Burt beobachtete, wie der Verteidigungsminister und der CIA-Direktor den Lagebesprechungsraum verließen. Die beiden Männer ließen ihn allein mit der Präsidentin zurück.
Margaret klopfte mit den Fingernägeln auf den Tisch und musterte Burt mit nachdenklichem Blick.
Er vermochte nicht zu sagen, was ihr durch den Kopf ging. Aber es hatte einen Grund, warum sie ihn aufgefordert hatte, zu bleiben. Und ihre Gründe bedeuteten in der Regel, dass etwas Bedeutsames von ihm verlangt werden würde.
»Burt, wie Sie wissen«, sagte sie schließlich, »wird es demnächst blutig. Attentäter des früheren sowjetischen KGB haben in solchen Fällen wörtlich übersetzt von nassen Angelegenheiten gesprochen. Es gefällt mir zwar nicht, aber diese Arschlöcher versuchen, uns alle umzubringen. Und sie haben es vielleicht sogar schon geschafft. Eine zweite Chance gebe ich ihnen nicht. Ich hoffe, Sie können verstehen, warum ich die N35 zusammengerufen habe und wir diesen Stein ins Rollen bringen.«
Burt widerstrebte die Vorstellung, Menschen unnötig zu töten. Das würde ihn nachts wach halten. Zugleich jedoch verstand er, dass es manchmal ein größeres Wohl zu berücksichtigen galt. Diese Wahnsinnigen versuchten genauso verzweifelt, das Ende der Welt herbeizuführen, wie er hoffte, sie zu retten. »Madam ... äh, Margaret, ich habe vielleicht nie in einem Krieg gekämpft wie Sie, aber ich verstehe das vollkommen. Auch wenn ich mir das bevorstehende Blutvergießen gar nicht vorstellen will, ist mir klar, dass es immer Kollateralschäden gibt, wenn Chaos herrscht. Ich weiß, dass Sie so handeln müssen. Es stimmt mich traurig, dass es so weit kommen muss, aber glauben Sie mir, ich verstehe es.«
Margaret schürzte die Lippen, während sie ihn eindringlich anstarrte. »Etwas wollte ich Sie noch fragen. Ich habe Nachforschungen angestellt und weiß, dass Sie Angehörige in Kalifornien haben. Nicht in einer Evakuierungszone, aber wenn Sie sich dadurch besser fühlen, kann ich veranlassen, dass sie mit uns in die Anlage im Cheyenne Mountain gebracht werden. Dorthin zieht sich der Großteil unserer Regierung zurück.«
Überrumpelt dachte Burt an die Zwillinge, seinen Bruder und seine Schwägerin. Durch den Ausdruck in Margarets Gesicht sah er einen Moment lang nicht die abgebrühte Präsidentin oder hartgesottene ehemalige Soldatin vor sich, sondern eine warmherzige, fürsorgliche Mutter und Freundin. Er blinzelte heftig, als ihm der Gedanke kam, dass sie sich weit aus dem Fenster lehnte, um Menschen zu schützen, die ihm am Herzen lagen.
