21. 3. 2019 – 08:32 Uhr (CDT)
Camden, Arkansas, USA
»Erwähn das lieber nicht.«
Nate klingt aufrichtig angespannt, als er das sagt, also hake ich mich bei ihm unter, recke mich zu ihm hinauf und gebe ihm einen Kuss auf die Wange. »Ich bin eine vorbildliche Freundin, versprochen.«
Dabei habe ich eben lediglich mein Erstaunen kundgetan, dass wir von seiner Schwester zum Haus seiner Eltern nicht länger als zwanzig Minuten laufen müssen – obwohl wir laut Nate sogar das Viertel wechseln. Mir ist nicht einmal klar gewesen, dass Camden sich in verschiedene Viertel aufteilt.
Im Prinzip ist es eine wertfreie Feststellung, die ich geäußert habe, und doch ist Nates erleichtertes Seufzen tief, als er mich ansieht und vorsichtig lächelt. »Danke«, sagt er viel zu ernst, und es fällt ihm wohl selbst auf, denn er zwingt seine Mundwinkel noch etwas weiter auseinander. »Hast du es dabei?«
»Was meinst du?«
»Dein Buch.« Jetzt würde ich fast so weit gehen, zu sagen, dass ihm das Grinsen gelingt. Man merkt, dass es ihn etwas anstrengt, trotzdem ist es nicht ganz und gar gespielt. »Mit der Mängelliste für meine Mom.«
Mir fällt das Lachen definitiv leichter, als ich nicke. »Das fragst du noch? Natürlich!« Ich krame sogar in meiner Tasche und ziehe das Notizbuch hervor, das bereits das dritte ist, das ich fülle. Allerdings glaube ich nicht, dass Nate bisher bemerkt hat, dass es nicht ein und dasselbe Buch ist, in dem ich in den letzten Wochen herumgeschrieben habe. Und das ist bestimmt besser so.
Ich bin nicht sicher, was er wirklich dahinter vermutet. Er hat mich nie danach gefragt und mich damit nie in die Situation gebracht, entscheiden zu müssen, ob ich ihn anlüge oder nicht. Aber natürlich hat er bemerkt, dass ich seit ein paar Wochen in diese Notizbücher schreibe. Vielleicht hält er sie für ein Tagebuch, was nicht ganz verkehrt wäre. Der offizielle Stand unserer Kommunikation hat aus meinen Notizen eben eine Liste all meiner Beanstandungen gemacht, die ich zu seiner Person hervorzubringen habe. Eine große Sammlung an Reklamationen, die ich nun höchst feierlich seinen Eltern übergeben kann. Normalerweise gibt Nate sich gern den Spekulationen hin, was sein Vater und seine Mutter mit diesen Aufzeichnungen anfangen werden. Reparatur? Rückerstattung? Austausch?
Alles, was er heute schafft, sind ein Schmunzeln und ein etwas träges »Ha, ich wusste es!« Eine karge Ausbeute, die mir viel zu deutlich aufzeigt, dass er ehrlich versucht hat, ein unbefangenes Thema zu finden und nun doch daran scheitert, es weiterzuführen.
Also versuche ich, ihm das abzunehmen – wenigstens ein kleines bisschen, bis er selbst wieder auf den Zug aufspringen kann. »Das ist nur zu meiner Sicherheit. Was, wenn sie der Meinung sind, dass ich nicht gut genug bin? Weil ... Was weiß ich? Weil ich nicht so vollkommen bin, wie sie sich das für dich vorgestellt haben? Dann kann ich nachweisen, dass du auch deine Fehler hast.«
Was sollte denn ausgerechnet ich mit einer vollkommenen Frau wollen?
So eine Antwort hätte mein Nate aus Arkansas mir gegeben – gemeinsam mit einem Grinsen. Wenn ich ehrlich war, habe ich nicht damit gerechnet, diese Antwort, geschweige denn ein Grinsen von ihm zu bekommen, doch es fühlt sich an, als wäre es meine Pflicht, ihm wenigstens die Vorlage dafür zu geben. Nur für den Fall ...
