KAPITEL DREIUNDDREISSIG

Declan

Warum hast du ein Kondom benutzt?«, fragt Iris, als sie sich ein sauberes T-Shirt von mir überzieht.

Ich beschäftige mich damit, in einer Schublade herumzuwühlen. »Ich wollte den Moment nicht ruinieren, indem ich dich frage, ob du versuchen willst, schwanger zu werden.«

Sie lacht. »Das weiß ich zu schätzen, aber ich habe nicht vergessen, was ich unterschrieben habe.«

»Dann hast du also nur Sex mit mir, um die Bedingungen des Vertrags zu erfüllen?« Mein Tonfall klingt bissiger als beabsichtigt.

»Das habe ich nie behauptet.«

»Warum dann?«, versetze ich.

»Ich weiß, dass wir uns darauf geeinigt haben, ein Kind mithilfe künstlicher Befruchtung zu bekommen, aber wenn wir einander attraktiv finden, dann können wir vielleicht …« Ihre Stimme verliert sich.

Macht sie Witze? Wenn wir einander attraktiv finden? Die Art, wie sie unsere Gefühle runterspielt, weckt in mir den Wunsch, sie wieder aufs Bett zu werfen und ihr zu zeigen, wie attraktiv sie mich findet.

Du bist wütend auf dich selbst, weil du Gefühle für sie entwickelst, die sie nicht erwidert.

Verdammt, ja, ich bin wütend. Ich hasse das Unbehagen, das mit jedem zittrigen Atemzug in meiner Brust wächst, genauso wie die Tatsache, dass sie die einzige Person ist, über die ich keine Kontrolle habe.

Ich schließe die Schublade laut, was sie zusammenzucken lässt. Ihre Reaktion trägt nur zu meiner ohnehin schon schlechten Stimmung bei.

Reiß dich zusammen, bevor du etwas tust, das du bereuen wirst.

Schnell schlüpfe ich in eine Jogginghose und ein T-Shirt und greife nach meinem Portemonnaie.

»Lass es mich erklären.« Sie hält mich am Arm fest, aber ich schüttele sie ab.

»Ich will keine Erklärungen von dir.«

Was ich will, ist Ruhe und Zeit, um allein nachzudenken, weil meine Strategie nicht zu wirken scheint. Ich habe sie gejagt. Sie erobert. Und dennoch gibt sie nicht zu, dass wir ganz offensichtlich Gefühle füreinander haben.

»Wo willst du hin?« Sie folgt mir durch den Flur.

»Raus.« Ohne sie anzuschauen, laufe ich die Treppe runter.

»Es ist spät.« Ihre Stimme klingt fast panisch. Sie folgt mir immer noch.

Beinahe drehe ich mich um, aber ich kann nicht. Nicht, wenn ich mich so fühle. Ich weiß nicht mal, was es genau ist, aber am liebsten würde ich mir mein nutzloses Herz rausreißen.

»Geh nicht. Nicht so.« Sie umfasst mein Kinn und zwingt mich, sie anzusehen.

»Sag mir, warum du nicht willst, dass ich gehe.«

»Es fühlt sich nicht richtig an«, antwortet sie prompt.

»Warum?«, dränge ich weiter.

Sie beißt sich auf die Lippe und wendet den Blick ab. »Weil du wütend bist.«

»Das ist kein Grund.«

Noch eine Chance, dann gehst du.

»Weil ich nicht will, dass du gehst.«

»Besser, aber nicht gut genug.« Ich beuge mich vor und küsse sie auf den Kopf. Dann verlasse ich das Haus.

Diesmal versucht sie nicht, mich aufzuhalten, auch wenn ich es mir gewünscht hätte.

* * *

Ich fahre ziellos durch Chicago. Das leere Gefühl in meiner Brust verstärkt sich zu meiner Verärgerung mit jeder Meile, die ich mich von Iris entferne. Ich will nicht ohne sie sein, aber ich will auch nicht bei ihr sein. Nicht, wenn ich mich fühle, als würde ich die Kontrolle verlieren, und befürchten muss, dass ich mit dem nächsten Satz alles ruinieren könnte, was ich mühselig aufgebaut habe.

Ich möchte ihr keinen weiteren Grund dafür geben, unsere Beziehung infrage zu stellen, selbst wenn sie nicht weiß, dass wir überhaupt eine führen. Aber wie überzeuge ich meine Frau, die mich wegen eines Vertrags geheiratet hat, davon, dass wir nun aus freien Stücken zusammen sein sollten?