Burt holte zur Beruhigung tief Luft und lächelte. »Danke, dass Sie überhaupt daran denken. Wenn es Ihnen recht ist, rede ich mit meinem Bruder und gebe Ihnen Bescheid. Er sollte entscheiden, was am besten für seine Familie ist.«
Margaret nickte ernst. Einige Herzschläge lang schweifte ihr Blick umher. »Burt, ich muss gleich etwas von Ihnen verlangen, von dem ich weiß, dass Sie es abstoßend finden werden.« Als sie ihm in die Augen sah, spürte Burt die Anspannung, die von der Präsidentin ausging. Sie meinte es todernst. »Ich werde eine Evakuierung aller Mondbasen einleiten. Dafür schicke ich einen Trupp der Spezialeinheiten in voller Gefechtsausrüstung hin. Die Soldaten sollen alle Bergleute, Wartungsmannschaften und sonstigen Personen dort durchsuchen und zurück auf die Erde schicken. Und ich möchte, dass Sie die Männer begleiten.«
Burts Mund klappte auf, und sein Herzschlag beschleunigte sich. Sein Verstand überschlug sich. »Ich bin kein Soldat, und ich bin nie auf dem Mond gewesen. Wieso um alles in der Welt wollen Sie mich da oben haben?«
»Ich schicke Sie nicht als Soldaten hin, sondern als einen der herausragendsten Informatiker, die wir haben. Ich habe Ihre Akte gelesen und mit Dr. Patel gesprochen. Allem Anschein nach ist der Mond voll funktionsfähig und kann mit der gleichen Methode bewegt werden, die Dr. Holmes für die Erde geplant hat. Burt, wir dürfen nicht riskieren, dass einer dieser Wahnsinnigen Zugang zu den Kontrollsystemen auf dem Mond erlangt. Wir können uns nicht sicher sein, ob sie den Mond infiltriert haben oder nicht. Deshalb ziehe ich alle von dort ab. Zusätzlich möchte ich, dass Sie mit zwei Zielvorgaben mitreisen.«
Margaret zeigte mit einem Finger auf ihn, um ihren Standpunkt zu unterstreichen. »Zuerst möchte ich, dass Sie den Fernzugriff so absichern, dass es unmöglich wird, die Systemparameter von hier unten aus zu überschreiben. Ich weiß, dass künstliche Intelligenz Ihr Spezialgebiet war. Aber nach dem Vorfall in Los Angeles haben Sie Dutzende Abhandlungen über Computersicherheit geschrieben. Dr. Patel hat mir versichert, dass Sie revolutioniert hätten, wie wir mit Computern interagieren, wenn Sie bei dem Fachgebiet geblieben wären, statt es in Ihrer Vergangenheit zu begraben. Ich bin geneigt, ihr zu glauben.«
Burt öffnete den Mund, um Einspruch zu erheben, aber Margaret brachte ihn mit einem warnenden Blick und einem Kopfschütteln zum Schweigen.
»Kein Widerspruch. Wenn es Holmes durch irgendein Wunder gelingt, unser Energieproblem zu lösen, dürfen wir nicht riskieren, dass irgendein verrückter Hacker den Mond ferngesteuert auf uns krachen lässt.
Und falls es Holmes nicht gelingt und die Erde dem Untergang geweiht ist, will ich den Mond als Rettungskapsel zur Verfügung haben. Das geht weit über meine Verantwortung als Präsidentin der Vereinigten Staaten hinaus. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Menschheit ausstirbt. Nicht, solange es eine verfügbare Option gibt. Dort oben ist genug Platz, um mehrere Hundert Menschen unterzubringen, die sich selbst versorgen können. Sie werden einer dieser Menschen sein.«
»Warum ich? Dafür würde man doch jemand Jüngeren wollen, oder jemanden mit Kindern oder ...«
»Nein.« Margaret schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Ich brauche Sie dort, weil ich nicht dort sein werde. Ich habe bereits entschieden, dass ich keinen Platz auf dem Mond einnehmen werde, solange ich die Verantwortung habe. Das steht fest. Sie werden mein Bevollmächtigter sein.« Die Präsidentin beugte sich näher und deutete zur Decke. »Die Menschen da oben ... sie werden einen Anführer brauchen. Und Sie haben etwas Unerschütterliches an sich, das Sie als Führungspersönlichkeit kennzeichnet. Dr. Patel mag Ihre akademischen Errungenschaften bewundern, aber ich habe Sie in den letzten Monaten beobachtet. Für mich besteht kein Zweifel daran, dass Sie ein geborener Anführer sind. Sie machen sich keine Feinde, und Sie setzen rücksichtsvoll, aber mit Nachdruck um, was richtig ist und getan werden muss. Burt, wenn alles den Bach runtergeht, brauche ich Sie da oben als Kapitän für das Schiff.«
Die sonst so ernste Haltung der Präsidentin wurde milder. Einen Moment lang schaute sie besorgt drein. »Bitte sagen Sie zu.«
Burt starrte die Präsidentin an. Er wusste nicht, was er erwidern sollte. Der Gedanke, für die letzten Überreste der Erdbevölkerung verantwortlich zu sein, überstieg beinah seine Vorstellungskraft. Aber etwas an der aufrichtigen Bitte der Präsidentin stärkte seine Entschlossenheit. Zögerlich nickte er.
