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Dokumentation meiner Hoch/Tief-Mutstrategie
7.1 Was geschah 2006? Mit Auswertung 2008
Die starke Korrektur an den Börsen weltweit vom Freitag, 12. Mai, bis Donnerstag, 18. Mai 2006, hatte es in sich, obwohl es nur die Vorhut für viel Schlimmeres war. Erinnert sei an den Herbst 2008 und das Frühjahr 2009. Der DAX stürzte bis auf 3.600 Punkte ab, und der TecDAX halbierte sich. Damals, im ohnehin schlechten Börsenmonat Mai 2006, verloren die meisten Indizes in diesen acht Tagen vier bis zehn Prozent, einige noch mehr. Bei einzelnen Aktien – insbesondere aus den Sektoren Rohstoffe, erneuerbare Energien und Immobilien – betrugen die Kursabstürze teilweise 30 bis 40 Prozent.
Wann passt das Börsenklima für Hoch/Tief?
Bei hoher Volatilität,
großer Nervosität im Markt,
starker Korrektur und Crash,
fundamental ungerechtfertigten Kursabstürzen,
unterschiedlich starken Auswirkungen auf die einzelnen Branchen.
Was tun in solch unsicheren, von Zinserhöhungs-, Inflationsängsten, Währungsturbulenzen, Ölpreisschwankungen, Mai-Unbehagen, Leerverkäufen der Hedge-Fonds-Manager, Kettenreaktionen von Stop-Loss-Orders und Psychologie dominierten Börsenzeiten? Seit dem dreijährigen Crash von 2000 bis 2003 war dies zunächst die heftigste Reaktion bei DAX, TecDAX, MDAX und SDAX. Viele Anleger hatten es bereits verlernt, vernünftig zu reagieren. Ich berichte über mein eigenes Anlageverhalten mit Konzentration auf den Donnerstag, 18. Mai 2006, um den Lesern Mut zu machen. Die Dokumentation ist exakt überprüfbar. Es handelt sich nicht um fiktive, sondern tatsächliche Transaktionen mit Jahreshoch/-tief, Limit, Einstands-, Kauf- bzw. Verkaufskursen und den Schlusskursen am Folgetag, dem 19. Mai 2006.
Die damals erprobte Strategie erwies sich wenige Jahre später als Zauberformel für den Börsenerfolg. Der intensive Zukauf im letzten Vierteljahr 2008 zum Aufbau eines steuerfreien Altbestands und der intensive Zukauf im Frühjahr 2009 waren die Basis für hohe Buchgewinne bei zahlreichen Titeln.
Diversifikation ist auch vom Zeitpunkt her das A und O für den Erfolg. Diesem aktiven Trading ging ein vorsichtiges Taktieren an den drei Vortagen voraus. Ich hatte Cash angesammelt und kaufte jeden Tag einen Wert zu, an dem ich interessiert war, den ich schon zuvor beobachtet hatte und der trotz fehlender schlechter Nachrichten einen zweistelligen Kursabsturz erlitt. Meine Kaufkurse lagen nahe am Limit. Handelsplatz war meist die Börse München. Das Limit stellte ich auf »Ultimo Juni«. Ich wollte mein Pulver nicht verschießen, war doch zu befürchten, dass sich die starke Korrektur verschärfen würde, was auch geschah. Am Donnerstag, 18. Mai, deutete alles auf ein Korrektur-Finale hin. Da ich ab 10:00 Uhr zur Hauptversammlung der Ulmer Firma UZIN UTZ fahren wollte, musste ich meine Entscheidungen vorher treffen – ohne Zögern und Zaudern. Nach 10:00 Uhr morgens ging wegen dieses Termins nichts mehr.
Wann funktioniert die Hoch/Tief-Mutstrategie?
