Kapitel 11

F ulke lässt sich von mir füttern.

Mit Speisen beladene Servierplatten werden herangetragen und auf dem Tisch zwischen den Thronen abgestellt. Midas und Fulke genießen das Buffet … und auch die Sättel ringsum lassen es sich gut gehen.

Verschiedene Fleischsorten, Käse, Köstlichkeiten aus Schokolade, Brot. Süße Kuchen und essigsaure Soßen. Ich füttere Fulke von allem ein bisschen. Dabei sitze ich auf der Armlehne des Throns, mein Oberkörper gerade so weit zu ihm gedreht wie nötig. Ich achte darauf, dass wir uns nicht berühren. Doch obwohl ich die Köstlichkeiten mit so spitzen Fingern anfasse, dass ich sie fast fallen lasse – er saugt trotzdem meine Finger in seinen Mund; leckt sie, schabt mit seinen Zähnen an meinen Fingernägeln.

Die Praline in meiner Hand verschwindet. Bevor ich die Finger wegziehen kann, lutscht Fulke daran. Dann kaut er lachend, und ich sehe die braunen Schlieren auf seinen Zähnen, als er sich die Lippen leckt. «Deine goldene Haut sorgt für so einen reichen Geschmack.»

Ich spüre die Blicke der anderen Sättel auf mir – abschätzend, wertend, berechnend. Sie betrachten mich als Bedrohung; als legte ich Wert auf seine Aufmerksamkeit.

Midas spricht erneut mit verschiedenen Adeligen. Einer nach dem anderen tritt vor seinen Thron. Die Leute verlangen nach seiner Zeit und seinem Ohr. Er hat nicht mehr in meine Richtung geschaut, seit er mich zu Fulke geschickt hat.

«Mund auf.»

Ich starre auf Fulkes Hand, die vor meinem Gesicht schwebt. Ein Stück Fleisch baumelt zwischen seinen Fingern. Sauce tropft davon auf seine schwarzen Samthosen.

Ich schüttele den Kopf, angewidert von der Vorstellung, seine Finger auf meinem Essen oder an meinem Mund zu haben. Fulke hebt nur eine buschige Augenbraue. Eine Frage. Eine Forderung.

Benimm dich heute Abend.

Ich öffne die Lippen einen winzigen Spalt. Fulke stopft mir das Fleisch in den Mund, mit unnötigem Nachdruck. Als er versucht, auch seine Finger zwischen meine Lippen zu schieben, wende ich den Kopf ab und beiße die Zähne zusammen.

Er feixt. «Was für ein unartiges kleines Ding du doch bist.»

Ich fühle Midas’ Blick auf mir. Meine Schultern verspannen sich.

«Macht nichts. Das verspricht einen aufregenden Abend, nicht wahr?»

Als Nächstes schiebt Fulke mir Brot in den Mund. Käse. Trauben. Ich kaue abwesend, schweige mit wachsamem Blick, meine Bänder angespannt.

Fulke streckt den Zeigefinger aus und klopft zweimal gegen seinen Weinpokal. Seine Magie blitzt auf, und er reicht mir die exakte Kopie des Pokals, die er erzeugt hat. Ein Fingerschnippen lässt einen Diener heraneilen, der beide Kelche mit Wein füllt.

«Ich hebe den Becher auf unseren Abend», sagt er, bevor er den Pokal an die Lippen setzt und trinkt.

Ich nehme einen bitteren Schluck.

Als Fulke schließlich keine Lust mehr hat, mich zu füttern, stellt er beide Pokale auf den Tisch und wehrt mit einer Handbewegung weitere Servierplatten ab. Ich bin froh, dass zumindest dieser Teil vorbei ist. Das Essen liegt mir schwer wie Wackersteine im Magen, und auf meiner Zunge spüre ich noch immer den schrecklichen Nachgeschmack seiner Haut.

Aber natürlich komme ich nicht so einfach davon. Denn nun hebt Fulke den Finger und zeigt auf seine fleischige Wange. «Küss mich.»