»Ich mache es.«
* * *
Um 5:00 Uhr morgens stand Stryker auf der neun Meter hohen Betonmauer Wache, die das Indian Point Energy Center umgab.
Eine kühle Brise wehte von Süden über den Hudson River und trug den Geruch des Ufers herüber.
Stryker drehte sich nach Süden und schaute in die Dunkelheit vor der Morgendämmerung auf. Ein Gefühl von Ehrfurcht überkam ihn, als er das schimmernde weiß-blaue Lichtband über dem südlichen Horizont erspähte. Ein sichtbares Zeichen von DefenseNet.
Sergeant Gutierrez, einer der Männer, die mit ihm Wache hielten, meinte: »Unglaublich, oder? Kommt einem unwirklich vor.«
Stryker nickte, als der surreale Anblick jahrealte Erinnerungen aus seinem Gedächtnis aufsteigen ließ. »Erinnert mich daran, wie ich als Kind im Sommer 45 ’ne totale Sonnenfinsternis erlebt habe. Ich weiß es noch, als wär’s gestern gewesen. Wie gebannt hab ich raufgestarrt, als es total finster geworden ist.
Die Sonne wurde dunkel, und da war nur noch dieser Lichtkranz außen rum. Damals hab ich mich gefragt, was wohl die Menschen der Antike bei dem Anblick gedacht haben. Das muss sie total umgehauen haben.«
Der Sergeant schnaubte in der zwielichtigen Dämmerung des frühen Morgens. »Scheiße, Lieutenant. Ich seh zu, wie dieses Lichtband von Horizont zu Horizont wandert, und obwohl ich weiß, was es ist, kapier ich’s nicht.«
Mit einem Nachtsichtfernglas ließ Stryker den Blick über den vier Kilometer breiten Umkreis wandern und bemerkte den schwachen Schein entlang des Horizonts. Er und das fehlende Zirpen der Grillen bildeten ein sicheres Zeichen dafür, dass die Morgendämmerung unmittelbar bevorstand.
Der mit ihm wachhabende Sergeant trat nervös von einem Bein aufs andere, als auch er durch ein Fernglas schaute. »Sir, ist die vollständige Evakuierung der Menschen von der Küste abgeschlossen?«
Stryker drehte sich ihm zu und runzelte die Stirn. »Haben Sie Bewegung gesichtet?«
»Bin mir nicht sicher. Vielleicht nur Rehe, die vom Waldrand über den Fluss gerannt sind.«
»Also, die Küstenevakuierung wurde gestern um 1800 abgeschlossen. Alle Zivilisten im Umkreis von 75 Kilometern wurden ins Landesinnere gebracht. Da draußen sollte niemand mehr sein. Halten Sie weiter die Augen offen.«
»Verstanden.«
Strykers Zug von Militärpolizisten war zusammen mit zwei Trupps von Army Rangers vor dem Atomkraftwerk stationiert. Man hatte Mitglieder des Technikerkorps der Armee für den Betrieb der Anlage hergeholt.
Stryker hatte keine Informationen darüber, warum es an dem Ort von Soldaten wimmelte. Er wusste nur, dass es sich um eines der Kraftwerke handelte, die Energie in das Stromnetz von DefenseNet speisten.
Plötzlich wurde einer der Bewegungssensoren ausgelöst, und der nahe Scheinwerfer an der Mauer schwenkte langsam über die Landschaft im Westen.
Das Licht erfasste einen großen Hirsch, der zurück in den Wald preschte.
Strykers Funkgerät piepte mit einer eingehenden Übertragung. Er tippte an seinen Ohrstöpsel.
