Die richtige Strategie in jeder Marktlage
3.1 Die Konjunktur und den Markttrend im Auge behalten
Die Börse spiegelt weniger die Gegenwart wider, sondern setzt vorrangig auf die Zukunft. Konjunktur, Währung, Zinsen, Politik, die allgemeine Kapitalmarkt- und Weltwirtschaftswetterlage sowie die Psychologie prägen das Börsengeschehen und beeinflussen die Anlagestrategie. Der Werbeslogan »Jeder Tag ist ein Kauftag« bewahrheitet sich für Anleger nicht. Ein gutes Timing beeinflusst den Börsenerfolg.
André Kostolany meinte einst sinngemäß: »Kaufen Sie Aktien, holen Sie sich in der Apotheke Schlaftabletten, legen Sie sich ruhig hin, und siehe da, wenn Sie nach einigen Jahren aufwachen, sind Sie reich!« Aus dem Zusammenhang gegriffen wird nicht klar, ob dieser Rat ernst oder provokativ gemeint war. Denn der Börsenaltmeister fragte sich auch, ob es an der Börse mehr Aktien oder Dummköpfe gäbe. Fest steht: Aktien kaufen und dauerhaft halten, funktioniert längst nicht immer. Das im Trend liegende schnelle Rein und Raus macht zwar Banken und Broker reich, aber nur selten den Anleger. Er tappt in die Gebührenfalle und bringt sich um die Chance, mit den Spitzentiteln richtig viel Geld zu verdienen und seinen steuerfreien Altbestand mit Qualitätsaktien zu hüten wie einen Schatz.
1. Aufschwung (Expansion)
Konjunkturanstieg verknüpft mit realem Wachstum, steigenden Preisen und geringerer Arbeitslosenquote; höheren Steuereinnahmen des Staates; mehr Investitionsbereitschaft. Eventuell jetzt erste Zinsschritte nach oben.
2. Hochkonjunktur (Boom)
Volle Auslastung der Produktionskapazitäten, niedrige Lagerbestände, höhere Preise, relativ geringe Arbeitslosenquote, zunehmende Investitions- und Kaufbereitschaft, hohes Steueraufkommen. Stufenweise Zinserhöhungen bei Inflationsgefahr deutlich über zwei Prozent.
3. Abschwung (Rezession)
Abnehmendes Wirtschaftswachstum, volle Vorratslager, Preissenkungen, zunächst Kurzarbeit, dann Entlassungen, Kostensenkungspläne, geringere Steuereinnahmen. Erste Zinsschritte nach unten zur Ankurbelung der Wirtschaft.
4. Talsohle (Depression/Deflation)
Stagnierendes oder sinkendes Bruttoinlandsprodukt (BIP), Umsatz- und Gewinnrückgang, Unternehmensinsolvenzen, hohe Arbeitslosenquote, geringe Steuereinnahmen, Gefahr wachsender Staatsverschuldung durch hohe Soziallasten. Weitere Leitzinssenkungen, um die schwache Konjunktur anzuregen.
Was im Einzelfall klug und weise oder unüberlegt erscheint, hängt vorrangig von der Marktlage ab. Sie wird von den konjunkturellen Erwartungen mitbestimmt. Die einstige Empfehlung eines großen Aktienclubs: »Jeder Tag ist ein Kauftag« erscheint außerhalb einer Bodenbildungsphase überholt. An der Börse wird nicht so sehr die Gegenwart, sondern die Zukunft gespielt. Die Entwicklung der Weltkonjunktur und die Wachstumserwartungen in den wichtigsten Volkswirtschaften sind zu hinterfragen. Mehr und mehr rückt auch die Überschuldung von Staaten – siehe aktuell Griechenland – in das Visier der Anleger. Der Blick ist längst nicht nur auf die USA und Euroland zu richten, sondern ebenso auf wichtige Zukunftsmärkte wie die Konjunkturlokomotive China, Indien, Osteuropa und Südamerika. Der Name BRIC (Brasilien, Russland, Indien, China) macht Furore, und Emerging Market-Fonds wecken immer neue Begehrlichkeiten.
Konjunktur bezeichnet die Gesamtlage der Wirtschaft
Es geht um technologischen Fortschritt, EU-Erweiterung, neue Trends, gesellschaftlichen Wandel, Bevölkerungsentwicklung, Arbeitsmarkt, Verbraucherverhalten, Investitionsbereitschaft, Forschung und Entwicklung, Auftragseingänge, Vorratshaltung, Leitzinssätze, Steuerrecht, Finanzierungsformen, Verschuldungssituation usw. Daraus lassen sich die wirtschaftlichen Aussichten ableiten wie Aufschwung (Hausse) oder Abschwung (Baisse). Große technologische Fortschritte, ausgelöst durch bahnbrechende Erfindungen, führen in Abständen von einigen Jahrzehnten zu einem konjunkturellen Aufschwung. Dieser verläuft wellenförmig und hält oft längere Zeit an.
Innerhalb dieser großen Wellen der Weltkonjunktur entwickeln sich jeweils kürzere Konjunkturzyklen. Sie lassen sich in vier Phasen aufteilen: Aufschwung, Hochkonjunktur, Abschwung und Talsohle. Danach setzt ein erneuter Wachstumstrend ein. Je nachdem, in welcher Phase sich die Konjunktur befindet, wie stark oder schwach sie ausgeprägt ist, sind die Auswirkungen auf die Aktienbörse entsprechend groß.
Die Konjunktur wird von Angebot und Nachfrage bestimmt. Sie beeinflusst das gesamte Wirtschaftsleben, den Binnen- und Außenhandel, den Import und Export, den Arbeitsmarkt, die Investitionen, die Umsatz- und Gewinnentwicklung der Unternehmen, das Konsum- und Sparverhalten der Verbraucher, die Sozial- und Steuerpolitik, den Staatshaushalt, die Staatsverschuldung und Handelsbilanz, die Zinspolitik der Notenbanken und damit die Entwicklung der Aktien- und Anleihemärkte usw.
Schwächelt die Konjunktur, nimmt der Staat einerseits weniger Steuern ein, weil die Arbeitslosenquote steigt und die meisten Unternehmen weniger verdienen. Umgekehrt wachsen die Staatsausgaben durch höhere Sozialleistungen. Die öffentliche Hand schiebt Investitionen hinaus, worunter nicht nur die Bauwirtschaft leidet – ein Teufelskreis. Die Europäische Zentralbank (EZB), die sich im Gegensatz zur US-Notenbank Fed mehr der Geldstabilität als der Konjunktur verpflichtet fühlt, senkt den Leitzinssatz, wenn statt Inflationsgefahr ein Rezessionsrisiko besteht. Die EZB erhöht stufenweise den Leitzinssatz, wenn die Inflationsrate steigt.
Die Preise stiegen bis 2008 als Begleiterscheinung zum konjunkturellen Aufschwung und wegen des explodierenden Ölpreises und Währungsturbulenzen zwischen Euro und Dollar. Im Mai 2008 kostete ein Barrel Öl bis zu 147 US-Dollar, um als Folge der Weltwirtschaftskrise bis Dezember 2008 auf deutlich unter 40 US-Dollar abzustürzen. Massive Zinserhöhungen sind ein großer Feind der Aktien, werden doch dann Staats- und Unternehmensanleihen attraktiver. Niedrige Leitzinsen bringen eher die Bullen auf das Börsenparkett, weil Rentenpapiere eine zu geringe Rendite abwerfen und allein schon die Ausschüttungen substanzstarker Unternehmen höher sind als der Zinssatz bei vielen Schuldverschreibungen. Die konjunkturelle Lage beeinflusst Standort-, Fusions-, Übernahme-, Produktions- und Personalplanungen sowie Art und Umfang von Investitionen. Ebenso hängt die Bereitschaft, einen Börsengang zu wagen und damit die Anzahl der IPOs stark von konjunkturellen Gegebenheiten und Zukunftserwartungen ab.
Der Konjunkturzyklus mit Einfluss auf die Aktienkurse
Der VI. Kondratjew »Gesundheitssektor – grüne Technologie«
Fünf lange Konjunkturzyklen haben seit Ende des 18. Jahrhunderts in der Weltwirtschaft für Produktivitäts- und Wachstumsschübe gesorgt. Entscheidend hierfür waren grundlegende Innovationen wie die Dampfmaschine, das Auto oder der Computer. Laut Zukunftsforscher Leo Nefiodow begann der VI. Kondratjew »Gesundheitswesen – grüne Technologie« erst um die Jahrtausendwende. Dieser neue Zyklus wird das Geschehen an der Börse beeinflussen. Leo Nefiodow meint dazu: »Was wir Umweltschutz nennen, ist in Wirklichkeit Gesundheitsschutz.«
1. Der beginnende Konjunkturaufschwung nach der Talsohle
Nach Durchschreiten der Talsohle verbessern sich die Gewinnaussichten der Unternehmen. Die eingeleiteten Kostensenkungsprogramme greifen. Dazu zählen die Schließung von Fabriken, die Zusammenlegung von Filialen, die Verlagerung von Produktionsteilen in Niedriglohnländer, Kurzarbeit, Stellenstreichungen, Abstriche bei den freiwilligen Sozialleistungen. Die von den Regierungen beschlossenen Konjunkturprogramme und die von den Notenbanken eingeleitete Niedrigzinspolitik tragen Früchte. Fremdkapital für Investitionen und neue Produktlinien lässt sich vielleicht billiger beschaffen. Wenn da nicht die Kreditklemme wäre!
Konjunkturzyklen werden gelegentlich mit Buchstabensymbolen veranschaulicht. Das V steht für den günstigsten charttechnischen Verlauf, die schnelle Erholung. Das U, unterschiedlich breit gezogen, zeigt an, dass die Talsohle nur langsam durchschritten wird und eine nachhaltige Erholung auf sich warten lässt. Das W markiert die enttäuschende Doppelboden- bzw. Double-Dip-Lage: Nach einem kurzen, sich als Strohfeuer entpuppenden Aufschwung werden Rezessionstendenzen sichtbar. Erst später, oft von weiteren Zinssenkungen der Notenbanken begleitet, kommt es zur dauerhaften Erholung. Am negativsten ist der L-Verlauf, wie er lange Zeit in Japan vorherrschte, die Deflation. Weder eine Null-Zins-Politik noch Steuersenkungen greifen und bringen die Wirtschaft auf Trab. Die Staatsverschuldung und Arbeitslosenquote steigen.
Ängstliche Anleger, die sogenannten zittrigen Hände, werfen während der Talsohle ihre Papiere auf den Markt und verabschieden sich vom Aktienmarkt. Sie schwenken bevorzugt um auf den sicheren Hafen Gold, auf Sparbuch, Geldmarkt, Garantie- und vielleicht noch Discountzertifikate. Mutige Käufer, die gewinnbringend während der Hausse verkauften, kehren an die Aktienbörse zurück und nutzen die günstigen Preise zum Zukauf. Wer zu Beginn eines konjunkturellen Aufschwungs mit glücklichem Händchen in ein Gemisch aus substanzstarken Value- und zyklischen Growth-Werten investiert, hat beste Chancen auf eine überdurchschnittlich hohe Rendite.
Der Wormser Wirtschaftsprofessor Max Otte, Bestseller-Autor von »Der Crash kommt«, kaufte ebenso wie ich selbst im Frühjahr 2009, als der Crash seinen Tiefpunkt erreichte, kräftig Aktien ein. Nach eigenen Angaben hat sich mit den von ihm ausgewählten Titeln Henkel, Lanxess, Richemont und MAN sein Depotwert bis Frühjahr 2010 mehr als verdoppelt. Professor Otte flieht in Krisenzeiten nicht aus dem Aktienmarkt, sondern nutzt hellwach sich bietende Chancen im Zuge der weltwirtschaftlichen Verwerfungen.
2. Der sich abzeichnende Aufschwung als Vorbote einer boomenden Konjunktur
Abhängig davon, wie stark und nachhaltig die konjunkturelle Erholung in den wichtigsten Industrienationen verläuft, spiegelt der Aktienmarkt die positive Entwicklung wider. Mitentscheidend ist, wie in den USA die Wirtschaft läuft, wie der DOW JONES und die Technologiebörse NASDAQ reagieren und was sich in den Zukunftsmärkten Ostasien und Osteuropa, aber auch in Südamerika abspielt. Zuversichtlich für Deutschland stimmt, dass viele Unternehmen ihre Hausaufgaben gemacht haben, durch Kostensenkung, Neuausrichtung und Konzentration auf das Kerngeschäft recht gut dastehen. Inwieweit steigende Rohstoffpreise, Währungsturbulenzen, Überschuldungsszenarien und eine erschwerte Kreditvergabe belastend wirken, hängt davon ab, in welchen Märkten das Unternehmen aktiv ist. Bei einem nachhaltigen Aufschwung reagiert die Börse freundlich. Bei Inflationsgefahr drohen steigende Zinssätze. Nun wird es für die Börse ungemütlich. Es bietet sich an, mittels Teilverkauf ein paar ordentliche Gewinne mitzunehmen und Cash einzusammeln für den späteren Zukauf bei Kursschwäche. Schwere exogene Störfaktoren machen jede Hoffnung zunichte. Erinnert sei an heftige Terrorakte, Kriegswirren, akute Seuchengefahr, Naturkatastrophen usw.
3. Der einsetzende Abschwung mit Rezessionsgefahr
In der Spätphase des konjunkturellen Aufschwungs werden die Inflations- und Zinserhöhungsängste allmählich abgelöst von der Sorge um ein nachlassendes Wirtschaftswachstum. Stagniert oder schrumpft die Wirtschaft über mehrere Perioden, versuchen die Notenbanken, aber auch die Politik, der drohenden Baisse mit Konjunkturprogrammen und anderen Maßnahmen zu begegnen.
4. Die konjunkturelle Talsohle mit Rezession und Deflationsgefahr
Die Notenbanken senken schrittweise den Zinssatz. Die Politik startet Konjunkturprogramme, zu dem Steuerentlastungen für Unternehmen und Privathaushalte zählen können. Die Wirtschaft versucht, die Durststrecke mit Sparprogrammen zu überstehen, wozu Investitionsstopp, Fabrikschließungen, Verlagerung in Niedriglohnländer, Kurzarbeit, Stellenstreichungen und Einfrieren von Sozialleistungen zählen. Das Steueraufkommen ist gering. Die hohe Arbeitslosenquote belastet den Sozialbereich. Allerorts wird gespart, weniger investiert, verhalten konsumiert – ein Teufelskreis. Exogene Störfaktoren wie ein großer Terroranschlag oder das zur schwersten Weltwirtschaftskrise seit Bestehen der Bundesrepublik mutierte Finanzdesaster bilden die Rezeptur für einen Börsencrash. Die Crashgefahr ist groß, wenn sich zuvor wie bei der von Amerika ausgehenden Subprimekrise bei verbrieften Kreditderivaten eine riesige Spekulationsblase aufgebläht hat.
Ein guter Tipp: Wer in solch schwierigen Zeiten Cash übrig hat und mutig ist, sollte jetzt schrittweise Aktien zukaufen. Achten Sie, liebe Leserinnen und Leser, vor allem auf Qualitätstitel, bei denen jetzt der materielle Buchwert den Aktienkurs übersteigt oder sich auf gleicher Höhe befindet. Dies war im Herbst 2008 und insbesondere im Frühjahr 2009 bei zahlreichen Finanz-, Bau-, Immobilien-, Auto-, Technologie- und Industrietiteln der Fall. Längerfristig kann da kaum etwas schiefgehen. Da niemand weiß, wann der Tiefstpunkt erreicht ist, sollten Sie Ihr Pulver nicht auf einmal verschießen. Kaufen Sie fortlaufend zu, steigt die Chance, die wirklich günstigen Zeitpunkte nicht zu verpassen.
Das Problem der »Angstkonjunktur« in Deutschland
Friedrich L. Sell, Professor für Volkswirtschaft an der Bundeswehruniversität in München, stellt in seiner Studie fest, dass viele Deutsche auffällig unter Angstzuständen leiden. Ganz oben auf der Skala liegen Arbeitslosigkeit und die Furcht, im Alter und bei Krankheit unzureichend versorgt zu sein. Das daraus resultierende »Angstsparen« gepaart mit hohem Sicherheitsstreben bildet die Keimzelle für den konjunkturellen Abschwung. Angst beschleunigt das Eintreten erahnter, unerwünschter Entwicklungen. Sie wirkt emotional ansteckend, führt zu Passivität, Kaufverweigerung, Risikoaversion gegenüber Aktien und Investitionsblockade. Geld vom Sparkonto wandert in physisches Gold wie Barren und Anlagemünzen.
»Zwei Dinge können den Menschen zum Wahnsinn treiben: die Eifersucht und das Studium der Wechselkurse.«
Frank Pöpsel
»Es liegt in der Natur des Kapitalismus, dass es periodisch zu Ausbrüchen des Wahnsinns kommt.«
John Kenneth Galbraith
Eine auch durch den Angstfaktor ausgelöste Konjunkturschwäche mit Rezessionstendenzen lässt sich am ehesten überwinden mit dem »spezifischen Antikörper Mut«: Mut zum Ärmel hochkrempeln, Mut zum Handeln, Mut zur Initiative, Mut zur Innovation. Nur mit Zuversicht lassen sich Krisen bewältigen. Voraussetzung sind Glaubwürdigkeit und Vertrauen sowie der feste Wille, aus eigenen Fehlern zu lernen, es künftig besser zu machen und keine neuen Schuldenberge ohne jedes Maß aufzutürmen.
Angst und Panik prägen das Börsengeschehen. Das Verbreiten von Weltuntergangsstimmung hilft nicht weiter. Ein Crash im Ausmaß des dreijährigen Szenarios von 2000 bis 2003 setzt das Entstehen großer Spekulationsblasen voraus. Dies mag für einzelne Sektoren auch gegenwärtig zutreffen, nicht aber für den allgemeinen Markt und schon gar nicht für das heutige Kursniveau von STOXX 50, DAX & Co. Viele Aktien und Indizes sind noch fair bewertet. Während einer länger anhaltenden »Angstkorrektur« bieten sich für mutige Anleger gute Einstiegschancen. So hat auch ein Crash als »Chancenbringer« seine guten Seiten.
3.2 Keine Abkopplung des DAX vom DOW erwarten
Gelegentlich bestand Hoffnung, dass sich der DAX von seinem großen Bruder Dow Jones ablösen könnte. Legt man jedoch die Langzeitcharts von Dow, Nikkei und DAX übereinander, wird offenkundig, dass sich die Börse in Tokio etwas deutlicher, der deutsche Leitindex dagegen kaum von den Vorgaben aus den USA abzukoppeln vermag. Der DAX geht in Herdentiermanier nur kurze Strecken allein. Er vollzieht übertrieben nach, was der Dow im Nachmittags- und späten Abendhandel vorgibt. Die Tatsache, dass sich mehr als die Hälfte der DAX-Aktien in ausländischen Händen befindet, liefert allein noch keine schlüssige Begründung.
Was hat dies zu bedeuten? Ist die Nachrichtenlage in den USA schlecht, kann der DAX nicht zu neuen Höhenflügen starten, selbst, wenn es in Deutschland und Euroland positive Meldungen gibt. Seit langem wünsche ich mir mehr Eigenständigkeit beim DAX – bislang vergeblich. Mit einem Durchschnitts-KGV von 11 für 2011 ist der deutsche Leitindex niedriger bewertet als der Dow Jones mit einem KGV von 12. Die alte Börsenweisheit spiegelt dies anschaulich wider: »Hustet der Dow, leidet der DAX an Lungenentzündung.« Von Überbewertung kann bei beiden Indizes keine Rede sein. Sie läge erst vor bei einem durchschnittlichen Kurs-Gewinn-Verhältnis ab 16.
Auffällig ist die niedrige Bewertung in Russland (RTX), obgleich sich der russische Index nach seinem Absturz 2008 bezüglich Kursentwicklung 2009 fast verdoppelt hat und auch 2010 weiter im Aufwind ist. Doch wer ist mutig genug, in russische Öl-, Gas- und sonstige Rohstoffaktien zu investieren? Weiterhin fällt ins Auge, dass die KGV-Erwartungen für 2011 bei allen Indizes niedriger sind als 2010. Dies verwundert bei den sich füllenden Auftragsbüchern nicht. Die Unternehmen verdienen wieder Geld – erkennbar an der erfreulichen Umsatz- und Gewinnentwicklung im vierten Quartal 2009 und ersten Halbjahr 2010. Es sieht zumindest so aus, dass sich die Weltwirtschaftskrise dem Ende nähert. Was für viel Kopfzerbrechen sorgt, ist die Überschuldung etlicher Staaten im Europaraum.
Die Schlagzeile im HANDELSBLATT vom Freitag, 09. April 2010, lautet »Was bleibt vom Euro« und wird ergänzt: »Schwarzer Tag für Europas Währung: In Griechenland brach Panik aus. In Frankfurt stürzten die Aktien ab. Der Euro steuerte zunächst in Richtung Tiefststand auf unter 1,33. Unter Geldexperten flammen erneut Inflationsängste auf. Denn: In der Geschichte folgte auf hohe Staatsverschuldung noch immer eine Phase beschleunigter Geldentwertung.«
Überschuldung führt zur Inflation
1923
Hyperinflation
Inflationsrate: 533.000 000 %
1944 – 1950
Währungsreform
Inflationsrate: 14,8 %
1968 – 1974
Ölpreiskrise
Inflationsrate: 7,2 %
Quelle: Handelsblatt 68/2010
Der erstarkte Dollar oder umgekehrt der schwächere Euro macht amerikanische Aktien zusehends attraktiver. Wurden in den letzten Jahren die Kursgewinne bei US-Aktien und teilweise auch beim Gold aufgesogen, verhält es sich jetzt umgekehrt. Selbst bei einer stagnierenden Kursentwicklung von DOW JONES, Nasdaq und S&P 500 profitiert der europäische Anleger davon.
Bei einem verhältnismäßig stabilen Ölpreis in einer Bandbreite von 80 bis 85 US-Dollar je Barrel muss dagegen der Bundesbürger immer mehr berappen, sei es für den Auto- oder Heizöltank. Als Ausgleich – auch eine Art von Risikominimierung – steigen dagegen die Kurse für seine US-Ölaktien.
