SECHSUNDFÜNFZIGSTES KAPITEL
»Gut, dass wir zu Fuß gegangen sind«, sagt Ilvi und betrachtet die Autos, die eng an eng auf der Zufahrtstraße zum Sommerhaus der Hallas stehen. »Alles ist zugeparkt. Die meisten Gäste werden wohl über Nacht bleiben – bis auf die, die betrunken heimzufahren versuchen.«
Dass Ilvi selbst sich ohne Führerschein ans Steuer setzt, verleiht ihrer Einschätzung eine gewisse Glaubwürdigkeit, findet Sarah. Vorsichtig steigt sie über eine Baumwurzel, die aus dem Boden ragt.
Ilvi ist stehen geblieben und wartet, dass Sarah zu ihr aufschließt. »Hast du schon gewusst, dass das Juhannus-Wochenende eine der unfallreichsten Zeiten im Jahr ist? Statistisch gesehen.«
Sarah schüttelt den Kopf. »Das habe ich nicht gewusst, es wundert mich mittlerweile aber auch nicht mehr.«
Grinsend setzt Ilvi sich wieder in Bewegung.
Ein wenig außer Atem wischt Sarah sich verstohlen über die Stirn. »Mir war außerdem nicht klar, dass das mökki der Hallas nur zwei Buchten südlicher liegt. Eigentlich sind wir Nachbarn.«
»Ich glaube, das Haus wird nur selten genutzt. Joko und Rauno haben einfach zu viel auf dem Hof zu tun. Ich war erst einmal kurz hier.« Ilvi dreht die Rotweinflasche, die sie mitgebracht haben, in der Hand. »Ein gutes Tröpfchen. Fast zu schade für den Anlass.«
»Ach, findest du?« Sarah drückt sich hinter Ilvi an der parkenden Autokolonne vorbei. »Wenn wir schon eingeladen sind, dachte ich, dann können wir uns mit einem guten Bordeaux bedanken. Es ist die beste Flasche, die ich gestern noch bei dem lizensierten Alkoholverkäufer im Ort bekommen konnte, bevor die Geschäfte wegen Juhannus zugemacht haben.«
»Perlen vor die Säue«, sagt Ilvi nüchtern und fährt mit dem Daumen über das Flaschenetikett. Dann wirft sie Sarah ein Grinsen über die Schulter zu. »Aber definitiv eine nette Geste.«
Die von Wald umschlossene Zufahrt macht einen Bogen, dann öffnen sich die Bäume zu einer Lichtung, auf der ein zweistöckiges Sommerhaus steht. Auch hier parken Fahrzeuge bis an die Eingangstür heran. Sarah erkennt Jokos schwarzen Mercedes an vorderster Position. Dahinter glänzt eine Jaguar-Limousine in der Sommersonne.
»Raunos Auto«, erklärt Ilvi, die bemerkt, dass Sarah den Wagen interessiert mustert.
Sarah nimmt die Umgebung in sich auf. Das gepflegte Holzhaus ist um einiges kleiner als ihr eigenes, liegt aber näher am glitzernden Seeufer. Eine Saunahütte kauert dort neben einem Steg, der weit in den See hinausragt. An ihm sind ein gutes Dutzend Boote vertäut. Die Gäste sind wohl nicht nur mit ihren Autos zur Feier angereist. Sarah fällt auf, dass weit und breit keine Menschenseele zu sehen ist. Wo sind die Leute?
Ilvi stellt die Weinflasche auf einem mit unzähligen Speisen und Getränken befüllten Tisch ab, der neben einem großen Gasgrill steht. Dann breitet sie die Arme aus. »Nettes Plätzchen, oder? Hier kann man es aushalten.«
Besonders gefällt Sarah, dass es auf dem Grundstück keine Steigungen und Hänge gibt. Grüner Rasen erstreckt sich flach bis zum Ufer. Erleichtert blickt sie an sich hinunter. Zu einem weißen Leinenkleid hat sie sich für marineblaue Louboutins entschieden – die finnischen Farben, zu Ehren des hohen Festtages. Mit den High Heels wird sie zwar den Rasen vertikutieren, aber wenigstens keine Abhänge bezwingen müssen. »Wo sind denn alle?«, will sie wissen.