»Indian Point, hier Major Carl Simpson von der Luftunterstützung im Nordost-Quadranten. Wir haben motorisierte Bewegung entdeckt, die sich Ihrem Gebiet nähert. Sieht nach einem großen Lkw-Konvoi vier Kilometer südwestlich Ihres Standorts aus. Unterwegs in Ihre Richtung. Over.«
Stryker sträubten sich die Nackenhaare, als er das Fernglas nach Südwesten schwenkte. Dort lag stark bewaldetes Gebiet, durch das sich eine Straße schlängelte. »Verstanden, Luftunterstützung. Danke für die Vorwarnung.«
Er wechselte die Kanäle, und seine Stimme wurde zu mehreren strategischen Positionen übertragen, die sich über die Anlage verteilten.
»Achtung, Achtung. Unbekannte nähern sich aus Südwesten mit Fahrzeugen.«
Stryker warf einen Blick zu Sergeant Gutierrez. Obwohl sie das Tor im Westen bemannten, zeigte er zur Schalttafel. »Alle Scheinwerfer einschalten. Sorgen Sie dafür, dass nichts unbemerkt vorbeikommt.«
Bevor Gutierrez reagieren konnte, hastete Stryker die Treppe hinunter und rannte quer über das Kraftwerksgelände zur südwestlichen Zufahrt.
Überall in der Anlage blinkten rote Lichter, während Soldaten, die dienstfrei gehabt hatten, zu ihren jeweiligen Positionen eilten.
Stryker tippte auf den Ohrstöpsel seines Funkgeräts und rief: »Südwesttor, Bericht.«
Er empfing nur Schweigen, während er den knappen Kilometer rannte.
»Südwesttor, Statusbericht!«
Irgendwo in der Ferne wurden Schüsse abgefeuert.
Ein Schauder raste durch Stryker, als er einen Sprint einlegte.
Über den Notfallkanal rief eine Stimme: »Verdammt, wer öffnet denn da das Südwesttor?«
Als er an einem der Reaktorgebäude vorbeilief, sah er, wie das schwer mit Metall verstärkte Tor aufschwang.
Etwas schwirrte knapp an seinem Ohr vorbei. Stryker hechtete hinter einem nahen Müllcontainer in Deckung.
Dreiersalven aus automatischen Waffen folgten ihm. Projektile schlugen laut in den Stahlcontainer ein, hinter den er sich geduckt hatte.
Stryker lud seine Waffe durch und schaute zur Oberkante des Schutzwalls hinauf. Als er durch das Zielfernrohr seines Gewehrs spähte, stieg sengende Wut in ihm auf.
Der Schütze war einer seiner Männer.
Regungslos neben dem Angreifer lag ein anderer Militärpolizist. Stryker zuckte zusammen, als der Soldat in eine andere Richtung zielte und einen Schuss abfeuerte.
Das Sicherheitstor rastete in der offenen Position ein.
Das Herz drohte Stryker aus der Brust zu springen, als er seine Waffe auf den Angreifer auf der neun Meter hohen Mauer schwenkte.
Er richtete das Fadenkreuz auf sein Ziel aus und konzentrierte sich auf seine Atmung.
Während Adrenalin durch seine Blutbahnen raste, holte er tief Luft, hielt sie an und drückte den Abzug.
Er stieß den Atem aus, als der Kopf des Mannes nach hinten geschleudert wurde.
Ein Volltreffer.
Stryker sprang auf, rannte zur Treppe am Fuß des Tors und tippte auf seine Ohrstöpsel. »Wir brauchen am südwestlichen Tor MANPATS! Sofort!«
Keuchend rannte er die Treppe zwei Stufen auf einmal hinauf zur Torsteuerung. Sein Magen krampfte sich zusammen, als er das Chaos des Bedienfelds sah.
Jemand hatte eine Kugel hineingejagt.
Ein anderer Soldat kam die Treppe herauf und sagte: »Sir, das Tor ... Oh Scheiße! Warten Sie, lassen Sie mich ran. Ich denke, ich kann die Steuerung überbrücken.«
Stryker trat zurück, als der Mann die Abdeckung wegriss und ein Gewirr von Drähten freilegte.