Tägliche Marktbeobachtung
Sehr gute Marktkenntnisse
Guter Depotüberblick
Beobachtung der Kursentwicklung kaufenswerter Aktien
Breit gestreutes Depot
Risikobewusstsein, Mut, Disziplin und Entschlossenheit
Zugang zum Online-Banking oder Telefonhandel
Zugriff auf Aktien im Depot mit hohem Buchgewinn
Einsatz pro Titel möglichst nicht unter 1.000 Euro
Kein Aktienkauf auf Pump auch nicht bei großen Chancen. Mein Guthaben war fast aufgebraucht, ein Aktienkauf auf Kredit kam nicht in Betracht. Nur über gleichzeitige Veräußerungen konnte ich lukrativ zukaufen. Also kam ich auf die Idee des »Hoch/Tief-Tradings«. Wie die nachfolgende Tabelle auf S. 439 zeigt, war dies zumindest kurz- bis mittelfristig ein erfolgreicher Einfall, langfristig gesehen durchwachsen, insgesamt aber positiv. Ich nahm nur einen Teilverkauf von solchen Aktien vor, deren Kursgewinn zwischen 50 und 200 Prozent lag und die bereits steuerfrei waren. Grundbedingung war, dass die Fundamentaldaten stimmten. Es bringt nichts, eine Aktie mit einem aktuellen Minus von 10 bis 20 Prozent im Zuge von starker Korrektur oder Crash zu verkaufen, um eine andere mit einem ähnlichen Abschlag ins Depot zu nehmen. Dies schränkte meine Wahl ein.
Ich setzte die Verkaufslimits nahe am Schlusskurs des Vortags mit einer Spanne bis zum 30. Juni 2006. Die Kauforders platzierte ich mit »Abstauberlimits« deutlich unterhalb des Schlusskurses vom Vortag ebenfalls bis zum 30. Juni 2006. Am 18. Mai beobachtete ich die Kursentwicklung in der ersten halben Stunde von 09:00 bis 09:30 Uhr. Zumindest vorerst ging der Abwärtstrend weiter. Es war geboten, jetzt mit den Verkäufen zu beginnen und später die Käufe zu starten. Ich orderte in München und wählte den Telefonhandel als Alternative zum Online-Banking. Mir war bewusst, dass nicht jede Transaktion klappen konnte. Würde die Hälfte ausgeführt, wäre ich zufrieden.
Ich wollte die Chance nutzen, aus einer starken Korrektur große Vorteile zu ziehen und in einer Marktlage zu gewinnen, wo viele ängstliche Anleger panikartig alles verkaufen. So hoffe ich, dass diese Dokumentation mit dazu beiträgt, bei Kursabschlägen nicht gleich die Nerven zu verlieren und zu wehklagen, sondern im Rahmen des verfügbaren Kapitals künftig aus solchen Marktlagen den bestmöglichen Nutzen zu ziehen. Es gilt, die Chancen in einer Krise beherzt wahrzunehmen. Günstige Gelegenheiten gab es im Herbst 2008 und Frühjahr 2009, aber auch im Mai und Juni 2010 sowie aktuell im August. Die verfeinerte Strategie beschert mir aktuell mein Allzeithoch.
Die umseitige Übersicht zeigt die einzelnen Stationen und Ergebnisse dieser Strategie auf. Ich dokumentiere für Sie diese »Hoch/Tief-Mutstrategie«, um zu zeigen, dass selbst so scharfe Korrekturphasen ihr Gutes haben. Es kommt auf die individuelle Sichtweise an. Sie können sich beispielsweise am Schweizer Käse über die Löcher ärgern, aber auch den lecker schmeckenden Käse genießen. Gerade an der Börse ist es so wichtig, Chancen zu erkennen, rasch und entschlossen zu handeln.
Wann fehlt die Basis für die Hoch/Tief-Strategie?
