15
Kat
K önnen wir jetzt schwimmen gehen, Mami?“
Ich drehe mich vom Fenster weg und sehe, dass Josh sich bis auf die Unterwäsche ausgezogen hat und Wally umklammert. Er steht an der Tür, die Hand auf dem Knauf, und ich erinnere mich daran, dass Lev versprochen hat, heute mit ihm schwimmen zu gehen.
Ich muss lächeln, als ich auf ihn zugehe und mich hinhocke, damit wir auf Augenhöhe sind. Ich streiche ihm die Haare aus dem Gesicht und denke daran, wie sehr sie denen von Lev ähneln. Wie sie ständig hin- und herfliegen, egal, was ich damit mache.
„Warum bist du in Unterwäsche, Josh? Wo sind deine Klamotten?“
„Daddy sagte, er geht mit mir schwimmen.“
Daddy. Wie leicht er das akzeptiert. Es ist eine Erleichterung.
„Ah“, sage ich. „Ich schätze, anstelle einer Badehose dachtest du, dass deine Unterhose ausreichen würde. Clever.“
Ich verstrubble sein Haar und sehe auf die Uhr. Es ist erst später Vormittag. Die Minuten ziehen sich, während ich auf Levs Rückkehr warte und mich gegen den nagenden Gedanken wehre, dass er vielleicht nicht zurückkehren wird.
„Ich sag dir was. Ziehen wir dich wieder an, denn du kannst nicht in der Unterwäsche schwimmen gehen, und Mami sicher auch nicht, also laufen wir runter in den Souvenirladen und kaufen neue Badesachen. Würde dir das gefallen?“
Er nickt begeistert und ich gehe, um seine Kleidung vom Boden seines Schlafzimmers zu holen. Sobald er angezogen ist, schreibe ich eine kurze Nachricht an Lev. Ich gehe mit Josh schwimmen. Keine Sorge, wir passen auf.
Ich warte, in der Hoffnung auf eine Antwort oder auch nur auf die Bestätigung, dass er die Nachricht gelesen hat, aber ich bekomme nichts von beidem.
„Mami.“ Josh versucht, die Tür zu öffnen, schafft es aber dank des zusätzlichen Schlosses nicht.
„Schon gut, schon gut“, sage ich und lege den Zimmerschlüssel in meine Handtasche, in der sich die Waffe befindet, die ich neulich benutzt habe. Ich schätze, Lev hat sie zurückgelegt, als ich nicht aufpasste.
Mein Bauch ist angespannt. Ich hasse das. Ich hasse das alles.
Ich nehme Joshs Hand, öffne die Tür und hänge das „Bitte Nicht Stören“-Schild außen an die Tür. Ich lächle die beiden Frauen vom Zimmerservice an, die im Gang plaudern, während wir uns auf den Weg zum Aufzug machen. Wir sind allein, als wir zur Lobby hinunterfahren.
Im Hotel ist viel los. Es gibt ein Restaurant und eine Bar, was sicherlich Touristen und Einheimische gleichermaßen anzieht. Die Energie in der Luft ist voller Aufregung und Spaß, aber ich bin ausgeschlossen.
Ich blicke durch die Lobby und sehe niemanden, der aus dem Rahmen fällt, und es reagiert auch keiner, als wir zum Souvenirladen gehen.
Ich bin wohl nicht schnell genug, weil Josh an meiner Hand zerrt und auf den kleinen Laden zeigt. Wir gehen hinein und Josh läuft direkt in den Bereich mit Schwimmflügeln und Spielzeug. Ich folge ihm und finde das Regal mit den Badesachen für Kinder. Die Preisschilder lassen mich innehalten, aber entweder das oder wir baden in Unterwäsche, und ich möchte nicht wirklich aus dem Pool geworfen werden, also halte ich zwei Hosen in seiner Größe hoch.
„Minions oder Marvel?“
„Minions!“
„Dann Minions.“
„Mami?“ Josh hält ein Paar Schwimmflügel mit – Überraschung – Minions darauf und einen Ball hoch.
„In Ordnung. Warum auch nicht? Komm schon, Mami braucht auch einen Badeanzug. Ich kann doch nicht in der Unterwäsche schwimmen, oder?“
„Nein. Dumme Mami.“
Ich kaufe den billigsten Anzug, den ich finden kann, was mir bei achtzig Dollar immer noch einen Schock versetzt. Ich hasse es, dass Lev für diese Dinge bezahlen muss, weil ich etwa fünfundzwanzig Dollar bei mir habe, aber ich lasse alles auf unser Zimmer schreiben und bitte das Mädchen, die Etiketten abzuschneiden, bevor wir gehen.
Josh trägt fröhlich seinen Ball und ich nehme unsere Tasche, um zum Pool zu gehen, der ein Stockwerk tiefer liegt. Ich kann das Chlor bereits riechen, als der Aufzug hinunterfährt, und als sich die Türen öffnen, finde ich ein großes Hallenbad vor, in dem Familien mit Kindern vom Säugling bis zum Teenager unterwegs sind.
