Viele Männer hatten versucht, Blossom Decembers Charme zu beschreiben – vergeblich. Ihre magnetische Anziehungskraft, ihre Aura lebenssprühender Kraft war einzigartig und selten in den Salons von Mayfair anzutreffen.
»Der Nachthimmel«, »eine Gewitterwolke«, waren nur zwei von unzähligen Phrasen, mit der ihre üppige schwarze Lockenpracht beschrieben worden war. Sie war auch mit dem Fell eines Panthers verglichen worden, denn im Licht der Kerzen schimmerte ihre Mähne bläulich. Ihr schlanker Hals erinnerte an eine Giraffe, ihre großen braunen Augen mit den Goldsprenkeln ließen an eine Katze denken. Auch ihre Bewegungen waren von katzenhafter Geschmeidigkeit, die schmale, gerade Nase ließ an einen exotischen Vogel denken, und ihre vollen, roten Lippen – ein Kirschmund – entblößte Zähne wie Perlen. Ein Schönheitsfleck verschwand beim Lächeln in einem bezaubernden Grübchen, und ihre Bewunderer hatten unzählige Gedichte über ihren honigfarbenen oder auch an Schokolade erinnernden Teint verfaßt.
Ia war wie verzaubert, als diese wundervolle Frau in ihrem Morgenrock aus hellgelber Seide, der in weichen Falten ihren Körper umfloß, in den Salon trat. Sie streckte Ia ihre schmale, mit schweren Gold- und Diamantringen verzierte Hand entgegen.
»Hast du noch nie eine Negerin gesehen?« fragte sie mit tiefer, vor Lachen leicht glucksender Stimme.
»Äh ... nein«, stammelte Ia und betrachtete ihre Hand.
»Die Farbe geht nicht ab.« Blossom lachte. Es war ein lautes, fröhliches Gelächter.
»Die Königin von Saba muß wie Sie ausgesehen haben«, sagte Ia ehrfurchtsvoll.
»Mit dieser Königin bin ich noch nie verglichen worden – mit anderen ja.« Blossom lächelte, denn der Vergleich gefiel ihr. Mit einer geschmeidigen Bewegung ließ sie sich in einen Sessel sinken. »Setz dich, la, und erzähl mir alles über dich. Wollen wir dabei etwas Champagner trinken?«
»Champagner«, wiederholte Ia, als hätte sie nicht richtig gehört. Die Tür wurde geöffnet, und der Lakai brachte ein Tablett mit einer Flasche Champagner in einem silbernen Kübel und zwei Kristallgläsern. Nachdem der Diener eingeschenkt hatte, ging er lautlos hinaus. Ia nippte vorsichtig von dem sprudelnden Getränk.
»Das beste Frühstück auf der Welt, meinst du nicht auch?«
»Wenn man es sich leisten kann«, antwortete Ia lächelnd.
»Würdest du es dir gern leisten?«
»Wer wohl nicht?« Ia trank einen größeren Schluck.
»So, Ia. Wie alt bist du?«
»Ich weiß es nicht genau – vierzehn oder fünfzehn.«
»Wo hast du gelernt, dich so gebildet auszudrücken? Das steht doch im krassen Gegensatz zu deiner Kleidung.«
Ia lehnte sich zurück, und während sie beinahe nonchalant ihren Champagner schlürfte, erzählte sie ihre Lebensgeschichte. Es fiel ihr merkwürdig leicht, mit dieser Frau zu reden. Blossom hörte ihr aufmerksam zu und gab ihr das Gefühl, in diesem Augenblick der einzige wichtige Mensch zu sein.
»Dir ist doch bewußt, daß dies hier ein Bordell ist?« fragte Blossom ohne Umschweife.
»Ich habe es vermutet.«
»Es wird auch als Haus der Liebe, Freudenhaus oder Chez Blossom bezeichnet. Ich nenne es ein Bordell, weil es das ist und ich mich nicht dafür schäme.«
»Nein, Mrs. December.«
»Blossom, bitte. Alle meine Mädchen nennen mich beim Vornamen, denn an mir ist nichts Ungewöhnliches. Früher war ich ein Mädchen wie du. Wie denkst du darüber–gefällt es dir in einem Bordell?«
»Es ist ein wunderschönes Haus. Und mir schmeckt der Champagner.«
»Als du im Pub gearbeitet hast, gingst du da auf den Strich?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Die Männer waren mir nicht gut genug«, sagte Ia und schüttelte trotzig den Kopf.
