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Die richtige Strategie beim neuen Aktiensteuerrecht
Sie befinden sich beim Lesen dieses Kapitels zumindest im Jahr 2011. Dennoch sollten Sie den kurzen Rückblick 2008 nicht ignorieren. Es geht nicht darum, den verpassten Chancen nachzutrauern bzw. sich mangelnden Mut und eine mit Blick auf das neue Steuerrecht falsche Strategie vorzuwerfen. Es gilt, den Nutzen aus unterschiedlichen Sachlagen zu ziehen und die Weichen richtig zu stellen.
Das Jahr 2008 zählt zu den schlechtesten Jahren der Börsengeschichte mit den größten Chancen für mutige Börsianer, die Gunst der Stunde für den Aufbau eines steuerfreien Aktienaltbestands zu nutzen. Der heftige Crash, entfacht durch einen die Gesamtwirtschaft erfassenden Flächenbrand, wurde letztlich zum Glücksbringer für Mutige. Auslöser der Börsenturbulenzen war die sich zum globalen Finanzdesaster ausweitende Subprimekrise in den USA. Die Begleiterscheinungen im Vorfeld waren ein zunächst extrem starker Euro und ein explodierender, danach abstürzender Ölpreis, eine anfangs beängstigend hohe Inflationsrate, abgelöst von Deflationsfurcht, Drehen an der Zinsschraube bis zum Niveau nahe Null, staatliche Konjunkturprogramme und Rettungsschirme, ein weltweiter Konjunktureinbruch mit Rezession und eine sich auftürmende Überschuldungsfalle.
Weltwirtschaft im Würgegriff heißt: drastischer Auftragsrückgang, Investitionsstopp, Gewinnwarnungen, Vertrauensverlust, Kreditklemme, Massenentlassungen, Zahlungsprobleme bis hin zum Notverkauf und zur Insolvenz.
Dies ist die Rezeptur für einen Bärenmarkt! Aber gerade deshalb: Trennen Sie sich in solch angespannten Marktlagen nicht von Ihren Qualitäts-Aktien! Koppeln Sie sich vom Herdentrieb ab! Gab es eine bessere Gelegenheit, sich mutig mit Ihren vor 2009 getätigten Investitionen für die nächsten Jahre und Jahrzehnte einen steuerfreien Altbestand an Aktien, ETFs, Aktienfonds und Managed Futures-Fonds aufzubauen? Solche Gelegenheiten sind zwar selten, können sich aber wiederholen. Im Nachhinein erwies sich das Jahr 2008 für Sie vielleicht als Zauberformel für nachhaltigen Börsenerfolg. Seit Januar 2009 greift die Abgeltungsteuer von 25 Prozent plus Solidarzuschlag und evtl. Kirchensteuer unerbittlich zu. Nur mit Ihrem Altbestand entgehen Sie dem Zugriff von Vater Staat. Schichten Sie Ihr Geld auch künftig nicht langfristig auf das Sparkonto um. Sie vernichten unter Einbezug der Inflations- bzw. Preissteigerungsrate und der zu entrichtenden Abgeltungsteuer auf Zinserträge schleichend Ihr Kapital.
6.1 Wie mit den Investments vor 2009 umgehen?
Den steuerfreien Qualitätsaktien-Altbestand im Depot belassen und seit 2009 alle Neuinvestments im Zweitdepot bündeln
Wegen der seit 1. Januar 2009 greifenden Abgeltungsteuer sollten Sie Ihren steuerfreien Altbestand an Standardaktien, ETFs und guten Aktienfonds nicht voreilig verkaufen. Vor allem lassen Sie sich beim Altbestand wegen der hohen Schwankungsfreudigkeit nicht unüberlegt ausstoppen! Mit Solidarzuschlag und evtl. Kirchensteuer beträgt die Abgeltungsteuer rund 28 Prozent. Pflegen Sie Ihre Altbestände. Schützen Sie Ihre sich möglicherweise hier und da ansammelnden dreistelligen Kursgewinne vor dem Zugriff des Fiskus. Beim Verkauf gilt die Regel: »First in – first out!« Stets werden die Altbestände zuerst veräußert. Deshalb ist es allerhöchste Zeit, sofern nicht schon längst geschehen, sich ein Zweitdepot bei Ihrer Hausbank oder einem Discountbroker anzulegen.