Ein- und Umstieg auf Sachwerte: Aktien, Gold und Immobilien
Dr. Jens Ehrhardt, Fondsmanager, Vorstandsvorsitzender und Gründer der DJE Kapital AG, äußert sich zur Staatsverschuldung und Inflationsgefahr: »Die Politik der Geldvermehrung führt auf Dauer zu wesentlich höheren Teuerungsraten. Großbritannien beispielsweise druckt schon heute mehr neues Geld, als das gesamte Staatsdefizit beträgt. Sollten als Folge die Inflationsraten kräftig steigen, müssen Anleger von Geldwerten auf Sachwerte umsteigen. Wer auf große, international tätige Aktiengesellschaften mit hohen Dividendenrenditen setzt, dürfte besser abschneiden als die Käufer von Unternehmensanleihen. Dazu sollte Gold in den kommenden Jahren für Anleger ein profitables Investment sein.«
3.3 Sich über die fundamentalen Daten informieren
»Die größte aller Begabungen ist die Kraft, den wahren Wert der Dinge zu erkennen.« Die fundamentale Analyse will den Wert eines Unternehmens und seiner Aktien möglichst genau ermitteln. Sie hilft dem Investor, Entscheidungen zu treffen. Die Charttechnik untersucht dagegen die Verhaltensmuster der Vergangenheit und leitet daraus künftige Entwicklungen ab.
Seit dem Desaster am Neuen Markt gibt sich der mündige Privatanleger nicht mehr mit Luftschlössern ohne Realitätsbezug und Umsatzwachstum ohne Ertrag zufrieden. Für die »Theorie der begründeten Annahmen« wird handfestes Expertenwissen eingefordert. Um den fairen Wert einer Aktie verlässlich bestimmen zu können, untersuchen die Analysten das bisherige Geschehen, die derzeitige Lage und die Zukunftsaussichten des Unternehmens. Die Erfolgsrechnung beleuchtet positive wie negative Faktoren. Das Bild wird abgerundet durch Vergleiche mit großen Mitbewerbern. Wichtige Kennziffern, zu denen das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), Buchwert, Eigenkapitalquote, Cashflow (Finanzkraft), Kostenstruktur, Ertragskraft und Wachstumschancen zählen, erleichtern die Einschätzung. Die Fundamentalanalyse wird aufgegliedert in die Einzel-, Branchen- und Globalanalyse.
Insbesondere die Branchenanalyse und die Wettbewerbsfähigkeit interessieren. Im Zuge der Globalisierung wirken sich die Einflussfaktoren auf vergleichbare Unternehmen ähnlich aus. Dies sind der Wechselkurs Dollar/Euro/Yen, der Rohölpreis, das Wirtschaftswachstum, die Export-quote, Arbeitsmarktdaten, Auftragseingänge, Vorratshaltung usw. Favorisiert werden die Aktienkurse von Unternehmen, die international den Ton angeben, also Marktführer in Euroland, Amerika, Asien oder weltweit sind.
Die Globalanalyse untersucht die Wirtschaftsentwicklung im Heimatland, ebenso die Abhängigkeit von der Konjunktur in anderen Ländern. So sind die Zins- und Konjunkturentwicklung sowie die Handelsbilanzen in führenden Nationen wie Amerika ausschlaggebend für das weltweite Börsengeschehen.
Die Anhänger der Fundamentalanalyse vertrauen darauf, dass der Markt Recht hat und den tatsächlichen Wert einer Aktie widerspiegelt. Sie lassen sich auch von heftigen Störfeuern nicht irritieren. Nachdem volks- und betriebswirtschaftliche Daten erst mit zeitlicher Verzögerung vorliegen, eignet sich die Fundamentalanalyse insbesondere zur mittel- bis längerfristigen Trendeinschätzung.
Die für den Prime Standard verpflichtenden Bilanz-Presse- und Analystenkonferenzen dienen der Bekannt- und Weitergabe fundamentaler Daten – oft eingebettet in die technische Analyse mit vergleichenden Charts. Die Wirtschaftspresse, Börsenmagazine und Börsenbriefe stellen gewöhnlich einzelne Aktien in den Mittelpunkt ihrer Berichterstattung. Dabei werden Online-Finanzinformationen wegen ihrer Aktualität immer wichtiger. Interessante Marktdaten jagen in elektronischer Form sekundenschnell rund um den Globus. Printmedien hinken hinterher.
Fazit: Sie, liebe Leserinnen und Leser, sollten sich nicht einseitig orientieren, also über der Fundamentalanalyse nicht die Charttechnik vernachlässigen. Ebenso unvernünftig ist es, sich bei seinen Anlageentscheidungen ganz allein auf die technische Analyse zu stützen. Eine Ausnahme bildet das Day-Trading.
Der Geschäftsbericht eines Unternehmens, den Aktionäre kurz vor der HV per Post anfordern oder online abrufen können, vermittelt weitere Details, insbesondere über Gewinn- und Verlustrechnung mit Eigenkapitalquote und Verbindlichkeiten, Bezüge von Vorstand und Aufsichtsrat, Arbeitsplatzsituation, Geschäftsfelder und Produkte, Marktstellung, Forschung und Entwicklung, Expansionsbestrebungen und Ausblick. Der Aktionär erfährt Einzelheiten über Akquisitionen im In- und Ausland, Ausbau der Marke, Aktionärsstruktur, Entwicklung der Aktie und Dividendenpolitik, nähere Informationen zu Aktienrückkaufprogrammen, Kapital- und Kostensenkungsmaßnahmen. Zunehmend gibt es auch Ausführungen zur Unternehmenskultur, zu den Mitarbeitern, Kunden und zum Umweltschutz.
Aktienkurse und Schuldenkrise: Nachdem die globale Finanzkrise mit dem nicht auszuschließenden Staatsbankrott in Griechenland und der Überschuldung anderer europäischer Länder noch längst nicht ausgestanden ist, weitere Verwerfungen, Insolvenzen und Finanzierungsengpässe drohen, dürften die Kurse in nächster Zeit nicht nach oben schnellen. Neue Allzeithochs sind vorerst nicht zu erwarten. Langfristig bewegen sich die Börsenkurse – dies zeigt ein Blick auf frühere Charts – jedoch in Richtung ihrer Durchschnittsbewertung. Selbst ein großer Aktiencrash erscheint in einem Langzeitchart nur als Delle im jahrzehntelangen Aufwärtstrend. Bei der drohenden Inflationsgefahr sind Aktien, Gold und Immobilien richtig!
Hüten Sie sich, liebe Leser, vor diesem Fehler: Die meisten Anleger greifen erfahrungsgemäß nicht zu, wenn die Aktien zu Schnäppchenpreisen zu haben sind, sondern meist erst dann, wenn sie teuer sind – die Folge der psychologischen Einflussfaktoren, des Zögerns und Zauderns. Dies ist der Hauptgrund, warum es so viele Verlierer an der Börse gibt. Orientieren Sie sich lieber an Gottfried Heller, dem Chef der Fiduka Depotverwaltung in München. Er ermunterte im Mai 2008 die Anleger mit folgendem Ausspruch: »Die niedrigen Aktienkurse sind für deutsche Anleger ein Geschenk des Himmels.«
Was ist mit dem inneren Wert einer Aktie gemeint?
Oft wird vom »inneren Wert« einer Aktie gesprochen. Fundamental gilt ein Titel als kaufenswert, dessen innerer Wert nahe dem aktuellen Aktienkurs liegt. Der innere Wert wird meist als Ertrags- oder Substanzwert errechnet. Beim Ertragswert werden die erwarteten künftigen Erträge kapitalisiert und zur Berechnung das bilanzierte Nettovermögen, Buchwert genannt, sowie die geschätzten stillen Reserven herangezogen. Die so ermittelten Werte, wozu auch Markenrechte und Patente zählen, werden durch die Anzahl der vorhandenen Aktien dividiert.
Was besagt ein Vorstandswechsel?
In den Top-Etagen der Global-Player, aber auch bei den börsennotierten Mittelständlern, gibt es als Nachwehen der weltweiten Finanzkrise ein heftigeres Stühle rücken als bei den Fußballbundesligaclubs, deren Cheftrainer ebenfalls auf Feuerstühlen sitzen. Wird ein Vorstand in die Wüste geschickt, sind die Auswirkungen auf die Aktienkurse unterschiedlich, abhängig vom Ansehen des bisherigen Vorstandsvorsitzenden oder des Finanzvorstandes in der Öffentlichkeit, bei Großaktionären und Analysten. Die personellen Veränderungen in den Vorstandsetagen werden mit Kursaufschlägen honoriert, wenn von den Nachfolgern auf den Chefsesseln frischer Wind und ein Strategiewechsel bei schleppenden Geschäften erwartet werden. Scheidet ein verdienter Vorstand auf Druck von Private Equity- und Hedge-Fonds-Großaktionären aus, sind Kursabschläge denkbar. Wer ein Unternehmen aussaugt, indem er gegen den Managementwillen eine hohe kreditfinanzierte Dividende wie vor einigen Jahren bei HUGO BOSS durchsetzt, schwächt die Eigenkapitalbasis, führt zur Verschuldung und macht die AG krisenanfällig. Erscheint die Lage undurchsichtig, gilt »Finger weg von der Aktie«. Erinnert sei an die abrupte Kündigung seitens des nur einige Monate im Amt befindlichen Vorstandsvorsitzenden Utz Claassen von Solar Millennium, dem marktführenden Parabolrinnenkraftwerkbauer. Wegen der ungewissen Lage auch bezüglich Bilanzstruktur rauschte der Aktienkurs in den Keller – nach einem Plus 2009 von 175 Prozent eine eiskalte Dusche 2010 mit einem Minus von zeitweilig über 50 Prozent.
Exkurs Fundamentalanalyse: Welchen Analysten glauben?
Grundsätzlich werden die seriösen Analysten der führenden Bankhäuser ernst genommen, vor allem wegen des Einflusses, den sie auf die Großinvestoren haben. Andererseits treffen gerade die Analysten kleinerer Geldinstitute mit ihren Prognosen öfter ins Schwarze – und zwar nicht seltener als die der Großbanken. Die Hauptgründe dürften sein, dass die Experten kleinerer Institute die regionalen Märkte vor Ort und weit weg vom Schreibtisch gründlicher beobachten können. Wegen der geringeren Marktmacht können sie unabhängiger und freier Empfehlungen abgeben, ohne sich die Kurse womöglich selbst zu verderben. Denn nicht sie, sondern die Meinungen der großen Häuser markieren den Trend.
Jetzt ist Ihre Meinung gefragt! Der provokative Kontra-Indikator
Der Autor McClellan schreibt in seinem Buch »Im Zweifelsfall Kaufen!«: »Letztlich gibt es nur eine sinnvolle Möglichkeit für Kleinanleger, aus den Empfehlungen der Analysten Kapital zu schlagen: Nehmen wir an, bekannte Branchenexperten haben eine hohe Meinung von der Firma XY. 19 von 20 Analysten, die das Unternehmen zuletzt unter die Lupe genommen haben, sagen ‚Kaufen’, einer sagt ‚Halten’. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist der Abweichler derjenige, auf den sich Anleger verlassen sollten. Die anderen 19 haben vermutlich voneinander abgeschrieben (Anmerkung: ungeprüfte Unterstellung). Wenn die Mehrheit irrt, ist es nicht so wild, wie allein im Regen zu stehen. Es ist davon auszugehen, dass bei der XY-Aktie nicht mehr allzu viel zu holen ist. Die vermeintlich guten Noten der Analysten sind eher ein Indikator dafür, dass es schon bald nach unten geht mit dem Kurs. Anleger sollten daher nicht auf Aktien schauen, die alle Analysten toll finden, sondern auf die Verschmähten.«
3.4 Die Charttechnik als Orientierungshilfe nutzen
Die technische Analyse mit Trendkanal, Unterstützungs-, Widerstandslinien und verschiedenartigen Formationen leitet aus den Verhaltensmustern der Vergangenheit künftige Trends ab.
Die Charttechnik verschafft einen raschen, anschaulichen Überblick über die bisherige Entwicklung von Indizes, Aktien und anderen Finanzinstrumenten. Viele interessante Vergleichsstudien basieren auf der Grundlage der technischen Analyse.
Im Börsenfernsehen zaubern die Spezialisten der technischen Analyse aus ihrem Notebook gern farbenfrohe Kursgrafiken mit Unterstützungs- und Widerstandslinien, Wimpel, Dreieck, Flagge, Ober- und Untertasse, M- und W-Formation, Bären- und Bullenfalle, Doppeltop, Keil- oder Kopf-Schulter-Formation, Diamant, Rosshaken usw. hervor. Da bleibt bei den interessierten Zuschauern schon lange nicht mehr nur respektvolles Staunen, hat sich doch die Charttechnik längst als wichtige Orientierungshilfe für zu treffende Kauf- und Verkaufsentscheidungen durchgesetzt.
Die technische Analyse, auch Charttechnik genannt, stellt Kurs- und Indexverläufe aus der Vergangenheit über bestimmte Zeiträume dar. Angefangen vom Tageschart gibt es je nach Bedarf Wochen-, Monats-, 80-Tage-, 200-Tage-, Jahres-, Mehrjahres- und vergleichende Charts. Auf der Horizontalen zeichnet der Charttechniker die Zeitspanne, auf der Vertikalen den Aktienkurs ein. Er arbeitet mit Linien, Wellen, Strichen, Kurven, schwarzen und weißen Kerzen, Pfeilen, Bollinger Bändern usw.
Die Charttechnik schätzt den Aktienmarkt als Resultat von Angebot und Nachfrage ein. Aus den Kursentwicklungen der Vergangenheit, verursacht durch sich wiederholende Verhaltensmuster und Regelabläufe als typisch menschliches Phänomen, werden Trends und Orientierungshilfen für die Zukunft abgeleitet.
Das menschliche Verhalten unterliegt gewissen Gesetzmäßigkeiten und Regelabläufen. Mithilfe der Charttechnik lassen sich psychologische Einflussfaktoren aufspüren und bei Anlageentscheidungen nutzbringend umsetzen. Die Charttechnik signalisiert günstige Kaufgelegenheiten. Ebenso kann sie durch ein frühzeitiges Verkaufssignal vor großen Verlusten bewahren. Allerdings sollte der Anleger bei aller Aussagekraft der Charts nicht die entscheidenden fundamentalen Daten vernachlässigen. Er darf auch nicht vergessen, dass die Charts die Vergangenheit widerspiegeln und nur deshalb auch für die Gegenwart und Zukunft bedeutsam sind, weil der Mensch als »Gewohnheitstier« gilt und zu wiederkehrenden Verhaltensmustern neigt. Für die Kritiker der technischen Analyse stellt sich die Frage nach Ursache und Wirkung bzw. das Problem einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Damit ist gemeint, dass die Charttechnik nur deshalb stimmt, weil so viele Anleger darauf vertrauen und ihr Verhalten entsprechend ausrichten. Sie orientieren sich am Trendkanal, kaufen, wenn die untere Unterstützungslinie hält, verkaufen, wenn sie nach unten durchbrochen wird. Sie steigen aus, wenn der Kurs wiederholt an der gedachten oberen Widerstandslinie abprallt. Sie steigen ein, wenn die Widerstandslinie durchstoßen wird und der Weg nach oben frei ist. Der Chart bestätigt das gezeigte Anlegerverhalten. Die Börse, die ansonsten ihrer Zeit vorauseilt, schätzt die genaue, einen schnellen Überblick vermittelnde anschauliche Charttechnik als unverzichtbares Instrumentarium für anstehende Entscheidungen.
Der US-Börsenpsychologe Alexander Elder geht davon aus, dass die Markteinschätzung und das daraus abzuleitende Anlegerverhalten zu 35 Prozent aus Psychologie, zu 35 Prozent aus klugem Kapitalmanagement und zu 30 Prozent aus Erkenntnissen der technischen Analyse bestehen. In extrem hektischen und aufregenden Phasen steigt der psychologische Einfluss sogar auf ungefähr 80 bis über 90 Prozent.
Wer glaubt, dass Aktiencharts nur deshalb meist stimmen, weil sich so viele Börsianer daran orientieren und danach handeln, sollte über folgende Tatsache nachdenken. Der bekannte Chartexperte Professor Schulz erstellte von dem 1998 gebildeten EURO STOXX 50 im Nachhinein einen Mehrjahreschart. Ebenso wurde der 2005 von der Deutschen Börse AG gegründete Index für eigentümerorientierte Familienunternehmen, der GEX, zurückgerechnet und mit einem Mehrjahreschart versehen. Diese nachträglich erstellten Charts zeigen, dass die Börsianer zu wiederkehrenden Verhaltensmustern neigen und bestätigen die Bedeutung der Charttechnik als brauchbare Orientierungshilfe für zu treffende Kauf- und Verkaufsentscheidungen.
Es ist viel wahrscheinlicher, dass eine einmal eingeschlagene Bewegungsrichtung »the trend is your friend« weiter anhält, als dass ein abrupter Richtungswechsel eintritt. Handlungsbedarf besteht meist erst dann, wenn der längerfristige Trendkanal einen klaren Ausbruch um mehr als fünf Prozent erfährt. Eine deutliche Tendenz nach oben ist als Signal zu verstehen, dass die Talsohle vermutlich verlassen wird und sich die Bären verabschieden. Im Bereich der Bodenbildung steigen Mutige wieder ein bzw. kaufen zu. Bei einem nachhaltigen Ausbruch nach unten lässt sich bei frühzeitigem Ausstieg der Verlust begrenzen, sei es mithilfe von Stop-Loss-Orders oder durch eine situationsbedingte dynamische Verlustbegrenzung.
Widerstands- und Unterstützungslinien erleichtern die Anlageentscheidung
Viele Börsianer verkaufen ihre Aktien, sobald diese nach einer Konsolidierungs- oder Korrekturphase das alte Niveau bzw. den »Einstandspreis« wieder erreichen. Folglich entsteht an der Widerstandslinie ein erhöhtes Angebot, und die Aktie braucht oft mehrere Anläufe, um diese gedachte Linie nach oben zu durchstoßen. Gelingt dieser Ausbruch, steht charttechnisch einem weiteren Kursaufschwung vorerst nichts im Wege. Sinkt umgekehrt der Kurs auf einen alten Tiefpunkt, glauben zahlreiche Anleger, der Boden sei erreicht und greifen zu. So bildet sich eine Unterstützungslinie, die einen weiteren Kursrückgang zumindest zeitweilig verhindert. Bei Konjunkturschwäche, fundamental schlechten Nachrichten und einem generell miesen Börsenklima hält jedoch keine gedachte Unterstützungslinie mehr. Der Kurs bricht ein wie das Messer durch die weiche Butter. Statt eines Kaufsignals liefert die Charttechnik nun eine klare Verkaufsanweisung.
Zu den bekanntesten Umkehrformationen zählt die Schulter-Kopf-Schulter-Formation. Der Chart erinnert mit einiger Fantasie an einen Kopf mit seiner linken und rechten Schulter. Die beiden Tiefpunkte zwischen Kopf und Schultern werden durch die gedachte Nackenlinie verbunden. Häufig bildet diese Nackenlinie eine stabile Unterstützung. Erst wenn der Kurs nachhaltig nach unten durchbricht wie in Abbildung 1, besteht ein Verkaufssignal. Ansonsten wird zu früh verkauft und die Chance auf eine Kurserholung vertan wie in Abbildung 2. Laut Statistik ist zu etwa 70 Prozent damit zu rechnen, dass nach Absacken unter die Nackenlinie der Kurs weiter abstürzt.
Besonders aussagekräftig: Charts im Branchenvergleich und ausgewählte Aktien gegenüber dem Index
Selbst die treuesten Anhänger der Fundamentalanalyse greifen gern auf Charts zurück, um sich rasch und anschaulich über die Entwicklung bestimmter Titel im Branchenvergleich zu informieren, z. B. im Automobilsektor Daimler gegenüber BMW, VW und Porsche.
Es ist aufschlussreich zu beobachten, wie eine bestimmte Aktie gegenüber der Benchmark, dem Vergleichsindex, notiert. Es kann spannend sein, wichtige Indizes in einem Langfristchart übereinander zu legen, wie DAX, DOW JONES, NIKKEI, EURO STOXX 50 usw. Informativ ist es, bei den deutschen Indizes DAX, TecDAX, MDAX und SDAX die Charts auf diese Weise miteinander zu vergleichen. Sie können sich z. B. davon überzeugen, dass der GEX (German Entrepreneurial Index), der Index für familiengeführte Unternehmen, von 2003 bis 2007 alle anderen deutschen Börsenbarometer bezüglich ihrer Kursentwicklung klar geschlagen hat.
Die Ergebnisse der Charttechnik bilden die unverzichtbare Grundlage für viele Untersuchungen und Forschungen. Mit solchen Schaubildern kann die Fundamentalanalyse nicht dienen – aber selbst davon profitieren. Umgekehrt unterfüttert und begründet die Fundamentalanalyse die charttechnische Entwicklung mit ihrem Auf und Ab, ihren Widerstands- und Unterstützungslinien.
Candlestick-Charts erlauben eine genaue Marktanalyse
Die japanische Candlestick-Chartanalyse erinnert in ihrem Aussehen an schwarze und weiße Kerzen mit Dochten. Sie ist leicht verständlich, aufschlussreich und verstärkt die Effizienz der charttechnischen Analyse. Candlesticks zeigen auf anschauliche Weise den Eröffnungs- und Schlusskurs sowie das Tageshoch und das Tagestief. Die Aufwärtstendenz wird im Allgemeinen durch weiße, der Abwärtstrend durch schwarze Kerzen angezeigt.
3.5 Gute und schlechte Börsenmonate hinterfragen
Der Mai, im Langzeitvergleich am zweitschlechtesten abschneidend, gilt als Angstmonat. Nach den immer noch üppigen Dividendenzahlungen, die im Frühjahr ihren Höhepunkt erreichen, stellen sich viele Börsianer auf Urlaub, laue Sommermonate und den gefährlichsten Börsenmonat September ein. Bloomberg hat analysiert, dass der DAX in 21 von 43 Jahren im Mai sogar zulegte statt zu verlieren. Im Schnitt rutschte der DAX im Wonnemonat Mai in 32 Jahren um weniger als ein Prozent ab. Zurückgerechnet bis 1965 verlor der DAX im Mai im Schnitt 0,2 Prozent.