Josh ist so aufgeregt, dass er seinen Ball hinlegt und anfängt, sich sofort auszuziehen.
„Langsam, Kleiner“, sage ich und muss lachen. „Die Umkleidekabinen sind gleich da drüben.“
„Okay.“ Er nimmt seinen Ball wieder und wir gehen in die Umkleide, um unsere Schwimmsachen anzuziehen. Ich beschließe, den Rest unserer Sachen in einem Spind aufzubewahren, einschließlich der Pistole in meiner Handtasche, denn bei all diesen Familien hier könnte ich sie keinesfalls benutzen.
Mit zwei Handtüchern und Joshs Schwimmflügeln gehen wir zum Pool, und ich nehme Platz, um ihm die Schwimmflügel anzulegen. Sobald sie an Joshs Armen befestigt sind, rennt er los und springt furchtlos in das tiefe Ende.
Genau wie sein Vater.
Ich stehe auf und schließe mich ihm an.
Es ist später Nachmittag, als ich Levs Klopfen höre, die drei Schläge, eine Pause, dann noch einmal. Ich verlasse meinen Platz im Bett, von wo aus ich die Tür beobachte, während Josh ganz vom Fernseher eingenommen ist, und öffne von innen den Riegel.
„Gott sei Dank“, sage ich, schmelze in Levs Arme, sobald ich ihn sehe, und dieser Knoten in meinem Bauch löst sich endlich auf.
„Daddy!“ Josh springt aus dem Bett und wirft sich an Levs Beine.
„Das ist vielleicht die beste Begrüßung, die ich je bekommen habe“, sagt Lev, hebt Josh mit einem Arm hoch und umarmt uns beide.
Wir gehen in das Zimmer und Lev schließt die Tür hinter sich. Ich trete zurück. Er setzt Josh ab und streicht ihm durch die Haare.
„Warst du in der Badewanne?“
„Mami und ich waren schwimmen.“
Er schaut zu mir hoch.
„Ich habe dir eine Nachricht geschickt. Hast du sie nicht bekommen?“
„Scheiße.“ Er holt sein Handy aus der Gesäßtasche und geht zu den Ladegeräten auf dem Tisch. Er steckt es ein und legt es hin. „Ich hatte mein Handy den Großteil des Tages nicht bei mir, und als ich es zurückbekam, war es nicht mehr aufgeladen.“
„Ist es gut gelaufen?“ Er ist immerhin noch ganz.
„Ja“, sagt er. „Sogar besser als erwartet.“
„Daddy, schau dir meine Badehose an!“ Josh kommt aus dem Badezimmer gerannt, wo ich unsere Badesachen zum Trocknen aufgehängt habe. Er trägt seine Badehose, den Ball und einen der Schwimmflügel, wobei alles noch klatschnass ist.
„Oh, die sind aber schön.“
„Minions“, betont Josh.
Lev hockt sich hin.
„Und ich habe einen Ball und Schwimmflügel bekommen und Mami einen Badeanzug, aber ihrer ist nur rosa.“ Den letzten Teil versucht er, im Flüsterton zu sagen, weil das wohl ein Bro-Code ist .
„Ich wette, sie sah darin wunderschön aus“, sagt Lev und steht wieder auf.
„Ich habe alles auf das Zimmer schreiben lassen. Ich hoffe, das war okay?“, frage ich.
„Natürlich. Denk nicht mal drüber nach.“ Er kommt mit Joshs nassen Sachen in der Hand zu mir, als Josh zum Fernseher zurückkehrt. „Komm mit und lass uns das hier aufhängen.“
Wir gehen ins Badezimmer und er schließt die Tür fast ganz, dann lässt er den Ball und den Schwimmflügel in die Wanne fallen und hängt die Badehose auf das Heizungsgestell neben meinen Badeanzug. Er nimmt ihn, betrachtet das knappe Stück und hebt eine Augenbraue.
Ich nehme ihn ihm ab und hänge ihn wieder auf. „Es war der billigste.“
„Ich verstehe, warum. Da ist nicht viel dran.“
„Nun, keine Sorge, es waren nur Familien mit ihren Kindern dort.“
„Und ich bin sicher, die Väter hatten einen Ständer, wenn sie dir dabei auf den Hintern schauten.“
„Halt die Klappe“, sage ich und schlage ihn spielerisch auf den Arm.
Er fasst mich an der Taille und zieht mich zu sich heran, wobei er eine Arschbacke mit der Hand drückt.
„War alles gut? Hattest du keine Angst?“, fragt er.