So können Sie mit Ihren Alt- und Neubeständen flexibel und voneinander unabhängig umgehen. Bei den Kursabstürzen im Herbst 2008 und Frühjahr 2009 bleibt als Trost die Erkenntnis, dass sich in Mehrjahrescharts selbst ein heftiger Börsencrash nur als Delle im langfristigen Aufwärtstrend erweist. Jede Krise bietet auch Chancen, in diesem Fall günstige Einstiegskurse für den Zukauf. Lesen Sie nun einige Expertenkommentare:
Blick auf die Zukunft: Klassische Anlagen sind Ballast
Heinz-Werner Rapp, Chefstratege von Feri Wealth Management, Bad Homburg, empfiehlt in einem Interview im Juni 2008: »Es entstehen ganz neue globale Kraftzentren: Russland, die Golfländer, Lateinamerika, Kanada und Australien sind die großen Gewinner. China profitiert von seinem Aufstieg zur Weltmacht. Auch Indien wird weit oben mitspielen. – Ein längerfristig angelegtes Depot sollte sich auf die Welt von morgen fokussieren. Viele konventionelle Anlagen sind hier nur Ballast. Wir müssen davon wegkommen, die Zukunftsthemen als reine Beimischungen in den Portfolios zu behandeln. – Ein Viertel der Mittel sollte in Aktien der Schwellenländer fließen. Ein weiteres Viertel würde ich dem Rohstoffbereich zuordnen, den Themen Öl, Uran, Agrarrohstoffe, saubere Energien, Wasser. – Maximal ein Fünftel des Kapitals wäre klassischen Aktien und Anleihen vorbehalten.« (Anmerkung: Welch kluger Rat, der auch heute nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat!)
Anlagestreuung: Teure Heimatliebe
Ingo Narat, Frankfurt, äußert sich zu dieser Thematik ebenfalls, und zwar im August 2008: »Deutsche haben ein überragendes Vertrauen in ihr Land. Praktisch das gesamte Kapital investieren sie hier. Nur jeder Dritte ist auch jenseits der Grenze im restlichen Europa engagiert. Noch nicht einmal jeder Zehnte hat es in die USA geschafft. Ähnlich ist die Quote für Schwellenländer. – Es ist, als wären Globalisierung und der Aufstieg der einstigen Entwicklungsländer Ereignisse, die höchstens auf dem Mars oder weiter außen im Sonnensystem von Bedeutung sind. – Aus 1.000 Euro, vor rund zwei Jahrzehnten in deutsche Aktien investiert, sind bis August 2008 etwa 6.500 Euro geworden. Ein weltweit gestreutes Engagement in den Industrieländern hätte es zwar nur auf 5.000 Euro gebracht – aber bei geringeren Schwankungen. Reizvoller waren Aktien aus aufstrebenden Ländern. Damit hätte der Anleger heute über 15.000 Euro angespart. – Fragen der langfristigen Kapitalstreuung sind brandaktuell. Der Rat kann nur lauten: Ein Großteil des Geldes muss auswandern!«
Aktien mit relativer Stärke: Die Kraft der Gewinner
Sven Parplies schreibt in EURO AM SONNTAG, Ausgabe 8. Juni 2008, S. 24, Rubrik »Märkte«: »Siegeraktien mit langem Atem (auch Marathonaktien genannt) gibt es in vielen Branchen. Während K+S von steigenden Nahrungsmittelpreisen (und seinen Düngemitteln) profitiert, hat das kanadische Technologie-Unternehmen Research in Motion (RIM) mit dem Blackberry ein Kultprodukt entwickelt, ein elektronisches Büro im Handyformat. – Auch bei deutschen Unternehmen zahlt sich der Mut all jener aus, die sich von einem deutlichen Kursplus der Vergangenheit nicht haben abschrecken lassen. – Siegeraktien bleiben Sieger. Verlierer bleiben Verlierer. Diese Beobachtung hat der amerikanische Wissenschaftler Robert A. Levy bereits in den 60er-Jahren gemacht. – Das Konzept der relativen Stärke (es gibt spezielle Strategiefonds für die Umsetzung dieser Theorie) wurde in etlichen Variationen geprüft und im Wesentlichen auch bestätigt.«
Konjunktur: Das neue deutsche Wirtschaftswunder
»Der Exportmotor brummt, die Gewinne sprudeln, und am Arbeitsmarkt ist Belebung spürbar. Das Fundament für den Wiederaufstieg wurde in der Finanzkrise gelegt.«
Handelsblatt-Zitat, 28.06.2010
Anmerkung: Vorübergehend droht bei einem dramatischen Abwärtstrend allerdings ein böses Erwachen, und Sie sollten deshalb Trendwendesituationen aufmerksam beobachten. Viele Anleger verabschieden sich dann von ihren großen Siegern, weil nur hier noch ansehnliche Gewinnmitnahmen möglich sind. Scharfe Korrekturphasen sollten Sie couragiert zum Zukauf nutzen – vorausgesetzt, die fundamentalen Daten überzeugen weiterhin.