Ilvi deutet zu einer Stelle im Wald. »Dort zwischen den Bäumen, siehst du den Fahnenmast? Ich wette, sie sind dort. Komm!« Strammen Schrittes macht sie sich auf den Weg, bleibt aber bereits nach ein paar Metern stehen.
»Was ist los?«, fragt Sarah.
»Schau, sie wird gerade gehisst.« Ilvi nickt zu der finnischen Nationalflagge, die nun am Mast emporflattert. »Lass uns warten. Die Gäste werden jeden Moment zurückkommen.«
Fast gleichzeitig treten einige Leute zwischen den Bäumen hervor. Sie lachen, unterhalten sich, wirken bester Laune.
»Das Hissen der Flagge ist ein wichtiger Bestandteil der Feierlichkeiten. Oft findet es auch schon am Freitagabend vor der Juhannus-Feier statt«, erklärt Ilvi und hebt winkend den Arm, als sie Joko sieht. »Jetzt geht die Party jedenfalls richtig los.«
»Schön, dass ihr da seid!«, ruft Joko, während er ihnen entgegenkommt. Er schließt Ilvi in die Arme und drückt ihr einen Kuss auf den Mund. »Ihr habt das Hissen der Fahne verpasst.«
Es sind etwa vierzig Leute, die sich nach und nach nahe dem Grill versammeln, zu Bierflaschen oder Gläsern greifen und sich ausgelassen unterhalten. Sarah bemerkt Jalo und nickt ihm freundlich zu.
Der Fischer hebt grüßend die Hand, was seine Nachbarin veranlasst, sich zu Sarah umzudrehen.
»Hallo, Hilla!«, ruft Sarah.
Hilla wirkt erschrocken, als sie Sarah erkennt. Doch sie ringt sich ein Lächeln ab und winkt verhalten zurück. Dann streicht sie fahrig über ihr gelbes Kleid, das über den Knien endet und einiges an kalkweißer Haut offenbart. Ein weiteres gequältes Lächeln, dann kehrt Hilla Sarah wieder den Rücken zu.
Auf der Suche nach Hillas Ehemann fällt Sarah ein Zwillingspaar auf, dessen Ähnlichkeit mit Erikka unübersehbar ist. Dies müssen die Kauppinen-Zwillinge sein, von denen Eetu sprach. Die Männer befinden sich im angeregten Gespräch mit Heimo und Aune, deren Pubi demnach wohl geschlossen hat. Sarah lässt den Blick weiterschweifen. Veetie, so findet sie nur eine Sekunde später heraus, bedient den Grill. Gemeinsam mit Eetu ist er dabei, Würstchen und Fleischstücke auf den Rost zu legen. Die beiden scheinen bester Laune, klopfen sich gegenseitig auf den Rücken und zwicken einander mit den Würstchenzangen. »Dann sind wir ja beinahe vollzählig«, murmelt Sarah. Überrascht dreht sie sich um, als ihr auf die Schulter getippt wird.
»Sarah, ich möchte dir meinen Vater vorstellen«, sagt Joko. »Rauno, dies ist Sarah. Eine gute Freundin von Ilvi.«
Rauno Halla hat sich Sarah ganz anders vorgestellt. Joko muss das hervorragende Aussehen von seiner Mutter geerbt haben, mutmaßt sie, als sie den untersetzten, korpulenten Mann mit Halbglatze mustert. Feine rote Adern auf Wangen und Nase zeugen von einer Vorliebe für das eine oder andere Tröpfchen. »Hallo, es freut mich sehr«, sagt Sarah und schüttelt Raunos ausgestreckte Hand. »Vielen Dank für die Einladung, Rauno. Ein schönes mökki.«
»Hauskaa juhannusta!«, ruft Rauno aus, während er Sarahs Hand durchschüttelt. Fröhlichen Mittsommer. »Du hast noch nichts zu trinken, wie ich sehe. Joko, versorg die junge Dame sofort mit einem Getränk! Wodka? Bier? Schnaps? Was möchtest du haben, Sarah? Wir müssen auf Mittsommer anstoßen.«
»Ich … also, einen Schnaps kann ich sicherlich …«
»Bravo, du gefällst mir!«, brüllt Rauno und klopft Sarah auf die Schulter.
