21 · Gabriel

Wenn Tovo den Arm um die Hüfte einer größeren Frau legte, wirkte er wie ein statisches Element, ein Stützbogen vielleicht, ohne den das gesamte Gebäude eingestürzt wäre. Er hatte es nicht nötig, sich zu strecken, und er versuchte nie, sich größer zu machen, als er war. Er trug keinen Hut, und während sich Gustavo, der um einiges größer war als sein Sohn, unter jedes neu gekaufte Paar Schuhe doppelte Sohlen nähen ließ, trug Tovo flache Captoes, die er polieren ließ, bis sie ebenso schwarz und glänzend waren wie sein Haar.

Jeden Morgen gegen halb zehn ging er in die Alfaiate zum Friseur und hielt Hof. Während er auf dem Stuhl saß, den süßen, starken Kaffee trank und sich rasieren ließ, drifteten Männer herein, sprachen mit ihm und verabschiedeten sich wieder. Tovo saß da auf seinem Thron und koordinierte seine Geschäfte, er besprach sich durch den Spiegel mit seinen Freunden und frühstückte Biscoitos und frische Feigen, und es war, als würde er von diesem Thron aus die ganze Stadt regieren. Jeder wollte etwas von ihm, jeder wollte vom Glanz dieses Mannes profitieren, der das beste Restaurant der Stadt führte, seinen eigenen schwimmenden Palast.

Tovo hatte es geschafft. Er war mit Anfang zwanzig aus dem Schatten der Familie herausgetreten. Er kannte alle, die in der Stadt etwas zählten. Abends stand er strahlend an der Gangway und begrüßte mit kräftigem Handschlag seine Gäste. Er küsste die Wangen der Frauen, die sich ein wenig zu ihm hinabbeugten, es war, als würde er jeder etwas zuhauchen, ein Wort oder einen Satz, der nur für sie bestimmt war. Tovo war kein gutaussehender Mann – seine Brauen waren etwas zu dicht, die Stirn ein wenig zu tief, der Kopf saß unglücklich auf breiten, kräftigen Schultern wie der eines Boxers, der es gewohnt war, zu größeren Gegnern aufzuschauen. Aber er besaß eine magische, beinahe animalische Anziehungskraft und ein Selbstbewusstsein, für das ihn Gabriel zutiefst bewunderte.

Später, während des Studiums, ging Gabriel manchmal mit Freunden auf die Jasmin, um seinen Bruder zu beobachten und von ihm zu lernen. Er ließ eine große Tafel am Rand des Saals reservieren und setzte sich so, dass er seinen Bruder im Blick behalten konnte. Tovo glitt von Tisch zu Tisch und gab jedem das Gefühl, der wichtigste, vielleicht sogar der einzige Gast des Abends zu sein. Er dirigierte die Kellner, schickte Petiscos und Champagner, und wenn er sich zu einer Frau hinabbeugte, um ihr den Namen einer seltenen Meeresfrucht ins Ohr zu hauchen, die nicht auf der Karte stand, stützte er die Hand auf die Stuhllehne, dass es sie im freien Rücken leise kitzelte.

Montags, wenn die Jasmin für das Publikum geschlossen war, verwöhnte Tovo seine wechselnden Freundinnen in einem der Separees. Ein einziger Koch, dem er vertraute, bereitete ein Essen vor, das spät am Abend, manchmal erst nach Mitternacht, auf einem Dutzend winziger Teller hereingetragen wurde. Er nutzte diese Gelegenheiten, um neue Gerichte zu testen und Wein und Champagner zu verkosten, er ließ experimentieren, er ließ spielen und überraschen. Am Ende schickte er den Kellner nach Hause und beugte sich über den Nachtisch, den er sich selbst bereitet hatte.

Tovo liebte es, sich Gabriel gegenüber großzügig zu zeigen, und er gewährte seinem Bruder Einblicke zumindest in einen Teil seiner Aktivitäten. Er zeigte ihm die glänzende Seite seines Lebens, weihte ihn in Geheimnisse ein, ließ ihn teilhaben. Wenn er ihn bei seinen Freunden einführte, schien es manchmal wie ein Versuch, Gabriel, der einen ganzen Kopf größer, der ernsthafter und intelligenter war, zu vereinnahmen. Beide Brüder scheuten den Vergleich mit dem anderen, aber während sich Gabriel beobachtend zurückhielt, zog Tovo ihn an sich, umarmte und erdrückte ihn mit seiner Freundlichkeit.

Gabriel absolvierte ohne große Anstrengung sein Studium, das ihn darauf vorbereiten sollte, eines Tages das Hotelgeschäft zu übernehmen. Er engagierte sich in der Politik und im Jachtclub und segelte mit seinem Contender erfolgreich Regatten, und wenn er auf den vorderen Plätzen über die Ziellinie lief, einmal kraftvoll die Faust in den Himmel reckte und sich aus dem Trapez ins Wasser fallen ließ, war es Tovo, der an Land am lautesten jubelte. Er klopfte dem Veranstalter auf die Schulter, schnappte sich, ohne seinen Bruder zu fragen, die Trophäe und stellte sie im Saal des Restaurantschiffs aus. Am Abend wurde der Sieg begossen, und Tovo und seine Freunde feierten bis in die frühen Morgenstunden, sie feierten noch, als sich Gabriel längst in die Wohnung hinter der goldenen Fassade des Majestic zurückgezogen hatte, um seinen Muskelkater zu kurieren.