»Darf ich das so verstehen, daß du nichts dagegen hast, eine Hure zu werden – vorausgesetzt, die Kunden sind ›gut genug‹?« fragte Blossom lachend.
»Ich wünsche mir hübsche Dinge, Blossom. Hübsche Kleider, Hüte und eines Tages ein kleines Haus, das nur mir gehört. Ich möchte nicht mehr in Elendsvierteln leben. Ich möchte nicht den Rest meines Lebens die schmutzige Wäsche anderer Leute waschen. Das scheint der einzige Weg zu sein, um zu erreichen, was ich haben möchte. Als Küchenmädchen habe ich es bis jetzt nicht weit gebracht.«
»In unserem Gewerbe wirst du mit dieser Einstellung Erfolg haben. Ich habe Mädchen, die sich schämen und es für unter ihrer Würde halten, als Hure zu arbeiten. Damit kommen sie nicht weit, denn die Kunden spüren die ablehnende Haltung, verstehst du? Bist du vielleicht noch Jungfrau?«
»Nein. Ich Närrin habe mich verliebt, und ...« Ia verstummte. Aus Angst, sofort wieder auf die Straße gesetzt zu werden, behielt sie ihr Geheimnis für sich.
Blossom tätschelte ihre Hand und sagte: »Jede von uns hat Enttäuschungen in der Liebe erlebt. Du bist noch jung ... Aber du mußt deinen Namen ändern.«
»Warum?«
»Ia klingt gut, aber ein Freudenmädchen mit dem Namen Blewett ... nein, das paßt nicht. Eigentlich heiße ich Blossom Fish ... ich frage dich ...« Sie lachte laut. »Also habe ich meinen Namen in December umgeändert ... mein Geburtsmonat. Wie ist es mit dir? Laß mich nachdenken. Ia Dubois, das klingt nach Klasse.«
Ia kräuselte ihre Nase. »Nein, das klingt zu fremdländisch. Könnte ich mich St. Just nennen?«
»Ia St. Just?« Blossom ließ den Namen nachklingen. »Das ist gut, sehr gut. Jetzt werde ich dir die Regeln erklären. Du bekommst keinen Lohn, aber du kannst die Hälfte deines Verdienstes behalten ... wieviel du verdienst, liegt bei dir, aber du könntest es auf ein Minimum von hundert Pfund pro Woche bringen.«
»Wieviel? Sagten Sie hundert Pfund?« Ia starrte Blossom mit offenem Mund an.
»Mit deinem Aussehen verdienst du leicht das Doppelte. Du wirst alle Praktiken lernen.«
»Praktiken?« Ia wünschte, sie würde nicht dauernd alles wie ein Papagei wiederholen.
»Li Po ist aus China. Sie hat viele Jahre in Schanghai gearbeitet. Chinesen sind wahre Liebeskünstler. In meinem Haus gibt es keine Impotenz – alles ist eine Frage der Berührung, der Massage ... der Mysterien. Du wirst in alle Geheimnisse eingeweiht.« Blossoms Augen glitzerten vor Aufregung. »Ich werde dich einkleiden ... meine Schneiderin wird dir Kleider nähen. Du bezahlst sie von deinem Verdienst. Ich bestehe auf absoluter Sauberkeit, du wirst jeden Tag baden.«
»Jeden Tag?«
»Natürlich. Und einmal pro Woche wird dich ein Arzt untersuchen. Gesundheit ist unser oberstes Gebot. Die Kunden müssen darauf vertrauen können, daß sie sich bei uns keinen Tripper holen. Solltest du krank werden, pflegen wir dich zwei Wochen lang, dann bist du draußen – das hier ist kein Krankenhaus und kein Wohlfahrtsinstitut. Außerhalb dieses Hauses ist jeder Kontakt mit Kunden verboten, sonst fliegst du, raus. Ich erwarte von dir, daß du dich anständig benimmst. Vulgarität kann ich nicht ausstehen. Ich glaube, das wär’s für den Moment. –Ich ziehe es vor, meine Karten von Anfang an auf den Tisch zu legen, damit es keine Mißverständnisse gibt.« Lächelnd fügte Blossom hinzu: »Nun, was hältst du davon? Möchtest du unserem Club beitreten?«
Ia kauerte sich etwas tiefer in ihren Sessel. Bedrückt starrte sie zu Boden. Sie mußte mit der Wahrheit herausrücken und konnte nicht länger Blossoms Zeit in Anspruch nehmen.