Nur drei Meter entfernt lagen zwei Tote in Uniformen der Militärpolizei. Einer ein Patriot, der andere ein Verräter.
Stryker kniete sich neben den Mann, den er erschießen musste. Er zog ein Messer von seinem Gürtel und schlitzte die Jacke und das Unterhemd des Toten auf.
Angewidert verzog er die Lippen, als er eine Tätowierung in Form einer Sanduhr auf der linken Seite der Brust entdeckte.
Dasselbe Symbol, das er im Bundesstaat Washington gesehen hatte.
Kalte Beklommenheit überkam ihn, als er den Blick über die anderen Soldaten um ihn herum wandern ließ.
Gab es noch mehr?
Ein Mann auf der Mauer spähte durch ein Fernglas und meldete: »Sir, wir kriegen Besuch!«
Jemand feuerte eine Leuchtfackel nach Südwesten ab. Sie warf einen Schein wie bei Vollmond über das Feld und die Fahrbahn.
Entlang der Umzäunung des Kraftwerks montierte Lautsprecher übertrugen wiederholt: »Sie haben ein militärisches Sperrgebiet betreten. Kommen Sie nicht näher, oder wir eröffnen das Feuer auf Sie.«
Zwei Ranger eilten die Treppe herauf. Sie trugen lange Rohre, die Stryker als die neueste Version der tragbaren Panzerabwehrwaffe Carl Gustaf der Army erkannte.
Stryker hob das Gewehr an, spähte durch die Zielvorrichtung und beobachtete, wie ein großer Lastwagen auf sie zugerast kam.
Einer der Rangers mit der Panzerfaust wandte sich an ihn. »Sir, es nähern sich mehrere Fahrzeuge.«
Ein großer Funke stob von der Steuerung des Tors auf. Der Militärpolizist dort rief: »Geschafft! Sir, ich habe den Steuerkreis kurzgeschlossen.«
Das schwere Metalltor begann, sich knarrend zu schließen.
»Ausgezeichnet, Corporal.«
»Sir«, warf ein Ranger ein. »Wir haben die Ziele gekennzeichnet. Bitte um Erlaubnis, einen Luftangriff anzufordern.«
»Erteilt.«
Stryker wechselte den Funkkanal und hörte, wie einer der Rangers auf der anderen Seite des Tors die Zentrale für Luftunterstützung kontaktierte.
»An alle Stationen, hier Indian 5 Actual, brauchen Unterstützung. Over.«
Nach einem kurzen Knistern dröhnte eine Stimme durch seinen Ohrstöpsel.
»Indian 5 Actual, hier Hawkeye 8, übertragen Sie. Over.«
»Hawkeye 8, erbitten Luftunterstützung. Haben begrenzten Vorrat an MANPATS und mehrere eintreffende Ziele. Wir haben sie auf dem Feld markiert und wären dankbar für Unterstützung.«
»Roger, Indian, wir schicken Ihnen ein paar Jets. Geschätzte Ankunft in elf Minuten.«
Als sich das Tor mit einem lauten, metallischen Scheppern schloss, wechselte Stryker erneut den Kanal. »Feuern nach Ermessen.«
Eine weitere Leuchtfackel raste in den Himmel, und als Stryker durch das Zielfernrohr seiner Waffe spähte, wurden Details des Lastwagens deutlicher.
Es handelte sich um einen Sattelschlepper. Niemand schien am Steuer zu sitzen.
Ferngesteuert?
Nervöse Energie durchzuckte ihn, als der Laster die Ein-Kilometer-Markierung am Straßenrand passierte.
Er schwenkte weiter weg und sichtete weitere Fahrzeuge in der Ferne. Stryker warf dem Ranger einen Seitenblick zu. »Schalten Sie den Sattelschlepper aus. Die anderen halten sich aus irgendeinem Grund zurück.«
»Ja, Sir.« Der Ranger rückte sein Mikrofon zurecht und rief: »Nicht schießen, bevor das erste Ziel die 500-Meter-Marke überquert. Quiñones, du schießt als Erster. Wenn’s daneben geht, ist Jenkins dran, und wenn noch was übrig ist, schieße ich.«
Fast sofort schnellte eine Flamme aus einer der Panzerbüchsen auf der anderen Seite des Tors.