Aber diese Rechnung geht seit 1990 nicht mehr auf. Seit 20 Jahren setzt der DAX öfters im Mai und Juni seine im Frühjahr begonnene Aufwärtsbewegung fort, unterstützt von Dividenden, die neues Geld frei machen für ein Aktieninvestment. Der Abwärtstrend aus Furcht vor Verwerfungen im September/Oktober beginnt meist erst Ende Juli bis Anfang August. Da jede Transaktion Geld kostet, sollten Langzeitinvestoren zwar ihr Depot aufmerksam beobachten, keineswegs aber jetzt alles verkaufen, zumal noch einige Hauptversammlungen mit üppigen Ausschüttungen anstehen und der steuerfreie Altbestand wie ein Schatz zu hüten ist. Vernünftig ist ein gezieltes Stock-Picking. Nehmen Sie hier und da Gewinne mit, und begrenzen Sie bei schlechten Nachrichten Ihre Verluste beherzt.
»Sell in May and go away!« lautet eine bekannte Börsenweisheit. Vielleicht fragen auch Sie sich, wie Sie damit am besten umgehen. Die frei übersetzte Empfehlung: »Verkaufe deine Aktien im Mai, und halte dich zunächst, bis zum Herbst, fern von der Börse!« beruht nicht auf bloßer Willkür und der Geschäftstüchtigkeit »der drei großen B« Börse, Broker und Banken. Das Studium der DAX-Statistik über einen Zeitraum von drei Jahrzehnten zeigt, dass nur im September, August und Mai ein Minus erzielt wurde, auch wenn positive Bewegungen gegen den Trend nicht selten sind. Der Dezember, November und Februar präsentieren sich oft in Bullenlaune. Am meisten ängstigen sich die Börsianer vor dem Oktober, gab es doch 1929 und 1987 die großen Crash-Szenarien. So zeigt der Oktober meist eine eher kümmerliche Performance. Bleibt der befürchtete Crash aus, läutet der »goldene Oktober« nicht selten eine dynamische Herbst-Winter-Rallye ein.
Bei oberflächlicher Betrachtung bestätigt sich die Aussage: »Sell in May and go away!« Es spricht also nichts dagegen, einige Gewinne mitzunehmen und die sich vielleicht abzeichnenden Verluste zu begrenzen. Sich von seinem gesamten Aktienbestand zu trennen, ist Unsinn und wird durch die Statistik nicht gestützt. Die Profiteure wären andere. Wenn Sie verkaufen, konzentrieren Sie sich auf Ihr Neudepot, und schonen Sie Ihren steuerfreien Altbestand. Ein totaler Ausverkauf im Mai würde sich verheerend auswirken. Hielte sich jedermann daran, würde der Negativtrend derart verstärkt, dass analog zur Charttechnik die Prophezeiung schon deswegen zuträfe. Der Herdentrieb und die Befürchtung, zu spät zu reagieren, würde zur Vorverlagerung von Mai auf April führen. Es ist unklug, sich stur an diese Börsenweisheit zu klammern und unabhängig vom Börsenklima alle Aktien im Mai zu veräußern und im Herbst wieder einzusteigen.
An den besten Börsentagen dabei sein!
Glauben wir einer statistischen Untersuchung, halbiert ein Anleger mit kurzem bis mittelfristigem Anlagehorizont seine Gewinnchancen, wenn er beim Ein- und Ausstieg ein schlechtes Timing zeigt und an den zehn besten Börsentagen nicht investiert ist. Verpasst er die 20 Tage mit dem höchsten Kursanstieg, verringern sich seine Gewinnchancen auf ein Viertel. Bleibt er an den 30 besten Börsentagen »außen vor«, schmilzt sein Kursgewinn auf ein Achtel zusammen gegenüber Investoren, die an den 30 Tagen mit der besten Performance im Markt sind. Je länger der Anlagehorizont ist, umso weniger wichtig sind der ideale Ein- und Ausstiegszeitpunkt. Wer in Kostolany-Manier seine Qualitätsaktien jahrelang hält, ist an allen Börsentagen dabei.
»Wenn sich alle als Bären verhalten, muss der Markt nach oben gehen, denn es gibt keine Verkäufer mehr.«
Börsenkalender 2004
Vor Feiertagen winken oft Kursgewinne – die Hälfte vom Zuwachs erzielt der DAX vor arbeitsfreien Tagen
Wer liest, dass unmittelbar vor einem Feiertag die Kurse öfters steigen, ist vielleicht erstaunt. Manch einer würde eher vermuten, dass sich die meisten Investoren vor Festtagspausen zurückhalten oder bei Verunsicherung sogar Positionen glattstellen. Dies geschieht, wenn die Börsenpsychologie das Marktgeschehen dominiert. In ruhigen Börsenzeiten schlägt sich vielleicht die Freude über einen erholsamen Tag positiv auf die Grundstimmung und die Kaufbereitschaft am Aktienmarkt nieder.
Oft besser für Banker als für Privatanleger:
»An die Börse muss man gehen wie in ein kaltes Brausebad: schnell hinein und schnell wieder heraus.«
Salomon von Rothschild
Es ist zu befürchten, dass es mit der Feiertagsvorfreude bei DAX & Co. bald vorbei ist. Hedge-Fonds nutzen die Kursunterschiede an den weltweiten Börsenplätzen sekundenschnell aus und dürften den Festtagseffekt zerstören. Möglicherweise weicht die Vorfeiertaglaune bald einem Vorfeiertagkater. Früher stiegen die Kurse im Laufe der Woche an. Freitags gab es das größte Plus, am Montag eher ein Minus. Seit einigen Jahren zeichnet sich ein Umkehrtrend ab mit einem stärkeren Montag und einem schwächeren Freitag.
3.6 Wann Value und wann Growth einsetzen?
Was hat es mit dem Anspruch der »Nachhaltigkeit« auf sich, von dem neuerdings so viel die Rede ist?
In der Fußballwelt erscheint manche strategische Entscheidung einfacher zu sein als an der Börse. Liegt die eigene Mannschaft zurück, bringt der Trainer höchstwahrscheinlich neue Stürmer auf das Spielfeld. Torgefährlichkeit und Torinstinkt mit zielgenauen Offensivkräften sollen das Blatt wenden. Was in der Theorie logisch erscheint, erweist sich in der Praxis oft als Trugschluss – eine Erkenntnis, die teilweise auf das Börsengeschehen übertragbar ist. Christian Grund und Oliver Gürtler von der Universität Bonn analysierten 1.700 Auswechslungen in der Bundesliga. Die Ergebnisse wirken ernüchternd: Betraten neue Stürmer den Rasen, wurde zu 21 Prozent der Spielstand verbessert. Aber zu 40 Prozent baute die gegnerische Mannschaft ihren Vorsprung noch weiter aus. Behielt der Trainer trotz des Rückstands und der drohenden Niederlage die Nerven und griff nicht in die Aufstellung ein, holte das im Rückstand befindliche Team in jedem dritten Fall wieder auf. Weitere Gegentreffer kassierte die Mannschaft nur zu 30 Prozent.
Fazit: Mehr Stürmer schießen meist mehr Tore. Dafür brennt es aber in der Abwehr oft lichterloh, sodass die angepeilten drei Siegespunkte in weite Ferne rücken. Welche Konsequenzen lassen sich daraus für die Börse ableiten? Mit größerem Risiko lässt sich die angestrebte höhere Rendite nicht verlässlich steigern. Wer auf riskantere Werte setzt, kann seine Performance zwar deutlich verbessern, aber auch wesentlich schlechter abschneiden. Je größer die Chance, desto höher ist ebenso das Risiko.
Vom Fußballspiel ausgehend, lassen sich die Stürmer eher mit wachstumsstarken, konjunkturabhängigen Growth-Titeln, die Abwehr mit stabileren, weniger konjunkturell beeinflussten Value-Titeln vergleichen. Eine Fußballelf mit nur Offensivkräften schießt vermutlich viele Tore, muss aber auch mehr Treffer vom Gegner einstecken. Wer allein auf eine starke Abwehr setzt, verhindert leichter Einschläge ins eigene Tor, dafür bleibt die eigene Torausbeute mager. Das typische Ergebnis lautet 0:0 – ein Punkt statt drei Zähler. Mit einer solchen Strategie lässt sich kaum der Abstieg verhindern und schon gar nicht die Meisterschaft erkämpfen.
Erkenntnis: Ein ausgewogenes Portfolio mit Growth- und Value-Titeln verspricht auf Dauer den sichersten Zugewinn. Eine starke Übergewichtung in die eine oder andere Richtung macht ein schnelles Rein und Raus – abhängig von Konjunktur, Markttrend und Branchenrotation – eher erforderlich. Übertriebenes Umschichten kostet jedoch Geld.
Die defensive Value-Strategie: ideal bei Sicherheitsbewusstsein
Ab Ende der 1990er-Jahre bis zum Platzen der Spekulationsblase im Frühjahr 2000, als DOW und DAX, Nasdaq und der im März 2003 »beerdigte« Neue Markt von einem Allzeithoch zum nächsten eilten und die Börse boomte wie nie zuvor, galt die Investorlegende Warren Buffett als ein vom Strom der Zeit weggespültes Fossil. Der dicke Wälzer: »Von bleibendem Wert – die Biographie des erfolgreichsten Investors« war ebenso wenig gefragt wie seine Aktie Berkshire Hathaway.
»Kaufe nur, was du kennst und verstehst!«
Warren Buffett
Danach erlebte die US-Investorlegende ein anhaltendes beeindruckendes Comeback. Warren Buffett, reichster Mann der Welt, investiert nur in substanzstarke, niedrig bewertete Aktien, deren Geschäftsmodell er kennt und versteht. Hightech, Biotech, Internet, Nanotechnologie und erneuerbare Energien sind nicht seine Welt. Im Hochpunkt der Hausse wurde Warren Buffett trotz großen Respekts vor seiner Lebensleistung bisweilen mit sanftem Spott bedacht. Die New Economy war »in«, die Old Economy mit ihren eher langweiligen Industrietiteln »out«. Umsatz, Wachstum, Fusionen und Übernahmen erregten die Fantasie. Nachhaltige Ertragskraft und ein faires KGV rückten nach hinten. Zu spät wurde erkannt, dass sich manche kleine Garagenfirma bei ihrem grenzenlosen Streben nach Größe verhob. Im Verlauf des Crashs änderten viele Trader Einstellung und Verhalten. Warren Buffetts Aktie Berkshire Hathaway erlebte einen zweiten Frühling; seine Fangemeinde wuchs. Bei einer eBay-Auktion um ein Essen mit dem Börsenstar im Juli 2003 blätterte der Sieger dafür 250.000 Dollar hin – mehr als doppelt so viel wie die Versteigerung für den »Papst«-Golf (Zulassung Kardinal Ratzinger) im Mai 2005 dem Verkäufer einbrachte.
»Machen Sie sich auf einen Abschwung der Märkte gefasst, wenn die Werbung von Börsenbrief-Herausgebern damit anfängt, Listen zu veröffentlichen, die die unglaublichen Erfolge ihrer vorhergegangenen Anlageempfehlungen zeigen.«
Yale Hirsch
Die defensive Value-Strategie erscheint für konservative bis chancenorientierte Anleger ideal, auch als Sparplan für die Altersvorsorge. Werthaltige, weniger konjunkturabhängige Value-Aktien gibt es nicht nur unter den Blue Chips. Die Nebenwerteindizes klassischer Ausrichtung MDAX und SDAX sowie der neue DAXplus Family-Index, Nachfolger des GEX (German Entrepreneurial Index für Familienunternehmen), erweisen sich als wahre Fundgrube. Value konzentriert sich auf werthaltige, substanzstarke Papiere mit einem niedrigen KGV und sonstigen soliden Kennziffern wie Cashflow und Buchwert.
»Es ist sehr klug, sich stets daran zu erinnern, dass zu viel Erfolg am Markt bereits für sich eine exzellente Warnung ist.«
Gerald Loeb
Am Ende eines Konjunkturzyklus, wenn der Aufschwung nachlässt, die Hausse in eine Baisse mündet und die Konjunkturerholung auf sich warten lässt, sind Value-Aktien besonders gefragt. Auch während einer Krise wird gegessen, getrunken, geputzt, geheizt, Wäsche gewaschen, der Körper gepflegt, telefoniert, Strom verbraucht, Arznei eingenommen usw.
Versorger-, Öl-, Konsum-, Pharma- und Telekomaktien gehören zur Value-Gruppe, bleiben aber dennoch von der Branchenrotation nicht verschont. Jede Marktphase hat ihre Börsenlieblinge. Die klassisch ausgerichteten Firmen verwöhnen ihre Anteilseigner oft mit einer üppigen, verlässlich steigenden Dividende. Die Kehrseite? Die Industriewerte sind nicht gerade »sexy« und entwickeln sich eher selten zu Kursraketen, auch wenn es bemerkenswerte Ausnahmen gibt. Umgekehrt ist im Crash das Rückschlagpotenzial begrenzt. Die oft attraktive Gewinnausschüttung sichert den Kurs nach unten ab.
Mit der Growth-Strategie mehr Temperament ins Portfolio
Bis zum Frühjahr 2000 war die Börsenwelt noch in Ordnung. Der DAX legte sich mächtig ins Zeug und übersprang die 8.000er-Marke, was danach erst wieder im Frühjahr 2007 geschah. Der damals noch bestehende NEMAX 50 steuerte auf stolze 10.000 Punkte zu. Die New Economy lieferte die Zauberformel für eine wundersame Geldvermehrung in kürzester Zeit. Das KGV wurde kaum beachtet, eine seriöse Bilanzierung auch nicht. Ein Unternehmensertrag galt vorerst als nebensächlich, stand er doch der Wachstumsfantasie im Wege. Volkswirtschaftliche Gesetzmäßigkeiten wurden ignoriert, einzelne Mahnungen überhört, erste Warnsignale missachtet.
»Es ist oft produktiver, einen Tag lang über sein Geld nachzudenken, als einen ganzen Monat für Geld zu arbeiten.«
Heinz Brestel
Wer damals zum Ausstieg blies oder eine Value-Strategie empfahl, erntete meist ein mitleidiges Lächeln. Nicht mit den eher langweiligen Industrietiteln, sondern den dynamischen Werten der New Economy heimsten Anleger üppige Gewinne ein – allem voran mit Neuemissionen. Es herrschte die Meinung vor, der gewaltige technologische Fortschritt gekoppelt an den Siegeszug des Internets könne den Konjunkturzyklus aushebeln und eine dauerhafte Hausse auslösen. Welch folgenschwerer Irrtum! Für den DOW JONES wurden für das erste Jahrzehnt im neuen Jahrtausend 20.000 Punkte, für den DAX 12.000 Punkte ausgerufen. Ältere Anleger dürften diese Traumperformance kaum mehr erleben, auch wenn die Hoffnung als Letztes stirbt.
Mit dem dreijährigen Salamicrash zerstoben diese Träume wie Staub im Sturm. Heute zählen fundamentale Kennziffern mit Rückbesinnung auf altbewährte Bewertungsmaßstäbe.
Growth bezeichnet einen wachstumsorientierten Investmentstil mit innovativen Geschäftsmodellen und überdurchschnittlich hohem Umsatz- und Gewinnwachstum. Die Einschätzungen und Beurteilungskriterien wurden zurechtgerückt. Mit dem Niedergang des Neuen Marktes schuf die Deutsche Börse AG als Nachfolger den TecDAX mit 30 Titeln aus den Bereichen Hightech, Biotech und Internet. Das Aussehen des TecDAX – volkstümlich »Sonnen-Index« genannt – hat sich in letzter Zeit stark verändert: achtmal Solarstrom, einmal Windkraft. Wegen des starken Anteils erneuerbarer Energien ist der TecDAX besonders schwankungsfreudig und auch für Kurzzeit- und Day-Trader interessant.
»Geld gleicht dem Dünger, der nur nützt, wenn er flächendeckend ausgestreut wird.«
Francis Bacon
Ein Blick in deutsche Aktiendepots dokumentiert »Heimatliebe« durch Übergewichtung von DAX-Titeln, ebenso die Rückbesinnung auf solide Investments mit begrenztem Rückschlagpotenzial. Risikofreudige Anleger setzen bei intaktem Wirtschaftswachstum verstärkt auf Growth und bevorzugen bei deutschen Indizes TecDAX-Aktien. Daneben sind zyklische Werte aus klassischen Branchen gefragt, wie Rohstoffe, Chemie-, Auto- und Finanzwerte. Ob Value, ob Growth – eine breite Streuung verringert das Risiko.
Exkurs: Wachstum und Value schließen sich nicht aus
Bei vielen Börsianern hält sich das Missverständnis, wonach Value-Unternehmen stets an einem niedrigen KGV, KBV (Kurs-Buchwert-Verhältnis) und KUV (Kurs-Umsatz-Verhältnis) gemessen werden. Wachstumsstarke Substanztitel sind nicht mehr zum Schnäppchenpreis zu haben. Dazu erklärt die Professor-Otte-Kolumne Ende Mai 2005: »Wachstum und Value schließen sich nicht aus! ›Billige‹ Unternehmen können zu Recht billig sein – dann nämlich, wenn sie wenig wachsen, schrumpfen oder vielleicht sogar dauerhaft Verluste produzieren. – Genauso können Unternehmen mit hohen KGVs durchaus günstig bzw. preiswert sein, dann nämlich, wenn die Wachstumsaussichten dieses KGV rechfertigen. Einen Unterschied gibt es allerdings: Während Sie bei ›billigen‹ Unternehmen wissen, was Sie haben, müssen Sie bei Wachstumsunternehmen Annahmen über die Zukunft treffen. Und dabei haben sich schon viele die Finger verbrannt. Es kommt also bei ›teuren‹ Unternehmen ganz besonders darauf an, die Zukunftsaussichten und die zukünftigen Wachstums- und Ertragsraten sorgfältig zu analysieren. – Qualität ist und bleibt teuer (Anmerkung: kann aber dennoch preiswert sein). Mit der Methode des ›Inneren Wertes‹ lassen sich gute Einstiegschancen identifizieren.«
Die Wahl des Anlagestils – auch eine Mentalitätsfrage
Die Idee, sich bei der Auswahl von Unternehmenstiteln nach konkreten Anlagestilen zu richten, hat vor allem in Amerika eine lange Tradition.
Begriffswirrwarr: billig – preiswert – teuer
Billig bedeutet, dass eine Aktie wenig kostet, teuer, dass dafür viel zu bezahlen ist. Mit preiswert ist ein faires Preis-Leistungs-Verhältnis gemeint. So kann eine teure Aktie preiswert sein, wenn die Wachstums- und Ertragsaussichten hoch sind.
Umgekehrt ist ein billiger Penny-Stock keineswegs preiswert, wenn wegen der Verluste der Pleitegeier über dem Unternehmen kreist und sich kein dauerhafter Aufschwung abzeichnet.
Fazit: Was wirklich gut ist, hat seinen Preis.
Wie aus aktuellen Veröffentlichungen in der Fachpresse hervorgeht, wächst auch bei zahlreichen europäischen Investoren die Vorliebe für bestimmte Anlagestile. Dabei zählen »Value« mit dem Schwerpunkt auf den Unternehmenswert und »Growth« mit mehr Augenmerk auf Wachstum zu den bekanntesten Orientierungen.
Sind Value und Growth eine Geschmacksfrage oder verbirgt sich mehr dahinter? Der Value-Investor orientiert sich am Vermögenswert. Er will die Aktien von Unternehmen mit hohem Netto-Buchwert preiswert erwerben und setzt auf eine hohe Dividende. Beim Growth-Ansatz wird mit dem Wachstumsschwerpunkt das Ziel verknüpft, eine überdurchschnittlich hohe Rendite zu erzielen. In der Rückschau, ausgewertet von Salomon Smith Barney auf Basis der MSCI-Benchmark, fällt auf, dass Value seit der Jahrtausendwende über einen Zeitraum von fünf Jahren Growth geschlagen hat Diese Entwicklung wurde stark überlagert durch den Schock des Kursverfalls nach dem Platzen der Spekulationsblase und das sich anschließende Sicherheitsstreben. Eine solche Situation liegt auch momentan vor. Der Börsencrash im Herbst 2008 und Frühjahr 2009 im Zuge der sich dramatisch zuspitzenden Finanzkrise führte zu einer Verunsicherung an den Kapitalmärkten mit Risikoaversion. Aussagekräftig ist ein Performance-Vergleich der letzten drei Jahrzehnte. Wer seit 1980 in die Aktien des MSCI-Value-Index investierte, erzielte im Schnitt eine um drei Prozent höhere Rendite als mit einem Growth-Ansatz, nämlich zwölf gegenüber neun Prozent. Wer jedoch die Vergangenheit in einzelne Phasen aufteilt, findet eine Reihe von Zeiträumen mit gegenteiligem Ergebnis.
Über 25 Jahre eine um 3 % höhere Rendite mit Value
Seit der Jahrtausendwende schlägt der Value-Wertansatz das Growth-Wachstumskonzept. Über einen Zeitraum von 25 Jahren führt die Renditedifferenz bei gleichem Startkapital zu einem annähernd doppelt so hohen Endbetrag.
Als Ende der 1990er-Jahre die Aussicht auf das neue Internetzeitalter die Kurse von Aktien aus der »New Economy« in unvorstellbare Höhen trieb, waren Investoren mit einer auf Growth ausgerichteten Anlagestrategie klar im Vorteil. Auch in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre war mit Wachstumstiteln mehr Rendite zu erzielen. Dagegen lohnte es sich im Crash von 2000 bis 2003 sowie 2008, Value überzugewichten. Von 1994 bis 1997 war keiner dieser beiden Anlagestile dem anderen überlegen – ein Patt. Auf eine Value-Phase muss nicht zwingend eine Growth-Phase folgen. Das Verhältnis von Value zu Growth ist ebenso wichtig für die Höhe der Rendite wie ein geschicktes Timing mit Gespür für die Marktlage. Bisweilen ändert sich die Einstufung. Zählten die Telekommunikationsaktien bis zur Jahrtausendwende noch zu den Wachstumswerten, gelten sie heute eher als Value-Titel.