»Wo liegt das Problem, la?«
Ia blickte in die dunkelbraunen Augen, die sie freundlich ansahen.
»Ich fürchte, ich habe Ihre Zeit vergeudet, Blossom. Wissen Sie, ich bin schwanger ...«
Ein ärgerlicher Ausdruck huschte über Blossoms Gesicht. Sie betrachtete das schöne Mädchen in dem Sessel und hätte Ia vor Verzweiflung schütteln können. Was für eine Verschwendung, dachte sie. Das Ticken der Uhr war das einzige Geräusch im Salon.
»In welchem Monat bist du?«
»Ich glaube, im zweiten.«
»Ich könnte eine Abtreibung arrangieren. Nicht bei einem alten Weib mit Stricknadeln, sondern bei einem Arzt, der uns gelegentlich aus diesen Notlagen hilft.«
»Nein!« Ia sprang auf und vergoß dabei ihr Glas Champagner. Beschützend preßte sie eine Hand gegen ihren Bauch.
»Nein. Ich werde mein Kind nicht töten. Es ist meine Schuld ...« Sie ärgerte sich über die Tränen in ihren Augen und wandte den Kopf ab.
Blossom stand auf, trat ans Fenster und schaute in den winterlichen Garten hinaus. Es hatte zu regnen begonnen. Ia besaß Schönheit und eine gewisse Ausstrahlung. Es wäre eine Schande, sie zu verlieren. Was sind das nur für Gedanken? Wenn das Mädchen nun durch die Schwangerschaft fett wird? Ia schien nicht der Typ dafür zu sein und konnte auf ihre Figur achten. Was hatte sie vorhin gesagt? Ihr Haus sei kein Wohlfahrtsinstitut. Blossom hüllte sich enger in ihren Morgenrock. Es war kalt am Fenster; wieviel kälter war es erst draußen? Wo würde das Mädchen hingehen, wenn sie ihm jetzt die Tür wies? Blossom wußte nur zu gut, welche Zukunft Ia bevorstand. Allein im Winter in London, schwanger, ohne Geld, ohne Freunde ... Blossom erschauerte und verschränkte die Arme vor ihrer Brust. Nach all den Jahren konnte sie sich noch gut an ihren ersten Winter in den kalten, abweisenden Straßen Londons erinnern. Den quälenden Hunger, die Kälte, die bis auf die Knochen durchdrang, die Ratten, die über sie hinweggeklettert waren, als sie nachts in Hauseingängen geschlafen hatte. Voller Ekel und Abscheu gegen sich selbst und die Männer, die ihren Körper mißbraucht hatten, als sie schwanger war. Damals hatte sie keine Wahl gehabt, entweder sie prostituierte sich oder sie wäre verhungert. Blossom schloß die Augen und verdrängte die Erinnerungen. Sie drehte sich um.
»Bis man dir die Schwangerschaft ansieht, kannst du als Dienstmädchen arbeiten. Um keine Zeit zu vergeuden, kannst du in dieser Zeit die Mädchen beobachten und von ihnen lernen. Sobald dein Bauch dick wird, verschwindest du von der Bildfläche und hältst dich im Hintergrund ... ein schwangeres Mädchen wäre nicht gerade die beste Reklame für uns, nicht wahr?« Nachdem die Entscheidung gefallen war, lachte Blossom wieder.
»Wollen Sie mich wirklich behalten?«
»Ja, Ia. Frag mich nicht, warum. Auf meine alten Tage werde ich wohl sentimental.« Wieder lachte sie, wie nur eine Frau lachen kann, die sich ihres guten Aussehens bewußt ist. »Du bekommst allerdings keinen Lohn. Dir bleiben nur die Trinkgelder. Davon kannst du den Arzt bezahlen ... Unterbringung, Essen und Uniform sind kostenlos. Aber ...« Sie machte eine Pause und musterte Ia lange. »Ich tue das alles nur unter der Bedingung, daß du dein Kind sofort nach der Geburt weggibst.« Ia preßte ihre Hand vor den Mund, um einen Aufschrei zu unterdrücken. »Ich kenne eine gute Familie in Blackheath, die sich um dein Kind kümmern wird. Ich habe ihre Dienste schon einmal in Anspruch genommen ...« Blossom schluckte krampfhaft. Sie konnte nachempfinden, in welch einem Widerstreit der Gefühle sich Ia befand.
