„
I
ch weiß, dass du ein stolzer Mann bist.“ Gleb betrachtet mich von der anderen Seite des Tisches aus. „Ich weiß, dass du alles tun würdest, damit es deiner Familie gut geht.“
„Immer.“ Eine dunkle Wolke schwebt über mir, während ich über all das nachdenke, was im vergangenen Jahr geschehen ist.
„Ich bin mir sicher, dass ich dir nicht sagen muss, dass ich auch ein stolzer Mann bin.“ Gleb lächelt und wir beide lachen leise. „Ich habe schon lange niemanden mehr in meinem Leben gehabt. Aber zum ersten Mal habe ich eine Familie. Kat, Josh und dich. Und ich kümmere mich auch gerne um meine Familie. Ich habe viel darüber nachgedacht, wie wir das schaffen können.“
„Ich bin offen für Vorschläge“, sage ich, „solange wir beide uns einig sind.“
Gleb nickt. „Ich habe bereits mit Maxim gesprochen. Er möchte in New York bleiben. Er wird im Club ein bisschen für mich arbeiten. Nichts allzu Anstrengendes, aber ich dachte, es wäre gut für ihn, beschäftigt zu sein.“
„Wenn er damit zufrieden ist, dann bin ich es auch.“
„Gut.“ Gleb greift in seine Tasche und holt etwas heraus, aber ich kann nicht sehen, was es ist. „Was Kat angeht, nun,
sie hat noch nicht gesagt, was sie will.“
„Zu diesem Teil sind wir noch nicht wirklich gekommen“, gebe ich zu. „Wir haben uns erst darauf konzentriert, dass sie vollständig gesund wird, bevor wir uns zu etwas verpflichten.“
„Ich habe eine Option.“ Gleb schiebt das, was er in der Hand hält, über den Tisch, und als er es loslässt, wird mir klar, dass es sich um Schlüssel handelt. „Ich will kein Dankeschön. Ich will gar nichts. Ich möchte nur, dass du das akzeptierst, ohne so stolz zu sein, dass du mir sagst, du könntest alleine für deine Familie sorgen, oder was auch immer du sagen willst. Ich bin ein alter Mann und habe bereits alles, was ich brauche. Wenn ich das also für meine Tochter tun kann, würde es mir Seelenfrieden geben.“
„Was ist das?“ Ich nehme den Schlüsselbund vom Tisch, um ihn anzusehen.
„Es ist ein Haus in Upstate New York“, erklärt er. „Und wenn ich Haus sage, meine ich, es ist eine verdammte Festung. Es ist groß und sehr sicher. Es ist perfekt für Josh, um dort aufzuwachsen. Dein Name wird nie auf einer der Besitzurkunden stehen. Und der von Kat auch nicht. Offiziell gehört es einer Briefkastenfirma, die mit keinem von uns in Verbindung steht. Es ist das sicherste Haus, das du jemals bekommen wirst, und ich möchte nur, dass du mir sagst, dass du es nehmen wirst.“
Ich blicke dem alten Mann in die Augen, und trotz des Selbstbewusstseins in seiner Stimme kann ich sehen, wie viel es ihm bedeutet. Und ich weiß, dass er recht hat. Es gibt wahrscheinlich keinen anderen Ort auf der Welt, der jemals so sicher wäre wie etwas, das er ausgewählt hat. Er ist ein Mann, der sich an die Spitze der russischen Mafia gearbeitet und es geschafft hat, all die Jahre am Leben zu bleiben, weil er klug und
vorsichtig ist.
„Da ist noch eine Sache“, fügt er hinzu. „Es wird meine Gefühle nicht verletzen, egal ob du ja oder nein sagst. Aber es
gibt dort oben jemanden, der Kontakte zu lokalen Unternehmen hat. Wenn du also eine legale Arbeit suchst, kann er dich wahrscheinlich in eine der Crews aufnehmen. Aber ich bezweifle, dass ein Mann wie du Befehle von einem pickeligen Manager mit einem Götter-Komplex annehmen will.“
„Ja.“ Ein Lächeln legt sich über meine Lippen. „Ich glaube nicht, dass das passieren wird, aber ich habe einen Plan und etwas Startkapital. Ich werde sehen, was ich damit machen kann.“
Gleb faltet die Hände und senkt den Kopf. „In Ordnung. Also, was sagst du zu dem Haus?“
Ich spiele mit den Schlüsseln in der Hand und zucke mit den Schultern. „Ich bin offen dafür. Aber ich muss erst mit Kat reden. Vielleicht fahren wir hin, um es uns anzusehen.“
„Das habe ich angenommen“, sagt er. „Wir können morgen alle hinfahren. Heute Abend werde ich mir ein paar Drinks genehmigen und mich entspannen. Es ist schwer, mit deinem Kind mitzuhalten.“
„Heilige Scheiße“,
flüstert Kat kaum hörbar, als wir aus dem Auto steigen und das Haus anstarren, das Gleb uns auf unserer Fahrt nach Cooperstown als gemütlich
beschrieben hat.