Im DAX mehr Growth als Value
Im Vergleich zu vielen anderen Indizes sind im DAX zahlreiche offensive Growth-Titel bzw. Zykliker vertreten, rund 45 Prozent. Der DAX profitiert daher von guter Weltkonjunktur, niedriger Bewertung und Übernahmefantasie. Im EURO STOXX 50 machen Growth-Titel dagegen kaum 20 Prozent aus. Hier dominieren die defensiven Öl- und Gaswerte, die Nahrungs- und Genussmittel sowie die Telekommunikation.
Ist Ihnen dies zu mühselig, so mischen Sie am besten Growth und Value, und lassen Sie Ihren steuerfreien Altbestand im Erstdepot nicht ausstoppen. Langfristig gesehen nehmen Sie bei Ihren Qualitätstiteln im Crash auch mal einen Verlust von 20 bis 30 Prozent hin, um danach viele Jahre lang von steuerfreien Kursgewinnen zu profitieren, was ja bei jedem Neuinvestment seit 2009 nicht mehr möglich ist. Dieser Tipp gilt nicht für Zocker-Aktien und für Investments im Neu- oder Zweitdepot, sondern nur für substanz- und wachstumsstarke Aktien, möglichst ausgestattet mit einer attraktiven Dividende.
Viel hin und her
macht Taschen leer!
Breit gestreut!
Nie bereut!
Altbestände ohne Stopp,
außer die Aktie ist ein Flop!
3.7 Dividenden-Strategie: langfristig erfolgreich
Dividenden fristen kein Mauerblümchendasein mehr. Hohe Ausschüttungen treiben den Kurs und sichern ihn nach unten ab. Der Index DivDAX bildet die attraktivsten Dividendentitel im DAX ab. Es gibt bereits einige Indexfonds (ETF), die passiv gemanagt und damit kostengünstig die dividendenstärksten Werte aus dem DAX und STOXX 50 abbilden. Die Dividendenrendite liegt trotz einiger Streichungen und Kürzungen im Zuge der Weltwirtschaftskrise wegen der noch fairen Bewertung bei zahlreichen Titeln über fünf Prozent, beim DAX im Schnitt 3,3 Prozent.
Die folgenden Übersichten zeigen Ihnen, wie lukrativ ein mutiges Aktieninvest mit Blick auf die Dividendenrendite sein kann. Langfristig zählt die Ausrichtung auf Dividendentitel zu den besten Strategien. 2010 überwiesen die deutschen Unternehmen aus dem Prime Standard rund 27 Milliarden Euro. Dies sind 42 Prozent der 2009 erzielten Nettogewinne.
Einerlei, wie stark die Aktienkurse künftig steigen (und hoffentlich nicht mehr auf alte Tiefststände fallen), die Dividendenrendite errechnet sich aus Ihrem Kaufkurs. Bei einem langfristigen Investment ist es möglich, dass Sie allein mit Ihrer Dividendenrendite in weniger als einem Jahrzehnt den Einsatz für die Aktie wettmachen. Dies trifft in meinem Depot unter anderem zu bei den beiden DAX-Titeln Bayer (Kaufpreis: 10 €, Dividende: 1,40 €; Dividendenrendite: 14 %) und RWE (Kaufpreis: 29 €, Dividende: 3,50 €, Dividendenrendite: 12 %) Mit meiner EUWAX-Aktie, für unter zwölf Euro gekauft, schaffe ich dies bei einer konstanten Ausschüttung von 3,26 Euro sogar in knapp vier Jahren.
Solange ist es noch gar nicht her. Viele Anleger sahen nur auf die Kursgewinne. Die Gewinnausschüttung erschien nebensächlich und galt für junge Unternehmen mit starkem Wachstumsdrive eher als Hemmnis auf dem Weg zur Größe. Heute, da »Angstsparen« angesagt ist und das Sparbuch trotz schleichender Kapitalvernichtung unter Einbezug von Inflationsrate und Abgeltungsteuer ein Comeback feiert, hat sich der Stellenwert der Dividende bei den Aktionären gewandelt. Altmeister André Kostolany empfahl einst: »Aktien kaufen – lange schlafen und liegen lassen – aufwachen und reich sein.« Diese Strategie wird heute belächelt. Der Trend geht mehr in Richtung: »Schnell rein und raus!« Wie so oft im Leben, liegt zwischen beiden Extremen eine ausgewogene Strategie. Zumindest bei den weitgehend konjunkturunabhängigen Value-Titeln, die ihre Gewinnausschüttung stabil halten oder sogar steigern, ist ein längeres Investment angezeigt.
Eine üppige Dividende gilt zwar nicht als alleiniges, aber dennoch schlagkräftiges Kaufargument. Bei zahlreichen Versorger-, Industrie- und Telekommunikationsaktien liegt die Gewinnausschüttung weit über dem Zinssatz der Spareinlagen. Dies trifft auch für den durch die Finanzkrise stark gebeutelten STOXX 50 zu. Bei Banco Santander, Enel, Eni, France Telecom, GDF Suez, Iberdrola, Repsol, Telefonica, Total und Unibail-Radomco liegt die erwartete Gewinnausschüttung für 2010 zwischen über fünf und acht Prozent (Stand: Mitte April 2010). Ich habe mir die Mühe gemacht, für Sie die dividendenstärksten Titel aus dem DAX, TecDAX, MDAX und SDAX zusammenzustellen. Bei den Nebenwerten außerhalb der deutschen Indizes habe ich nur jene Werte berücksichtigt, deren Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf faire Bewertung hindeutet. Liegt dann auch noch der Buchwert (die materiellen Werte des Unternehmens) über dem Kurs, ist dies ein weiteres Anzeichen für einen günstigen Kaufzeitpunkt. Einmalige Sonderausschüttungen blieben ebenso außen vor wie Penny-Stock-Aktien.
Fazit: Die Dividendenjäger haben Hochkonjunktur
Auf rund 19,5 Milliarden Euro wird die Ausschüttungssumme der DAX-Konzerne für das zurückliegende Geschäftsjahr 2009 geschätzt. Als Initiator der Dividendenstrategie gilt Benjamin Graham, als Nachfolger Warren Buffett. Mein Rat: Richten Sie einerseits Ihr Depot auf starke Dividendentitel im DAX, EURO STOXX 50, MDAX, SDAX, vereinzelt im TecDAX sowie Prime Standard aus. Aber nehmen Sie nicht nur substanzstarke Dividendentitel aus dem industriellen Bereich auf. Auch Wachstumstitel aus den Branchen Hightech, Biotech, Nanotechnologie und erneuerbare Energien gehören in jedes gut gestreutes Depot.
Leider lief zum Jahresschluss 2008 das Halbeinkünfteverfahren für Dividenden aus. Die 2009 in Kraft getretene Abgeltungsteuer stellt Ausschüttungen, Zinsen und sonstige Kapitalerträge, also auch die Kursgewinne von Aktien, gleich. Wer noch vor 2009 thesaurierende, die Gewinnausschüttungen reinvestierende Aktienfonds bzw. Indexfonds (Exchange Traded Funds = ETF) geordert hat und diese als Altbestand hält, braucht überhaupt keine Steuer zu bezahlen.
Wer am Tag der HV die Aktie hält, bekommt am nächsten Werktag die volle Dividende gutgeschrieben.
Bei intaktem Börsenklima und positiven Fundamentaldaten wird der Dividendenabschlag (ExD) schon einige Tage oder wenige Wochen später aufgeholt.
Eine hohe Dividende sichert den Kurs nach unten ab.
Dividendenstarke Titel erzielen längerfristig meist eine höhere Performance.
Eine üppige Dividende ist ein wichtiges, aber nicht das einzige Kaufargument. Sinken Umsatz und Ertrag, wird die Dividende vielleicht gekürzt oder gestrichen.
Viele Hightech- und Biotech-Unternehmen zahlen vor allem in den ersten Jahren überhaupt keine Dividende aus. Wachstum hat absoluten Vorrang.
Die Deutsche Börse AG hat 2005 den DivDAX mit den 15 dividendenstärksten DAX-Unternehmen eingeführt. Die Anpassung erfolgt alljährlich. Hier empfiehlt sich als langfristiges Engagement ein Indexfonds (ETF).
Mit geschicktem Timing die Performance steigern! Laut einer Studie der DZ-Bank können Sie den DAX um gut einen Prozentpunkt schlagen, wenn Sie die dividendenstarken Werte dieses Index bis zu 20 Tage vor der Hauptversammlung kaufen. Am Tag danach kommt es zu einem Kursabschlag (ExD). Er wird bei intakten Fundamentaldaten jedoch rasch aufgeholt – oft schon in wenigen Tagen oder Wochen. Mitunter lautet der Tipp, am Tag nach der HV auszusteigen. Vergessen werden dabei die Transaktionskosten. Am häufig empfohlenen schnellen Rein und Raus verdienen Börse, Broker, Banken – eher selten die mit den Gebühren belasteten Privatanleger. Was für den einen Handelspartner gut ist, kann für den anderen schlecht sein. Sicherlich ist es besser, den HV-Zeitpunkt nur als ein Anlagekriterium unter einigen anderen Aspekten zu betrachten. Lukrativer ist es, bei starker Korrektur beherzt die Kursschwäche für den Einstieg und Zukauf zu nutzen. Die Tabelle auf der Vorseite bringt attraktive Dividendentitel, alle fair bewertet. Teilweise werden hier für 2010 noch höhere Ausschüttungen erwartet.
Großzügige Gewinnausschüttungen auch in Krisenzeiten
Während die Erträge der Unternehmen gegenüber dem Rekordjahr von 2007 wegen der globalen Finanzkrise um mehr als 50 Prozent einbrachen, ist der Abschlag bei den Dividenden viel geringer. Angesichts der dramatisch zurückgegangenen Nettogewinne für 2009, an denen sich die Dividenden orientierten, steigt die Ausschüttungsquote beim DAX laut Handelsblatt auf 61 Prozent – das höchste Niveau seit 2002. Von den 30 DAX-Konzernen schütten 26 Dividenden aus. Fünf Firmen erhöhen ihre Ausschüttung. Dies sind Allianz, Deutsche Bank, FMC, Fresenius und Munich Re (vormals Münchener Rück). Acht Unternehmen kürzen die Dividende, 13 lassen sie unverändert. Bei Daimler, Commerzbank, Lufthansa und Infineon gehen die Aktionäre bei der HV 2010 ganz leer aus. Spitzenreiter ist die Deutsche Telekom mit einer Dividendenrendite von knapp acht Prozent, wobei – ganz ungewöhnlich – der Vorstand eine üppige Dividende von mindestens 0,70 Euro sogar für drei Jahre garantiert. Am großzügigsten ist die Shareholder-Politik in Frankreich. Hier steigt trotz der Kritik seitens der Politiker und Gewerkschaften die durchschnittliche Ausschüttungsquote sogar auf 70 Prozent. Das ist europäischer Rekord.
Ausschüttungsquote beim DAX
2001: 15,8 Mrd. €
2002: 11,6 Mrd. €
2003: 11,5 Mrd. €
2004: 10,2 Mrd. €
2005: 14,8 Mrd. €
2006: 21,2 Mrd. €
2007: 27,7 Mrd. €
2008: 22,4 Mrd. €
2009: ca. 24 Mrd. €
2010: 25,6 Mrd. €
Der DivDAX: eine vielversprechende Idee
Sicherheitsdenken und Sparen stehen in Deutschland hoch im Kurs und finden ständig neue Nahrung, obgleich der Börsenabsturz, eingeleitet durch die Subprime- und Finanzkrise, bereits ein gutes Jahr zurückliegt. Sicherlich achten auch Sie, liebe Leserinnen und Leser, jetzt stärker auf die Dividendenrendite als zu den Zeiten eines von der Konjunktur getriebenen boomenden Bullenmarktes. Es passt gut in die Landschaft, dass die Deutsche Börse AG im Jahr 2005 den DivDAX eingeführt hat, für den es erfreulicherweise preiswerte Indexfonds (ETF) gibt!
Der DivDAX filtert alljährlich aus dem DAX die 15 Unternehmen mit der höchsten Dividendenrendite, also der prozentualen Ausschüttung heraus. Von 2002 bis 2004 schnitt der DivDAX zurückgerechnet um 20 Prozent besser ab als der Gesamt-DAX. Derzeit machen die Gewinnausschüttungen beim Performance-Index DAX über 40 Prozent seines bisherigen Wertgewinns aus. Die Geburtsstunde des DAX war am 1. Juli 1988 mit einer Startpunktzahl von 1.163. Bei seinem 20. Geburtstag am 1. Juli 2008 gab es nicht viel zu jubeln und zu feiern. Sein Hoch von 8.136 Punkten im März 2000 konnte der DAX zwar im Juli 2007 übertreffen. Danach ging es bis auf 3.600 Punkte abwärts.
Gegenwärtig – im April 2010 – notiert der deutsche Leitindex bei über 6.200 Punkten und damit auf Jahreshochniveau.
Alljährlich im September überprüft und aktualisiert die Deutsche Börse die Zusammensetzung. Derzeit haben nur jene Firmen einen sicheren Platz in diesem Index, deren Rendite deutlich über zwei Prozent liegt. Ungefährdete Anwärter für die nächste DivDAX-Zusammensetzung sind die Dividendenspitzenreiter Deutsche Telekom, E.ON, RWE, Munich Re, Deutsche Post, Allianz, Deutsche Börse, BASF, Bayer, Metro, VW, Siemens und Linde. Mit einem entsprechenden Indexfonds bzw. ETF lässt sich mit einer einzigen Order der gesamte DivDAX preisgünstig in das eigene Depot aufnehmen.
Tipp: Die erste Seite der Datenbank von BÖRSE ONLINE verschafft wöchentlich in Tabellenform von allen wichtigen in- und ausländischen Börsenbarometern unter dem Titel: »Die Indizes: Kennzahlen Deutschland und international« einen Überblick. Sie werden fortlaufend über so wichtige Kennziffern wie die Dividendenrendite und das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) informiert.
3.8 Mut haben zum antizyklischen Handeln
»Nur wer gegen den Strom schwimmt, kann zur Quelle vorstoßen. Tote Fische und Mitläufer treiben mit dem Strom.« Dieser couragierten Strategie »Viagra ins Depot« steht die Marschrichtung der vorsichtigen Anleger entgegen.
Vielleicht müssen auch Sie sich mit dem Problem widersprüchlicher Börsenempfehlungen auseinander setzen. Zum einen heißt es – und für die Berechtigung dieser Behauptung gibt es handfeste Beweise – »The trend is your friend!« Es ist weniger wahrscheinlich, dass die eingeschlagene Richtung abrupt ins Gegenteil umgekehrt wird als dass der Trend vorerst weiterläuft. So warnte die Analystin Elisabeth Weisenhorn schon vor geraumer Zeit: »Wer sich um jeden Preis gegen den herrschenden Trend stellt, läuft schnell gegen die Wand.« Dennoch hat die prozyklische Anlagestrategie etwas zu tun mit Herdentrieb und ausgeprägtem Sicherheitsstreben, was dem risikobewussten, mutigen Anleger bisweilen gegen den Strich geht. Er will erfolgreicher sein als die Masse der Investoren. Deshalb wagt er mehr und akzeptiert, dass nicht nur die Chancen, sondern auch die Risiken steigen. Er kann für seinen Mut belohnt, aber ebenso für sein Handeln gegen den vorherrschenden Trend abgestraft werden. Was also tun?
»Der kluge Investor – derjenige also, der sich nicht für ein Finanzgenie hält, sich aber darin übt, die Meldungen in Zeitschriften und Fernsehen zu analysieren und Hochs und Tiefs an den Extremwerten der öffentlichen Meinung zu erkennen – lernt schließlich, bei Angst und Panik zu kaufen, bei Gier und Euphorie zu verkaufen.
Der kluge Investor behält einen kühlen Kopf und sucht nach solchen Extremen. Aber weil er die Neigung seiner Mitmenschen kennt, sich der Massenmeinung anzuschließen, begibt er sich nicht in derart zerstörerische Gefahren.«
Anthony Gallea/William Patalon
Das mutige antizyklische Handeln bedeutet nicht, die bestehenden Trends grundsätzlich zu missachten. Es heißt auch nicht, stets das Gegenteil von dem zu tun, was die Mehrheit macht. Es geht mehr darum, durch genaue Marktbeobachtung und folgerichtige Einschätzungen etwas früher den Weg einzuschlagen, den danach der Markt vollzieht: Also verkaufen, bevor eine sich auftürmende Spekulationsblase platzt und während der Bodenbildung wieder einsteigen oder zukaufen.
Zwei aktuelle Beispiele zeigen, wie dies in der Praxis aussieht: Wer noch keine Solarstromaktien im Depot und sich 2004/2005 ständig geärgert hatte, nicht beizeiten eingestiegen und von den üppigen Kursgewinnen profitiert zu haben, dem boten sich im ersten Quartal 2010 – verursacht durch die rigorose Kürzung der Förderquote bei Photovoltaik – sehr günstige Einstiegs- und Zukaufchancen an. Allerdings galt es, durch genaue Marktbeobachtung die Spreu vom Weizen zu trennen. Wer würde als Verlierer, wer als Sieger aus dieser Marktbereinigungsphase hervorgehen?
Ähnliches galt für zahlreiche Maschinen- und Autobauer sowie Autozulieferer aus DAX, MDAX und SDAX. Sehr niedrige Kurse winkten insbesondere im Frühjahr 2009 bei einem DAX-Stand von weit unter 4.000 Punkten, als der Export im Zuge der Weltwirtschaftskrise abstürzte, die Auftragsbücher wegen Investitionsstopp leer blieben und Umsatz und Ertrag zweistellig einbrachen. Noch stärker erwischte es den Finanz- und Immobiliensektor. Mit Umsicht war mancher Schnäppchenkauf möglich – aktuell daran erkennbar, dass sich binnen Jahresfrist viele Titel verdoppelten und die meisten Indizes um die Hälfte und darüber zulegten.
Antizyklisches Handeln ist also nicht nur geboten, wenn sich im Bullenmarkt Spekulationsblasen auftürmen und die Boulevardpresse auf der Titelseite in großen Lettern über den Aktienboom berichtet. Ebenso ist Courage gefragt, wenn die Börse ein Crashszenario durchlebt wie ab Herbst 2008 bis Frühjahr 2009 wegen der immer dramatischer verlaufenden Finanzkrise mit drohender Insolvenzgefahr nicht nur bei Hypothekenbanken. Betroffen waren ebenso Großbanken, siehe die Pleite von Lehman Brothers. Ohne die Konjunkturprogramme und Rettungsschirme der Regierungen sowie die Leitzinssenkungen der Notenbanken auf historischen Tiefständen hätte es auch einige große Versicherungen erwischt.
Die antizyklische Aktienanlage ist zudem aussichtsreich, wenn einzelne Titel wegen eines Gerüchts in die Tiefe stürzen oder Schwarzmalerei und Weltuntergangstimmung Panikverkäufe auslösen. Oft reichen die schlechten Zahlen des marktführenden Global-Players aus, um die gesamte Branche nach unten zu ziehen. Abrupte Kurseinbrüche um die Hälfte und darüber kommen im Pharma- und Biotechsektor gar nicht so selten vor. Dies ist zu befürchten, wenn bei geringer Produktpipeline die klinische Phase III wegen enttäuschender Ergebnisse abgebrochen wird, die erwartete Arzneimittelzulassung ausbleibt, ein Blockbuster-Präparat wegen schwerer Nebenwirkungen abgesetzt werden muss und milliardenschwere Schadensersatz-Sammelklagen in den USA drohen.
Als kompetente Privatanleger sollten Sie sich im Internet Zugang zu den fundamentalen Daten beschaffen und einschätzen, ob ein solcher Kurssturz gerechtfertigt oder übertrieben erscheint. Handelt es sich um das schlecht laufende Kerngeschäft einer Firma, gilt »Hände weg von dieser Aktie«. Dürfte der Misserfolg nur zu geringen Umsatz- und Ertragseinbußen führen, bietet sich ein Zukauf an.
»Ich kann die Bahn der Himmelskörper auf Zentimeter und Sekunden genau berechnen, aber nicht, wohin die verrückte Menge einen Börsenkurs treibt.«
Isaac Newton
Wann sonst noch antizyklisch kaufen? Dicht vor einem Turnaround (Bodenbildung) oder Break-Even (Erreichen der Gewinnschwelle) sowie bei Insiderkäufen (Vorstände und Aufsichtsräte erhöhen ihren Aktienanteil) öffnet der frühzeitige Einstieg das Tor zum oft üppigen Kursgewinn. Diese Chancen bieten sich vor allem bei den von nur wenigen Analysten beobachteten Nebenwerten. Doch investieren Sie nicht undiszipliniert in »gefallene Engel«. Nicht jeder, der zu Boden geht, steht wieder auf. Es lohnt sich, auch im Entry Standard oder m:access der Börse München nach verborgenen Perlen zu fischen.
Ein Blick auf das Insider-Barometer von Mitte April 2010 zeigt, dass Firmenlenker momentan so viel kaufen wie schon lange nicht mehr. Bei METRO aus dem DAX und Krones aus dem MDAX kaufte die Unternehmensspitze für jeweils über 500.000 Euro ein. Ebenso griffen Vorstand und Aufsichtsrat im sechsstelligen Bereich kräftig zu bei Jungheinrich und H&R Wasag aus dem SDAX sowie bei der im TecDAX notierten Schweizer Biotechschmiede BB Biotech. Verkauft wurde im großen Stil nur bei dem TecDAX-Unternehmen Smartrac und Sky Deutschland (vormals Premiere) aus dem MDAX. Wer kennt ein Unternehmen besser als das Spitzenmanagement? Ihr Handeln darf nicht als einziges, wohl aber wichtiges Kauf- oder Verkaufsargument dienen. Ich selbst habe Smartrac und Sky Deutschland nie gekauft, bin dagegen bei Jungheinrich, H&R Wasag sowie BB Biotech schon früher eingestiegen.
Wann gegen den Trend aussteigen? Verkauft die Unternehmensspitze den Titel, wird das Papier übertrieben in Börsenmedien hochgepuscht, ist es an der Zeit, Gewinne mitzunehmen. Im Zweifelsfall lieber etwas früher als zu spät verkaufen. Sehen Sie nicht untätig zu, wie sich ein ansehnlicher Buchgewinn in einen schmerzhaften Verlust verwandelt. Erfahrungsgemäß ist es schwieriger, einen sehr günstigen Verkaufs- als den richtigen Kaufzeitpunkt zu finden und diszipliniert zu handeln. Auch den Profis geling es nur selten, zum Tiefstkurs Aktien zu erwerben und zum Höchstpreis zu veräußern. Wer behauptet, dies zu können, erinnert an Jägerlatein. Mir ist es bislang nur dreimal gelungen, direkt zum Jahrestiefstkurs zuzugreifen.