Zu kleines Depot
»Heimatliebe«-DAX-Depot
Keine oder nur wenig Aktien mit hohem Kursgewinn für Cash-Beschaffung
Geringe Marktkenntnisse
Fehlende Zeit und Lust, den Markt genau zu beobachten
Stark ausgeprägtes Sicherheitsbewusstsein
Kein Zugang zum Internet oder Telefonhandel
Mangel an Mut und Entschlossenheit
Bauchgefühl statt wohl überlegtes Handeln
Verdrängung statt Aufarbeitung
Im Nachhinein ist es freilich sehr viel einfacher, aber eben auch unehrlich, die besten Aktien für eine solche Strategie auszumachen und sich mit seiner Cleverness zu brüsten. Eine fiktive »Hätte«-Strategie – gern für die Werbung von Börsenbriefen genutzt – ist nicht dazu angetan, das Selbstwertgefühl zu stärken.
Diese Dokumentation – basierend auf tatsächlichen, überprüfbaren Transaktionen – zeigt, was im Börsenalltag möglich ist. Ich will nicht verschweigen, dass mancher Kauf wie auch Verkauf besser unterblieben wäre. Letztlich ging die Rechnung auf – trotz zeitweilig fallender Messer in einem massiven Bärenmarkt.
Entscheidend ist die Gesamtperformance in Ihrem Depot – vergleichbar mit der Fußball-Bundesliga-Saison. Es kommt weniger darauf an, dass jeder Spieler stets seine Höchstleistung bringt. Wichtig ist, dass die Mannschaftsleistung stimmt, mit Spielabpfiff die drei Siegpunkte eingefahren werden und der angepeilte Tabellenplatz erreicht wird.
Fazit: Für mich sind Crash-Tage Kaufanreize. Und für Sie?
7.2 Wie sieht die Hoch/Tief-Mutstrategie seit 2008 aus?
Wie das Deutsche Aktieninstitut mitteilte, flohen Privatanleger zunächst weiter aus Aktien und kehrten zum Sparbuch und zum Festgeldkonto zurück. 2001 gab es 12,9 Millionen, 2007 nur noch 10,1 Millionen Bundesbürger mit Einzelaktien- und Aktienfondsbesitz. Diese Zahl schrumpfte 2009 auf rund 8,8 Millionen Anleger in Deutschland, hat sich aber seitdem stabilisiert. 2010 zeichnet sich eine positive, leichte Trendumkehr ab.
Dabei lässt sich in allen Börsenphasen Geld verdienen. Dies gilt nicht nur mit einem Engagement in Managed Futures-Fonds, Short-ETFs, Short-Zertifikate und Put-Optionsscheine, mit denen in fallenden Märkten Gewinne möglich sind. Bei Ausnutzung unterschiedlicher Kursentwicklungen lässt sich auch im Bärenmarkt mit Einzelaktien durch die Hoch/Tief-Mutstrategie ordentlich Geld ansammeln, Geduld, Disziplin und gute Marktbeobachtung vorausgesetzt. Die Orientierung allein am DAX-Punktestand bringt wenig. Es geht um die Umsetzung von »Kaufen bei Angst; Verkaufen bei Hoffnung« – das krasse Gegenteil eines von Euphorie und Gier bzw. Angst und Panik geprägten Herdentriebverhaltens.
Die beiden Übersichten zeigen die eigene Realisierung der Hoch/Tief-Mutstrategie im Jahr 2008. Die erste Tabelle bringt steuerfreie Verkäufe. Die große zweite Übersicht zeigt zahlreiche Käufe zum Aufbau eines steuerfreien Altbestands. Stets wurde nur so viel verkauft wie nötig war, um die geplanten Zukäufe zu finanzieren und mit dem Gesamtbestand nie mehr in die Verlustzone zu geraten. Diese Teilverkaufsstrategie stabilisiert auch das Nervenkostüm und sorgt für mehr Gelassenheit bezüglich künftiger Kursentwicklung. Ob Rallye oder Absturz, der Frust hält sich in Grenzen.
Fazit: Etliche Käufe aus dieser Zeit erweisen sich als eine Art Zauberformel und bilden die Grundlage für mein aktuelles Allzeithoch im September 2010.