Iris
Ich habe nicht damit gerechnet, dass Declan mich derart angreifen würde, nachdem ich alles habe stehen und liegen lassen, um ihm zu helfen, als er mich darum gebeten hat. Und der Schock darüber tat fast genauso weh wie die Dinge, die er über mich gesagt hat.
Dein Job ist es, Probleme zu lösen, nicht, sie zu verursachen.
Meine Kehle schnürt sich zu. Wie kann er es wagen, so über mich und meine Arbeit zu sprechen? Ich kann nicht glauben, dass ich drei Jahre meines Lebens damit verbracht habe, seine Probleme zu lösen, nur damit er mich niedermacht, wenn ich einmal etwas vermassele.
Wenn du es überhaupt vermasselt hast.
Aber wie dem auch sei, Declan hätte niemals so mit mir reden dürfen. Er hat meine Unsicherheiten gegen mich verwendet, bis ich so gebrochen vor ihm stand wie noch nie zuvor.
Er hat mich auch früher schon barsch zurechtgewiesen, aber niemals auf diese Weise. Es war so persönlich, wie ich es nie wieder erleben will.
Du musst auf dich selbst wütend sein. Du bist diejenige, die ihn an sich herangelassen hat.
Was sagt Declan noch immer gleich?
Ach ja.
Lerne, deine Worte als Waffen zu nutzen, weil sie stärker sind als jede Faust.
Ich komme mir albern vor, weil ich ihm die perfekte Munition gegen mich gegeben habe. Eine Träne läuft mir an der Wange hinunter, und ich wische sie mit meinem Ärmel fort.
Statt während der Busfahrt zurück zum Hotel in Selbstmitleid zu zerfließen, rufe ich den Piloten an und bitte ihn, das Flugzeug bereit zu machen. Ich mag eine Versagerin sein, aber ich bin immer noch eine Kane, also kann Declan mit einem normalen Flugzeug fliegen, wenn er innerhalb eines Tages nach Chicago zurückwill. Ich werde keine weitere Stunde mehr in Dreamland bleiben, nachdem er so mit mir gesprochen hat. Der Park fühlt sich momentan zu klein für uns beide an, und ich muss hier weg. So kann ich zumindest über alles nachdenken, was er gesagt hat, ohne dass jemand versucht, mich zu sabotieren, mich niederzumachen oder mich zum Weinen zu bringen. So, wie ich meinen Mann kenne, wäre er zu allen drei Dingen in der Lage.
Ich bin gut darin, wegzulaufen. Nicht jedoch darin, zu bleiben und mich mit Problemen auseinanderzusetzen.
Scheiß auf ihn und auf seinen verdammten Deal. Ich verdiene etwas Besseres, als von ihm verletzt zu werden, weil er sein Gesicht wahren will. Besonders nach all den Opfern, die ich für ihn gebracht habe.
Der Bus hält vor dem Hotel, und da ich nicht weiß, wie viel Zeit mir bleibt, bis Declan zurückkommt, zwingt mich meine Panik dazu, schnell zu handeln. Wenn ich Glück habe, wird Mr. Yakura Declan und seinen Vater noch stundenlang mit Gesprächen über Verträge aufhalten. Vielleicht sogar Tage.
Doch der Gedanke macht mich nicht so glücklich wie erwartet. Stattdessen beginne ich erneut zu weinen, als mir bewusst wird, dass Declan es offenbar vorzieht, den Deal zu sichern, statt mir hinterherzulaufen. Nach dem, was er zu mir gesagt hat, könnte man doch denken, dass er versucht, alles wiedergutzumachen.
Ich bin so verwirrt, dass ich nicht einmal weiß, ob es egoistisch von mir ist, so zu denken.
Ich verdränge meine Traurigkeit und beginne zu packen. Der Koffer sieht aus, als würde er jeden Moment aus den Nähten platzen. Ich werfe meinen Hotelschlüssel auf den Nachttisch, schreibe eine schnelle Notiz und verlasse das Zimmer, ohne mich umzuschauen. Meine Sorge, dass Declan zurückkommt, war offenbar unbegründet, denn er hat sich nicht die Mühe gemacht, ins Hotel zu kommen. Statt Erleichterung trifft mich eine neue Welle der Verzweiflung.
Natürlich ist er nicht gekommen. Das Unternehmen wird für Declan immer oberste Priorität haben, ganz egal, was es ihn kostet. Er ist schon in jungen Jahren dazu erzogen worden, so zu funktionieren, und ich war bereit, an zweiter Stelle zu stehen, weil seine Liebe es wert ist.
War. Weil seine Liebe es wert war . Doch das hat sich nun geändert. Ich könnte gut ohne das Gefühl leben, dass er mein Herz herausgerissen und es in eine Million Teile zertrümmert hat.
Du bist nur eine Ablenkung, für die ich gerade keine Zeit habe.
Immerhin hat er sich anschließend direkt entschuldigt.
Ja, genau wie mein Vater, nachdem er fürchterliche Dinge zu meiner Mom gesagt hat. Ich habe aus ihren Fehlern gelernt und habe nicht vor, in die gleiche Falle zu tappen.
Du musst von hier weg.
Ich hoffe, Declan kann den Deal abschließen. Das meine ich nicht ironisch oder schnippisch, denn ich will zumindest, dass alles, was er verloren hat, die Sache wert gewesen ist – auch die Chance, meine Liebe zu gewinnen.
* * *
Die Dame an der Rezeption ruft mir ein Taxi, das mich zum Flughafen bringen soll. Als ich dort ankomme, steht der Flieger bereits mit geöffneten Türen zum Abflug bereit.