Meine Augen verengen sich, ich bekomme eine Gänsehaut und vergrabe die Finger im Stoff meines Kleides. Als ich mich nicht rege, flackert Wut in Fulkes Augen auf. Er packt mich am Ohr und zieht mich zu sich heran, bis meine Lippen seine kratzige Wange berühren. Kratzig – nicht glatt und gepflegt wie die von Midas. Ein rundliches Kinn und eine wabbelige Wange. Er riecht nach Wein und Wollust.

Ich spitze nicht die Lippen, weigere mich, ihn zu küssen. Mein Mund wird gewaltsam gegen seine Haut gepresst, während er mein Ohr zwischen Zeigefinger und Daumen festhält.

«Na also. Das war doch gar nicht so schwer, oder?», lacht er.

Sobald er mein Ohr freigibt, reiße ich mich los und falle dabei beinahe über die Thronlehne. Doch Fulke packt mich am Arm und hält mich fest. Sein Lachen wird lauter. «Du brauchst nicht vor mir auf die Knie zu gehen – noch nicht!»

Meine Wangen glühen vor Verlegenheit – und Wut. Ich will hier weg. Zurück ins oberste Stockwerk der Burg, in die Sicherheit meines Käfigs, wo mir nur die Schreie der Sturmwitwe Gesellschaft leisten.

Fulke gibt mich nicht gleich frei. Seine Hand schließt sich fester um meinen Arm; ob sie wohl bronzefarbene Druckstellen hinterlassen wird? «Ich finde, du könntest mir ruhig ein bisschen näher kommen.»

Ohne Vorwarnung zieht er mich auf seinen Schoß – eine ziemliche Leistung, wenn man bedenkt, wie steif ich meinen Körper halte. Erstaunlich, dass er mich überhaupt irgendwie bewegen kann. Ich komme ungeschickt und starr zum Sitzen, mit den Schenkeln auf seinen Beinlingen und den Oberkörper aufgerichtet, sodass ich nicht an seiner Brust lehne. Dabei versuche ich, die Armlehne zu packen, um mich abzustützen. Aber Fulke greift sich mein Handgelenk und presst meine Hand an seinen Schritt.

«Hier gehört das hin, mein goldener Liebling.»

Ich reiße die Augen auf. Mein Magen verkrampft sich. Ich fühle, wie sein schlaffes Glied anschwillt und hart wird. Alles in mir drängt danach, meine Hand wegzuziehen – doch ich kann es nicht, denn er hält noch immer mit überraschender Stärke mein Handgelenk umklammert.

Ich lebe in einem Käfig, doch noch nie zuvor habe ich mich so gefangen gefühlt.

«Eure Majestät.»

Fulkes Blick wandert an mir vorbei zu Nissa, die vor ihn getreten ist.

«Soll ich für Euch tanzen?», fragt sie mit einem sinnlichen Lächeln. Ihr blondes Haar ergießt sich über ihren Körper nach unten und verhüllt dabei ihre nackten Brüste.

König Fulke beäugt sie gierig, dann nickt er. Nissa beginnt, sich zu bewegen. Ihr schwarzer Rock gleitet über den polierten Boden und wogt um ihre Knöchel. Ihre Hüften schwingen im Takt der Musik, und ihr Blick ist genauso verführerisch wie ihr Lächeln.

Fulke gibt mein Handgelenk frei, um sich zurückzulehnen. Ich schaffe es, meine Hand zurückzuziehen, während er ganz von Nissas Tanz gefesselt ist. «Schau gut zu», sagt er zu mir. Sein Mund ist viel zu nah an meinem Ohr für meinen Geschmack. «Das ist eine Frau, die weiß, was sie tut. Du solltest dir von ihr abgucken, wie man einen Mann erfreut.»

Wie man einen Mann erfreut! Als wäre das der einzige Lebenszweck einer Frau – ob nun Sattel oder nicht. Meine Lippen verziehen sich verächtlich.

Nissa strahlt bei Fulkes Empfehlung. Ihr Blick huscht zu mir, als wolle sie abschätzen, ob ich eifersüchtig auf sie bin. Natürlich nicht! Ich bin erleichtert. Ob das nun ihr Plan war oder nicht: Sie hat mir einen kurzen Moment der Ruhe verschafft. So wie ich es in der Bibliothek für sie tun wollte.

