Leseprobe Dishonorable - Unehrenhaft
Natasha Knight
Prolog 1
Sofia
Juli 2016
I
ch zitterte in dem Schwall kalter Luft, der mich traf, als sich die Türen der Basilika öffneten. Er brachte eine Warnung mit sich. Ein Omen.
Mein zukünftiger Ehemann stand am anderen Ende des Ganges, von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet. Ein starker Kontrast zu meinem weißen Brautkleid.
Als wäre es eine Beerdigung.
Meine Beerdigung.
Er war umwerfend, obwohl ich ihn hasste. Seine triumphierenden Blicke verschlangen mich, ohne je meine Augen jemals zu verlassen. Er hielt mich gefangen, wie ein Raubtier seine Beute. Ich fragte mich, ob sein Mund wässrig wurde, ob sich Speichel auf seiner Zunge sammelte, während er sich meine Unterwerfung, meine Hingabe ihm gegenüber vorstellte.
Ich wusste, was heute Nacht von mir erwartet wurde. Was er und mein Großvater in dem Vertrag festgelegt hatten, der
mich zum Eigentum von Raphael Amado machte. Wir mussten es vollziehen. Mein jungfräuliches Blut musste das Bettlaken beflecken. Mein Gesicht brannte vor Scham und Wut, und jeder Schritt erinnerte mich daran, dass es der Teufel war, den ich heiraten würde. Ein Monster, das sich unter der einer wunderschönen Maske versteckte. Und ich wusste, während ich auf mein unfreiwilliges, ungewolltes Schicksal zuschritt, dass ich meinem Großvater seinen Verrat niemals verzeihen würde.
Prolog 2
Raphael
Juli 2016
Sie stand
wie eine Vestalin an den Türen, ihre goldbraunen Augen eiskalt, als ihr Blick den Gang hinunterfegte, um mit meinem zu kollidieren. Sie verbarg ihre Gedanken gut, aber wenn sie heute Abend unter mir lag, würde sie mir trotzdem gehören. Ich würde ihre Lust kennenlernen. Ihren Schmerz. Ich würde jeden Zentimeter von ihr besitzen.
Sie gehörte bereits mir, auch wenn sie den Gedanken nicht ertragen konnte. Ich fragte mich, ob ich sie heute Abend dazu zwingen müsste. Ob ich ihre Beine spreizen und sie festhalten müsste, um meinen Schwanz mit dem Blut ihrer Jungfräulichkeit zu tränken. Aber diesen Gedanken musste ich aus meinem Kopf verdrängen. Es war falsch, mit einem verdammten Ständer vor Gott und den hier versammelten Menschen zu stehen.
Ich beobachtete sie, als sie den Gang zum Altar entlangschritt: umwerfend, atemberaubend – und am Arm meines Zwillingsbruders. Sie hatte sich ihrem Großvater
verweigert. Auch das war bewundernswert. Er verdiente nur ihren Hass.
Ihr dichtes, kastanienbraunes Haar war in komplizierten Zöpfen auf ihrem Kopf drapiert worden. Sogar unter der Spitze, die ihr bleiches Gesicht verhüllte, konnte ich ihre Augen sehen, hart und anklagend, im Widerspruch zu ihren weichen, vollen Lippen und ihren unschuldigen, fast engelsgleichen Zügen.
Als sie mich erreichte, nahm mein Bruder ihr den Schleier ab. Der Blick, den sie sich zuwarfen, ließ mich die Zähne zusammenbeißen. Sie waren schnell Freunde geworden.
Bevor er sie mir übergab, durchbohrte er mich mit einem Blick klarer Missbilligung. Als täte ich das, was ich tat, nur für mich. Und nicht auch für ihn. Als hätte ich nicht alles, was ich mir nahm, verdient, nach all dem, was ich durchgemacht hatte. Sein Blick beschuldigte mich, diese jungfräuliche Braut unrechtmäßig bekommen zu haben, als wäre ich
eine Art Monster.
Nun, er hatte die letzten Jahre nicht das gleiche durchgemacht wie ich, also konnte er mich mal.
Ich verlagerte den Blick von meinem Bruder zu Sofia, ließ ihn über sie hinweg wandern und betrachtete sie in dem Kleid, das ich ausgewählt hatte. Sie kniff zwar ihre dunkel geschminkten Augen zusammen, aber sie widersetzte sich mir auch nicht. Nicht, als ich ihre Hand mit meiner bedeckte, nicht, als ich sie vor Gott auf die Knie zog. Und als die Zeit kam, uns das Versprechen zu geben, einander zu lieben, zu ehren und zu gehorchen – ja, ich achtete darauf, in ihr Gelübde den Gehorsam mit einzuschließen – sprach Sofia die Worte, die unser beider Schicksal besiegeln würden.
Ja, ich will.
Das war alles, was nötig war, damit sie mir gehörte.
Und als wir uns als Ehemann und Ehefrau ansahen, legte ich meine Hand um ihren Nacken und zog sie zu mir, eroberte
ihren Mund mit meinem und demonstrierte dadurch jedem, der auch nur den geringsten Zweifel hatte, dass ich diese Frau besaß.
Dass sie mir gehörte.
Und was mir gehörte, würde mir keiner mehr nehmen.
Denn ich würde jeden verdammten Bastard töten, der es versuchte.