Gleb beobachtet seine Tochter genau und er versucht, sich nicht anmerken zu lassen, wie nervös er ist. Aber er will, dass es ihr gefällt. Er will, dass es uns beiden gefällt.
„Lev erwähnte, dass du Blockhütten magst“, sagt Gleb.
Kat blinzelt mir zu. „Ja, aber dieses Haus könnte meine Blockhütte zum Frühstück verspeisen.“
„Es sieht groß aus, aber es sind nur 400 Quadratmeter. Eine passende Größe für eine Familie mit viel Platz für
Erweiterungen.“
Kats Gesichtsausdruck wird trauriger und ich drücke ihre Hand. Darüber haben wir noch nicht ausgiebig gesprochen, aber die Tragödie haben wir immer noch im Hinterkopf. Ich weiß, Gleb möchte nur, dass Kat glücklich ist, dass sie es hinter sich lässt und weitere Enkelkinder in Erwägung zieht. Das ist seine Art, das zu zeigen, auch wenn er es nicht so feinfühlig formuliert, wie es andere tun würden.
„Mir gefällt die Veranda.“ Ich wechsle das Thema.
Die Hütte, die sich an den Hang schmiegt, bietet eine unglaubliche Aussicht auf den Otsego-See, und ich kann mir gut vorstellen, wie meine Familie jeden Sommer auf der Veranda sitzt und den Blick genießt.
„Es ist eine schöne Veranda“, stimmt Kat zu. „Die Aussicht ist unglaublich.“
„Kommt schon.“ Gleb bedeutet uns, dass wir ihm folgen sollen, und führt uns auf das Haus zu. „Drinnen ist es noch besser.“
Die Luft riecht hier oben anders. Sauberer. Frischer. Ähnlich wie in Colorado. Und es ist nur ein paar Stunden von Glebs Haus entfernt, also könnte er uns so oft besuchen, wie er das möchte.
Mit den Schlüsseln, die mir Gleb gegeben hat, schließe ich die Tür auf. Als wir eintreten, sehen wir die ganzen Details. Der Hauptraum hat einen luftigen, offenen Grundriss mit massiven Fenstern und die von Gleb versprochene Aussicht.
Ich ziehe Kat an meine Seite und lege den Arm um ihre Taille, während Josh mit seinen Schuhen über den Holzboden quietscht.
„Das ist riesig!“, platzt er heraus. „Können wir schwimmen gehen?“
Kat lacht und schüttelt den Kopf. „Heute nicht. Wir haben nichts zum Schwimmen mitgenommen. Aber vielleicht ein anderes Mal.“
Hoffnung leuchtet in Glebs Augen, als er auf alle Merkmale des Hauses hinweist. Irgendwo zwischen dem steinernen Kamin und dem Elternschlafzimmer kann ich die Akzeptanz in Kats Augen erkennen. Aber sie zögert noch immer. Im Inneren ist sie noch dasselbe kleine Mädchen, das nichts hatte. Sie weiß nicht, ob sie all das verdient, und obwohl Gleb derjenige ist, der ihr das alles gibt, möchte ich, dass sie sicher weiß, wie sehr sie es verdient hat.
„Lass uns nach draußen schauen“, sage ich. „Opa Gleb könnte mit Josh hierbleiben.“
Gleb nickt und ich nehme Kat an die Hand, um sie zu der großen Werkstatt auf dem Grundstück zu führen. Ich weiß bereits, was ich damit tun könnte. Es fällt mir nicht schwer, mir vorzustellen, wie ich hier drin zu meinen Wurzeln zurückkehre und das Hobby, das ich liebte, wiederaufleben lasse. Ich verbrachte mit meinem Vater Stunden in seiner Werkstatt, nahm Metallstücke und verwandelte sie in etwas anderes. Aber im Moment habe ich etwas anderes im Sinn, als ich die Tür hinter uns schließe und das Licht einschalte.
„Was machst du?“, flüstert Kat.
„Das.“ Ich hebe sie auf die Werkbank, klemme meinen Körper zwischen ihre Beine und ziehe ihr Gesicht an meins.
