bewegt und ihre untere Körperhälfte nur noch wenige Zentimeter von mir entfernt ist.
Ich weiß, dass sie nicht bewusst erotisch tanzen will, dennoch werde ich immer erregter.
Sie lächelt mich an. »Du tanzt ja gar nicht.«
Ich weiß nicht mal mehr, ob ich noch atme.
Lachend schlingt sie ihre Arme um meinen Hals und zieht mich zu sich heran. »Beweg deine Hüften zur Musik.«
Als ich kläglich an meinem Versuch scheitere, bricht sie in schallendes Gelächter aus. Sie dreht sich um, sodass ich meine Hände wieder an ihre Hüften legen kann. »Mach es mir nach.«
Ihre Stimme kann ich kaum hören, da mein Herzschlag in den Ohren wummert. Ich reiße mich zusammen und wiege meinen Körper so, wie sie es tut. Hitze durchströmt mich, während wir uns beide zur Musik bewegen. Ihr Hintern reibt gegen meinen Schwanz, und ich stöhne in ihr Ohr.
»Jetzt hast du den Dreh raus.« Lachend löst sie sich aus meiner Umarmung.
Ich bin enttäuscht über den fehlenden Körperkontakt.
Mit geschlossenen Augen verliert sie sich in der Musik.
Ich mache mir erst gar nicht die Mühe zu tanzen.
Alle um uns herum bewegen sich zum Rhythmus des Songs, bis der letzte Ton verklungen ist und die Menge sich lichtet.
»Das hat Spaß gemacht!« Sie ist im Begriff, zurück zu den Tischen zu gehen, aber ich halte sie zurück.
»Nicht so schnell.«
Ihr bleibt der Mund offen stehen. »Ist das dein Ernst? Du willst weitertanzen?«
Ich nehme ihre Hand und lege ihr die andere Hand auf den Rücken. »Ja.«
»Ich dachte, du hasst es, auf solchen Events zu tanzen.«
»Das war vorher.«
»Vor was?«
»Bevor ich das hier tun konnte.« Ich ziehe sie an mich und drücke ihr einen sanften Kuss auf die Lippen, ehe ich mich von ihr löse.
Sie soll sich nach mir verzehren.
Sie zieht scharf die Luft ein, und ich grinse in ihr Haar. Meine Haut prickelt, als sie sich an mir festhält und wir unseren Rhythmus finden – zwei Körper, die sich zur Musik wiegen. Ein neues Lied beginnt, und Leute gehen an uns vorbei, doch keiner von uns beiden will, dass der Moment endet.
Nur einmal verlassen wir die Tanzfläche, um neue Drinks zu holen und an der Auktion teilzunehmen, die mich nicht interessiert. Doch als Iris Begeisterung für eine Reise nach Mexiko zeigt, biete ich aktiv mit und halte immer wieder mein Schild hoch, um alle im Saal zu übertreffen.
Als der Auktionator am Ende unsere Nummer ruft, schlingt Iris ihre Arme um meinen Hals und küsst mich auf die Wange. Ich habe kaum realisiert, dass ihre Lippen meine Haut berühren, da löst sie sich schon wieder von mir und lehnt sich auf ihrem Stuhl zurück.
Verdammt. Ich fühle mich bestärkt von ihrem Lächeln, und so überbiete ich die anderen Leute im Saal bei allem, was Begeisterung bei Iris auslöst. Als der Auktionator das Pult verlässt, habe ich mehr als fünfzig Millionen Dollar ausgegeben, nur für das Hochgefühl, das ich verspüre, wenn Iris lächelt.
Sie braucht nicht viel Überzeugungskraft, um mich am Ende der Auktion wieder auf die Tanzfläche zu ziehen, obwohl ich kurz an der Bar haltmache.
Wir tanzen, bis das letzte Lied verklungen ist und außer uns niemand mehr im Saal ist. Widerwillig lasse ich sie los, und sie humpelt auf schmerzenden Füßen davon. Als ich den Arm um sie lege, um ihr zu helfen, protestiert sie nicht.
»Ich glaube, meine Füße müssen amputiert werden.« Sie verzieht das Gesicht, als sie ins Wanken gerät.
Ohne nachzudenken, hebe ich sie über meine Schulter, sodass ihr Hintern auf meiner Augenhöhe ist. »Problem gelöst.«
»Declan!«, ruft sie an meinem Rücken. »Was soll das?« Sie rammt mir ihre kleinen Fäuste gegen die Wirbelsäule.
Ich ächze. »Ich bin ein Gentleman.«
»Eher ein Höhlenmensch. Lass mich sofort runter! Das ist echt peinlich.«
»Dich sieht doch niemand.« Dass keine anderen Damen mehr hier sind, macht es mir leicht, ihre Clutch zu finden. Ich reiche sie ihr.