Wahrscheinlich bemerkt niemand sonst ihre leicht geschwollene Nase oder die Schminke unter ihren Augen, die vermutlich eine Prellung übertüncht. Ich hingegen bemerke sie und zucke innerlich zusammen. Ich wollte Nissa wirklich nicht wehtun.

«Mmm, sie ist eine wirklich gute Tänzerin, findest du nicht auch, meine Süße?»

Ich nicke gehorsam. Offensichtlich liebt Fulke es, sie für sich tanzen zu lassen. Nissa, professionell wie immer, schwingt weiter verführerisch die Hüften.

Sie ist schön. Hohe, anmutige Wangenknochen. Große, runde Augen. Blondes Haar, das ihr fast bis auf die Taille fällt. Ein Körper mit ausgeprägten weiblichen Rundungen und vollen, pinkfarbenen Lippen. Kein Wunder, dass Fulke sie so sehr mag. Das liegt gewiss nicht nur an ihrer Schönheit – alle von Midas’ Sätteln sind schön. Sondern es geht auch um ihr Selbstbewusstsein. Sie versteht sich darauf, einen Mann zu lesen, und weiß sofort, wie sie ihn verführen muss. Nissa kann sich in exakt das Wesen verwandeln, das der Mann begehrt, von ihren Bewegungen bis hin zu ihrer Sprache.

Fulke legt eine Hand an meine Hüfte. Dicke Finger graben sich in mein Fleisch, fordernd und besitzergreifend. Schließlich hat er auch dazu keine Lust mehr, und er platziert mich stattdessen vor seinen Beinen auf dem Boden. Ich glaube, ihm gefällt die Vorstellung, dass Midas’ meistgeschätzter Besitz ihm zu Füßen sitzt.

Ich habe die Beine an mich herangezogen, die einzige Haltung, in der ich meinen Körper bedeckt halten kann. Einige der Adeligen auf der Feier werden kühner, zweifellos durch den Wein. Sie drängen näher ans Podium heran, starren mich murmelnd an. Ich erwidere ihre Blicke, senke den Kopf nicht. Ich wende die Augen nicht ab.

Sollen sie doch reden.

Sollen sie doch gaffen.

Fulke gerät in eine Diskussion mit Midas und ein paar anderen Männern. Es geht um neue Handelsrouten ins Vierte Königreich. Um neue Möglichkeiten, Gewinn aus den Schwarzgrund-Minen zu ziehen. Als wenn es nicht reichen würde, sich in einem Ballsaal aufzuhalten, der komplett aus Gold besteht!

Je länger ich auf dem Boden sitze, desto mehr schmerzen meine Knie und Unterschenkel. Ich verlagere mein Gewicht, damit meine zusammengepressten Gliedmaßen nicht einschlafen.

Als Fulkes Hand sich auf meinen Kopf legt, zucke ich zusammen. Ein Herr, der seine Hündin streichelt. «Wo wir gerade von neuen Waren reden», setzt Fulke an. Seine Finger gleiten durch mein Haar, und seine Augen leuchten. «Allein ein paar Strähnen ihres Haares müssen das Monatseinkommen eines Bauern wert sein.»

«Hmmm», meint Midas unverbindlich, doch er beobachtet genau, wie Fulke mich berührt. Ich erkenne, wie sein Besitzanspruch an mir in seinem Blick aufflackert. Aber er schreitet nicht ein. Tut nichts, um das alles zu beenden.

Ich spüre ein scharfes, feuchtes Prickeln in meinen Augen. Unsichtbare Flammen brennen dort, Tränen drohen, sich wie flüssiges Feuer zu ergießen.

Über zehn Jahre hat sich mein Fundament aus Verlässlichkeit und Vertrauen zu Midas aufgebaut – und nun bekommt es einen Riss. Ein unscheinbarer Riss in der Ecke, wie die erste Macke in einem Glas, von der spinnwebartige Fissuren ausgehen.

Nissa unterbricht ihren Tanz, um sich an Fulkes Seite zu schmiegen. Ihre geschickten Finger kneten seine Schulter, wobei sie die Beine grazil auf der Armlehne des Throns ausstreckt.