Sarah stolpert einen Schritt nach vorne, fängt sich aber wieder. Raunos röhrendes Lachen quittiert sie mit einem Grinsen. »Das kann ja heiter werden«, murmelt sie durch die Zähne, für die Umstehenden unhörbar. Sicherheitshalber hält sie zwei Schritte Abstand zu Rauno, der nun auf Ilvi einredet. Eindeutig ist ihr Gastgeber von zupackender Natur, überlegt sie. Gepaart mit einer aufbrausenden Note. Sie fragt sich, ob Ilvi Jokos Vater nicht zu voreilig aus dem Kreis der Verdächtigen entlassen hat. Dankend nimmt sie ein Glas von Joko entgegen.
»Hauskaa juhannusta!«, ruft Joko laut und erhebt seine Bierflasche.
Die umstehenden Gäste schließen sich dem Trinkspruch an. »Hauskaa juhannusta!«, erklingt es aus Dutzenden Kehlen. Gläser werden aneinandergestoßen.
»Schön, dass ihr Mittsommer mit uns feiert«, sagt Joko zu Sarah und nimmt einen Schluck aus seiner Flasche. »Auch wenn Ilvi mich daran erinnern musste.« Er macht ein zerknirschtes Gesicht.
»Ja, Ilvi war ein wenig überrascht, nicht eingeladen zu sein.« Sarah nippt an dem Schnaps, dann zwinkert sie Joko zu. »Sie hat sehr genaue Vorstellungen, was euch beide angeht.«
»Oh, natürlich. Ich gestehe, mir ist es schlicht durchgegangen, euch Bescheid zu geben.« Er deutet mit ausgebreiteten Armen auf die Gästeschar. »Der halbe Ort ist da. Die Leute kommen seit Jahren, wir sprechen im Vorfeld gar nicht mehr groß darüber. Aber ich bin wirklich froh, dass wir dank Ilvis Erinnerung nun alle beisammen sind und Mittsommer feiern können.«
Sarah nickt und mustert die herumstehenden Gäste. Liisa, bemerkt sie, befindet sich nicht darunter. »Eine nette Truppe, die hier versammelt ist.« Nur, dass Ilvi und sie davon überzeugt sind, dass ein Mörder Teil dieser illustren Gesellschaft ist.
Vom Grill her erklingt lautes Gejohle. Veetie hat Eetu die Kappe vom Kopf gerissen und wirft sie nun mit Schwung in den nächsten Baum, wo sie an einem Zweig hängen bleibt. Dann hüpft Veetie grölend um den Grill herum und versucht, aus Eetus Reichweite zu gelangen, da Eetu nun seinerseits nach Veeties Kappe greifen will.
»Bitte entschuldige, dass ich dich für den Moment allein lasse, doch ich muss nachsehen, was die Jungs da am Grill treiben. Die Clowns!« Joko hebt in einer entschuldigenden Geste die Bierflasche, dann macht er sich davon.
»Kein Problem«, murmelt Sarah und nimmt einen weiteren Schluck. Dabei kreuzt ihr Blick den von Hilla, die jedoch sofort den Kopf senkt und sich wegdreht.
Ilvi gesellt sich zu ihr, ein bis zum Rand gefülltes Rotweinglas in der Hand. Sie prostet ihr augenzwinkernd zu. »Fröhlichen Mittsommer, Schätzchen. Ich war so frei, unsere Flasche zu öffnen. Du hattest recht, ein exzellenter Tropfen. Viel zu schade für die Banausen hier.« Sie lacht auf und schaut sich um. »Da haben wir sie alle beisammen.«
»Genau das habe ich auch eben gedacht.« Sarah legt nachdenklich die Stirn in Falten.
»Hast du schon eine Idee, wie wir vorgehen wollen? Die Zeit drängt. Falls der Kommissar wirklich im Begriff ist, etwas gegen dich zu unternehmen, müssen wir den Täter schnell finden.«
Sarah berichtet Ilvi von Hillas auffälligem Verhalten. »Vielleicht sollten wir die Gute ins Kreuzverhör nehmen. Was meinst du? Offensichtlich versucht Hilla, etwas vor uns zu verbergen. Es ist höchste Zeit, dass wir dem auf den Grund gehen.«
Noch bevor Ilvi etwas antworten kann, erklingt ein Ruf aus der Menge. »Mölkky!« Unter den Gästen brandet Applaus auf.