Sie hebt den Kopf, um sich im Ballsaal umzuschauen. »Wo sind denn alle hin?«
»Nach Hause.«
»Warum sind wir dann noch hier?«
»Ich habe die Zeit vergessen.«
Sie zieht die Luft ein, als sie auf ihr Handy schaut. »Es ist Mitternacht.«
»Wir schaffen es noch nach Hause, bevor du dich in einen Kürbis verwandelst, Prinzessin.«
»Die Geschichte geht anders.« Ihr Lachen wird von meinem Smoking gedämpft.
Ich trage sie durch die Tür. »Aber ich war nahe dran.«
»Du bringst Schande über den Namen deiner Familie.«
Ich gebe ihr einen Klaps auf den Hintern.
»Hast du mir etwa gerade auf den Hintern gehauen?«
Am liebsten würde ich es noch mal tun, nur um den kleinen Laut zu hören, den sie ausstößt, wenn meine Handfläche auf ihre Haut trifft.
Sie rächt sich, indem sie mir auch auf den Hintern schlägt, und zwar fest.
Fast lasse ich sie vor Schreck fallen, aber dann lache ich. »Hey, das sollte dir nicht gefallen!«
Ich sammele mich, bevor ich mit Iris über meiner Schulter die Lobby betrete. Der Portier schaut uns an, als er die Tür für uns öffnet, und ich nicke ihm zu.
Ein Fußgänger schießt ein Foto und pfeift durch die Zähne, doch Iris zeigt ihm den Mittelfinger.
»Ich hasse dich.« Sie schnaubt.
Harrisons Augen weiten sich, als er mir die Wagentür öffnet. »Sir. Geht es Mrs. Kane gut?«
Iris winkt. »Alles in Ordnung. Aber mein Mann kann was erleben, wenn wir nach Hause kommen.«
Sie bezeichnet mich nur selten als ihren Mann, aber wenn sie es tut, breitet sich Wärme in mir aus.
Harrison lacht, und Iris kneift mir in den Hintern.
»Setzt du mich jetzt endlich ab? Mir wird langsam schwindelig.«
Ich verfrachte sie auf den Rücksitz und gehe um den Wagen herum, um ebenfalls einzusteigen.
Als Harrison losfährt, schaut Iris aus dem Fenster und betrachtet die Skyline von Chicago, die an uns vorbeizieht, während wir uns den Vororten nähern.
Auf der Fahrt male ich mir Szenarien aus, was passieren könnte, wenn wir zu Hause ankommen. Zu dem Zeitpunkt, zu dem Harrison den Wagen parkt, prickelt mein Körper vor Spannung.
Doch all meine Erwartungen werden enttäuscht, als ich zu Iris hinüberschaue. Sie lehnt mit geschlossenen Augen an der Tür und atmet gleichmäßig.
Sie ist eingeschlafen.
Obwohl sie angekündigt hat, Rache zu üben, konnte sie sich nicht wach halten.
»Soll ich sie wecken, Sir?« Harrison steht neben meiner Tür und schaut mich an.
»Schon in Ordnung.« Ich steige aus, umrunde den Kofferraum und öffne die Tür langsam, damit Iris nicht herausfällt.
Sie rührt sich nicht, als ich sie auf die gleiche Art hochhebe, wie ich es in unserer Hochzeitsnacht getan habe. Sie schläft auch dann noch weiter, als ich sie durch das Haus und die Treppe hinauftrage. Ich habe Mühe, ihre Tür zu öffnen, ohne sie fallen zu lassen, aber irgendwie gelingt es mir, den Türknauf zu drehen. Mit einem leisen Geräusch schlägt die Tür gegen die Wand. Ich trage Iris zum Bett und lege sie darauf ab.
Sie schiebt eine Hand unter ihre Wange und dreht sich auf die Seite.
Ich möchte sie nur ungern wecken, aber ich vermute, dass sie nicht in dem Kleid schlafen möchte. Es kann nicht bequem sein.
»Iris.« Ich schüttele sie sanft an der Schulter.
Sie wirft ihre Hand in die Luft, wobei sie beinahe mein Gesicht trifft. Es gelingt mir, auszuweichen.
»Iris. Wach auf.«
Sie ächzt. »Schhh, Declan. Hör auf zu reden und mach noch mal das mit deiner Zunge.«
Mein Puls rast mit einem Mal. Träumt sie … von mir? Ich blinzele, überrascht darüber, dass Iris einen Sextraum von mir hat.
Sie stößt ein leises Seufzen aus, das ich bis in meinen Schwanz spüren kann. Ich ziehe es kurz in Erwägung, sie aufzuwecken und ihr zu zeigen, wie es sich in echt anfühlen könnte, aber entscheide mich dagegen.
Fang klein an und überlege dir eine Strategie.
Heute Abend einen Annäherungsversuch zu starten, wäre alles andere als klug. Ganz egal, wie sehr ich es will, ich darf sie nicht verschrecken. Ihre gescheiterten Beziehungen sind der Beweis dafür, was passieren kann, wenn man zu forsch ist.
Ich will nicht alles ruinieren, nur weil ich mich nicht unter Kontrolle habe. Meine Geduld wird sich auszahlen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie mich genauso sehr will, und ich habe vor, sie dafür arbeiten zu lassen.
Morgen werde ich damit beginnen.