Piper starrte auf die Packung mit dem Rinderhackfleisch und versuchte, den Mut aufzubringen, es mit bloßen Händen anzufassen. «Ich kann nicht glauben, dass Fleisch wie Hirn aussieht, bevor es gebraten wird. Ist das allgemein bekannt?»
Hannah stellte sich hinter ihre Schwester und stützte ihr Kinn auf Pipers Schulter. «Du musst das nicht tun, weißt du?»
Piper dachte an Brendans selbstgefälliges Gesicht. «Oh doch, muss ich.» Sie seufzte und stupste die rote Masse mit dem Zeigefinger an. «Selbst wenn wir einen Weg finden, unser Budget so zu strecken, dass wir jeden Abend Essen bestellen können, sollten wir lernen, für uns selbst eine Mahlzeit zu kochen.» Piper ging unruhig auf und ab, schüttelte ihre Handgelenke aus und atmete tief durch. «Ich bin die große Schwester, und ich werde dafür sorgen, dass du ordentlich ernährt wirst. Außerdem hast du die Höllen-Toilette geputzt. Du hast dir ein Abendessen verdient und solltest meiner Meinung nach heiliggesprochen werden.»
Piper spürte, wie ihre Schwester sich schüttelte. «Da kann ich nicht widersprechen. Da waren Flecken, die noch aus der Zeit der Carter-Regierung stammen mussten.»
Nach ihrem Termin war Hannah in den Baumarkt gestolpert, um Reinigungsmittel zu besorgen. In einem Vorratsschrank unten in der Bar hatten sie einen Besen, eine Kehrschaufel und ein paar Lappen gefunden, aber das war alles. Sie waren also gezwungen gewesen, einen Teil ihres Budgets für Bleichmittel, einen Mopp, einen Eimer, Papiertücher, Schwämme, Reinigungsmittel und Stahlwolle zum Zustopfen der Mäuselöcher auszugeben. Alle acht Löcher. Als sie das Etagenbett von der Wand weggezogen hatten, hatte der untere Teil der Wand ausgesehen wie ein Schweizer Käse.
Seit dem Nachmittag hatten sie geputzt, und die Wohnung sah, obwohl es immer noch recht schmuddelig war, schon viel besser aus. Piper stellte mit Genugtuung fest, dass sie offensichtlich bereits Fortschritte gemacht hatte. Immerhin war sie Teil einer Verschönerungsaktion gewesen, die nichts mit Make-up zu tun hatte oder Arbeit mit einem Fitness-Coach erforderte.
Nicht dass sie sich an das Putzen gewöhnen wollte. Aber trotzdem.
Es roch jetzt nach Zitronen anstatt nach verrottendem Müll, und dafür waren die Bellinger-Schwestern aus Bel-Air verantwortlich. Zu Hause würde das niemand glauben. Ihre Kosmetikerin, die für Pipers Maniküre zuständig war, würde in Ohnmacht fallen, wenn sie den abgeplatzten Lack auf ihren Fingernägeln sehen könnte. Sobald sie sich ein wenig eingewöhnt hatten, stand die Suche nach einem Friseursalon, der Haare, Nägel und Waxing anbot, ganz oben auf der Liste.
Aber zuerst das Abendessen.
Beim Anblick der aufgereihten Zutaten musste Piper an ihren spontanen morgendlichen Einkaufsbummel mit Brendan denken. Gott, war der selbstgefällig gewesen. Bis sie von seiner verstorbenen Frau gesprochen hatte. Da hatte er regelrecht verzweifelt gewirkt. Wie lange die Frau wohl schon nicht mehr lebte?
Wenn Brendan noch seinen Ehering trug, war das sicher erst vor Kurzem passiert. Und dann wäre seine Gewitterwolken-Laune verständlich.
Trotz Pipers Abneigung gegen den stämmigen, bärtigen Fischer war er ihr auch irgendwie sympathisch. Vielleicht könnten sie sich so weit annähern, dass sie sich auf der Straße lächelnd begrüßten, solange sie in Westport war.