Die Professoren Michael Frenkel und Lukas Menkhoff haben zwei marktrelevante Phänomene beschrieben: Beim »noise trading« orientieren sich die Marktteilnehmer an Gerüchten, selbst wenn diese Informationen wirklichkeitsfremd erscheinen. »Herding« betrifft Anleger, die sich am Verhalten anderer Marktteilnehmer orientieren, statt ihre Anlageentscheidung gezielt auf fundamentale Daten und charttechnische Informationen zu stützen. Die Folge? Die Börse lässt in den von der Börsenpsychologie dominierten hektischen Phasen gelegentlich an Logik vermissen.
Verlaufskurven der Kurse und der Nachrichten: Was kommt zuerst? Das Huhn oder das Ei? Bewegen die Nachrichten die Kurse, oder verändern sich die Kurse, bevor die Nachrichten publiziert werden?
Aktienkurse: durchgezogene Linie – Nachrichten: gestrichelte Linien
Wie längerfristige Verlaufskurven zeigen, eilen die Kurse den von Experten erwarteten Nachrichten bisweilen um einige Monate voraus. Die Aktienkurse bewegen sich oft schon gegen Norden, bevor die Nachrichten eine Verbesserung anzeigen. Ebenso fallen sie häufig schon, bevor sich die Nachrichtenlage verdüstert.
Meist nehmen die Kurse die erwarteten Nachrichten vorweg. Das gilt auch gegenwärtig. Fast alle Aktienindizes erholten sich im zweiten Halbjahr 2009 zweistellig und legten zum Teil weit über 50 Prozent zu, obgleich die Weltwirtschaftskrise noch längst nicht ausgestanden war und sich die Auftragsbücher erst ab dem vierten Quartal 2009 wieder füllten. Die deutsche Exportwirtschaft markierte erst ab Januar 2010 ein Plus. Die Kurse spiegelten den erwarteten konjunkturellen Aufschwung jedoch schon viel früher wider als er tatsächlich und noch dazu verhalten einsetzte. Für 2010/11 werden die Erwartungen nun nach oben geschraubt. Deutschland als Konjunktur-Lokomotive Europas rechnet mit einem Wirtschaftswachstum von jeweils ca. drei Prozent.
Fazit: Im Übrigen gilt für das antizyklische Handeln das gleiche Grundprinzip wie beim Fahren eines Sportwagens. Man muss einen PORSCHE beherrschen, um unfallfrei auch hohe Geschwindigkeiten und brenzlige Situationen zu meistern und nach dem gleichzeitigen Start in Salzburg schneller den Zielort Bremen zu erreichen als mit einem AUDI.
3.9 Weniger Risiko mit prozyklischen Anlagen
Mein Börsenspruch »Wer zu spät erkennt den Trend, leicht in das Verderben rennt!« soll verdeutlichen, dass Sie als Privatanleger den Markt nicht beeinflussen, kontrollieren, steuern oder ausbremsen können – es sei denn, Sie sind mehrfacher Millionär und agieren mit verhältnismäßig hohen Einsätzen bei niedrig kapitalisierten Titeln.
Der Markt macht letztlich, was er will. Ihn auf Dauer zu schlagen, bleibt zumindest für die meisten Privatinvestoren gewöhnlich ein erfolgloses Unterfangen. Die Profis schaffen dies selbst mit großen Kapitalbewegungen recht selten, am ehesten noch im Mid- und Small-Cap-Bereich und mit Aktivitäten an Börsentagen bei niedrigem Handelsvolumen, z. B. im Feiertagshandel wie Pfingstmontag, Himmelfahrt, Fronleichnam. Wäre es ganz einfach, den Markt zu schlagen, würden viele Aktienfonds besser abschneiden und nicht so oft hinter der Benchmark, ihrem Vergleichsindex, hinterherhinken. Kaum jeder fünfte Blue-Chips-Fonds schafft es, gegenüber dem Vergleichsindex eine höhere Performance zu erwirtschaften. Die prozyklische Anlagestrategie entspricht eher dem Sicherheitsstreben und nutzt die Tatsache, dass die Aktienmärkte nicht geradlinig, sondern in Zyklen verlaufen.
Der Frühindikator Börse spiegelt nicht die Gegenwart, sondern die Zukunftseinschätzungen wider. Im Allgemeinen läuft der Aktienmarkt der erwarteten Wirtschaftsentwicklung um mehrere Wochen bis Monate voraus. Der Anleger, der das richtige Gespür für Trendfolgen entwickelt, erhöht seine Chancen auf Kursgewinne. Reagiert er erst dann, wenn sich die Kaufempfehlungen häufen, haben das große Geschäft längst schon andere gemacht.
Wer sich nur in ausgetretenen Pfaden bewegt, kommt stets zu spät. Wer Börsentipps, an denen stets die Broker und Banken verdienen, unkritisch befolgt wie »Sell in May and go away« zahlt ständig Transaktionskosten. So hat er letztlich kaum eine Aktie im Depot, die die vor 2009 einjährige Spekulationsfrist überstand. Damit wurde versäumt, sich zielstrebig einen steuerfreien Altbestand aufzubauen und diesen zu pflegen. Seit 2009 gibt es diese Chance nicht mehr. Die Abgeltungsteuer von 25 Prozent plus Solidarzuschlag und Kirchensteuer wird beim Neubestand auf Kursgewinne und Dividende fällig.
Tipp: Der folgende Nachteil ist vermeidbar: Mancher Aktionär verkauft unüberlegt Werte kurz vor einer üppigen Dividendenausschüttung, die ja bevorzugt im Mai und Juni stattfindet. Das wöchentlich erscheinende Fachmagazin BÖRSE ONLINE veröffentlicht in seiner Datenbank im Wechsel mit anderen wichtigen Nachrichten wie die Branchenzuordnung die aktuellen HV-Termine.
3.10 Breit gestreut – nie bereut
Mein kurzer Börsenspruch: »Breit gestreut – nie bereut!« als Voraussetzung für Börsenerfolg und Risikominimierung bezieht sich auf Indizes, Branchen, Länder und den Zeitpunkt der Transaktion.
Bei vielen Bundesbürgern dominiert das »Heimatliebedepot DAX«, wie zahlreiche Depotüberprüfungen bestätigen. Gar nicht so selten verteidigen manche Anleger die »DAX-Einwert- oder DAX-Wenigwerte-Strategie«. Bei der Frage nach den Gründen heißt es: »Ich orientiere mich an Warren Buffett und kaufe nur, was ich verstehe und gut kenne« – Das Risiko ist bei den großen DAX-Titeln geringer als bei den Nebenwerten. – Den Heimatmarkt kann ich besser beobachten. – Bei der Einwertstrategie mit hohem Einsatz lohnt es sich, schon Gewinne unter 10 Prozent mitzunehmen.« – Die meisten Antworten lassen sich widerlegen.
Weniger Risiko mit Mischung aus Standard- und Nebenwerten
Was erfahrene Investoren ohnehin wissen, wird wissenschaftlich untermauert. Die Universität Mannheim, Lehrstuhl Prof. Dr. Weber, kommt in einer 2005 veröffentlichten Studie zu dem Ergebnis, dass mit der Beimischung von Mid und Small Caps das Risiko deutlich sinkt und die Gesamtrendite eines Aktienportfolios ansehnlich steigt.
Der positive Diversifikationseffekt gilt für den Bullen- und Bärenmarkt. Die Studie gründet auf einer empirischen Untersuchung europäischer Aktienindizes. Eine Mischung aus Blue Chips, mittelgroßen und kleinen Werten führt zu einem viel besseren Rendite-Risiko-Verhältnis als ein reines Standardaktien-Portfolio.
Warren Buffetts Empfehlung, nur zu kaufen, was man gut kennt und versteht, heißt nicht, lediglich in Blue Chips zu investieren. Gerade unter den kaum bekannten, niedrig bewerteten, substanzstarken Titeln befindet sich so manche verborgene Perle. Es ist unsinnig zu glauben, mit der Beschränkung auf die großen DAX-Titel gehe das Risiko zurück. Ganz im Gegenteil. Der DAX orientiert sich am großen Bruder DOW JONES und vollzieht die Kursbewegungen meist übertrieben stark nach. In Phasen großer wirtschaftlicher Veränderungen dauert es bei den Dickschiffen länger, sie wieder auf den richtigen Kurs zu bringen. Die Nebenwerte-Firmen – vergleichbar mit wendigen Schnellbooten – reagieren flexibler. Sie machen ihre Hausaufgaben, bauen Alleinstellungsmerkmale auf, etablieren sich in margenstarken Nischen, verbessern ihre Kostenstrukturen und sind den Rabattschlachten, als »Totengräber der Wirtschaft« bezeichnet, kaum ausgesetzt. Insbesondere die auf langfristigen Erfolg ausgerichteten Familienunternehmen haben hier oft die Nase vorn.
Pfiffige Anleger dürften auch künftig an substanzstarken und fair bewerteten Perlen in den Nebenwerte-Indizes Freude haben, zumal Übernahmegerüchte die Fantasie schüren und kurstreibend wirken. Aktien aus den Heimatmärkten und noch mehr aus der eigenen Region lassen sich genauer beobachten als ausländische Titel. Es mangelt nicht an Börsenmagazinen und Börsenbriefen mit dem Fokus auf den Mid-, Small- und Micro-Cap-Sektor.
Es stimmt, dass bei einer Riesenorder schon ein einstelliger Kursgewinn lukrativ sein kann, was bei einer geringen Order ausscheidet. Hier fressen die Transaktionskosten jeden kleineren Kursgewinn auf. Umgekehrt ist das Risiko gewaltig. Wer 100.000 Euro und noch mehr in einen einzigen Wert steckt, hat schwer daran zu knabbern, sollte seine Aktie um zehn bis 20 Prozent abstürzen. Oft hindert ihn sein angeknackstes Nervenkostüm daran, noch vernünftig zu entscheiden.
Bei einem breit gestreuten Portfolio ist ein Verlust von zehn bis 20 Prozent relativ leicht zu verkraften, wenn andere Aktien deutlich in der Gewinnzone notieren. Sie sollten Ihr Depot wie eine Fußballmannschaft betrachten, die das Spiel siegreich beendet und drei Punkte einfährt. Da ist es aus Trainersicht zu verkraften, dass es den einen oder anderen Schwachpunkt gibt, nicht jeder Spieler stets das höchste Niveau erbringt. Die erfolgreichen Leistungsträger machen dies wett. Diversifikation verringert das Risiko und schont Ihr Nervenkostüm.
Fazit: Es ist zu riskant, eine einzige Karte zu spielen, mag dies auch gelegentlich gut gehen und der Leichtsinn mit einer üppigen Rendite belohnt werden. Auf Dauer aber geht diese Strategie daneben. Besser ist es, sein Depot nach Branchen, Indizes, Ländern und auch zeitlich zu diversifizieren. Wer deswegen jedoch 100 verschiedene Titel aufnimmt, verliert leicht den Überblick. Er versäumt es, Verluste beizeiten zu begrenzen und im richtigen Moment Gewinne mitzunehmen. Daneben besteht die Gefahr, dass die einzelne Order wertmäßig zu gering ist und schon ein Kursgewinn ab 20 Prozent notwendig ist, um nach Abzug der Transaktionskosten und der Abgeltungsteuer einen ordentlichen Gewinn erwirtschaften zu können. Nur der Ertrag vom Altbestand bleibt steuerfrei.
Wer die täglichen Kursbewegungen an den Regionalbörsen verfolgt, bemerkt, dass selbst von Aktien, die weniger als zehn Euro kosten, gelegentlich nur einstellige Stückzahlen gekauft werden. Ich ging der Sache auf den Grund und lernte Aktionäre kennen, die eine solche Strategie fahren. Zum einen sind es Ruheständler und Arbeitslose. Hier ist nicht die Gewinnabsicht das Hauptziel, sondern das Recht, an der HV in seinem Wohnumfeld teilzunehmen, was Kommunikation, Abwechslung, Essen und Trinken bedeutet.
Zum anderen sind es die wie Hornissenschwärme einfallenden Berufskläger bzw. räuberischen Aktionäre. Mit nur einer Aktie im Depot erwerben sie das Recht zur HV-Teilnahme und zur Wortmeldung. Ihnen geht es nicht darum, auf den Hauptversammlungen Missstände aufzudecken, sondern um bloßen Eigennutz. Die gestellten Gegenanträge und Widersprüche dienen dazu, später einen Vergleich auszuhandeln und ordentlich abzukassieren – zum Schaden des Unternehmens und der »richtigen« Aktionäre. Allerdings schiebt das neue Aktienrecht diesem Treiben seit 2010 insofern einen Riegel vor, dass Anfechtungsklagen und Widersprüche einen Eigenbesitz von mindestens 1.000 Euro vom Grundkapital erfordern, um weiter verfolgt zu werden.
Unvernünftig ist es, das gesamte verfügbare Kapital, beispielsweise eine ausgezahlte Erbschaft oder Kapitallebensversicherung, auf einmal zu investieren. Der Einstieg erfolgt vielleicht zu überhöhten Kursen; und kursschwache Tage bleiben ungenutzt für einen Zukauf in zwei oder drei Tranchen. Die erste Order befriedigt die Gier, die Aktie unbedingt zu besitzen. Die zweite Order erfolgt bei Kursschwäche, sofern die fundamentalen Daten überzeugen Bei gleich hohem Einsatz erwerben Sie mehr Papiere und nutzen so den Cost-Average-Effekt.
Wichtig ist eine Depotzusammenstellung zwischen den beiden Extremen einer zu geringen und zu hohen Anzahl von Einzelaktien. Viele Experten empfehlen ein Depot zwischen 15 und 30 Titeln. Groß genug, um bezüglich Branchen, Ländern, Indizes und vom Zeitpunkt her zu streuen und die Chance zu haben, auch mal ein Glanzlicht zu erwischen. Umgekehrt nicht so groß, dass man den Überblick verliert und pro Wert ein zu geringes Volumen einsetzt, um noch eine attraktive Rendite erzielen zu können. Wenn ein Aktiendepot nicht nur der Geldvermehrung dient, sondern zum ausfüllenden Hobby wird, kann die Anzahl der Titel größer sein. Fehlen die finanziellen Mittel und auch Zeit, Lust und Muße, mit aussichtsreichen Einzelaktien sein Depot breit zu streuen, sind die preiswerten, passiv gemanagten börsennotierten Indexfonds (ETF = Exchange Traded Fonds) eine gute Alternative, am weltweiten Aktienmarkt dabei zu sein.
Exkurs Diversifikation: 1:0 für Auswärtsspieler durch ein Eigentor
Privatanleger, die zu stark in heimische Aktien investieren, schießen, um beim Vergleich mit einer Fußballmannschaft zu bleiben, ein Eigentor. Eine Studie des Aachener Forschungsinstituts für Asset Management (FIFAM) vom Mai 2005 erbrachte das folgende Ergebnis: Ein Privatanleger mit mittlerem Risikobewusstsein, der zu 80 Prozent in heimische Aktien investiert, büßt in seinem Portfolio im Schnitt pro Jahr rund ein Prozent Rendite ein. Wer sich zusätzlich zur breiten Streuung gegen Währungsrisiken absichert, z. B. Zertifikate mit dem Zusatz »Quanto« bucht, erzielt die höchste Performance.
Zu kleine Order: Januar 2006: Kauf von 5 Aktien zu 42,00 €. Transaktionskosten: zweimal 18 € für Kauf und Verkauf. Die Aktie müsste um 9 € und damit um 20 % steigen, nur um die Gebühren in etwa wieder hereinzubekommen. Handelt es sich um einen Neubestand seit 2009, ist zudem die Abgeltungsteuer fällig.
Vertretbare Order: Kauf von 50 Aktien zu 42 €. Bei einem Kursgewinn von 9 € bzw. gut 20 % bleiben nach Abzug der Transaktionskosten mehr als 400 € Kursgewinn übrig. Als Altbestand ist der Gewinn steuerfrei.
Durchschnittsorder des Bundesbürgers: 120 Aktien zu 42 €. Bei einem Kursgewinn von 9 € beträgt der Veräußerungsertrag mehr als 1.000 €.
Cost-Average-Effekt bei tatsächlichen Hochtief-Kauforders
Erste Kauforder: 210 Stück (Altbestand)
am 10. August 2002 zu 16,00 € = 3.360 € (ohne Gebühren)
Zweite Kauforder: 250 Stück (Altbestand)
am 29. Mai 2003 zu 13,40 € = 3.350 € (ohne Gebühren)
Dritte Kauforder: 100 Stück (Altbestand)
am 15. November 2005 zu 33,50 € = 3.350 € (ohne Gebühren)
Vierte Kauforder: 60 Stück (Altbestand)
am 05. September 2008 zu 53,50 € = 3.210 € (ohne Gebühren)
Fünfte Kauforder: 150 Stück (Neudepot)
am 20. Februar 2010 zu 21,50 € = 3.225 € (ohne Gebühren)
Dazwischen lagen zwei Verkaufsorders mit einem steuerfreien Kursgewinn von über 300 bzw. mehr als 400 Prozent in den Jahren 2006/2007 und ein steuerpflichtiger Teilverkauf aus dem Neudepot zum Kurs von rund 63 Euro Mitte April 2010.
Öfters den Cost-Average-Effekt nutzen
Der Einstiegspreis hat es vielen Börsianern angetan. Etliche Aktionäre greifen, obgleich sie damit beste Gewinnchancen ungenutzt lassen, nach einem Crash erst dann wieder aktiv ein, wenn sie das Einstandsniveau erreichen. Die technische Analyse bestätigt ein solches Verhalten. Hält eine wichtige Unterstützungslinie, gilt dies als Kaufsignal. Bildet die obere Widerstandslinie eine Barriere, wird gern verkauft. Der Einstandspreis spielt auch beim Cost-Average-Effekt und der damit verknüpften Werbung eine wichtige Rolle. Geht es um Aktienfonds-Sparpläne, so hilft der Berater mit Beispielen, Erklärungen und Berechnungen nach.
Da der Investor bei Kursschwäche mit gleichem Kapitaleinsatz relativ viele Papiere und bei einer sich abzeichnenden Rallye nur wenige Aktien einsammelt, ist der Cost-Average-Effekt eine feine Sache. Er schmälert die Nachteile bei einer falschen Entscheidung. Aber wie überall: Wo es viel Licht gibt, fehlt es nicht am Schatten. Gefahr droht kaum bei langfristig laufenden Sparplänen, aber beim Zukauf von Einzelaktien aus dem Beweggrund, unbedingt den Einstandskurs verbilligen zu wollen. Ein Zukauf ist vernünftig während der Bodenbildung, bei einem sich abzeichnenden Turnaround oder Break-Even, bei überzeugenden Fundamentaldaten und positiver Charttechnik. Umgekehrt droht Ungemach, wenn die Kurse mangels eines tragfähigen Geschäftsmodells weiter absacken.
Cost-Average-Effekt
Dieser Effekt kommt nicht nur bei Sparplänen für Aktienfonds und Indexzertifikate zum Tragen, sondern ist ebenso möglich bei der Order einer bestimmten Aktie in mehreren Tranchen, wie das »Hochtief«-Beispiel auf der Vorseite zeigt. Der Anleger senkt die Durchschnittskosten, indem er mit gleich hohem Einsatz bei fallenden Preisen mehr und bei steigenden Preisen weniger Aktien zukauft.
Vor diesem Hintergrund warnt Börsenaltmeister Friedhelm Busch, wegen der Verletzungsgefahr in ein fallendes Messer zu greifen. Allerdings kann niemand sehen, ob das Messer weiter fällt oder bereits im Boden steckt. Tappt der Anleger öfters in solche Fußangeln, gibt er vermutlich entnervt auf, sodass er die tatsächlichen Tiefstände nicht nutzt.
Eine ausgeprägte Risikoabneigung hielt viele Anleger davon ab, die Talsohle beim Crash im Frühjahr 2003, Herbst 2008 und Frühjahr 2009 zum Kauf zu nutzen. Wer mutig war, dem bot sich die eher seltene Chance, seine Verluste auszubügeln. Wo sind die Börsianer, die aus früheren Fehlern gelernt haben und es im Oktober/November 2008 (steuerfreien Altbestand aufstocken) und März/April 2009 (bei Tiefstkursen zugreifen) besser machten? Aber auch jetzt gibt es noch einheimische und ausländische Aktien mit einstelligem Kurs-Gewinn-Verhältnis, einem nahe dem Kurs liegenden Buchwert (dies sind die materiellen Unternehmenswerte), einer üppigen Dividendenrendite und weiterhin guten Ertragsaussichten. Für mich als Langzeitanlegerin sind Crashtage Kauftage – ich hoffe, für Sie auch.
3.11 Richtige Erkenntnisse aus Aktiensplits ziehen
Wenn Aktien »Junge« bekommen, freut sich trotz optischer Täuschung die Anlegergemeinde über die Stückelung, Split (Splitt) genannt.
Sowohl 2005 als auch 2008 gab es bei dem MDAX-Autozulieferer ElringKlinger einen Aktiensplit im Verhältnis von 1:2 bzw. 1:3 und 2008 bei dem DAX-Wert K+S (früher: Kali+Salz) sogar 1:4, während der DAX-Chemieriese BASF seine Aktien 1:2 aufteilte. Zuvor hatte der nach einer an Überraschungen reichen Übernahmeschlacht von VW einverleibte Sportwagenbauer Porsche seine Aktie, die zuvor vierstellig notierte, 1:10 gestückelt. In Deutschland besagt ein Aktiensplit 1:3, dass dem Kunden zwei weitere Aktien ins Depot gebucht werden. Beim MDAX-Autozulieferer LEONI führte dies dazu, dass der Aktionär statt z. B. zuvor 100 jetzt 300 LEONI-Anteile besaß. Bei BASF verdoppelte sich der Aktienbestand. Am Wert bzw. Anteil am Grundkapital änderte sich dadurch nichts. Es ist so, als ob eine Torte in gleich große Stücke aufgeteilt wird. International besteht keine einheitliche Sprachregelung: 1:2 kann nicht nur wie in Deutschland heißen: zwei für eine, sondern ebenso: eine Aktie und zwei neue, also insgesamt drei Papiere.