Eine Explosion erschütterte die Erde knapp hinter dem Lastwagen.
Verfehlt.
»Feuer!«, rief jemand.
Sechs Meter rechts von Stryker wurde ein weiteres Geschoss gestartet.
Die erschütternde Wucht fuhr ihm in die Brust, als die Granate auf ihr Ziel zuraste.
Der Lastwagen explodierte mit einem Ausbruch von weiß gleißendem Licht.
Obwohl Stryker die Augen zugekniffen hatte, empfand er es als unerträglich grell.
Gleich darauf riss ihn die Schockwelle beinah von den Beinen.
Stryker grunzte überrascht, als ihm die Hitze des Feuerballs die Augenbrauen versengte. Einen Moment lang fragte er sich, ob der Lastwagen eine Atombombe geladen hatte.
Immerhin hatte sich das verfluchte Ding noch mehrere Hundert Meter entfernt befunden.
Durch das Klingeln in seinen Ohren hörte Stryker, wie Sergeants ihren Männern Befehle zubrüllten. Er schüttelte den Kopf und spähte über das Feld, während Trümmer über die Anlage niedergingen.
Ein Ranger richtete sich taumelnd aus seiner Schussposition auf. »Heilige Scheiße! Das Ding muss randvoll mit C4 oder so gewesen sein.«
Blinzelnd versuchte Stryker, das Nachbild des Feuerballs aus dem Sichtfeld zu bekommen. Das Licht war so grell gewesen, dass er sich fragte, ob es seine Augen geschädigt haben könnte.
Er richtete die Waffe dorthin, wo sich der Lastwagen befunden hatte. Als er durch die Optik des Zielfernrohrs spähte, fiel ihm die Kinnlade runter.
Wo er den Sattelschlepper zuletzt gesehen hatte, klaffte ein Krater mit einem Durchmesser von fast fünf Metern.
»Sir, einer der Lastwagen knapp außerhalb der Absperrung hat sich von den anderen gelöst und beschleunigt in unsere Richtung. Wir haben nur noch fünf Geschosse für die Gustafs.«
Stryker schwenkte den Blick und versuchte, die Einzelheiten der nahenden Gefahr auszumachen. »Wieder ein Sattelschlepper?«
»Ja, Sir. Und es sieht so aus, als wären es noch drei.«
»Scheiße, was wollen die erreichen?«, murmelte Stryker bei sich.
Er schaute über die Schulter zum nächstgelegenen Reaktorgebäude.
Wäre das Tor offen gewesen und der Lkw in das Gebäude gerast ...
Er wechselte den Kanal seines Funkgeräts. »Hawkeye 8, hier Indian 5, wir werden angegriffen. Ich wiederhole, das Indian Point Atomkraftwerk wird angegriffen. Wir brauchen diese Jets.«
Sekunden vergingen. Die Männer eilten in Stellung und luden die Panzerabwehrwaffen nach.
»Roger, Indian 5, es sind schnelle Maschinen unterwegs zu ihnen. Überschall. Sie brauchen noch fünf Minuten. Over.«
Stryker presste die Lippen zusammen und atmete tief durch die Nase, während er sich konzentrierte. Fünf Minuten.
Er wechselte zurück auf den lokalen Kanal und verkündete mit lauter Stimme: »Leute, noch fünf Minuten, bevor die Luftunterstützung eintrifft. Rangers, sorgt dafür, dass wir klug nutzen, was wir noch an Munition haben.«
»Gutierrez, haben wir Raketenwerfer hier?«
»Sir, ich sehe nach.«
Stryker spähte erneut durch die Optik seines Zielfernrohrs und beobachtete, wie der nächste Lastwagen die Ein-Kilometer-Marke passierte. Ein anderer hielt gut 500 Meter dahinter auf sie zu.
»Beeilen Sie sich lieber, wir werden sie brauchen.«