Das »Momentum-Depot« von EURO AM SONNTAG, das Aktien auf der Basis »Relative Stärke nach Levy« auswählt, setzte sich im Juni 2008 in unterschiedlicher Gewichtung aus den folgenden in- und ausländischen Titeln zusammen: Activision, ArcelorMittal, Aixtron, Gildemeister, K+S, Phoenix Solar, REpower, RIM Research in Motion, SGL Carbon, Steel Dynamics.
Was haben diese Titel zwei Jahre später gebracht, wenn man die Kursentwicklung von 52 Wochen betrachtet, zurückverfolgt am 26. Juni 2010? Eine spannende Auswertung mit einer Übersicht über die fünf besten Titel:
ETFs: ideal für steuerfreien Altbestand mit breiter Streuung
Solange es auch darum ging, sich ein Langzeitdepot mit steuerfreien Altbeständen aufzubauen, durch breite Streuung das Risiko zu minimieren und den Ertrag zu steigern, sich international auszurichten und wichtige Zukunftsmärkte abzudecken, dann schafften Sie dies am besten mit einigen Indexfonds. Sie sollten Ihrer Vorliebe und Risikoneigung entsprechen. Indexfonds bzw. Exchange Traded Funds (ETF) sind preiswert; denn statt des üblichen Ausgabeaufschlags von meist fünf Prozent müssen Sie nur einen geringen Spread bezahlen, die minimale Differenz zwischen Kauf- und Verkaufspreis. Nutzen Sie auch als Orientierungshilfe meine ETF-Vorschlagsliste auf den Seiten 410/411.
Der große Vorteil von aktiv gemanagten Aktienfonds als Altbestand: Das Umschichten bleibt für Sie steuerfrei
Für die großen Blue Chips-Indizes sollten Sie keinen Aktienfonds wählen. Im Schnitt schneiden aktiv gemanagte Fonds hier zu 80 Prozent schlechter ab als der abgebildete Index, den Sie lieber preiswert mit einem ETF abdecken sollten. Aktiv gemanagte Fonds, die ihre Aktien aus Nebenwerteindizes wie TecDAX, MDAX, SDAX auswählen, sich auf bestimmte Märkte, Branchen, Erdteile, Länder und Themen konzentrieren, waren für den Aufbau steuerfreier Altbestände unverzichtbar und bieten auch jetzt gute Anlagechancen.
Die Fondsmanager behalten die Wertentwicklung genau im Auge und müssen bisweilen umschichten. Manche bislang berücksichtigten Aktien enttäuschen, andere wiederum machen mit einem überzeugenden Geschäftsmodell und glänzenden Fundamentaldaten Furore. Hier und da gibt es im In- wie im Ausland attraktive Neuemissionen. Einerlei, wie oft die Fondsmanager umschichten und auch die Gewichtung verändern, Ihre Altbestände werden durch diese Aktivitäten steuerrechtlich nicht berührt. Jeder vor 2009 gekaufte Investmentfonds bleibt steuerfrei. Wenn Sie bei Ihren Einzelaktien selbst umschichten, fallen Transaktionsgebühren an – und mit der Steuerfreiheit ist es aus und vorbei.
Die Investmentsfonds der DJE Gruppe (Dr. Jens Ehrhardt: www.dje.de) zählen zu den erfolgreichsten am Markt und erfreuen sich seit Jahren vieler Auszeichnungen. Der erfahrene Fondsmanager Dr. Jens Ehrhardt schafft es mit seinem Team immer wieder, innovative Fonds aufzulegen. Im Fokus steht eine Value-Strategie mit etablierten substanz- und dividendenstarken einheimischen und ausländischen Unternehmen. Die bekanntesten DJE-Aktienfonds sind:
DJE – Dividende & Substanz P (LU0 159 550 150),
DJE – Gold & Ressourcen P (LU0 159 550 077),
FMM-Fonds (DE 000 847 811 6),
Astra-Fonds (DE 000 977 700 3),
UBAM – Dr. Ehrhardt German Equity Type A Class C.