Zur Veranschaulichung wird die Ankündigung von LEONI umseitig abgedruckt:
Aktiensplits werden von den Anlegern freudig aufgenommen. Schließlich kommt es nur dazu, wenn der Kurs zuvor stark angestiegen ist und weiterhin mit hohem Umsatz- und Ertragswachstum gerechnet wird. Ein von Insolvenz bedrohter Todeskandidat halbiert seinen Kurswert auch ohne Split und zusätzliche Kosten! Objektiv verändert sich der Wert des Portfolios durch den Split nicht. Der prozentuale Anteil am Grundkapital bleibt gleich.
DE 000 540888 4 |
LEONI AG NAMENSAKTIEN |
Stück 90 |
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Sehr geehrter Depotkunde, |
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die ordentliche Hauptversammlung der LEONI AG vom 03.05.2005 hat u. a. die Neueinteilung des Grundkapitals in Form eines Aktiensplits im Verhältnis 1:3 beschlossen. Die entsprechenden Satzungsänderungen wurden am 13.05.2005 in das Handelsregister des Amtsgerichts Nürnberg eingetragen. |
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Durch den Split ist eine Umstellung der Börsennotierung notwendig. Die Notierung im amtlichen Markt an den Wertpapierbörsen zu Frankfurt/M. (Prime Standard) und München für die Aktien der LEONI AG, WKN 540 888, wird am Mittwoch, den 01.06.2005 von der bisherigen Einheit 1 Stück (EUR 3,00) auf die Einheit 1 Stück (EUR 1,00) im Verhältnis 1:3 umgestellt. Sollten Sie daher zum 31.05.2005, abends, den Gattungsbestand in Ihrem Depot führen, bekommen Sie für je eine gehaltene Aktie der LEONI AG (WKN 540 888) zwei weitere Aktien. |
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Bitte beachten Sie, dass der Vorgang für Sie provisions- und spesenfrei ist. – Weitere Informationen können Sie der Börsen-Zeitung am 25.05.2005 und dem elektronischen Bundesanzeiger am 27.05.2005 entnehmen. – Ihre Fragen beantworten wir gern.
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Ungünstig für Anleger: Reversesplit bzw. Kapitalherabsetzung
Das umgekehrte Verfahren, die Zusammenlegung von Aktien im Rahmen einer Kapitalherabsetzung, auch Reversesplit genannt, ist eine denkbar schlechte Nachricht. Kein Unternehmen, das mit einem ertragreichen operativen Geschäft überzeugt, sich in einer margenstarken Nische behauptet, Mitbewerber durch Alleinstellungsmerkmale davon abhält, einen Fuß in die Marktnische zu setzen, muss sein Kapital herabsetzen. Ausnahme: Es handelt sich um einen Penny-Stock. Hier muss ein Reversesplit durchgeführt werden, um danach eine Kapitalerhöhung starten zu können.
Oft ist es für den Anleger das kleinere Übel, sich vor dem Reversesplit von dem angeschlagenen Unternehmen und dessen Aktie zu trennen. Freilich geht dies nicht ohne Verluste ab. Diese können dramatisch sein, siehe Intershop. Das Kapital wurde seit 2000 zweimal herabgesetzt, jeweils im Verhältnis von 10:1. Dem Anleger, der anfangs beim Kauf pro Aktie mehrere hundert Euro hingeblättert hatte, blieb zum bitteren Ende bei einem ursprünglichen Bestand von beispielsweise 180 Stück nur ein einziger Anteilschein im Portfolio. Und dieses letzte ihm verbleibende Papier fristet ein Dasein unterhalb von zwei Euro. Berechnet die Bank Depotgebühren, schreiben sich die Verluste fort. Erneut zeigt sich: Begrenzen Sie Ihre Verluste, solange diese überschaubar sind, sei es über Stop-Loss-Orders, sei es über eine dynamische, selbstbestimmte Verlustbegrenzung.
Zur Veranschaulichung wird die Ankündigung einer Kapitalherabsetzung (Reverse-Split) im Verhältnis von 10:1 des Windkraftunternehmens NORDEX abgedruckt. Der Kapitalschnitt bewirkte, dass der Anleger von seinen 205 Aktien künftig nur noch 20 in seinem Depot vorfand. Die fünf Aktienspitzen verfielen erfahrungsgemäß. Meine Recherche ergab: Unmittelbar vor der Kapitalherabsetzung notierte die NORDEX-Aktie auf einem 52-Wochen-Hoch/Tief von 1,20/0,60 Euro. Ende November 2005 war die Aktie über vier Euro, Anfang März 2006 neun Euro, im Dezember 2007 sogar 31 Euro, Mitte Juli 2008 nur noch 20 Euro wert, um bis Mitte April 2010 auf 9,50 Euro zurückzukommen. Immerhin zählt der TecDAX-Titel NORDEX zu den wenigen Werten, die einen Reversesplit verkraftet, also die Aktienzusammenlegung genutzt haben, um über Kostensenkung und Neuausrichtung zu einem erfolgreichen Geschäftsmodell zurückzufinden.
WKN/ISIN |
DE 000 587357 4 |
NORDEX AG AKTIEN |
Stück 205 |
Kapitalherabsetzung im Verhältnis 10:1 per Ex-Tag 11.04.2005 |
Sehr geehrter Depotkunde,
die ordentliche Hauptversammlung der oben genannten Gesellschaft vom 21.02.2005 hat eine Kapitalherabsetzung im Verhältnis 10:1 in Form einer Aktienzusammenlegung beschlossen. Ihren Depotbestand werden wir daher per Stichtag 08.04.2005, abends in die WKN A0D 655 umbuchen. Eine Regulierung der eventuell entstehenden Aktienspitzen wird zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen.
Ausführliche Informationen finden Sie bitte im Bundesanzeiger (auch elektronisch abzurufen unter www.bundesanzeiger.de) am 07.04.2005 oder in der Börsenzeitung. Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Die an der US-Technologiebörse Nasdaq gelisteten Unternehmen müssen den Index zwangsweise verlassen, sobald die Aktien zu Penny-Stocks abrutschen. Mitunter versucht eine Gesellschaft, diesem Schicksal zu entgehen, indem sie einen Reversesplit mit anschließender Kapitalerhöhung vornimmt. Oft ist dies aber nur ein »Tod auf Raten«. Allein der immense Imageschaden steht einer dauerhaften Erholung im Wege. Ausnahmen, wie bei NORDEX oder dem US-Unternehmen PRICELINE, sind jedoch möglich bei erfolgreicher Neuausrichtung des Kerngeschäfts in Verbindung mit Kostensenkungsmaßnahmen, einem Managementwechsel und Konjunkturaufschwung.
Kapitalherabsetzung
Wirtschaftet ein Unternehmen mit Verlusten, kann zum Ausgleich das Kapital vermindert, also herabgesetzt werden. Dies ist eine buchungstechnische Verlustbeseitigung. Danach findet oft eine Kapitalerhöhung statt, um der AG neue finanzielle Mittel zuzuführen. Misslingt dieses Vorhaben, droht Insolvenz, siehe TV Loonland, der frühere Medienstar am Neuen Markt.
Wer bei den großen DAX-Titeln online oder über den Telefonhandel seine Order abgibt und sich an den Realtime-Kursen der Bildtafel 215/216 im Nachrichtensender n-tv orientiert, muss nicht unbedingt limitieren. Da die Orders im DAX wegen hoher Liquidität und großer Nachfrage meist sekundenschnell abgewickelt werden, wird die Transaktion nahe am aktuellen Kurs ausgeführt. Anders verhält es sich, wenn Sie zu einem bestimmten Preis kaufen oder verkaufen wollen und damit das Risiko eingehen, dass der Auftrag nicht ausgeführt wird. Unverzichtbar sind limitierte Transaktionen im Nebenwertebereich, vor allem bei den volatilen Micro und Small Caps. Wegen begrenzter Nachfrage und geringer Stückzahl führen größere Orders oft zum Kurssprung in die eine oder andere Richtung. Schließlich gibt es noch das Abstauberlimit – am besten über einen Zeitraum von einem Quartal gesetzt – in der Hoffnung, zum Schnäppchenpreis zum Zug zu kommen.
Beispiel: Kauflimit
Sie interessieren sich für die MDAX-Aktie KRONES, Mitte April 2010 notierend bei 42 Euro. Wenn Sie die Aktie unbedingt haben wollen, setzen Sie das Limit etwas reichlicher, z. B. bei 42,50 Euro. Sie müssen entscheiden, ob das Limit nur für einen Tag, bis zum Monatsende (Ultimo) oder das gesamte Quartal gilt usw. Ein »Abstauberlimit« dürfen Sie bei 40 Euro oder noch tiefer platzieren.
Wollen Sie, dass Ihre Transaktion sekunden- oder minutenschnell durchgeht, sollten Sie Ihr Limit etwas großzügiger setzen, beim Verkauf unter und beim Kauf über dem aktuellen Kurs. Verzichten Sie auf ein Limit, können Sie bei marktengen Nebenwerten böse Überraschungen erleben. Unterhalb des SDAX ist das Limit ein Muss – unabhängig davon, ob Sie Ihre Depotbank mit Gebühren belastet oder nicht. Der Verzicht wäre Sparen am falschen Fleck.
Beim Kauf ist das Limit der höchste Kurs, den Sie akzeptieren. Beim Verkauf stellt das Limit den niedrigsten Preis dar, zu dem Sie Ihre Aktien abgeben wollen. Limitieren Sie zu eng, oder begrenzen Sie die Transaktion auf einen Tag, wird Ihr Auftrag bei marktengen Titeln vielleicht gar nicht ausgeführt.
Trotz des Limits können Sie für Ihre Aktie weniger bezahlen oder beim Verkauf mehr einnehmen. Es gilt der aktuelle Handelspreis. Das Limit legt nur die Obergrenze beim Kauf und die Untergrenze beim Verkauf fest.
Beispiel: Verkaufslimit
Sie wollen die im MDAX gelistete Rational-Aktie, gekauft 2003 zu 55 Euro, gewinnbringend und noch dazu steuerfrei verkaufen. Die aktuelle Notierung lautet 132 Euro. Brauchen Sie das Geld unbedingt, limitieren Sie etwas tiefer, zum Beispiel bei 130,50 oder 131 Euro. Eilt es nicht bzw. spekulieren Sie auf steigende Kurse, limitieren Sie in Kursnähe oder knapp darüber, beispielsweise zwischen 132 und 133 Euro. Bei einem Abstauberlimit setzen Sie für das Quartal die Spanne weiter, beim Kauf vielleicht 128, beim Verkauf 135 Euro.
Was besagt der Geld- und Briefkurs? Orientieren Sie sich am Realtimekurs, so erhalten Sie meist zwei Kurse. Der etwas niedrigere Geldkurs »G« ist aktuell der Preis, den Sie erhalten, wenn Sie dieses Wertpapier verkaufen wollen. Der etwas höhere Briefkurs »B« ist der Preis, den Sie bezahlen müssen, wenn Sie den Titel kaufen wollen. Sollten Sie bei einer Kursabfrage keine Angabe zum Geld- und Briefkurs erhalten – bei Einzelaktien häufig üblich – dann wird ein Mischkurs abgebildet. Die Preisbildung liegt zwischen Geld- und Briefkurs.
3.13 Mit Kapitalerhöhungen klug umgehen
Kündigt ein Unternehmen eine Kapitalerhöhung an, so reagiert die Börse wegen des »Verwässerungseffektes« zunächst meist negativ. Je nachdem, wozu die Finanzspritze dient und wie groß die Chance auf eine erfolgreiche Platzierung ist, sind hernach auch positive Reaktionen denkbar. Die Kapitalerhöhung kann mit Bezugsrechten oder einem Bezugsrechtausschluss für Privatanleger verbunden sein.
In schwierigen Börsenzeiten sind Kapitalerhöhungen zwar für viele Unternehmen wichtig, um Eigenkapitalbasis und Bilanzstruktur zu stärken; aber sie sind bei angespannter Marktlage schwer durchführbar. Dies führt dazu, dass Fremdkapital nur zu höherem Zinssatz oder gar nicht gewährt wird, also Expansions-, Übernahme-, Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, die Einführung neuer Produkte zurückzustellen sind. Werden Kreditlinien nicht verlängert, kann dies das Aus für eine Gesellschaft bedeuten, siehe die aktuelle Insolvenz von Rohwedder. Sie müssen also wissen: Warum will das Unternehmen sein Kapital erhöhen? Wesentliche Beweggründe sind:
Finanzierung des organischen Wachstums, Stärkung des operativen Geschäfts;
Finanzierung des externen Wachstums durch Kooperation bzw. Übernahme;
Verbesserung der Bilanzstruktur durch eine höhere Eigenkapitalquote;
Reduzierung der eigenen Verbindlichkeiten, also Abbau der Schulden, ist doch bei der aktuellen Kreditklemme der Zinssatz hoch;
höhere Liquidität an der Börse durch Ausgabe junger Aktien (mehr Streubesitz).
Wann sollten Sie die Bezugsrechte wahrnehmen, wann besser verzichten und Ihre Bezugsrechte verkaufen, sofern ein solcher Handel stattfindet? Dient die Kapitalerhöhung allein dazu, die hohe Verschuldungsquote herunterzufahren, lautet der Rat: Werfen Sie Ihr gutes Geld nicht dem schlechten hinterher! Ganz anders sieht die Sache aus, wenn die fundamentalen Daten überzeugen und die Kapitalerhöhung vorgenommen wird, um eine von den Analysten positiv beurteilte Übernahme zu finanzieren, wichtige Investitionen zu tätigen, eine neue Produktlinie aufzubauen, sich Wachstumsmärkte zu erschließen. Bejahen die institutionellen Anleger die Kapitalspritze, sollten auch Sie mitmachen, zumal als Anreiz ein Preisabschlag im deutlich zweistelligen Bereich winkt.
Kapitalerhöhungen setzen voraus, dass auf der Hauptversammlung mindestens 75 Prozent des vertretenen Aktienkapitals (pro Aktie eine Stimme) dieser Maßnahme zustimmen. Bei einer Barkapitalerhöhung durch die Ausgabe der »jungen« Aktien werden dem Altaktionär Bezugsrechte und ein Bezugspreis zu genau genannten Bedingungen eingeräumt.
Zur Verdeutlichung wird die Ankündigung einer Kapitalerhöhung gegen Bareinzahlung im Verhältnis von 11:4 des Solarmaschinenbauers ROTH & RAU vom Frühjahr 2008 auszugsweise abgedruckt. Die seit 2008 im TecDAX gelistete Aktie kostete am 17. Juli 2008 rund 123 Euro, das 52-Wochen-Hoch/Tief lag bei 273,00/99,80 Euro.
Kapitalerhöhung gegen Bareinzahlung
Bei einer AG vollzieht sich die Kapitalerhöhung durch die Ausgabe von »jungen Aktien«. Zuvor muss die HV der Aufstockung des Grundkapitals zustimmen. Generell steht jedem Aktionär ein gesetzlich verankertes Bezugsrecht zu, damit er wegen des Verwässerungseffekts seine prozentuale Beteiligung wahren kann. Ein Ausschluss des Bezugsrechts ist in Ausnahmefällen möglich.
Bezugsrechte für Altaktionäre
Benötigt die AG neue Finanzmittel, kann sie den Altaktionären junge Aktien zum Bezug andienen. Mit dem Erlös erweitert die Firma ihre Eigenkapitalbasis. Der Bezugsrechtsabschlag ist neben dem »Mitmach-Anreiz« ein Ausgleich für den Wertverlust der alten Aktien, verursacht durch den Verwässerungseffekt.
Im Rückblick hat es sich oft gerechnet, Kapitalerhöhungen mitzumachen. Dies galt in jüngster Zeit insbesondere für Rio Tinto (16 Euro, Juli 2009), aber auch für AXA, Bilfinger Berger, Eckert & Ziegler, Klöckner & Co. und SKW Stahl Metallurgie. Richtig gelohnt hat es sich für mich zurückliegend auch bei Allianz (41 Euro, April 2003), Gildemeister (4,15 Euro, Juni 2004), Munich Re (78 Euro, November 2003) und SGL Carbon (8 Euro, Februar 2004).
3.14 Börsengang: Wann zeichnen? Wann Finger weg?
Als Privatanleger stehen Sie vor dem Problem: Wann zeichnen? Wann verzichten? Wie auf Überzeichnung reagieren? Wann nach der ersten Börsennotiz einsteigen oder bei Zuteilung wieder aussteigen?
Im Jahr 1992 gab es neun, 1993 elf und 1994 schon 15 Börsengänge deutscher Unternehmen. Dazwischen, von 1998 bis 2000, gab es regelrechte IPO-Exzesse. 2001 waren es erneut elf, 2002 nur einer, 2003 null, 2004 immerhin eine Handvoll Neuemissionen. 2005 war die vorübergehende Durststrecke vorbei. Der Lockruf des Aktienmarktes führte zu 22 Börsengängen mit einem Emissionsvolumen von über vier Milliarden Euro. 2006 gab es in Deutschland 56 Börsengänge und 2007 trotz der sich bereits abzeichnenden Subprime- und Finanzkrise noch 37 IPOs. 2008 war es mit der Emissionsflut vorerst vorbei. Es wagten sich nur noch ganz wenige Unternehmen auf das Börsenparkett. 2009 herrschte tote Hose. Nicht nur die Deutsche Bahn AG zog ihr IPO zurück. Seit Frühjahr 2010 belebt sich der Neuemissionsmarkt. Vor Ostern trauten sich im Prime Standard das Medienunternehmen Kabel Deutschland, der Chemiedistributeur Brenntag und das Modelabel Tom Tailor an den Markt, wobei Brenntag am erfolgreichsten startete.
2006/2007 sorgten diese 20 heute im MDAX, TecDAX oder SDAX notierten Gesellschaften für eine erfreuliche Blutauffrischung: Bauer, Centrotherm photovoltaics, Delticom, Demag Cranes, Gagfah, Gerresheimer, HHLA, Homag, Klöckner & Co., Manz Automation, MTU Aero Engines, Patrizia Immobilien, Praktiker, Roth & Rau, Symrise, SKW Stahl, Sky Deutschland (zuvor Premiere), Tognum, Wacker Chemie und Wincor Nixdorf. Dies macht die Nebenwerteindizes so erfolgreich, zumal mit jedem Aufstieg ja auch ein Abstieg verbunden ist.
IPO, die Abkürzung für Initial Public Offering, bezeichnet das erstmalige öffentliche Wertpapierangebot, also das Börsen-Listing einer AG. In der Regel wird der Börsengang gemeinsam mit einer Emissionsbank und bei einem größeren IPO mit einem Bankenkonsortium geplant, vorbereitet und durchgeführt.
Das Hauptmotiv für einen Börsengang ist die Beschaffung von zusätzlichem Eigenkapital, um wachsen, neue Geschäftsfelder erschließen und die eigene Marktstellung festigen und ausbauen zu können. Die Zeiten am Neuen Markt, als die Erstnotiz von einer Neuemission sofort um einige hundert Prozent nach oben schnellte, sind längst vorbei. Heute ist bei einer Zuteilung eher selten das große und schnelle Geld zu machen.
Aussichtsreich für das Unternehmen ist ein IPO während der Hausse. Dann ist es wahrscheinlich, dass alle neuen Aktien verkauft werden. Außerdem ist im Bullenmarkt ein höherer Zeichnungspreis durchsetzbar als im Bärenmarkt. In der Baisse wird die Bookbuilding- bzw. Handelsspanne niedriger angesetzt. Vielleicht muss auf Druck großer Fondsgesellschaften ein Abschlag vorgenommen bzw. die Zeichnungsfrist wegen geringer Nachfrage verlängert werden. Möglicherweise scheitert der Börsengang sogar ganz. Umgekehrt kann eine Überzeichnung schon in den ersten Tagen dazu führen, dass die Zeichnungsfrist verkürzt wird und die Aktien am oberen Ende der Handelsspanne ausgegeben werden. Jeder, der darunter limitiert hat, geht leer aus.
Vorbörsliche Kurseinschätzungen als Orientierungshilfe nutzen
Selbst wenn Sie die Aktien einer anstehenden Neuemission außerbörslich gar nicht ordern wollen, tun Sie gut daran, nach Bekanntgabe der Bookbuildingspanne online beim Düsseldorfer Brokerhaus LANG & SCHWARZ oder bei der DKM Wertpapierhandelsbank (ehemals Börsenmakler Schnigge) nachzuschauen, was für die Aktien geboten wird. Liegt der Aktienkurs im vorbörslichen Handel deutlich über dem oberen Ende der Handelsspanne, ist eine Überzeichnung wahrscheinlich. Es ist dann sinnlos, bei der Zeichnung ein Limit zu setzen. Damit sinkt Ihre Chance, eine bestimmte Aktienanzahl zu ergattern, quasi auf Null. Wer vorbörslich ordert, dem wird ein bestimmter Kurs angeboten. Sie sollten vor einer solch wichtigen Anlageentscheidung alle Nachrichten zum Börsengang genau studieren – möglichst aus verschiedenen Quellen.
Wem der vorbörsliche Handel zu riskant ist, wer bei der Zeichnung leer ausgeht oder eine zu geringe Stückzahl abbekommt, der sollte in den nächsten Tagen und Wochen den Kurs aufmerksam beobachten und bei Kursschwäche zugreifen. Die Chance auf Zuteilung ist verhältnismäßig groß, wenn Sie Ihr Depotkonto bei den Konsortialführern eingerichtet haben. Ich selbst hatte das Glück, die Aktie des Spezialchemieunternehmens LANXESS – eine Abspaltung von Bayer – wenige Wochen später, am 31. Januar 2005, zum günstigen Preis von 14 Euro zu bekommen. Heute, Mitte April 2010, kostet dieser Titel rund 34 Euro.
