Am Gästesteg von Miwoki lagen außer der Stardust noch einige weitere Fahrtenjachten, deren Eigner, allesamt Paare, sich abends, wenn die letzten Touristen ihre Rechnungen bezahlt hatten und in ihre Ferienhäuser zurückgekehrt waren, im Hafenrestaurant versammelten. Das Restaurant befand sich auf der zweiten Etage eines pilzförmigen, von einer einzigen Säule getragenen Gebäudes, gleich unter dem nach allen Seiten verglasten Kontrollturm des Hafenmeisters. Wenn Gabriel gegen zehn oder halb elf an die Bar trat, wurde er von den Paaren, die sich bereits auf ihren Hockern eingerichtet hatten, höhnisch begrüßt. ›Da kommt er ja, unser junger Einhandsegler! Wie war die Dosenwurst? Hast du heute schon gesprochen? Was machst du denn eigentlich alles mit deiner einen Hand?‹ Es war, als suchten sie förmlich nach Gründen, um ihn zu bemitleiden. Gegen Ende des Abends allerdings, wenn sie ihn mit gläsernem Blick betrachteten, hörte er ihre Gedanken flüstern: Was machst du eigentlich mit deiner ganzen Freiheit?
Sie saßen an der Bar und tranken, während die Kellnerin aufräumte, Servietten faltete und das Restaurant für den Mittagstisch vorbereitete. Erst wenn der Chef die Kasse leerte und die Bar schloss, gingen alle gemeinsam hinaus. Manchmal standen sie noch eine Weile auf der Straße, redeten und verabschiedeten sich. Schließlich schlenderten die Segler zu ihren Booten, der Chef stieg in seinen Geländewagen, die Kellnerin steckte die Hände in die Taschen ihres Sommerkleids und verschwand in der Dunkelheit.
Der Weg vom Restaurant hinab zur Straße führte über eine in einem seltsamen Winkel angelegte Außentreppe, sie hing unter dem kopflastigen Gebäude wie ein gebrochener Arm. Eines Abends, er war schon seit beinahe zwei Wochen in Miwoki, stolperte hinter Gabriel die Kellnerin, sie stützte sich auf seine Schultern und fing sich ab. Er lachte, nahm ihre Hand und schleppte sie wie einen Sack Kartoffeln die Treppe hinunter. Sie setzten sich auf die Stufen, und sie zeigte ihm die gelöste Sohle ihres Espadrilles.
»Gut, dass du so ein Riese bist. Sonst wäre ich wahrscheinlich runtergekracht.«
»Sag mal, Julia oder Rita, seid ihr eigentlich Zwillingsschwestern?« Er hatte beobachtet, dass sie sich den Job teilten, sie schienen sich abzuwechseln, aber ganz sicher war er nicht.
»Du trinkst zu viel.«
»Du meinst, ich sehe doppelt?«
»Nein, ich meine, du trinkst zu viel.«
»Ich bin Einhandsegler, was soll ich machen? Ich trinke übrigens nur im Hafen.«
»Wie auch immer. Ich bin übrigens Julia. Rita ist die andere. Die Gewissenhafte.«
Drei Tage später waren sie bereit abzulegen. Julia hatte die Frage des Proviants überhaupt nicht ernst genommen. »Ich brauche nicht viel«, hatte sie gesagt. »Vielleicht Nudeln?« Gabriel hatte das so gewertet, dass sie auch die Überfahrt, ihre Dauer und damit auch die Dauer und Intensität ihrer erzwungenen Zweisamkeit krass unterschätzte. Gabriel stand kurz davor, sie wieder auszuladen, und er fragte sie in diesen Tagen hundertmal, ob sie wirklich bereit sei für diese Reise.
»Zwei, drei Monate, vielleicht länger. Nur mit mir. Bist du sicher?«
»Klar«, antwortete sie.
Er mochte diese junge, tatsächlich wunderschöne Frau, die sich barfuß und geschmeidig über das Deck bewegte, er mochte ihre schmalen Fesseln mit den leise klickernden Fußkettchen, ihren freien Geist, ihre Spontaneität und Abenteuerlust. Die jugendliche Unbekümmertheit, die sie bei den Vorbereitungen an den Tag legte, verstörte ihn und zog ihn gleichzeitig an.
»Hast du dir überlegt, was du an Kleidung brauchst?«, fragte er.
»Hm, du meinst, außer dem Badeanzug? Kann ich mein Kleid unterwegs auswaschen? In einem Eimer oder so?«
Gabriel kaufte ihr einen Regenanzug und zwei Paar Bordschuhe. Das Übrige schrieb er auf eine Liste und sagte, sie solle erst wiederkommen, wenn sie alles besorgt hätte. »Ein Seesack! Keinen Koffer!« Er spülte den Wassertank aus, füllte ihn bis zum Rand und ließ einen ganzen Lieferwagen mit Proviant kommen.
Bis die Stardust, die eingezwängt im Päckchen lag, sich vom Steg lösen konnte, mussten drei andere Jachten bewegt werden. Das Schiff lag tief und wirkte träge. Drei Pärchen winkten und sahen ihnen verwundert hinterher. Julia stand im Badeanzug auf dem warmen Teakdeck und winkte zurück.