Ich schüttle den Kopf. „Es war okay. Aber ich habe mir Sorgen um dich gemacht und ich bin froh, dass du wieder da bist. Warum hattest du dein Handy nicht dabei?“
„Gleb nahm sie uns während unseres Treffens ab.“
„Warum?“
„Ziemlich normal für einen Mann auf seinem Level.“
„Erzähl mir alles.“ Ich will von seinem Treffen mit Gleb hören. Ich habe immer noch nicht wirklich verinnerlicht, dass er mein Vater ist, und ich kann mir nicht vorstellen, dass ich das so einfach akzeptieren kann, wie Josh Lev akzeptiert hat.
„Es lief gut. Er hat einen Blick auf ein Foto von dir geworfen und du hättest sein Gesicht sehen sollen. Ich glaube, er mochte deine Mutter wirklich. Ich konnte es sehen und fühlen, als er erfuhr, dass sie getötet worden war.“
Tränen steigen mir in die Augen. „Ich bin froh. Ich weiß, es klingt seltsam, aber ...“
„Es klingt nicht seltsam.“ Er umarmt mich und küsst mich dann auf die Stirn. „Er will dich kennenlernen, Kat.“
Ich ziehe mich zurück und schaue zu ihm hoch. Ich wusste, dass er das wollen würde. Natürlich würde er das wollen. Aber ich bin nicht im Entferntesten darauf vorbereitet.
„Heißt das, er glaubt, ich sei seine Tochter?“
„Ich weiß es nicht. Ich meine, er hat bestimmt nachgerechnet, aber ich vermute, es besteht auch die Möglichkeit, dass es nicht so ist.“
Er will nicht aussprechen, dass die Chance besteht, dass meine Mutter mehr als einen Liebhaber hatte. Ich auch nicht, aber ich verstehe es.
„Wann?“
„Heute Abend. Vor dem Abendessen.“
„Vor dem Abendessen? Das ist jetzt.“
Er schaut auf seine Uhr. „Ja.“
„Was ist mit Josh?“
„Er wird mitkommen. Ich vertraue ihm niemanden an.“
„Vielleicht kann Maxim auf ihn aufpassen?“
„Ich vertraue Maxim, aber nein. Er wird mit uns kommen.“
„Bist du dir sicher, dass wir sicher sind? Ich meine, was ist, wenn er denkt, ich bin nicht seine Tochter und ...“
„Er gab mir sein Wort. Wir müssen ihm vertrauen. Und ich würde dich nicht mitnehmen, wenn ich es nicht so empfände.“
„Was ist mit Vasily?“
„Er ist verschwunden.“
„Dieser Tipp an die Polizei wegen der Leiche?“
„Der Bastard ließ alles beseitigen. Die Leiche war verschwunden. Keine Spur von dem Mädchen in der Erde oder im Haus. Obwohl es Videoaufnahmen davon gab, wie Andrei mit ihr wegging, also wenigstens etwas.“
„Wird Gleb uns mit Vasily helfen?“
„Wenn er glaubt, was wir ihm heute erzählt haben, wird er uns mehr als nur helfen. Er wird selbst einen Killer auf meinen Onkel ansetzen.“
„Und wenn er uns nicht glaubt?“
„Lass uns zu ihm gehen. Ich denke, dann werden wir wissen, wo wir stehen.“
„Ich habe Angst, aber ich vertraue dir. Und ...“ Ich halte inne und erinnere mich an das, was er vorhin gesagt hat. „Ich liebe dich auch, weißt du?“
Er zieht mich zu sich, um mich zu küssen, als wir ein Klopfen an der Tür hören.
Ich erstarre, aber Lev ist schon auf dem Sprung.
Er ist in einer Sekunde weg, und als ich ins Schlafzimmer komme, sehe ich Josh an der offenen Tür stehen und zu einer Frau hochschauen. Lev steht neben ihm, die Hand auf Joshs Schulter, und ein Bein versperrt Josh fast die Sicht auf die Fremde.
„Ich habe Handtücher gebracht, Sir. Wir haben das Zimmer heute nicht aufgeräumt.“
„Danke“, sagt er und nimmt sie.
Einen Augenblick später ist sie weg und ich kann wieder atmen.
Lev wendet sich an Josh.
„Wenn jemand klopft, lässt du Mami oder mich die Tür öffnen, okay?“ Seine Stimme ist angespannt, obwohl er versucht, lässiger zu klingen, als er vermutlich ist.
Josh schaut ihn verwirrt an, dann beginnt seine Unterlippe zu zittern, weil auch er diesen Stimmungsumschwung bei Lev spüren muss.
„Du kannst nichts dafür, Josh“, sage ich und nehme ihn in die Arme. „Wir müssen nur mit Fremden vorsichtig sein, das ist alles.“
Er nickt und vergräbt sein Gesicht an meiner Brust.
Lev richtet sich auf, legt den Stapel Handtücher auf das Bett und schaut auf seine Uhr.
„Wir müssen los, Kat. Das Auto sollte bereits hier sein.“