Wichtige IPO-Merkpunkte
Details zum Aktienangebot
Lockup-Fristen für Altaktionäre
Bewertung (KGV)
Fundamentalanalyse
Vorhandene Risiken
Kapitalmarktfähigkeit
Wachstumschancen
Umsatz und Gewinn
Gewinnausschüttung
Kerngeschäft, operatives Geschäft
Marktposition
Qualität des Managements
Firmengeschichte
Aus früheren Fehlern lernen
Eine gründliche Information ist das A und O. Laut einer Finanzrecherche von 2004 verliefen nur 30 von 353 Börsengängen aus den Jahren 1997 bis 2002 erfolgreich. Von den 37 IPOs 2007 waren zum Jahresende lediglich vier im Plus. Die vorstehende Tabelle informiert Sie über Tops und Flops seit 2005.
Bevor Sie zeichnen, sollten Sie auf folgende Fragen eine überzeugende Antwort finden:
Woher stammt das Aktienangebot? Sollen vorrangig die Altaktionäre befriedigt werden (wie kürzlich bei Kabel Deutschland)? Oder fließt der Großteil vom Erlös aus dem IPO dem Unternehmen direkt zu, um wachsen und seine Marktstellung ausbauen zu können?
Wie lange sind die Lockup-Fristen? Je länger die Zeitspanne dauert, in der sich die Altaktionäre verpflichten, ihre Aktien nach dem Börsengang nicht abzugeben, umso besser ist dies für den Aufbau von Vertrauen. Zwei Jahre sollten es schon sein.
Entscheidend für das künftige Kurspotenzial ist eine faire Bewertung. Die Neuemission sollte gegenüber vergleichbaren Unternehmen der Branche einen angemessenen Bewertungsabschlag erhalten, also ein niedrigeres KGV aufweisen.
Die fundamentalen Kennziffern sind mithilfe des Börsenprospekts genau zu studieren. Ab dem IPO ist die Datenbank von BÖRSE ONLINE hifreich. Das Augenmerk ist auf die Risiken und die Kapitalmarktfähigkeit zu richten. Kritisch zu hinterfragen sind die Wachstumschancen, die Umsatz- und Gewinnentwicklung, das Shareholder-Prinzip, daran erkennbar, ob bzw. ab wann eine Dividende bezahlt wird und wie hoch die Ausschüttungsquote ist.
Wichtig für den Unternehmenserfolg ist die Marktstellung. Das Geschäftsmodell muss werthaltig sein. Vom Börsenneuling ist keine Weltmarktführerschaft zu erwarten, sollen doch IPO und Kapitalerhöhung dieses Ziel verwirklichen helfen. Aber eine gute Positionierung innerhalb der Branche beispielsweise in einer margenstarken Nische mit hohen Eintrittsbarrieren sollte aufgebaut sein.
Entscheidend für den Geschäftserfolg ist das Management: Spitzenleistungen statt vollmundiger Anpreisungen, ein klar ausgerichtetes Kerngeschäft, Akquisitionen nur mit Augenmaß, nicht nur Kostensenkungsprogramme, sondern Erträge im operativen Geschäft und eine engagierte Forschung und Entwicklung. Das Unternehmen sollte schon einige Jahre erfolgreich am Markt sein. Kleine Garagenklitschen sind noch nicht börsenreif und von Zahlungsunfähigkeit bedroht.
Wie sieht es mit dem IPO-Klima weltweit und den Erwartungen aus?
112 Börsengänge von 267 IPOs weltweit fanden im ersten Quartal 2010 allein in China bzw. Hongkong statt – fast die Hälfte aller Neuemissionen. Während in Deutschland die Neuemissionen von Kabel Deutschland, dem Chemiehändler Brenntag, dem Bekleidungsunternehmen Tom Tailor und dem Armaturenhersteller Jouyou auf insgesamt 2,24 Milliarden Dollar kamen, hatten die Neunotierungen in China einen Wert von 19,7 Milliarden US-Dollar. Auch 2009 brummte trotz der globalen Finanzkrise das IPO-Geschäft in Asien. Acht der zehn größten Börsengänge fanden im letzten Quartal 2009 allein in China statt. Ernst & Young rechnet schon im laufenden Jahr 2010 mit einem neuen Rekord an Börsengängen in Hongkong. Zunehmend bedienen sich auch ausländische Unternehmen an Chinas zahlungskräftigen Märkten.
3.15 Auf den Börsenerfolg von Familienfirmen setzen
Familienunternehmen stehen nicht erst im Blickpunkt der Börsianer, seitdem die US-Investorlegende Warren Buffett, reichster Mann der Welt, im Frühjahr 2008 auf der Suche nach geeigneten inhabergeführten Firmen Deutschland bereiste. Das Interesse an börsennotierten eigentümerdominierten Unternehmen und damit am GEX, dem Familienindex der Deutschen Börse, besteht. Noch mehr gilt dies für den seit Januar 2010 gelisteten Nachfolger DAXplus Family Index. Hier wurde die kritisierte Regelung gestrichen, kein Unternehmen zuzulassen bzw. es aus dem Index zu entfernen, sobald die Börsennotierung zehn Jahre lang besteht. Seit Gründung im Januar 2005 legte der GEX bis Ende Juli 2010 um rund 30 Prozent, der DAX dagegen nur um etwa 20 Prozent zu. Auch der neue Index DAXplus Family war 2010 besser als der deutsche Leitindex.
Substanzstärke und Werthaltigkeit sind als Qualitätskriterium für Anlageentscheidungen zunehmend gefragt. Denken wir nur an die US-Legende Warren Buffett! Er schuf ein Milliardenvermögen. Buffett spürte die Aktien der niedrig bewerteten Unternehmen auf, verzichtete auf all das, was er nicht genau kannte oder nicht verstand, wie Biotechnologie, Internet, Hightech, Nanotechnologie. Stattdessen konzentrierte er sich auf die »Old Economy«. Sicherlich würde der GEX für Warren Buffett eine ideale Fundgrube abgeben, wären zahlreiche Werte nicht zu klein.
Die Übereinstimmung der persönlichen Beweggründe mit den Unternehmenszielen macht den Unterschied aus
Peter Thilo Hasler, Analyst der HypoVereinsbank, fand heraus, dass die 50 größten familiengeführten Unternehmen in Deutschland in den letzten 15 Jahren eine im Schnitt um 6,8 Prozent bessere Rendite erzielten als der deutsche Leitindex DAX. Während der DAX von 1990 bis 2005 rechnerisch pro Jahr um 9,5 Prozent zulegte, kletterten die Aktienkurse der 50 führenden eigentümerdominierten Firmen um 16,3 Prozent. Der Analyst Hasler liefert zum Zahlenmaterial die Begründung mit: »Es besteht eine ausgeprägte Übereinstimmung zwischen den persönlichen Zielen des Eigentümers – wie der Steigerung des persönlichen Vermögens – und den unternehmerischen Zielen.« Dies bedeutet: Geht es der Gesellschaft gut, wirkt es sich günstig auf die finanzielle Lage des Inhabers aus. Und Wolfgang Zinn, GS&P Institutional Management, Düsseldorf, berichtet in BÖRSE AM SONNTAG, 3. Februar 2008: »Zahlreiche wissenschaftliche Studien haben belegt, dass familiengeführte Unternehmen langfristig erfolgreicher wirtschaften als von Fremdmanagern geführte!« Für Familienfirmen gelten andere emotionale Gesetzmäßigkeiten als für fremdgeführte Gesellschaften. Vordergründig geht es darum, das Erreichte zu bewahren und an die kommenden Generationen weiter zu geben.
Zur Information: Statistik Familienunternehmen
In Deutschland ist das Geschäft besonders häufig Familiensache. Mehr als 95 Prozent aller deutschen Firmen sind eigentümerdominiert. Darunter versteht das Institut für Mittelstandsforschung, dass zumindest drei natürliche Personen den Betrieb kontrollieren. Sind es mehr, müssen mindestens zwei Führungskräfte, z. B. Vorstand und Aufsichtsrat, den gleichen Nachnamen führen.
Die eigentümerdominierten Gesellschaften erwirtschaften zwar nur 42 Prozent des Gesamtumsatzes aller deutschen Unternehmen, stellen aber mehr als zwei Drittel aller Arbeitsplätze.
Aber es ziehen auch düstere Wolken am Familienfirmenhimmel auf: Fehlende Nachfolger, Familienstreitigkeiten, Finanzierungsprobleme bereiten neben den Verwerfungen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise Sorgen. Möglicherweise steht in der nächsten Generation jedes zweite Unternehmen vor einem Verkauf.
Die Börse belohnt langfristige Wertsteigerungen
Eine auf die nachrückenden Generationen, die Mitarbeiter und Kunden langfristig ausgerichtete Unternehmensstrategie überzeugt mehr als jedes sich an kurzfristigen Trends und Erfolgen orientierende Geschäftsmodell. Wie eine Studie von Ernst & Young und der Universität St. Gallen zeigt, entwickelten sich seit dem Beobachtungszeitraum ab 1990 auch bei den Eidgenossen die Aktienkurse von Familienunternehmen besser als der Gesamtmarkt. Ein steigender Marktwert ist nicht das oberste Ziel der Eigentümer. Vorrangig erscheinen das langfristige Überleben, die Wahrung der Unternehmenswerte, der Firmenkultur und die Unabhängigkeit. Da rücken die Quartalserwartungen eher in den Hintergrund.
Die Fokussierung auf den schnellen Euro ist oft mit finanziellen Abenteuern, mit Einsatz von viel Fremdkapital verbunden. Eigentümerdominierte Firmen schätzen Sicherheit. Diese drückt sich oft aus in einer attraktiven Eigenkapitalquote von 50 Prozent und mehr. Der hohe Aktienanteil der Eigentümer macht Begehrlichkeiten der als »Heuschrecken« klassifizierten Finanzinvestoren meist zunichte. Fehler werden meist rasch korrigiert. Portfoliomanager Jürgen Meier vom Bankhaus Julius Bär erläutert: »Wachstum um des Wachstums willen wird von Familienunternehmen so gut wie nie angestrebt. Als Familienfirma hätte Daimler alle unprofitablen Sparten längst abgestoßen und hätte heute nur mit Mercedes ein kleineres, aber hoch profitables Unternehmen.« Freilich gibt es auch unter den Familienunternehmen schwarze Schafe, die bei ihrer Akquisitionsgier straucheln. Sicherlich erinnern Sie sich noch an die hitzigen Übernahmegefechte von Porsche und VW sowie Schaeffler und Continental. Beide Familienfirmen wollten sich einen DAX-Konzern einverleiben – wohl eher eine Anwandlung von Größenwahn.
Meine Aktienauswahl deutscher Familienfirmen
Mein Entwurf berücksichtigt Familienfirmen, die im Prime Standard gelistet sind, einen Börsenwert ab 30 Millionen und unter 10 Milliarden Euro aufweisen und deren KGV eine faire Bewertung anzeigt. Nicht selten werden eine ordentliche Dividendenrendite und ein attraktiver Buchwert geboten. Bevorzugt werden inhabergeführte Unternehmen mit gesunder Bilanzstruktur und einer Eigenkapitalquote von über 25 Prozent. Im Bullenmarkt sinkt mit dem höheren Kursniveau die Dividendenrendite, während sie im Bärenmarkt steigt. Entscheidend ist der Einkaufspreis.
Buchtipp: Beate Sander »Börsenerfolg Familienunternehmen – mehr Rendite mit GEX-Werten«, FinanzBuch Verlag, Juni 2008, 320 Seiten, 29,90 Euro
3.16 Familienindizes im Blickpunkt
Die lange Zeit vernachlässigten inhabergeführten Unternehmen geraten wegen meist klarer Wertbekennung, intakter Unternehmenskultur, langfristiger Geschäftsausrichtung und insgesamt besserer Performance in den Blickpunkt der Anleger. Deshalb publiziert seit November 2007 Hauck & Aufhäuser Privatbankiers im Zusammenwirken mit der Börse München und dem Kooperationspartner BAADER Bank vier Aktienindizes für Familienfirmen. Das Münchner Bankhaus Hauck & Aufhäuser hat mit seinen Partnern eine deutsche und eine europäische Version als Kurs- und als Performance-Index konzipiert. Beim Performance-Index werden – wie beim DAX – sämtliche Erträge aus Dividenden- und Bonuszahlungen in das Indexportfolio reinvestiert. Die deutsche Variante HAFixD® umfasst 20 Titel, die europäische Version HAFixE® 30 Titel.
3.16.1 Die Familienindizes HAFixD® und HAFixE®
Der größte Mangel des Familienfirmen-Index GEX, nur Aktien aufzunehmen, die weniger als zehn Jahre börsennotiert sind und diese Titel dann auch nach Erreichen der Zehn-Jahresgrenze auszumerzen, besteht hier nicht. So sind in der deutschen Version auch die erfolgreichen Traditionsunternehmen aus dem DAX, MDAX, TecDAX und SDAX ebenso willkommen wie in der europäischen Variante die großen eigentümerdominierten Gesellschaften aus dem STOXX 50. Die Aufnahmekriterien bilden Marktkapitalisierung und Aktienliquidität. Außerdem muss es einen privaten Großaktionär geben, der zumindest eine Sperrminorität besitzt, also Einfluss auf die strategische Ausrichtung nimmt und »Heuschrecken« abzuwehren vermag. So bleibt die Idee der Überlegenheit inhaberkontrollierter AGs gegenüber Unternehmen mit Fremdmanagement in der Führungsspitze gewahrt.
Mehr als nur ein kleiner Unterschied: Während der GEX junge Unternehmen mit bis zu zehnjähriger Börsennotierung aufnimmt, enthalten der HAFixD und der HAFixE Unternehmen, die ihre Marktstellung teilweise über Jahrhunderte erarbeitet haben. Beide Erfolgsbarometer untermauern im Vergleich zu DAX, MDAX und Euro Stoxx 50 ihre überragende Entwicklung. So erzielte zurückgerechnet bis zum Jahr 1992 die deutsche Version HAFixD bis Juni 2010 eine jährliche Performance von 17,5 Prozent und der für europäische Familienunternehmen zuständige HAFixE eine Jahresrendite von 14,7 Prozent, während es der DAX im gleichen Zeitraum auf sieben Prozent per annum schaffte. Dazu meint der renommierte Aktienexperte Michael Schramm, persönlich haftender Gesellschafter von Hauck & Aufhäuser: »Aktien familiengeführter Unternehmen bieten Anlegern oft dauerhaft attraktive Renditen.«
Die Titel der deutschen und der europäischen Version werden nach jedem Quartal überprüft und auf Vierteljahresbasis gleich gewichtet. Beim HAFixD sind es fünf, beim HAFixE 3,33 Prozent. Die Rückrechnung der beiden HAFix-Indizes über einen Zeitraum von 15 Jahren belegt einen beeindruckenden Renditevorteil gegenüber den Prime-Standard-Indizes. Der HAFixD schlug von Juli 1992 bis Juni 2007 mit einer jährlichen Rendite von 25,1 Prozent den DAX, der 10,6 Prozent erreichte, und den MDAX, der 11,8 Prozent schaffte. Ein ähnlich gutes Ergebnis erzielte die europäische Variante. Der HAFixE legte von Juli 1992 bis Juni 2007 im Schnitt um 19,5 Prozent pro Jahr zu, während der STOXX 50 eine Performance von 12,3 Prozent schaffte. Das »D« am Schluss des Namens HAFixD® steht für Deutschland, während das »E« am Ende der europäischen Version HAFixE® den einprägsamen Hinweis auf Europa anzeigt.
Der deutsche Familienindex HAFixD®
Die Mitgliedsliste beim HAFixD ist auf 20 führende Titel begrenzt mit einem einheitlichen Anteil von jeweils fünf Prozent. Die deutsche Version nimmt im Gegensatz zum GEX erfreulicherweise auch solche marktführenden Familienunternehmen auf, die schon länger als zehn Jahre börsennotiert sind, schließt dagegen Small und Micro Caps aus. Die Diversifikation im HAFixD lässt nichts zu wünschen übrig: Markenartikelhersteller und Handel, Autobauer, Pharma, Chemie, Bauwirtschaft, Solarenergie, IT-Technologie und Maschinenbau.
Der europäische Familienindex HAFixE®
Die Mitgliedsliste der westeuropäischen Version eigentümerdominierter Firmen zeigt bei übergewichteten deutschen und französischen Aktien eine breite Streuung bezüglich der berücksichtigten Länder und Branchen. Der HAFixE – der letzte Buchstabe steht einprägsam für Europa – setzt sich aus 30 Titeln von Deutschland, Frankreich, Italien, Schweiz, Belgien, Niederlande, Schweden, Spanien, Dänemark und Großbritannien zusammen. Alle Titel sind mit einem Dreißigstel gleich gewichtet. Relativ stark sind die Branchen Automobile und Handel, Bau und Markenartikel, Nahrungsmittel & Getränke, Holdings, Industrie & Dienstleister sowie Pharma, Grundstoffe, Medien und Technologie vertreten.
3.16.2 Der GEX, wohl ein Auslaufmodell, stellt sich vor
Fallbeispiel
»Mein Name ist GEX, die Abkürzung für German Entrepreneurial Index, im Gegensatz zur griffigen Kurzform kompliziert und schwer einprägsam. Mich gibt es seit dem 03. Januar 2005. Die Deutsche Börse AG in Frankfurt hat mich in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität München für die im Prime Standard gelisteten familiengeführten Unternehmen kreiert. Ich verstehe mich als Indikator für die Wertentwicklung deutscher mittelständischer Unternehmen an der Börse und ergänze die Indizes der DAX-Familie. Bei mir werden nur solche eigentümergeführten Firmen aus beliebigen Branchen aufgenommen, die dem Prime Standard, dem Premium-Segment mit den strengsten Zugangskriterien, angehören. Aber selbst, wenn diese Voraussetzung erfüllt wird, darf nicht jede Aktiengesellschaft, deren Vorstände, Aufsichtsratsmitglieder oder Familien zwischen 25 bis 75 Prozent der Stimmrechte verfügen, GEX-Mitglied werden. Selbst wenn es sich um erfolgreiche, etablierte Firmen handelt, darf der Börsengang nicht länger als zehn Jahre zurückliegen. Diese Einschränkung stört mich gewaltig. Die Deutsche Börse AG sollte diese nicht gerade kluge Entscheidung möglichst schnell zurücknehmen. Ich leide persönlich darunter, mich von bewährten, oft besonders renditestarken Mitgliedern nach Ablauf der Zehnjahresfrist trennen zu müssen. Wer einmal zum GEX gehört, für den sollte es keine Zehnjahresgrenze mehr geben.
Die meisten der bei mir gelisteten Unternehmen sind seit fünf Jahren börsennotiert – die Zeitbombe tickt. Aktuell sind 54 Unternehmen GEX-Mitglieder. Die größeren AGs sind außerdem im MDAX, im TecDAX oder SDAX gelistet. Worüber ich richtig stolz bin, ist die gute Performance – Ausnahme 2008. Da war ich von allen deutschen Indizes Letzter, 2005 und 2007 dafür Erster. Gern würde ich Penny-Stocks generell ausschließen und solche Firmen, bei denen sogenannte ›Heuschrecken‹ die Dividende mit Fremdkapital finanzieren, wie vor einigen Jahren bei Hugo Boss geschehen.«
Jedes GEX-Mitglied muss familiengeführt bzw. eigentümerdominiert sein. Vorstände, Aufsichtsräte oder deren Familien müssen zwischen 25 und 75 Prozent der Stimmrechte besitzen.
Der Börsengang darf nicht länger als zehn Jahre zurückliegen.
Der GEX nimmt nur deutsche Unternehmen aus beliebigen Branchen auf, die dem Prime Standard angehören.
Die Gewichtung erfolgt nach Börsenwert und Streubesitz und wird vierteljährlich überprüft.
3.16.3 Das Duell zwischen DAXplus Family Index und GEX
Zum Jahresbeginn 2010 hat die Deutsche Börse AG im Zusammenwirken mit der Technischen Universität München (TU), Center for Entrepreneurial and Financial Studies (CEFS), den DAXplus Familiy Index kreiert.
Es ist die längst fällige Antwort auf die unglückliche, für Unverständnis sorgende Regelung im German Entrepreneurial Index (GEX), die Aufnahme und Dauer der Mitgliedschaft vom Zeitpunkt der Börsennotierung abhängig zu machen. Ein Unternehmen, das länger als zehn Jahre den Börsengang hinter sich hatte, wurde nicht aufgenommen. Zudem endete die Zugehörigkeit, sobald eine AG zehn Jahre lang an der Börse notiert war.
Den zum 04. Januar 2010 eingeführten neuen Familienindex gibt es in zwei Versionen, den DAXplus Family mit rund 130 und den DAXplus Family 20 mit den größten familiengeführten Unternehmen.
Die Wirtschaftswissenschaftler der TUM fanden heraus, dass die Gruppe der Familienunternehmen in den letzten Jahren eine großteils bessere Performance erzielten als der breite DAX. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass die Führungsspitze langfristig und nachhaltig plant und sich stärker an ethisch-sozial-ökologischen Standards orientiert. Eine intakte Unternehmenskultur mit Wertebekennung, Mitarbeiter- und Kundenbindung und dem Aufbau der eigenen Marke hat hohen Stellenwert. Mittelständische Unternehmen werden zwar einerseits von Wirtschaftsflauten härter getroffen, können sich aber bei wieder verbessertem Umfeld schneller erholen. Schätzungsweise sind etwa 30 Prozent der im Prime Standard der Deutschen Börse gelisteten Firmen eigentümergeführt. Sie stehen für rund 20 Prozent der Marktkapitalisierung in Deutschland. Familienfirmen gibt es in allen Branchen, darunter industrielle Produktions-, Pharma-, Chemie-, Technologie- und Bauunternehmen. Ein europaweiter Familienunternehmens-Index steht möglicherweise schon bald bei der Deutschen Börse AG auf der Agenda – vielleicht ähnlich ausgerichtet wie der HAFixE® der Bayerischen Börse in Partnerschaft mit dem Bankhaus Hauck & Aufhäuser und der BAADER Bank.