»Ich fürchte, Mom wird versuchen, ein britisches Frühstück zu kreieren«, sagt er – ohne ein Schmunzeln. Im Prinzip bekomme ich nicht einmal eine Antwort auf meine Bemerkung. Stattdessen gibt Nate mir diese Information und das Bild senkrechter Sorgenfalten, die sich zwischen seinen Augenbrauen abzeichnen. »Bohnen, Toast, überbackene Tomaten, Tee ... Sie übertreibt gern, wenn es darum geht, gastfreundlich zu sein. Bitte tu mir den Gefallen und weise sie nicht darauf hin, dass Früchtetee kein richtiger Tee ist. Ich weiß, dass du recht hast, nur ...« Er seufzt. »Oder sie wird dich unter einem Berg an Pancakes begraben. Mit Speck und Ahornsirup und Bagels, um dir zu zeigen, wie schön es hier ist. So, wie ich sie kenne, wird sie wollen, dass du sie magst. Also sag ihr bitte nicht die Wahrheit darüber, was du von Camden hältst.«
»Und Erdnussbutter?« In meinen Ohren ist mein Schmunzeln nicht zu überhören, dennoch behält Nates Gesicht seine Ernsthaftigkeit mit einer Akribie bei, die mir ein bisschen Angst macht.
»Ich fürchte schon, ja. Bitte mach dich nicht darüber lustig. Mir ist klar, du findest das alles albern, und deine Eltern haben nicht so ein Theater gemacht, als sie mich kennengelernt haben. Wir ticken hier eben ein bisschen anders, und es würde Mom das Herz brechen, wenn du dich darüber lustig machst.«
Ich zögere nur kurz, ehe ich ein empörtes Schnaufen ausstoße, stehenbleibe und mein Notizbuch wieder aus der Tasche ziehe. Der Kugelschreiber steckt zwischen den Seiten – dort, wo ich mit meinen Erzählungen stehengeblieben bin. Was ich vorhabe, passt vielleicht nicht ganz in die Erinnerung, die ich derzeit auf Papier bringe, trotzdem setze ich die Mine des Stiftes direkt auf der nächsten Zeile an und spreche laut mit, was ich dort notiere: »Anmerkung 154: Nathan Moore zeigt deutliche Tendenzen, seinem direkten Umfeld jegliche soziale Kompetenzen abzusprechen. Vorhandene Ausbildung, Berufspraxis oder vergangene Erlebnisse, die dies entkräften, werden von ihm kategorisch ignoriert. Punkt.« Den Kugelschreiber klemme ich wieder an den Seitenrand, schlage das Buch zu, packe es zurück in meine Tasche und sehe Nate mit weit nach oben gezogenen Augenbrauen an.
Ich warte – darauf, dass ihm wieder einfällt, dass er Nate aus Arkansas ist, und ich dieselbe Liz bin wie die, der er in London alles erzählt hat. Der er genug vertraut hat, um sie hier haben zu wollen. Auch, wenn in mir allmählich das Gefühl aufkeimt, dass er sich dieses Wunsches nicht mehr ganz so sicher ist wie in London.
Nates Grinsen bleibt verschollen. Es schickt ein eher klägliches und noch dazu schuldbewusstes Lächeln vor. »Tut mir leid. Ich wollte nicht ...«
»Schon okay«, unterbreche ich ihn. »Du bist nervös. Das bin ich auch. Nur hast du offenbar vergessen, dass du so klug warst, eine Engländerin hierher zu bringen. Scheiße, ich bin viel zu höflich, um über Albernheiten zu lachen. Das machen wir später einfach zusammen, okay?«
Nate nickt, fährt sich kurz mit einer Hand durch die Haare und seufzt ein »Okay«. Dann fängt er meinen Blick auf und ein Lächeln zupft an seinen Mundwinkeln. »Mir geht’s gut. Ehrlich. Ich bin nur ehrlich nervös, dich ihnen vorzustellen. Das ist alles, ehrlich.«
Für meinen Geschmack sind das zwei bis drei »Ehrlich« zu viel. Doch ich beschließe, ihm seine Beteuerung für den Moment zu glauben. Damit es wenigstens einer von uns tut.