Die Frage quält mich eine ganze Stunde lang. Doch keine Antwort, die mir einfällt, ist gut genug, und meine Gedanken kreisen immer wieder um das gleiche Problem.

Zu dem Zeitpunkt, zu dem ich an Cals Tür klopfe, bin ich hoffnungslos und verzweifelt.

Er öffnet einen Moment später. »Ich hab mich schon gefragt, wann du auftauchen würdest.«

»Sie hat dich angerufen.«

Die Tatsache, dass er nicht lächelt, ist der einzige Beweis, den ich brauche. »Was auch immer du getan hast, fahr nach Hause und biege es wieder gerade.«

»Warum gehst du davon aus, dass ich derjenige bin, der einen Fehler gemacht hat?«

»Meinst du das ernst?«

»Verständliche Frage.«

Er seufzt. »Komm rein. Du siehst aus, als könntest du jemanden zum Reden gebrauchen.«

Ich betrete seine Wohnung und gehe ihm hinterher. Er hält stets Ordnung, was man nicht erwarten würde, wenn man sein chaotisches Privatleben kennt.

»Willst du einen Drink?«

»Nur Wasser.«

Cal spielt den guten Gastgeber und bringt mir ein Glas mit Wasser und eins mit meinem Lieblingswhisky. »Dachte, du kannst beides vertragen.«

»Du magst nicht mal Whisky.«

»Nein, aber ich mag meinen Bruder. Manchmal.« Er greift nach der Flasche und stellt sie neben dem Glas ab.

Ich nehme das Wasserglas und lasse den Whisky auf dem Tisch stehen. Alkohol macht alles nur noch schlimmer, und ich brauche einen klaren Kopf.

»Auch wenn ich mich geschmeichelt fühle, dass du hergekommen bist, um dir einen Ratschlag bei mir zu holen, bin ich mir nicht sicher, ob ich dir helfen kann.«

»Warum?«

»Iris ist meine beste Freundin. Ich werde dir nicht helfen, wenn es bedeutet, dass es sie verletzt.«

»Ich hab nicht vor, sie zu verletzen. Ich versuche, ihr zu zeigen, dass sie mir wichtig ist«, versetze ich.

Cals Augen weiten sich. »Heilige Scheiße.«

Das sind die Momente im Leben, in denen ich mir wünsche, man könnte einfach zurückspulen und Dinge zurücknehmen.

»Sie ist dir wichtig? Wirklich? « Seine verwirrte Miene erinnert mich an den Tag, an dem ich ihm offenbart habe, dass es keinen Weihnachtsmann gibt.

Ich presse die Lippen zusammen, um nicht noch mehr zu sagen.

Er greift nach meinem Whiskyglas, trinkt einen Schluck und spuckt ihn ohne Umschweife wieder aus – ins gleiche Glas.

Ich kann nicht glauben, dass wir verwandt sind.

»Nun, das ändert einiges.«

»Inwiefern?«

»Ich dachte, du willst sie dazu bewegen, sich in dich zu verlieben und nicht umgekehrt.« Er wirft den Kopf in den Nacken und lacht heiser.

»Ich habe nie was von Liebe gesagt.«

Er lacht erneut.

Ich knirsche mit den Zähnen. »Bist du fertig?«

»Tut mir leid. Das ist einfach zu genial. Du heiratest sie in der Annahme, sie würde dir das Leben erleichtern, nur um festzustellen, dass du sie magst. Und zwar sehr.«

Cal lässt mich dastehen wie eine Witzfigur.

»Ich weiß nicht, warum ich das für eine gute Idee gehalten habe.« Ich stehe auf.

»Warte.« Er hebt eine Hand. »Es tut mir leid. Es war falsch von mir, dich auszulachen, obwohl es dir offensichtlich schlecht geht.« Doch seine Augen funkeln immer noch belustigt.

»Ich hau ab.«

Er stellt sich mir in den Weg. »Halt. Ich helfe dir.«

Ich hebe eine Augenbraue. »Ich bezweifele langsam, dass du überhaupt wüsstest, wie.«

»Vielleicht gefällt dir mein Ratschlag nicht, aber wenn du bereit bist, es auszuprobieren, wirst du wahrscheinlich froh über das Ergebnis sein.«

»Ich höre.« Langsam nehme ich wieder Platz.