Fulke redet, und sie fährt nebenbei mit der sinnlichen Massage fort, von den Schultern bis zur Brust, über seinen Bauch hinunter zu seinem Schritt. Mit einem schelmischen Lächeln streicht sie über das härter werdende Glied in seiner Hose, unter den gierigen Blicken der anderen Männer im Raum. Ihre Vorstellung ist nicht nur für den König bestimmt, den sie gerade verwöhnt.

Und in diesem Moment wird mir klar, dass diese Frau, dieser Sattel, durchaus Macht besitzt. Nicht die Macht der Magie, über die Könige und Königinnen gebieten, sondern eine andere Art von Macht – die Macht der Manipulation. Sie hat diese Männer fest im Griff, lenkt ihr Verlangen, treibt ihre Emotionen in die gewünschte Richtung, nährt ihre Fantasien.

In meiner ganzen Zeit als königlicher Sattel habe ich nichts dergleichen getan; habe nie gelernt, wie das geht. Das musste ich nicht, weil Midas mich nie mit anderen geteilt hat. Neben Nissa wirke ich wahrscheinlich wie der schlechteste Sattel der Welt, wie ich hier in verspannter Haltung hocke, die Hände in den Schoß gelegt, und jedes Mal zusammenzucke, wenn Fulkes Bein meine Schulter berührt oder seine Hand wieder über mich streicht.

«Du bist wirklich gut», raune ich so leise, dass niemand sonst mich hören kann.

«Ich bin ein Sattel», antwortet Nissa, als wäre damit alles gesagt. Vermutlich stimmt das sogar.

«Ich glaube, wir werden uns jetzt zurückziehen, mein Liebling», sagt Fulke. Ruckartig schaue ich zu ihm auf. Sein Blick ist auf meinen Ausschnitt gerichtet. «Hoch mit dir! Ich will mich in deiner goldenen Fotze vergraben, bevor noch mehr Zeit vergeht. Midas besteht darauf, dich vor der Morgendämmerung zurückzuerhalten.»

Ich werde an den Armen hochgerissen. Meine verkrampften Glieder werden wieder durchblutet, sobald ich auf den Beinen stehe. «Du kannst gehen, Mädchen», befiehlt er Nissa. «Heute Nacht brauche ich dich nicht.»

«Ja, Eure Majestät», sagt sie mit ehrfurchtsvoll gesenktem Kopf. Dann dreht sie sich um und gleitet elegant davon, auf die Gruppe der Männer zu, die sie immer noch anstarren.

Fulke wendet sich an Midas, eine Hand an meinem Arm. «Ich wünsche dir eine gute Nacht», sagt er feixend. «Ich kann es kaum erwarten, sie ganz für mich allein zu haben.»

Midas nickt Fulke zu, doch seine braunen Augen huschen zu mir. «Genieße es.»

Mehr sagt er nicht. Als wäre ich ein Glas Wein oder ein Gebäckstück, das er König Fulke anbietet. Ich wende den Kopf ab, zu verletzt, um ihn noch länger anzusehen. Der Haarriss im Glas verbreitert sich.

Ein paar seiner Wachen umringen uns, als Fulke mich vom Podium führt. Diese Eskorte bildet den einzigen Schutz vor der Menge, die sofort anfängt, zu jubeln und anzügliche Bemerkungen zu schreien.

«Reitet den goldenen Sattel gut ein, Sire!»

«Fickt das Gold aus ihr heraus!»

Ich beiße unter dem Hagel von Obszönitäten die Zähne zusammen. Meine Bänder sehnen sich danach, um sich zu schlagen, mit ihren klingenscharfen Rändern die feixenden Lippen zu zerfetzen. König Fulke kommt auf die Idee, die Menge auch noch anzustacheln, indem er meinen Arm freigibt und mir auf den Hintern schlägt. Meine Bänder schlingen sich um meine Rippen wie geballte Fäuste.

Ich muss stark sein.

Ich muss .

Nur … dieser Schlag auf den Hintern reicht schon aus, um mich erschaudern zu lassen. Wie soll ich es da zulassen, dass Fulke andere Teile von mir berührt? Wie soll ich das durchstehen?

Souvenir.

Setz dich schön hin.

Benimm dich.

Vertrau ihm.

Und in diesem Moment, mitten in diesem Ballsaal, umringt von höhnischen Feiernden, beschließe ich, dass ich das nicht tun werde.