Es ist ein paar Wochen her, dass ich Harper und Jacob Moore auf dem Bildschirm von Nates Tablet kennengelernt habe. Was mir zuerst in den Sinn kommt, ist, dass sie größer sind, als ich gedacht hatte. Dabei hätte ich bei einem Sohn, der in einer U-Bahn kaum aufrecht stehen kann, nichts anderes erwarten sollen.
Das Zweite, was mir auffällt, ist, wie normal alles scheint. Gut, das Haus, in das ich hereingebeten werde, ist groß. Keine prunkvolle Villa, aber im Vergleich zu der kleinen Londoner Wohnung, in der ich aufgewachsen bin, ist es ein Palast. An den Wänden hängen Bilder und Fotos, die ich auf den ersten Blick gar nicht alle erfassen kann, frische Blumen stehen in Vasen auf Beistelltischen und ich nehme einen dezenten Duft von süßem Gebackenem wahr. Pancakes oder Waffeln, vermute ich.
Es ist vielleicht etwas zu perfekt, nur ist es das ja oft, wenn man neue Menschen kennenlernt. Und spätestens, als Nates Mum zu erzählen beginnt, erschlägt sie mich mit Normalität. »... war nicht sicher, was du magst. Nathan sagte, du seist genügsam, was Essen angeht und ich solle mir keine Gedanken machen. Dabei weiß er ganz genau, dass er das so oft sagen kann, wie er will.« Sie schenkt mir ein warmes Lächeln, das mich an Kim erinnert. Es sind dieselben Augen, die mich neugierig und freundlich mustern – nur hat die Zeit ein paar mehr Spuren drumherum hinterlassen. »Ich habe einfach alles vorbereitet. Falls du also etwas nicht magst, sag es ganz ehrlich. Du musst nichts aus Höflichkeit essen.«
Das alles schafft sie zu sagen, noch ehe wir das Esszimmer erreichen. Das und die Tatsache, dass es ein richtiges Esszimmer gibt und nicht eine Essecke innerhalb einer Küche, ist Zeichen genug, wie groß dieses Haus ist. »Dann hat er wohl vergessen, zu erwähnen, dass Engländer leider viel zu höflich sind, um irgendetwas abzulehnen.« Ich wende mich um, dorthin, wo ich Nate wähne, um ihm ein Grinsen zukommen zu lassen. Aber dort sehe ich nur einen Strauß mit Sonnenblumen auf der weißen Kommode und den Flur, den seine Mutter und ich gerade entlanggelaufen sind.
Sie bemerkt meinen Blick – wie hätte er ihr auch entgehen können? »Jack wollte kurz mit Nathan unter vier Augen sprechen. Männerthemen.« Das Wort ist für sie vollkommen ausreichend, um alles, was damit zusammenhängt, mit einem Abwinken fallen zu lassen. »Bevorzugst du Tee oder Kaffee?«
»Kaffee«, sage ich – einfach, weil ich glaube, dass sie das hören will.
Tatsächlich antwortet sie mit »Wunderbar«, und ich habe keine Ahnung, ob das eine richtige Antwort oder ein Reflex ist. »Setz dich doch ruhig schon, dann können wir noch ein wenig plaudern, ehe die Männer dazustoßen.«
Mein Schmunzeln verkneife ich mir nur, weil ich es Nate versprochen habe – Solidarität auch über seine Anwesenheit hinaus. Ich frage auch nicht, ob das jetzt heißt, dass wir über Frauenthemen sprechen. Stattdessen nehme ich auf dem Stuhl Platz, auf den Harper gedeutet hat, und nehme meine Kaffeetasse in die Hand. Einfach, weil alles etwas leichter ist, sobald man eine Tasse oder ein Glas in den Händen halten kann.