Wenn das Leben in Los Angeles Piper eine Sache gelehrt hatte, dann war es, wie man sich Feinde machte. Bei ihrer nächsten Begegnung würde sie Brendan gerne sagen, dass sie das Essen prima hingekriegt hatte und zu Soufflés und Coq au Vin übergegangen war. Vielleicht war das Kochen ja ihre unentdeckte Berufung.
Piper schaltete die vordere Platte des Gasherdes ein und hielt den Atem an, als es klickte. Und dann klickte es noch etwas mehr. Und plötzlich schossen Flammen um die Pfanne herum auf. Sie schrie auf und stolperte rückwärts in ihre Schwester, die sie zum Glück auffing.
«Vielleicht solltest du dein Haar zurückbinden?», schlug Hannah vor. «Ein paar Finger zu opfern, wäre zu verschmerzen, aber wir wollen doch deine Beach Waves nicht riskieren.»
«Oh mein Gott, du hast ja so recht.» Piper atmete tief durch, riss sich das schwarze Band vom Handgelenk und machte sich einen ordentlichen Pferdeschwanz. «Gut mitgedacht, Hanns.»
«Kein Problem.»
«Okay, ich werde es einfach tun», sagte Piper und hielt die gespreizten Finger über das Rindfleisch. «Er hat gesagt, ich soll es in der Pfanne braten, bis es braun wird. Das kann doch nicht so schwer sein.»
«Wer hat das gesagt?»
«Oh.» Piper schnalzte abfällig mit der Zunge. «Brendan war heute Morgen im Supermarkt und hat eine Ein-Mann-Arschloch-Parade veranstaltet.» Sie schloss die Augen, nahm das Fleisch in die Hand und warf es in die Pfanne, ein wenig erschrocken über das laute Brutzeln, das folgte. «Er ist Witwer.»
Hannah ging um sie herum und stützte sich mit einem Ellbogen an der Wand ab, die nun viel sauberer war als noch am Morgen. «Wie hast du das herausgefunden?»
«Wir haben uns gestritten, und ich hab gesagt, dass seine Frau mir leidtue.»
«Oh, oh.»
Piper stöhnte, während sie mit einem rostigen Spatel im Fleisch herumstocherte. Ob sie es vielleicht mal umdrehen sollte? «Ich weiß. Er hat es mir aber irgendwie nicht übel genommen. Was mich echt überrascht hat. Er hätte mir wirklich ein schlechtes Gewissen machen können.» Piper nagte einen Moment an ihrer Unterlippe. «Komme ich wirklich so verwöhnt rüber?»
Hannah kratzte sich unter ihrer roten Basecap an der Schläfe. «Wir sind beide verwöhnt, Pipes, weil man uns immer jeden Wunsch erfüllt hat. Aber ich mag dieses Wort nicht, weil es sich so anhört, als ob … man ein hoffnungsloser Fall wäre. Als hätten wir keine guten Eigenschaften. Und die hast du.» Hannah runzelte die Stirn. «Hat er dich verwöhnt genannt?»
«Er hat es nicht gesagt, aber eindeutig gedacht.»
Hannah schnaubte. «Ich kann ihn nicht leiden.»
«Ich auch nicht. Besonders seine Muskeln. Igitt.»
«Die waren nicht zu übersehen», stimmte Hannah widerstrebend zu. Dann umarmte sie sich selbst und seufzte, um Piper wissen zu lassen, an wen sie dachte. «Aber er kann nicht mit Sergei mithalten. Niemand kann das.»
Piper merkte, dass ihre Hände vom Fleisch fettig waren, ging zum Waschbecken hinüber, das dank der Größe der Küche von nur einem Quadratmeter gut erreichbar war, und wusch sich die Hände. Sie trocknete sie an einem Tuch ab und legte es zurück, dann widmete sie sich wieder der Zubereitung des Fleisches. Es war schon ziemlich braun, also warf sie die Zwiebelscheiben dazu und beglückwünschte sich selbst, der nächste Jamie Oliver zu sein. «Du hattest schon immer ein Faible für den Typ hungernder Künstler», sagte sie zu Hannah. «Du magst das Verletzte an ihnen.»