Kat stöhnt an meinen Lippen und ich lasse mir Zeit, sie zu kosten. Sie zu berühren. Ich genieße jede Sekunde der Privatsphäre, die wir momentan zu selten haben. Das vermisse ich mehr als alles andere, aber ich wollte sie auch nicht drängen. Mein Schwanz ist ein pulsierendes Biest in meiner Jeans, und als ich mich schließlich zurückziehe, sind Kat und ich beide atemlos, hungrig und gierig.
„Warum hast du aufgehört?“, murmelt sie und versucht, mich zu sich zurück zu ziehen.
„Wir können nicht.“ Ich lege meine Stirn an ihre.
„Lev.“ Sie seufzt frustriert. „Du hast mich mit Samthandschuhen behandelt, seit ich nach Hause kam.“
„Weil ich nichts überstürzen will.“ Ich streiche ihr die Haare wieder aus den Augen und küsse die neue Narbe auf ihrer Stirn. Sie ist die ständige Erinnerung daran, dass ich sie fast verloren hätte.
„Ich glaube, es ist Zeit“, flüstert sie an meinen Lippen. „Es ist an der Zeit, die Vergangenheit hinter uns zu lassen und vorwärts zu blicken. Aber ich habe Angst.“
„Ich weiß, Liebling.“ Ich streichle ihr Haar und wiege sie an meiner Brust, ein stummes Versprechen, dass ich sie immer beschützen werde. Dass ich nie zulassen werde, dass sie mir jemand wegnimmt.
„Gefällt es dir hier?“, frage ich.
„Sehr.“ Ihre Finger verschränken sich in ihrem Schoß. „Aber findest du es nicht zu groß?“
„Nein.“ Meine Lippen streifen die Länge ihrer Kehle entlang, und sie schiebt ihre Finger in mein Haar. „Ich denke, wenn es dir gefällt, dann werden wir hier unsere Familie großziehen. Aber wenn es dir nicht gefällt, ist das auch okay. Ich möchte nur nicht, dass du eine Entscheidung triffst, die darauf basiert, was dir deiner Meinung nach zusteht. Denn du verdienst die ganze verdammte Welt, Baby. Und Gleb und ich wollen beide, dass du sie bekommst.“
Ihr Körper zittert und ich muss ihr nicht in die Augen sehen, um zu wissen, dass sie mit ihren Gefühlen kämpft. Es hat viele emotionale Momente gegeben, seit ich sie aus dem Krankenhaus nach Hause geholt habe. Jeden Tag müssen wir darum kämpfen, uns daran zu erinnern, was wir bereits erreicht haben, statt an die Dinge, die wir verloren haben.
„Daddy!“ Die Tür springt auf und Josh kommt hereingerannt, ein atemloser Gleb hinter ihm. Er zeigt uns ein entschuldigendes Schulterzucken, als wir uns trennen, und ich helfe Kat von der Werkbank.
„Was ist los, Kleiner?“ Ich beuge mich zu ihm und bringe sein Haar durcheinander.
„Ich mag dieses Haus“, sagt er entschieden. „Opa Gleb sagt, ich kann ein Rennwagenbett haben, wenn ich will.“
„Oh, hat er das gesagt?“ Kat beäugt ihren Vater mit humorvoller Ungläubigkeit.
„Ja.“ Josh nickt. „Und im Sommer können wir im See schwimmen gehen. Und wir können einen Hund haben.“
„Klingt, als hättest du schon alles geplant.“ Ich atme tief ein und schaue Kat an. Das tut auch Gleb, und dann, schließlich, auch noch Josh.
Es dauert nicht lange, bis sie unter unseren erwartungsvollen Blicken nachgibt. Ihre Schultern zittern und es ist das erste kleine Lachen, das sie sich seit der Nachricht von unserem Verlust erlaubt. Für andere ist es vielleicht keine große Sache, aber für eine Frau, die das Gefühl hatte, sich für etwas bestrafen zu müssen, das sie nicht kontrollieren konnte, ist es verdammt groß. Zum ersten Mal seit Monaten habe ich das Gefühl, wieder atmen zu können, als ich sehe, wie dieser winzige Lebensfunke in ihre Augen zurückkehrt. Und ich fange an, mich zu fragen, ob es wirklich die Luft hier oben ist, die alles verändert.
„Ich denke, es ist geklärt.“ Kat schaut ihren Vater an und ihre Augen strahlen vor Dankbarkeit. „Wir ziehen nach Cooperstown.“