Zusammenfassung
Klug war es, bis zum Jahresende 2008 zu niedrigen Kursen ETFs, Aktienfonds und Einzelaktien überzugewichten und Zertifikate auf die Zeit ab 2009 zurückzustellen. Sofern noch nicht geschehen, sollten Sie sich rasch ein zweites, vom ersten Portfolio unabhängiges Wertpapierdepot zulegen, um Alt- und Neubestände steuerrechtlich und strategisch voneinander abzugrenzen. So kann es vernünftig sein, bei den seit 2009 getätigten Käufen die Verluste mithilfe von Stop-Loss-Orders zu begrenzen, während Sie Ihre Altbestände, sofern qualitativ hochwertig, vor den Unbillen hoher Kursschwankungen bewahren sollten. Auch sonst behandeln Sie Ihre Alt- und Neubestände strategisch unterschiedlich. Für Altbestände empfiehlt sich ein langfristiger Anlagehorizont. Für Neukäufe bietet sich zumindest gelegentlich ein schnelles Rein und Raus an, nachdem es keine Spekulationsfrist und keine Steuerfreiheit mehr gibt.
6.2 Was tun seit dem Jahr 2009/2010?
Blick frei für die zu Ihnen passenden Anlageformen
Im Jahr 2008 war Ihr Denken und Handeln stark ausgerichtet auf den Aufbau steuerfreier Altbestände, um der 25-prozentigen Abgeltungsteuer nebst Solidarzuschlag und Kirchensteuer dauerhaft zu entgehen. Jetzt, ab 2010, zeigt sich: Eine solche Strategie war weitsichtig, klug und dürfte sich langfristig als Glücksgriff entpuppen. Nun aber werden die Karten neu gemischt. Außer der Kapitallebensversicherung, auf deren Erträge der Fiskus nur mit halbem Steuersatz zugreift, sofern sie der Altersvorsorge dient, erst ab zwölfjähriger Laufzeit und dem vollendeten 60. Lebensjahr ausgezahlt wird, hat das steuerrechtlich motivierte Taktieren ein Ende. Egal, womit Sie Veräußerungsgewinne erzielen, das Finanzamt ist dabei. Gut daran ist, dass Sie jetzt den Blick frei haben für alle Anlageformen, die zu Ihnen passen und eine vernünftige Portfoliostruktur erlauben. Vergessen Sie bei Ihren Aktivitäten nicht, Ihre steuerfreien Altbestände möglichst zu schützen. Feststehen dürfte: Zertifikate, allem voran Discount- und Bonusprodukte, werden sich behaupten, und bei anhaltend schwachem Börsenklima sind auch Managed Futures-Fonds interessant. Der Markt weist Ihnen den Weg.
Fallbeispiel: Seien Sie sich bewusst, was Geld im Gehirn anrichtet
Neurowissenschaftler, Ökonomen und Psychologen versuchen zu ergründen, was in den Köpfen derer vor sich geht, die Geld einnehmen, anlegen und ausgeben. Wie die Börsenpsychologie mit ihrem modernen Zweig der Behavioral Finance erforscht hat, handeln viele Menschen nicht vernünftig, sondern irrational. Der Homo oeconomicus mit logisch fundierter Entscheidungskompetenz tritt eher selten auf. Es ist vornehmlich die Aussicht auf monetäre Gewinne, die das Belohnungsnetzwerk im Gehirn stimulieren. Je höher die Summe ist, umso stärker werden die Nervenzellen angeregt und aktiviert. Mag dies genetisch bedingt sein oder auf den Umwelteinflüssen Sozialisation und Erziehung beruhen: Offenbar wird die Gier auf Geld stärker im Gehirn verankert als das Geld selbst. Je mehr es zu holen gibt, desto größer ist die Gier. Sind die Geldscheine eingesammelt, übernehmen höher entwickelte Hirnregionen wie die Vernunft das Zepter.
Vor diesem Hintergrund ist bis zu einem gewissen Grade erklärbar, warum selbst Millionäre und Milliardäre nicht vor unredlicher Geldvermehrung zurückschrecken. Denken Sie an den verbotenen Insiderhandel, an Betrugsdelikte in Form von Schneeballsystemen, an riesige Steuerhinterziehungen. Ist Gier im Spiel, hilft es zu wissen, dass es anderen Anlegern ebenso geht, Sie aber stark genug sind, Ihre finanzielle Grundlage nicht zu gefährden. Etwas Spielgeld zum Spekulieren: Ja! Große Summen: Nein!