»Iris ist genau wie alle anderen Frauen. Sie hat Bedürfnisse, Wünsche und Ängste.«

»Und ich hab gedacht, du könntest mir helfen.«

Er funkelt mich wütend an. »Wenn du willst, dass sie sich in dich verliebt, musst du ihr beweisen, dass du anders bist als alle Männer, mit denen sie vorher zusammen war.«

»Das kann nicht schwer sein. Sie waren alle fürchterlich durchschnittlich.«

»Leider fällst du in die gleiche Kategorie.«

Ich runzele die Stirn. »Das bezweifele ich stark.«

»Du kannst entweder versuchen, jedes Argument zu widerlegen, oder du kannst die Klappe halten und zur Abwechslung mal anderen zuhören.«

Ich blinzele einmal langsam.

»Es gab immer irgendetwas, das sie davon abgehalten hat, sich voll und ganz auf einen Typen einzulassen, aber alle Gründe basierten auf dem gleichen Problem.«

»Und das wäre?«

»Sie haben sich nie ihr Vertrauen verdient.«

»Ich hab ihr genügend gute Gründe dafür geliefert, mir zu vertrauen.«

»Eure gesamte Beziehung ist eine Lüge.«

Ich schaue ihn verärgert an. »Nein, ist sie nicht.«

»Ich bin nicht derjenige, den du davon überzeugen musst.«

»Was schlägst du vor?«

»Eins nach dem anderen. Beginne mit der Wahrheit, und schau dann weiter.«

»Welche Wahrheit?«

»Die Tatsache, dass du wahrscheinlich unbewusst schon in sie verliebt warst, bevor du den Ehevertrag unterschrieben hast.«

Nun spricht er schon wieder von Verliebtsein. Es könnte eine Erklärung dafür sein, dass ich Iris stets in meiner Nähe haben und sie beschützen will. Dass sich meine Brust verengt, wenn sie fort ist. Dass mein Herz schneller schlägt, wenn wir im selben Raum sind. Dass ich meine Worte in ihrer Gegenwart abwäge, um sie nicht zu verletzen.

Scheiße.

Ich bin dabei, mich in Iris zu verlieben. Die Zeichen waren die ganze Zeit da, aber ich habe sie ignoriert, weil ich sie nicht richtig zu deuten wusste.

Doch statt Panik empfinde ich bei dieser Erkenntnis eine innere Ruhe. Mit Liebe kann ich arbeiten. Ich weiß zwar nicht, wie, aber ich bin bereit, zu lernen. Für sie – nur für sie.

Ich lasse mein Wasser stehen und schenke mir stattdessen Whisky in ein frisches Glas. »Ich glaube, für den Rest dieser Unterhaltung brauche ich etwas Stärkeres.«

* * *

Wer immer behauptet hat, dass es befreiend sei, die Wahrheit auszusprechen, hat sich getäuscht. Meine Beine sind so schwer wie Zementblöcke, als ich das Haus betrete. Ich lasse den Schlüsselbund auf die Kommode fallen und gehe in Richtung Treppe, doch als ich das Licht auf der anderen Seite des Hauses sehe, ändere ich meinen Kurs.

Eine Lampe in der Ecke des Wohnzimmers taucht den Raum in schwaches Licht.

Iris, die noch immer mein T-Shirt trägt, liegt halb unter einer Decke auf der Couch und schläft. Mit einer Hand umfasst sie immer noch ihr Telefon, als würde sie auf einen Anruf warten.

Sie wollte für dich wach bleiben.

Mit einem Mal bereue ich, dass ich mein Handy ausgeschaltet habe, nachdem sie zum ersten Mal versucht hat, mich anzurufen. Es war eine Kurzschlussreaktion, aber eindeutig die falsche.

Vorsichtig hebe ich sie hoch, um sie nicht mit abrupten Bewegungen zu wecken.

Sie murmelt irgendetwas und schmiegt sich an meine Brust.

Mein Herz zieht sich zusammen, als ich zu ihr hinunterschaue und mich frage, womit ich das Glück verdient habe, eine Frau wie sie zu heiraten.

Du weißt, wie es dazu gekommen ist.

Ich knirsche mit den Zähnen und stoße verärgert die Luft aus.

Iris’ Kopf wippt unter der Bewegung, aber sie wacht nicht auf.

Ich trage sie die Treppe hinauf und in mein Zimmer, wo es mir gelingt, sie ins Bett zu legen, ohne sie zu wecken. Sie murmelt nur irgendetwas über ihre Mom.

Ich dusche, bevor ich zu ihr ins Bett schlüpfe und sie an mich ziehe. Ich verschränke ihre Beine mit meinen, damit sie am Morgen nicht einfach verschwinden kann.