3.17 Spekulation mit Penny-Stocks
Penny-Stocks sind als Kapitalanlage sehr riskant, bei Turnaround-Storys und Aussicht auf Rückkehr in die Gewinnzone, Break-even genannt, allerdings auch besonders chancenreich. Viele ehemalige Highflyer vom Neuen Markt fristen heute ein tristes Dasein mit einem Kurs unterhalb einem Euro. Mitunter treiben unseriöse Börsengurus bei marktengen Penny-Stocks die Kurse durch geschönte Ergebnisberichte und Prognosen nach oben, um danach selbst die billig erworbenen Titel zu Höchstkursen abzustoßen und zu erleben, wie gutgläubige Privatanleger in die Falle tappen und Kurseinbußen bis zum Totalverlust hinnehmen müssen. Wenn schon Nervenkitzel, dann nur mit etwas Spielgeld einen riskanten Zock wagen!
Mitunter sind folgende Worte zu hören: »Mit Penny-Stocks kann ich nicht viel verlieren. Die Aktien sind ja ohnehin tief im Keller!« Eine solche Einschätzung ist Unsinn. Mit Aktien unter einem Euro lassen sich ebenso hohe Summen gewinnen oder verlieren wie mit Blue Chips. Ein Anleger, der sich vielleicht nur zehn RATIONAL- oder KWS SAAT-Aktien für je 120 bis 150 Euro ins Depot legt, begnügt sich nicht mit zehn Stück zum Preis von je 50 Cent. Damit lässt sich kein nennenswerter Ertrag erwirtschaften. Ein Privatanleger wird mindestens 1.000 bis 3.000 Aktien von einem solchen »gefallenen Engel« kaufen, damit die Gebühren nicht den möglichen Kursgewinn auffressen.
»Das einzige, was man ohne Geld machen kann, sind Schulden.«
Heinz Schenk
»Die Börse hat einen empfindlichen Magen, der verdorbenes Zeug sofort ausspuckt.«
John Kenneth Galbraith
Penny-Stocks, an der US-Technologiebörse NASDAQ nach kurzer Verweildauer aus dem Index verbannt, sind zum Spielball von Spekulanten verkommen. Im Gegensatz zu vielen chinesischen Aktien, bei denen ein niedriger Ausgabepreis durchaus normal erscheint, sind zahlreiche frühere Emittenten aus dem Neuen Markt von einem Kursrutsch betroffen. Die angeschlagenen, vom Pleitegeier umkreisten Unternehmen stellen für Zocker und Day-Trader willkommene Spielwiesen dar. Sei es, dass eine Ad-hoc-Meldung Aufsehen erregt, ein Gerücht die Runde macht, der Einstieg eines Großaktionärs bevorsteht, die Übernahme durch einen Wettbewerber verkündet wird oder das Restrukturierungs- und Kostensenkungsprogramm tatsächlich Früchte trägt. Stehen Turnaround und Break-even kurz bevor, ist eine Kursexplosion möglich.
Einige Börsenbriefe haben sich auf ein solches Szenario spezialisiert. Stimmt die Turnaround-Story und der Chefredakteur erweist sich als fachkundiger und seriöser Stratege, sind hohe Kursgewinne binnen kurzer Zeit denkbar. Löst sich die Vision in Luft auf oder sind Unfairness und Betrug im Spiel, droht ein Totalverlust. Geschönte Kaufempfehlungen bei marktengen, niedrig kapitalisierten Werten treiben den Kurs blitzartig aufwärts und anschließende Gewinnmitnahmen schnell nach unten. Meist ist es klüger, geduldig eine Kurskorrektur abzuwarten.
Tipps für den Umgang mit Penny-Stocks
Investieren Sie nur mit »Spielgeld« in Penny-Stock-Aktien. Es ist verantwortungslos und gefährlich, vor allem deshalb so riskant zu investieren, um frühere Verluste auszugleichen bzw. aus einer Schuldenfalle herauszufinden.
Tipps für Penny-Stocks
Betrachten Sie Penny-Stocks als spekulative Depotbeimischung, und investieren Sie nur »Spielgeld«.
Halten Sie den prozentualen Anteil am Depotumfang gering, nur 1 – 2 % statt üblicherweise 5 – 10 %.
Da eine größere Order den Kurs bei marktengen Werten explosionsartig nach oben, aber ebenso abrupt nach unten reißen kann, bietet ein eng gesetztes Limit einen gewissen Schutz. Warten Sie ab, bis sich der Kurs normalisiert, und kaufen Sie nicht aufgrund von Stammtisch-Tipps.
Liegt Ihre Order gewöhnlich bei einigen tausend Euro, sollten Sie hier nur rund 1.000 Euro bzw. 10 bis 20 Prozent des üblichen Einsatzes investieren. Umfasst Ihr Aktiendepot beispielsweise 20 Titel, so sollten Sie lediglich ein bis zwei Prozent vom gesamten Depotwert pro Penny-Stock-Titel belegen. Ist die Spekulation erfolgreich, winkt auch bei einem relativ kleinen Einsatz ein ansehnlicher Kursgewinn.
Penny-Stocks sind eine spekulative Depotbeimischung für Anleger, die Nervenkitzel mögen. Übergewichten Sie substanzstarke Titel, und schauen Sie auch auf eine ordentliche Dividende.
Penny-Stocks sind meist niedrig kapitalisierte Titel. Schon eine einzige große Order treibt den Kurs explosionsartig nach oben, aber ebenso abrupt in die Tiefe. Mitunter wird der Kurs von Börsengurus, die sich zuvor zu niedrigen Preisen eingedeckt haben, durch geschönte Prognosen nach oben katapultiert, um auf dem Kursgipfel den Gesamtbestand zu verkaufen. Der Kursabsturz ist verheerend.
Etwas Schutz bietet ein eng gesetztes Kauflimit. Es hat sich bewährt, geduldig zu warten, bis sich der Kurs wieder in normalen Bahnen bewegt. Meist gibt es weitere Chancen für einen günstigen Einstieg. Ansonsten bleibt der Trost, dass es genug andere interessante Aktien gibt.
Kaufen Sie keine Penny-Stock-Aktien aufgrund von »Stammtisch-Empfehlungen« oder weil ein einziger Börsenbrief diesen Titel empfiehlt. Versuchen Sie, möglichst viel über den Wert zu erfahren. Auch die Charttechnik leistet brauchbare Orientierungshilfen. Hält die Unterstützungslinie? Wurde die Widerstandslinie nach oben durchbrochen?
Bei Penny-Stocks ist eine »Aussitz-Mentalität« laut André Kostolany oder Helmut Kohl der falsche strategische Ansatz. Bei einer Fehlspekulation hilft nur eines: Verluste beizeiten begrenzen!
Penny-Stocks eignen sich wegen der starken Kursschwankungen nur für Börsianer mit stabilem Nervensystem, hoher Risikoneigung und psychischer Stärke. Ein Totalverlust ist einzuplanen und muss finanziell verkraftbar sein.
Bei einem üppigen Kursgewinn sollten Sie weder mit Ihren Börsenerfolgen prahlen noch glauben, Sie seien unfehlbar. Wer nicht angibt, verliert nicht sein Gesicht und wird nicht zum Opfer hämischer Schadenfreude.
3.18 Fußballaktien – eine eigene Welt
Warum sind börsennotierte Fußballclubs nicht als gewöhnliche Aktiengesellschaften einzuordnen und für Nichtliebhaber meist unattraktiv? Selbst die BVB-Aktie bleibt trotz des Gewinns der deutschen Meisterschaft ein Spekulationsobjekt.
Wäre es anders, müssten beim Management die Interessen der Aktionäre mehr beachtet werden, und der Vorstand sollte ein faires Übernahmeangebot unterstützen. Doch in einem Fußballverein gibt es mit den Clubmitgliedern und glühenden Anhängern eine Gruppe maßgeblicher Anteilseigner, mit denen andere Unternehmen kaum etwas zu tun haben. Für die zahlreichen Fans, die mehr aus Liebhaberei und emotionaler Bindung als aus Gewinnstreben Aktien von »ihrem« Club kaufen, sind sportliche Erfolge entscheidend. Dies sind die nationale Meisterschaft, der Pokalwettbewerb sowie die Teilnahme und der Erfolg bei den großen europäischen Wettbewerben – insbesondere die Champions League.
Auch bei der Fremdfinanzierung hebt sich ein Fußballclub stark von einem gewöhnlichen Unternehmen ab. Einem schuldenfreien Profiküchen- oder Tapetenhersteller schadet es weniger, wenn ihn ein Finanzinvestor nach der Übernahme mit Fremdkapital belastet. Doch ein Fußballverein kann sich dies in seinem extrem zyklischen, kaum planbaren operativen Geschäft nicht leisten – siehe Fallbeispiel Manchester United. Er braucht zum langfristigen Überleben ein dickes Sicherheitspolster, wie es der nicht börsennotierte FC Bayern aufgebaut hat. Sonst gerät der Verein vielleicht in eine Lage wie die im Oktober 2000 an die Börse gegangene Borussia Dortmund. Deren heute um 1,20 Euro dahindümpelnde Aktie hat gegenüber dem Ausgabepreis von 11 Euro rund 90 Prozent verloren. Der Absturz liegt ja nicht nur daran, dass der BVB damals um die Deutsche Fußballmeisterschaft mitspielte und in den internationalen Wettbewerben eine sehr gute Figur abgab. Es herrschte eine allgemeine Börsenhausse. Die finanzielle Lage von Borussia Dortmund löste keine Sorgenfalten aus. Ab 2000 begann der sich drei Jahre lang hinziehende Börsencrash, damals noch nicht in seiner ganzen Tragweite wahrgenommen. Der BVB ging zu einer Zeit an die Börse, als andere börsennotierte Fußballclubs die Anleger noch mit satten Kursgewinnen erfreuten. Immerhin erzielte Manchester United von 1991 bis 1999 einen Kursgewinn von 1.100 Prozent und Lazio Rom von 1998 bis 2000 ansehnliche 120 Prozent. Von dieser Herrlichkeit ist wenig übrig geblieben. So hat der Eurokick-Index für europäische Fußballaktien seit seinem Start im Dezember 2000 bis August 2008 mehr als 20 Prozent verloren.
Heute gilt für die meisten Finanzinvestoren: Hände weg von Fußballaktien! Stufen Sie diese Papiere eher als Fanartikel ein, und hängen Sie sich als Anhänger ein eingerahmtes physisches Papier an die Wand über Ihrem Bett. Fußballaktien gelten heute eher als Beleg für die Identifikation mit dem betreffenden Club. Richtig Geld dürfte mit Fußballaktien nur zu verdienen sein, wenn ein Einstieg im Tiefkursbereich erfolgt und sich das Papier aufgrund herausragender sportlicher Erfolge und einer eindrucksvollen Managementleistung mit exzellenter Vermarktung parallel zum Tabellenplatz steil nach oben entwickelt. Ginge Deutschlands Spitzenclub I. FC Bayern München an die Börse, sähe es mit der Rendite wohl deutlich besser aus.
Das Geschäftsmodell der Anteilseigner von Manchester United gefährdet die sportliche Basis
Manchester United war im Frühjahr 2010 nicht nur wegen des Ausscheidens aus der Champions League gegen den amtierenden deutschen Meiser Bayern München in aller Munde, sondern noch mehr wegen seines Schuldenbergs von rund 800 Millionen Euro. Als die amerikanischen Brüder Glazer den ruhmreichen englischen Club mehrheitlich übernahmen, verbuchten sie den Kaufpreis als Verbindlichkeiten. Der Rekordtransfer von Superstar Ronaldo wurde nicht genutzt, um die sportliche Substanz zu sichern. Die derzeitigen Eigentümer quetschen jedes Pfund heraus, um sich selbst zu bereichern. An den Club und dessen Fans denken sie nicht. Mit ihrem Geschäftsmodell ruinieren sie auf Dauer die sportliche Basis.
3.19 Börsenbriefe kritisch betrachten
Der Vorteil liegt in aktuellen Online-Infos. Die größte Gefahr besteht in exorbitanten Kursbewegungen marktenger Werte aufgrund von Herdentrieb, einer unseriösen aggressiven Werbung, die mehr verspricht als sie hält, sowie hohen Hürden bei Kündigung. Der Erfolg hängt letztlich von der Redlichkeit und Fachkompetenz des Chefredakteurs ab.
Print-Börsenbriefe verlieren Marktanteile; denn durch Druck, Versand und Postweg sind diese gegenüber den Online-Versionen nicht so aktuell und teurer in Herstellung und Vertrieb. Erreichen die gedruckten Infos den Privatanleger, sind sie nicht mehr taufrisch. Längst sind die institutionellen Anleger und die Bezieher von Online-Briefen schon auf- oder abgesprungen. Der Trend geht klar zum Online-Börsenbrief.
Börsenbücher wie dieses neubearbeitete Strategiewerk vermitteln ein grundlegendes oder spezielles Börsenwissen mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Je nach Zielsetzung bietet die Börsenfachliteratur einen gesamten Überblick über das Börsengeschehen für Einsteiger oder Profis bzw. deckt bestimmte Themenkomplexe ab. Dies können sein: Fundamentalanalyse, Charttechnik, Börsenpsychologie, Strategie, Familienunternehmen, Managed Futures, Zertifikate, Investmentfonds, ETFs, Optionsscheine, Edelmetalle, Rohstoffe usw.
Die Börsenbriefe versehen ihre Zielgruppe mit speziellen Informationen, abgestimmt auf aktuelle Kauf- und Verkaufsempfehlungen. Es geht darum, dem Kunden die ständige Marktbeobachtung abzunehmen, ihm klare Handlungsanweisungen zu geben und anstehende Entscheidungen zu erleichtern. Möglicherweise werden Kauf- und Verkaufslimits, Kursziele und Stoppkurse angegeben und bei Bedarf nachgezogen. Ebenso zählen Musterdepots und Dispositionslisten zum üblichen Standard. Die meisten Börsenbriefe erscheinen wöchentlich, ergänzt durch Eilmitteilungen. Die Gebühren sind unterschiedlich hoch, bis zu etwa 1.000 Euro alljährlich. Solange die meist einmonatige kostenlose Testphase läuft, halten den Neukunden attraktive Willkommensgeschenke bei Laune.
Die meisten Börsenbriefe wenden sich an bestimmte Zielgruppen, im Aktiensektor an konservative, chancenorientierte und spekulative Anleger. Manche Börsenbriefe sind auf in- und ausländische Blue Chips oder Nebenwerte, auf anstehende Turnaround- und Break-Even-Storys, auf Penny- bzw. Hot Stocks zugeschnitten. Beliebt sind auch Börsenbriefe, die Emerging Markets oder den Anlage- und Hebelzertifikate-Sektor abdecken bzw. auf Optionsscheine und Termingeschäfte im Rohstoffsektor ausgerichtet sind. Es ist nicht ratsam, als Börsenneuling in den Derivatehandel einzusteigen.
Die Qualität der Produkte reicht von kaum ausreichend bis hervorragend. Ein Börsianer, der gern unabhängig auswählt und über genügend Zeit, Lust, Fachkompetenz und Konsequenz verfügt, um am Börsengeschehen aktiv teilzunehmen, kommt ohne einen Börsenbrief aus.
Vorsicht: Kostet ein Börsenbrief jährlich 1.000 Euro, so ist der Bezug unsinnig, wenn als Anlagekapital nur 10.000 Euro verfügbar sind. Einschließlich Transaktionskosten müsste die jährliche Durchschnittsrendite bei über 20 Prozent liegen, um nach Steuern überhaupt einen Gewinn einzufahren. Aber selbst die weltweit besten Investoren wie Warren Buffett erzielen über Jahrzehnte hinweg nur eine durchschnittliche Performance von rund 20 Prozent. Bei einem Depotwert von 100.000 Euro und darüber kann sich dagegen der passende Börsenbrief rechnen.
Wichtig ist eine fachlich exzellente Kundenbetreuung über Telefon und E-Mail, wie sie sich bei renommierten Börsenbriefverlagen zum Qualitätsstandard entwickelt. Dazu gehört eine kundenzentrierte Beratung, die sich nicht auf die einmonatige Testphase und die meist ausgebuchte wöchentliche Redaktionsstunde beschränken darf. Dieser Service sollte als dauerhaft kostenloser Zusatzservice abrufbar sein. Wie eigene Tests und meine Auswertung von Mitgliederanfragen ergaben, ist der Zulauf bei einer nur einstündigen Redaktionsstunde pro Woche oft so groß, dass ein Durchkommen unwahrscheinlich ist.
3.20 Aktienclubs – gut bei Kommunikationsbedarf
Auch Aktienclubs buhlen um die Gunst der Anleger. Örtliche Vereine bieten eine Diskussionsplattform und Beteiligung an einem Musterdepot. Zudem stellen sie die Weichen für eine ordentliche Performance.
Gemeinsam mit Gleichgesinnten macht Börse mehr Spaß. Das Bedürfnis nach Kommunikation und die Aussicht auf ein Renditeplus sind der Hauptgrund, sich zu Aktienclubs zusammenzuschließen. Die kleinsten Vereinigungen umfassen fünf Mitglieder, die größten mehrere tausend. In einigen Clubs sind Frauen unter sich. Mitunter ist die Performance besser als bei hochbezahlten Fondsmanagern.
Für Spannung sorgt das Börsenduell der zwei großen deutschen Aktienclubs mit einigen tausend Mitgliedern. Der Hanseatische Aktienclub aus Hamburg (HAC) tritt gegen den Itzehoer Aktienclub (IAC) an. Für das Gemeinschaftsdepot des HAC gilt: »Keine heißen Tipps, keine Zykliker, keine Modeaktien. Wir suchen Unternehmen, die Umsätze, Dividenden und Gewinne stetig steigern. Diese Unternehmen haben zwei Wirtschaftszyklen, also auch zwei Rezessionen überstanden.« Marathon-Aktien heißen diese Werte, die ihr Tempo oft jahrzehntelang halten können. Dazu zählen der Motorradproduzent Harley-Davidson und Coca-Cola. Die Altersgruppe der unter 35-Jährigen ist unterpräsentiert: »Bei jungen Leuten überwiegt offenbar der Glaube, dass man mit kurzfristigen Anlagen das meiste Geld verdient.« Vielleicht rührt die Zurückhaltung auch daher, dass die Strategie risikobewusste Anleger weniger anspricht. Diese Gruppe interessiert sich kaum für die Stars von gestern, sondern die Überflieger von heute und morgen. Erfahrungsgemäß wirtschaften jene Unternehmen am erfolgreichsten, die zwar nicht mehr in den Kinderschuhen stecken, aber auch nicht schon so groß und mächtig sind, dass eine Marktsättigung zu befürchten ist.
Der Hamburger Aktienclub mit seinen 4.000 Mitgliedern erzielte 2009 beim HAC-Fonds-Marathon-Aktien Classic einen Kursgewinn von 10,5 Prozent und beim HAC World Top-Investors 25,4 Prozent.
Auch beim Itzehoer Aktienclub (IAC) mit rund 6.000 Mitgliedern ist Sicherheit Trumpf. Aggressive Investments sind verpönt. Seit seiner Gründung schlug das Gemeinschaftsdepot den Dow Jones um sieben Prozent. Da nur etwa fünf Prozent der Papiere pro Jahr umgeschichtet werden, hält der IAC noch einige Papiere aus Gründungstagen. Vorbild der IAC-Strategie ist Warren Buffett. Dazu heißt es: »Obwohl die meisten Anleger die Fähigkeit besitzen, Buffetts Investment-Philosophie zu verstehen, haben nur wenige die Disziplin, sie auch umzusetzen. Wir bringen diese Disziplin auf.«
Der IAC-TOP-Investors Global erzielte 2009 rund 17 Prozent und der IAC-Aktien Global sechs Prozent Rendite. Das Gemeinschaftsdepot 2008 rauschte mit einem Minus von 37 Prozent in den Keller und erholte sich 2009 mit einem Plus von elf Prozent. Rekordverdächtig ist dies nicht.
3.21 Wann, was und wie viel kaufen und verkaufen?
Im billigen Einkauf und im teuren Verkauf liegt der Gewinn. Theoretisch eine ganz einfache Formel, in der praktischen Umsetzung oft schwierig.
Beginnen wir mit dem besten Einkaufszeitpunkt. Jeder Börsianer träumt davon, zum niedrigsten Kurs einzusteigen und später zum Höchstkurs zu verkaufen. Beides gelingt selten. Wer von sich behauptet, sogar beim selben Titel den günstigsten Ein- und Ausstiegszeitpunkt genutzt zu haben, steht im Verdacht aufzuschneiden. Zu schwierig ist das perfekte Timing. Ein Glücksfall, wenn es gelegentlich klappt. Geben Sie sich zufrieden, nahe den günstigsten Kursen zu handeln. Wäre dies so einfach, hätten Sie schon im Frühjahr 2003 bei einem DAX-Stand von 2.200 Punkten, im Herbst 2008 und auch im Frühjahr 2009 beherzt zugegriffen. Umgekehrt hätten Sie im März 2000 und im Mai 2007 im großen Stil verkauft und nicht angstbedingt erst so viel später. Freuen Sie sich, wenn Ihnen die großen Fehler nicht passierten und die Börse es bislang gut mit Ihnen gemeint hat. Am ehesten winkt der Erfolg, wenn Sie in Phasen großer Angst und Verunsicherung in der Bodenbildungsphase einsteigen und bei Euphorie und einem vom Herdentrieb beeinflussten Gefühlsüberschwang zumindest einen Teil verkaufen. Die folgende Übersicht zeigt, worauf Sie bei Ihren Kauforders achten sollten und wann es klug ist, sich einen bestimmten Titel zuzulegen. Das bei Yahoo Finanzen einzusehende und jeden zweiten Montag im HANDELSBLATT veröffentlichte Insiderbarometer zeigt Ihnen, wie die Führungsspitze mit eigenen Aktien umgeht. Wer kennt ein Unternehmen besser als Vorstand und Aufsichtsrat?
Meine Börsensprüche für Transaktion und Strategie
Breit gestreut – nie bereut!
Wer zu spät den Trend erkennt – leicht in das Verderben rennt!
Aktieneinkauf auf Kredit – alles andre als ein Hit!
Meide die gefährlichen Vier: Euphorie, Panik, Angst und Gier!
Ein zu eng gesetzter Stopp – selten Top, viel eher Flop!
Ein Crash ist gut – bei sehr viel Mut!
Als der Lieferant von Grauen – einem Guru stets misstrauen!
Nur eine Aktie im Depot – fast immer droht ein Waterloo!
Anregung: Rufen Sie sich für jeden Börsenspruch einige passende Beispiele in Erinnerung.