Ich steige aus dem Wagen und betrachte den Privatjet. Plötzlich habe ich Zweifel und frage mich, ob ich zum Hotel umkehren sollte.
Willst du ihn wirklich zurücklassen? Was, wenn er dich braucht?
Seine Worte von vorhin kommen mir wieder in den Sinn.
Jedes Team hat einen Anführer, und das bist nicht du.
Ich schüttele den Kopf und verdränge meine Zweifel.
Du fährst nicht zurück. Nicht, nachdem er so mit dir gesprochen hat.
Ich straffe meine Schultern und steige die Treppe zum Flieger hinauf. Dann setze ich mich auf der anderen Seite des Ganges, gegenüber von unserem üblichen Platz, hin.
Nur eine Flugbegleiterin reist mit, die mir nun Getränke und Snacks anbietet. Mein Magen dreht sich bei dem Gedanken an Essen um, also lehne ich ab.
Irgendwie gelingt es mir, mich während des gesamten Fluges zusammenzureißen.
Harrison holt mich vom Flughafen ab und ist so höflich, mich nicht zu fragen, wo Declan ist. So wie er mich anschaut, frage ich mich, ob er weiß, dass etwas vorgefallen ist, aber er schweigt, als er mir mit meinem Gepäck hilft. Er setzt mich bei Cal ab, bevor er davonfährt.
Bis zu diesem Zeitpunkt war ich wie benommen und vollkommen im Überlebensmodus. Klar, ich habe ein paar Tränen vergossen, aber ich habe mir nicht erlaubt, richtig über all das nachzudenken, was Declan gesagt hat, bis ich an Cals Tür klopfe.
Er öffnet kurze Zeit später. »Hey. Warum bist du schon zurück?«
Tränen laufen mir über die Wangen, ehe ich die Chance habe, sie wegzublinzeln.
»Oh, Scheiße.« Er zieht mich herein und schließt die Tür.
Dann schlingt er die Arme um mich und hält mich fest, damit meine Beine nicht unter mir nachgeben.
Mittlerweile schluchze ich richtig.
Er hört mir zu, während ich alles erzähle, was heute geschehen ist. Nur ab und zu unterbricht er mich, um ein paar Fragen zu stellen.
»Ich kann nicht glauben, dass dieser Mistkerl dir all das an den Kopf geworfen hat«, sagt er, als ich fertig bin. »Das Einzige, was heute schlecht war, ist seine Einstellung.«
Ich löse mich von ihm und verziehe das Gesicht, als ich sein nasses T-Shirt sehe. »Er hat behauptet, ich hätte versagt.«
»Er hat versagt, indem er die Selbstbeherrschung verloren hat. Niemand sollte so mit dir reden, er ganz besonders nicht.«
Ich schniefe. »Er war so wütend auf mich.«
»Mir ist egal, wie er sich gefühlt hat. Das rechtfertigt nichts.«
Ich lasse den Kopf hängen. »Ich habe einen Fehler gemacht.«
Cal nimmt meine Hand und zieht mich zur Couch. Dann verschwindet er und kommt mit einer Packung Taschentücher, Kopfschmerztabletten und einem Glas Wasser zurück.
»Danke.« Ich schaue mit einem zittrigen Lächeln zu ihm auf.
Sein Stirnrunzeln wird tiefer, als er mein Gesicht betrachtet. »Es ist das Mindeste, das ich tun kann, wo ich doch derjenige war, der ihm geraten hat, sein Glück bei dir zu versuchen.«
»Es ist nicht deine Schuld.«
»Ich wusste, dass er dich nicht verdient hat.«
Ich schneide eine Grimasse, als ich an den Moment zurückdenke, in dem Declan das Gleiche gesagt hat. »Ich …«
»Überlege dir keine Ausreden für ihn. Die Dinge, die er gesagt hat, waren inakzeptabel, besonders, nachdem du ihm so viel offenbart hast.«
Ich atme tief durch. »Macht es dir was aus, wenn ich heute hier übernachte?«
»Das Gästezimmer gehört dir, solange du willst.«
Ich seufze. »Ich kann mich nicht für immer hier verstecken.«
»Du kannst tun, was du willst. Declan kann dir nichts vorschreiben.«
»Ich weiß, aber ich will mich nicht kindisch aufführen.«
»Ach, und was ist mit ihm?«
»Wir sind verheiratet. Ein Streit ändert nichts daran.«
Er stößt langsam die Luft aus. »Nein, aber es könnte die Art ändern, wie du deine Ehe betrachtest.«
»Ich weiß.« Ich winde die Hände in meinem Schoß.
Cal setzt sich neben mich auf die Couch. »Alles wird gut.«
»Wirklich? Denn es fühlt sich ganz sicher nicht gut an. Er ist mir nicht mal gefolgt, nach allem, was er mir an den Kopf geworfen hat. Er hat mich einfach gehen lassen, als würde ich ihm nichts bedeuten. Nur weil ihm dieser Deal wichtiger ist als ich.« Eine einzelne Träne läuft an meiner Wange hinab und landet auf meinem Schoß.
»Er hat Scheiße gebaut. Anders kann man es nicht ausdrücken.«
»Was soll ich jetzt tun?«
»Du musst gar nichts tun. Er ist derjenige, der es vermasselt hat, nicht umgekehrt. Ich weiß, dass du es gewohnt bist, für ihn immer alles auszubaden, aber manchmal muss er selbst für seine Fehler geradestehen.«
Ich schlucke. »Was, wenn er es nicht tut?«
»Dann hat er dich ohnehin nicht verdient.«