»Das Haus ist wirklich wahnsinnig schön.« Ich möchte mir an die Stirn greifen für diese uninspirierte Äußerung. Habe ich Nate nicht eben noch versichert, dass ich über soziale Kompetenzen verfüge? Was für ein himmelschreiender Optimismus. Sicher, dieses Haus ist schön. Es ist wie gemacht für eine Neuverfilmung der Frauen von Stepford – nur mit der Technik des 21. Jahrhunderts. Dennoch ärgere ich mich über meine derart unpräzise Phrasendrescherei.
Gott sei Dank ist Harper geübt darin, auf oberflächliche Äußerungen zu reagieren. »Jacks Eltern haben es gebaut. Er ist schon hier großgeworden, genauso wie Nathan und Kimberly. Natürlich gab es einige Modernisierungen, dabei ...« Sie atmet tief ein und schenkt der Wand gegenüber ein seliges Lächeln. »Ich hoffe, dass es noch mehr Generationen unserer Familie ein Zuhause sein wird. Vielleicht übernimmt es Kimberly irgendwann, wenn es meinem Mann und mir zu groß ist. Oder Nathan ...«
Die Nachträglichkeit, mit der sie Nate erwähnt, klingt, als wäre er genau das: eine Erwähnung, die man eben nicht auslassen kann, jedoch keine Option, mit der man ernsthaft rechnet. Darüber könnte ich mich aufregen, aber ehrlich gesagt bin ich etwas erleichtert. Denn dieser Unterton ist das vermutlich Ehrlichste, das bisher gesagt worden ist. »Und du bist in London großgeworden?«
»Bin ich.« Und das ist Gott sei Dank ein wesentlich einfacheres Thema. »Allerdings nicht in einem Haus wie diesem. Meine Eltern leben immer noch in der Mietwohnung in Hammersmith, in die sie vor zwanzig Jahren gezogen sind. Eine große Verbesserung zu Brixton, auch wenn ich mich daran ehrlich nicht mehr erinnern kann. Ich war ja gerade mal ...« Vier Jahre alt. Diese Information schlucke ich herunter, als Nate und sein Vater endlich zu uns stoßen.
Ich kann gar nicht anders, als Nates Blick aufzufangen und ihn fragend anzusehen, als er in meine Richtung läuft. Er nutzt die kurze Gelegenheit, als er seinen Eltern den Rücken zugekehrt hat, um grob in deren Richtung zu schauen und dann deutlich die Augen zu verdrehen. Für den Moment muss ich mehr nicht wissen. Ein »Frag nicht ...« ist mir so viel lieber als ein »Männerthemen gehen dich nichts an, Weib.«
Ich seufze erleichtert auf und strahle ihn an. Seine Antwort ist ein verwirrter Blick – was nachvollziehbar ist. Doch auch diese Erklärung muss warten. Ich fürchte, unser Repertoire an nonverbaler Kommunikation genügt noch lange nicht, um ihm von meiner Freude darüber zu berichten, dass er zwar irgendwie anders ist als in London, allerdings noch nicht die Metamorphose zum kleinstädtischen Patriarchen abgeschlossen hat. Und das ist doch ein gutes Zeichen, oder?
»Elizabeth hat mir gerade davon erzählt, wie sie aufgewachsen ist«, verkündet Harper, was eine leichte Übertreibung ist, da ich kaum zwei Sätze zu diesem Thema erzählt habe. Aber ich muss ihr zugutehalten – vielleicht wäre ich wirklich noch weit genug ausgeschweift, wenn Nate und Jacob nicht zu uns gestoßen wären. Zweiterer lächelt mir zu und reicht mir den Teller mit den Waffeln, während seine Frau weiter am Gesprächsfaden festhält.