Einige Tipps für die Zukunft
Kein vorschneller Verkauf Ihrer Altbestände. Steuerfreie Neuinvestments in Aktien, ETFs und Aktienfonds sind nicht mehr möglich. Aber das, was Sie sich 2008 und zuvor an Altbeständen aufgebaut haben, sollten Sie pflegen und nicht in Korrekturphasen vorschnell verkaufen. Während es bei Neuinvestments sinnvoll ist, Verluste frühzeitig zu begrenzen, sollten Sie gegenüber Ihrem Altbestand duldsamer sein und bei schwankungsfreudigen Werten, wie dies für erneuerbare Energie und Rohstoffe gilt, Stoppkurse nur maßvoll setzen oder ganz darauf verzichten. Lassen Sie sich von kurzfristigen Kurseinbrüchen nicht entmutigen. Ein vorschneller Verkauf zerstört Ihre Chancen auf steuerfreie Kursgewinne, die im Laufe der Jahre durchaus auf ein mehrstelliges Niveau anwachsen können. Hinzu kommen die Transaktionsgebühren, die sich selbst bei günstigen Konditionen allmählich summieren.
Altbestände ergänzen durch Zukauf bei Kursschwäche. Beobachten Sie, dass sich Aktien aus Ihrem Altbestand besonders gut entwickeln, so planen Sie bei Kursschwäche geduldig einen Zukauf. Dann fällt es Ihnen vielleicht leichter, hier und dort mittels Teilverkauf einen hohen steuerfreien bzw. steuerpflichtigen Kursgewinn zu realisieren, damit aus Buchgewinnen echte Erträge werden. Mit dem Geldzufluss lassen sich andere attraktive Investments oder wichtige Vorhaben finanzieren. Freilich gilt steuerrechtlich die Regelung: »First in – first out!« Die zuerst gekauften Aktien, ETFs oder Aktienfonds werden im selben Depot auch zuerst verkauft.
Bei Teilverkäufen steuerfreier Altbestände geschickt taktieren. Springt eine Aktie durch die Decke, wie früher K+S im DAX, aktuell Aixtron und Dialog Semiconductor aus dem TecDAX, Lanxess, MTU Aero Engines oder Pro Sieben aus dem MDAX, Bertrandt, Centrotec oder Delticom aus dem SDAX, so bietet es sich an, nur so viele Aktien zu verkaufen, dass Sie mit Ihrem Gesamtbestand nicht mehr in die Verlustzone geraten können. Dies hat auch psychologische Vorteile. Zählt Ihre Siegeraktie auch künftig zu den Gewinnern, müssen Sie sich nicht ärgern; schließlich sitzen Sie noch im Boot. Stürzt der Titel wider Erwarten dauerhaft ab, können Sie sich damit trösten, dass Sie dank Ihres Gewinns aus dem Teilverkauf mit diesem Titel keinen Verlust erleiden können. Haben Sie einige Male zugekauft, können Sie diese Strategie erfolgreicher Teilverkäufe ein zweites oder drittes Mal wagen. Ein praktisches Beispiel soll dies veranschaulichen:
Was zeigt dieses Beispiel? Bei den Siegeraktien lohnt es sich oftmals, die Gewinne über Jahre laufen zu lassen, gelegentlich aber auch Teilverkäufe vorzunehmen. Im Nachhinein zeigt sich, dass es klug war, einen der beiden steuerfreien Altbestände in zwei Tranchen abzuwickeln. Freilich wäre der Verdienst noch höher gewesen, nicht bereits im Januar, sondern erst im Juni/Juli 2008 zu verkaufen. Das bisherige Allzeithoch lag im Sommer 2008 übrigens bei über 97 Euro – und dies im Bärenmarkt. Insgesamt wäre mit diesem Einsatz von 1.260 Euro im Jahr 2004 sogar ein steuerfreier Kursgewinn von über 18.000 Euro möglich gewesen. Aber so viel Glück ist unrealistisch und muss nicht sein! Freude ohne übertriebene Gier ist angesagt! Bis zum Jahresende 2008 stürzte die Aktie in ein tiefes Kellerloch. Jetzt notiert der Titel wieder im Plus. Vielleicht geht die Rallye mit K+S bei einem steuerfreien Altbestand von 170 Stück künftig ja noch weiter.
6.3 Die wichtigste strategische Neuerung: das Zweitdepot
Wie bereits erläutert, gehört es zu den wichtigsten strategischen Aktivitäten, ein Zweitdepot bei Ihrer Hausbank oder einem günstigen Discountbroker einzurichten. So grenzen Sie Alt- und Neubestand voneinander ab und können sich strategisch neu orientieren. Die Tabelle zeigt Ihnen, wie Sie vorgehen und worauf es ankommt, sofern Sie bislang nicht daran gedacht haben.