«Das kann ich nicht abstreiten.» Hannah nahm die Cap ab und fuhr sich mit den Fingern durch ihr mittellanges Haar. Es war genauso schön wie das von Piper, aber sie trug es viel seltener offen. Piper hielt das für ein Verbrechen, aber sie hatte schon vor langer Zeit erkannt, dass Hannah eben Hannah war – und sie wollte nichts an ihrer Schwester ändern. «Sergei ist allerdings anders. Er tut nicht nur so avantgardistisch wie die anderen Regisseure, mit denen ich gearbeitet habe. Seine Kunst ist authentisch, bittersüß, bewegend und stark. Wie ein früher Dylan-Song.»
«Hast du mit ihm gesprochen, seit wir hier sind?»
«Nur während der Zoom-Konferenz eben.» Hannah trat zu dem schmalen Kühlschrank, nahm eine Cola light heraus und drehte den Verschluss ab. «Er war so verständnisvoll wegen der Reise. Ich darf meinen Job behalten … und er mein Herz», sagte sie wehmütig.
Beide seufzten, aber das Geräusch erstarb in Pipers Kehle, als sie merkte, dass die Küchentheke neben ihr in Flammen stand.
Die Theke?
Nein, stopp: der Lappen. Der, mit dem sie sich die Hände abgetrocknet hatte.
Er brannte.
«Verdammt! Hannah!»
«Oh mein Gott! Was zum Teufel?»
«Was soll ich tun?» Aus Reflex warf Piper den Spachtel ins Feuer. Es überraschte sie nicht, dass das dem Brand nichts anhaben konnte. Die auflodernden Flammen wurden immer größer. Konnte die Theke selbst auch Feuer fangen? Wahrscheinlich, sie bestand ja nur aus brüchigem Holz. «Ist das der Lappen, den wir zum Putzen benutzt haben?»
«Vielleicht … Ja, ich glaube schon. Er war mit diesem Zitronenzeug getränkt.» Hannah tänzelte nervös auf den Ballen ihrer Füße. «Ich laufe nach unten und suche einen Feuerlöscher.»
«Ich glaube nicht, dass dafür Zeit ist», kreischte Piper – und es ärgerte sie, dass sie in diesem Moment des sicheren Todes im Geiste hören konnte, wie Brendan bei ihrer Beerdigung lachte. «Okay, okay. Wasser. Wir brauchen Wasser!»
«Nein, ich glaube, Wasser macht es schlimmer», gab Hannah ängstlich zurück.
Inzwischen stand auch das Fleisch in Flammen, genau wie Pipers kurze Karriere als Köchin. «Scheiße. Ich weiß nicht, was ich tun soll!» Piper entdeckte eine Zange auf dem Rand der Spüle, griff danach und zögerte nur den Bruchteil einer Sekunde, bevor sie eine Ecke des brennenden Lappens nahm und das lodernde Ding auf das zischende Fleisch in der Pfanne warf.
«Was machst du denn da?», schrie Hannah.
«Ich weiß es nicht! Das haben wir doch längst geklärt! Ich bringe es aus dem Gebäude, bevor wir das Haus abfackeln.»
Piper rannte mit der Pfanne die Treppe hinunter. Einer Pfanne, in der sich ein Inferno aus Fleisch und in Zitronenreiniger getränkter Baumwolle abspielte. Sie konnte hören, wie Hannah hinter ihr herrannte, aber sie verstand kein Wort von dem, was ihre Schwester sagte, denn sie war hundertprozentig darauf konzentriert, das Gebäude zu verlassen.
Auf dem Weg durch die Bar ertappte sie sich dabei, dass sie an Mick Forresters Worte dachte. Junge, dein Vater hatte ein tolles Lachen. Manchmal kann ich es immer noch hören, wie es die Dachsparren dieses Hauses zum Beben bringt. Die Erinnerung daran verlangsamte Pipers Schritte für einen Moment, und sie blickte zur Decke – bevor sie die Haustür aufstieß, mit der brennenden Pfanne auf die belebte Westport Street hinausstürzte und um Hilfe rief.