»Studierst du denn auch Sozialpädagogik, Liz? Es tut mir leid, wenn ich diese oberflächlichen Fragen stellen muss. Mein Sohn hat fast nichts verraten.« Mit diesen Worten schenkt sie Nate den obligatorischen tadelnden Blick einer Mutter an ihren zu verschlossenen Sohn.
»Nein«, antworte ich ehrlich und besehe mir etwas hilflos die viel zu große Auswahl an süßen Soßen für die Waffel auf meinem Teller. »Ich arbeite in einem Kongresshotel in der Veranstaltungsorganisation.«
»Stellvertretende Leitung«, wirft Nate ein. Was ich unerheblich finde, entlockt seinem Vater ein anerkennendes »Mh«. »Zum Jahreswechsel gab es eine große Silvestergala, bei der einige namenhafte Gäste geladen waren. Wenigstens namenhaft für die britische Wirtschaft und Politik und ich glaube, sogar zwei Musiker ...« Er sieht mich fragend an, und ich nicke. »Liz hatte die Hauptverantwortung für die gesamte Planung. Budget, Räumlichkeiten, Zulieferer, Catering, Programm ... Daran hat sie seit dem Sommer gearbeitet und es war ein Riesenerfolg.«
Wie er seinem Vater davon erzählt ... Es ist derselbe Stolz, den er den ganzen Neujahrstag ausgestrahlt hat. Dasselbe »Du hast es wirklich geschafft«. Nur der Inhalt, den er diesem Gefühl jetzt gibt, ist ein völlig anderer und im Prinzip auch großer Unsinn. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass er seinen Eltern nicht davon erzählen will, wie viel Angst ich hatte und was wir zusammen geschafft haben, damit mir dieser Abend gelingen konnte. Oder ob sie einfach nicht wissen sollen, dass ihm das viel wichtiger ist als Budgets und Räumlichkeiten und Caterer.
»Das klingt, als hätte man dir eine große Aufgabe und Verantwortung übertragen«, bemerkt Jacob anerkennend, und ich werde einfach den Gedanken nicht los, dass er ganz genau so klingt, wenn er mit einem seiner Mitarbeiter ein Feedbackgespräch führt. »Du bist also eine junge Frau, die die ersten Schritte in Richtung einer erfolgreichen Karriere gesetzt hat.«
Da ich nicht sicher bin, ob das eine Frage oder eine Feststellung sein soll, lächle ich nur höflich und murmle irgendwas wie »Ich bin zufrieden.«
»Dienstleistung und Organisation sind harte und ehrliche Arbeit.« Allmählich beschleicht mich der Verdacht, dass Jacob diesen Dialog in eine Richtung lenkt, die eigentlich gar nichts mehr mit meinem Job zu tun hat. Und auch generell nicht mehr mit mir. Allein das Gefühl, wie sich Nate neben mir anspannt, reicht aus, um mir einigermaßen sicher zu sein.
Harper scheint eine ähnliche Vermutung zu haben und schiebt sie mit einem belustigten Glucksen und einem Kopfschütteln einfach beiseite. »Entschuldige«, sagt sie an mich gewandt. »Jacob ist Geschäftsmann. Wahrscheinlich imponiert ihm deine Arbeit genauso sehr, wie es ihn umtreibt, dass sein Sohn lieber im sozialen Bereich arbeiten möchte, anstatt einen Leitungsposten in seinem Unternehmen anzustreben. Aber das sind keine Themen für diese Tage.« Die letzten Worte richtet sie an ihren Mann – mehr als Bitte denn als Mahnung. »Wir haben in dieser Woche nun wirklich ein viel wichtigeres Ereignis.«
Ich bin nicht sicher, wie viel Interesse ein Mann wie Jacob für Festivitäten rund um eine Hochzeit aufbringen kann, dennoch nickt er. »Und noch einige Vorbereitungen zu treffen. Möchtest du die beiden noch zu Ende frühstücken lassen oder gleich das Organisatorische besprechen?«
»Organisatorisches?«, hakt nun Nate nach, und ich könnte schwören, dass er regelrecht erleichtert klingt. Himmel, wie wichtig muss es ihm sein, anderen, vielleicht unbequemeren Themen auszuweichen, wenn er sogar die Vorbereitungen für eine Familienfeier herbeisehnt?