»Darf ich mein Kind besuchen?«
»Nein, la.«
»Dann danke ich Ihnen für Ihre Freundlichkeit, Blossom; aber das kann ich nicht akzeptieren.« Ia stand auf und griff nach ihrem Leinenbeutel.
»Ia, setz dich wieder und hör mir zu. Welche Alternative hast du denn? Wie willst du in London überleben, bis dein Kind geboren ist? Und was wird danach? Wie willst du es großziehen? Du wirst entweder in den Pubs arbeiten oder auf den Straßenstrich gehen ... kein Bordell nimmt dich in diesem Zustand auf. Wo willst du dein Kind lassen? Bei irgendeiner alten, versoffenen Vettel? Was für eine Zukunft hätte dein Kind unter diesen Umständen? Wird es ein Junge – nun, dann kann er sich als Dieb durchs Leben schlagen. Wird es ein Mädchen – dann verkaufst du bald ihre Jungfräulichkeit an den Höchstbietenden, denn deine Schönheit wird schnell verblühen. Deine Haut wird grau, dein Körper ausgemergelt und mit Geschwüren überdeckt sein. Ohne Zweifel wirst du an Syphilis sterben. Du wirst dauernd verprügelt werden, denn da draußen kannst du nicht ohne einen Zuhälter existieren, der dir jeden Penny abknöpft. Glaub mir, Ia, ich weiß, wovon ich spreche. Die Stadt ist für Menschen wie uns die Hölle, wenn wir nicht ein wenig Glück haben. Und heute hattest du ein Glück, dessen du dir nicht bewußt bist. Wirf es nicht weg.«
»Ich kann ja verstehen, daß ich mein Kind weggeben muß. Aber warum darf ich es nicht sehen?«
»Weil es zu weh tut, Ia. Es schmerzt entsetzlich, erleben zu müssen, daß das eigene Kind die Frau, die es großzieht, liebt und der eigenen Mutter vorzieht. Diese Leute, von denen ich sprach, sind respektable, anständige Menschen. Wie würdest du deinem Kind erklären, was du tust? Ich denke dabei an dich, Ia. Ich bin diesen Weg gegangen ...« Blossom holte ein Spitzentaschentuch aus der Tasche ihres Morgenrocks und schneuzte sich. »Ia, als ich aus Jamaika kam, passierte mir dasselbe wie dir ... ich habe mich verliebt, hatte den Kopf voller Träume und wurde schwanger. Ich habe mein Kind weggegeben und darauf bestanden, es besuchen zu dürfen. Nach jedem Besuch habe ich mir die Augen ausgeweint. Damals habe ich in einem Bordell gearbeitet, und weil ich dauernd verheult und unglücklich war, bin ich rausgeflogen. Es hat lange gedauert, bis ich wieder auf den Beinen war. Als ich es endlich geschafft hatte und erfolgreich war, habe ich meine Tochter wieder besucht – sie hat mir ins Gesicht gespuckt; Ia.«
Ia streckte mitfühlend die Hand nach Blossom aus.