Harper tauscht einen kurzen Blick mit ihrem Mann aus, ehe sie erst ihren Sohn, dann mich anstrahlt. »Wir schenken den beiden zwei Nächte in dem Wellnessresort in Little Rock. All inclusive natürlich, und auch alle Behandlungen gehen auf unsere Kosten. Die Flitterwochen sind ja erst für Mai gebucht. Und wir fanden, dass es schön wäre, wenn die zwei nicht direkt nach der Hochzeit wieder in ihren Alltag zurück müssen, sondern die Feier noch etwas nachklingen lassen können.«
Ich nicke, weil ich den Gedanken dahinter absolut verstehen kann. Nichtsdestotrotz fehlt mir noch der organisatorische Part, auf den Nate anscheinend hofft.
»Das klingt nach einer wundervollen Idee, Mom«, sagt er das, was seine Mutter vermutlich hören wollte, ehe sie weiterreden kann.
»Unsere Bitte ist – ihr zwei werdet ja in Kimberlys Haus übernachten. Seid ihr dann so lieb, die Geschenke von hier nach dort zu bringen und das Haus für die Heimkehr der beiden zu dekorieren?« Sie sieht zwar mich an, als sie das fragt, aber Nate antwortet ihr, ehe ich auch nur darüber nachdenken kann.
»Natürlich, kein Problem.«
»Wir können uns ja noch einmal in Ruhe überlegen, wie wir das mit der Deko angehen wollen.«
Nate nickt und nimmt seinen ersten Schluck Kaffee. Mir fällt auf, dass er den Pancake auf seinem Teller bisher nur zerkleinert und nichts davon gegessen hat. Es ist ein Massaker aus Weizenteig und Ahornsirup. »Dabei kann Liz sicher helfen.« Er sieht mich an – nicht fordernd und auch nicht entschuldigend, sondern mit einer aufrichtigen Bitte. »Ich meine, so was ist doch dein Job.«
Auch, denke ich. So was ist auch mein Job. Und zwar der kleinste und lästigste Part davon, für den ich das wenigste Talent besitze. Trotzdem nicke ich. Weil Nates Blick mir gar keine wirkliche Wahl lässt. Ich kann ihn damit nicht allein lassen.
»Oh mein Gott, du hast so recht.« Harper legt aufgeregt eine Hand auf die ihres Mannes und lächelt mich an. »Könntest du morgen Vormittag hierherkommen? Der Weddingplaner und der Caterer werden hier sein, damit wir abstimmen können, wie und wo alles aufgebaut wird. Ich wäre beruhigt, ein professionelles Auge mehr zu haben, das sich der Sache annimmt. Das Wetter soll schön werden. Dennoch wollen wir neben dem Zelt auch den Wintergarten mit einbeziehen. Nur für den Fall ... Du wirst morgen sehen, was ich meine.«
Ich sehe Nate an, der mir exakt denselben hoffnungsvollen Blick schenkt wie seine Mutter. Ich verstehe es nicht. Um ehrlich zu sein, habe ich keinen blassen Schimmer, was hier vor sich geht. Wohin Nates Hohn verschwunden ist. Wohin sein Grinsen, sein Augenrollen. Wohin er selbst.
Ich lächle über meine brennende Ahnungslosigkeit hinweg und nicke.