»Es ist schon gut, Ia. Das war vor langer Zeit. Heute würde ich das Kind gebären, zu guten Pflegeeltern geben und es vergessen. In unserem Beruf gibt es keine andere Möglichkeit. Und außerdem«, sie straffte ihre Schultern, »ist es schlecht fürs Geschäft. Ich kann keine Mädchen gebrauchen, die traurig und deprimiert sind. Kinder und Bordelle vertragen sich nicht miteinander, das mußt du begreifen.«
»Ich werde es versuchen. Ich kann nicht versprechen, daß ich es schaffe.«
»Doch, das wirst du, Ia. Du hast Mut und bist vernünftig. Wenn du meinen Rat befolgst, wird es deinem Kind an nichts mangeln. Komm jetzt.« Sie nahm Ia bei der Hand, führte sie aus dem Salon und die Treppe hinauf. Sie öffnete die Tür eines Zimmers. »Das hätte deins sein können«, sagte sie. »Wenn alles vorbei ist, wirst du ein ähnliches beziehen.«
Ia war überwältigt von der Eleganz des Zimmers. In der Mitte stand ein großes Bett mit einem Baldachin aus Damast. Die Tapeten waren mit Pfauen bemalt. Die Vorhänge an den hohen Fenstern entsprachen dem Baldachin. Ihre Füße versanken in einem weichen gemusterten Teppich. »Komm«, befahl Blossom wieder, führte sie durch ein Ankleidezimmer mit angrenzendem Bad in einen kleinen, elegant möblierten Salon, dessen Fenstertüren auf einen Balkon hinausführten. In einem von Vorhängen eingerahmten Alkoven standen ein Eßtisch und eine samtbezogene Polsterbank. »Es gibt Kunden, die mit den Mädchen dinieren ,und sie zwischen den Gängen vernaschen wollen ... eine merkwürdige englische Angewohnheit. Jetzt zeige ich dir dein Zimmer.«
Sie stiegen zwei weitere Treppenabsätze ins Dachgeschoß hinauf. Als sie das Zimmer betraten, fiel Ia aus allen Wolken – es war mit weißen Möbeln ausgestattet, hatte hübsche blumige Vorhänge an den Fenstern, und den Boden bedeckte ein hellblauer Teppich.
»Das ist ein Zimmer für Dienstmädchen?« fragte sie ungläubig.
»Ich möchte, daß jeder, der für mich arbeitet, glücklich ist. Ich habe die Armut kennengelernt, Ia. Meine Mutter wurde als Sklavin geboren niemand, den ich einstelle, wird wie ein Sklave behandelt. Hier ist deine Uniform. Ich erwarte dich um ein Uhr unten. Unser Geschäft beginnt gegen zwei Uhr, wenn die Männer vom Lunch aus ihren Clubs kommen und ehe sie zu den nachmittäglichen Empfängen gehen. Auch nach diesen Empfängen blüht das Geschäft«, fügte Blossom lachend hinzu. »Die Damen der Gesellschaft sind unsere besten Verbündeten. Mit ihrem albernen Geflirte geilen sie die Männer auf, die ihren Frust dann bei uns abreagieren ... Eines der anderen Dienstmädchen wird dir erklären, was zu tun ist.«
Als Ia allein war, packte sie ihren Leinenbeutel aus. Sorgfältig stellte sie die azurblaue Schale auf die Kommode neben die Waschschüssel und den Wasserkrug. Dann setzte sie sich aufs Bett und sah sich um. Nie hätte sie sich träumen lassen, daß Dienstmädchen so leben konnten und Huren in einem derartigen Luxus schwelgten, wie sie ihn unten gesehen hatte. An diesem Luxus konnte sie teilhaben; wenn sie sich von ihrem Kind trennte. Würde sie es tun? Konnte sie es? Ia legte sich aufs Bett und starrte zur Decke. Zutiefst in ihrem Herzen hatte sie seit ihrer Flucht aus dem Waisenhaus immer geahnt, daß sie eines Tages diesen Weg einschlagen würde. Blossom hatte sie gefragt, ob sie sich vorstellen könne, als Hure zu arbeiten. Es war ihr gleichgültig. Wenn sie sich als Hurt einem Mann hingab, würde sie nichts dabei empfinden. Sie würde wie eine Schauspielerin agieren, ihre Bühne würde das Bett sein. Ia wußte, daß sie keine andere Wahl hatte. Was hatte ihr das Jahr als Küchenmädchen eingebracht? Rissige Hände, einen Balg im Bauch und einen Haß auf Männer. Mit einem wehmütigen Lächeln dachte sie an ihre Träume von Amerika. Dort hatte sie ihr Glück machen wollen. Was für ein Glück? Zweifelsohne hätte sie dort dasselbe Schicksal erwartet wie hier. Geld war der Schlüssel zu allem. Man mußte reich sein, um zu überleben und einen gewissen Wohlstand zu erreichen, der Sicherheit bot. Gott, wie sehne ich mich nach Sicherheit, dachte sie.
Aber sollte sie dafür ihr Kind aufgeben? Es lag viel Wahrheit in Blossoms Rat: Es wäre wohl das beste für mein Kind, wenn ich mich ganz von ihm trennte. Warum war Blossom zu einer Fremden derart freundlich? Was wird dafür von mir erwartet? überlegte la.