Überrascht verfolgt Sarah, wie eine Frau zwölf zylindrische Spielhölzer auf dem Rasen zu einem Dreieck aufbaut. Auf ihrer schrägen Oberseite sind die Hölzer mit großen Zahlen nummeriert. Etwa vier Schritte davor wird eine Schnur ausgelegt.
»Die Wurflinie«, erklärt Ilvi und nimmt einen Schluck aus ihrem Glas. »Mölkky ist ein traditionelles Rasenkegelspiel. Man wirft die Spielhölzer um und kassiert die darauf vermerkten Punkte. Wer als erster Spieler genau fünfzig Punkte erlangt, der hat gewonnen. Das war die Kurzfassung. In Wahrheit ist es etwas komplizierter. Willst du mitspielen?«
Sarah schüttelt den Kopf. »Aber vielleicht ist dies die ideale Gelegenheit, um allein mit Hilla zu sprechen.«
Ilvis Blick folgt Sarahs verhaltener Kopfbewegung in Richtung Hilla, die etwas abseits steht und dem Spiel zuschaut, während ihr Mann weiterhin am Grill sein Unwesen treibt. »Du hast recht«, raunt Ilvi, macht eine entschlossene Miene und fasst Sarah an der Hand. Mit ihr im Schlepptau steuert sie direkt auf Hilla zu.
Als sie noch drei Schritte entfernt sind, wendet Hilla sich ihnen zu. Überraschung zieht über ihr Gesicht, dann verhärtet es sich abwehrend.
»Lass mich reden«, zischt Ilvi Sarah zu. »Wir müssen uns unterhalten!«, blafft sie im selben Atemzug Hilla an.
Hilla macht einen Schritt nach hinten. Aufgeregt schaut sie zwischen Ilvi und Sarah hin und her. »Was …?«, stößt sie aus.
»Hallo, Hilla«, versucht es Sarah mit Freundlichkeit, doch sie erhält als Antwort lediglich einen giftigen Blick.
»Wir müssen mit dir über Matti sprechen«, sagt Ilvi und baut sich vor Hilla auf. »Darüber, was du verheimlichst.«
»Ich … ich kann euch nichts …« Hilla schwankt, als hätte sie plötzlich Schwierigkeiten mit ihrem Gleichgewicht.
»Wir wissen, dass du etwas über Mattis Tod weißt, wofür sich auch die Polizei interessieren würde! Was hast du an dem Tag, an dem er umgebracht wurde, mitbekommen?« Ilvi wirkt wie ein bissiger Kampfhund. Sie stößt sogar einen knurrenden Laut aus, um ihre Frage zu untermalen. »Leg los, Schätzchen! Ich habe nicht den ganzen Abend Zeit.«
Aus Hillas Gesicht ist alles Blut entwichen. Sie macht einen weiteren Schritt nach hinten. Es sieht fast so aus, als wollte sie sich umdrehen und weglaufen. »Das stimmt nicht«, presst sie hervor. »Ich weiß nichts.«
»Ich gebe dir zehn Sekunden. Dann spuckst du die Wahrheit aus.« Schwungvoll wirft Ilvi ihr Haar zurück.
»Was – aber ich – was wirst du sonst –?« Hillas Augen sind so groß wie Untertassen.
»Ich schreie die ganze Feier zusammen, meine Liebe. Und wenn ich die Aufmerksamkeit aller, wirklich aller Gäste habe, frage ich dich erneut nach Matti.« Ilvi lässt ein wölfisches Grinsen über ihr Gesicht ziehen. Es sieht aus, als warte sie voller Vorfreude nur darauf, dass Hilla sich weigern möge.
»Das – du … du wagst es nicht …«, stottert Hilla.
»Zehn – neun – acht …«
»Das ist doch Unsinn!«, stößt Hilla atemlos aus.
»Sieben – sechs – fünf …« Aufmerksam betrachtet Ilvi einen ihrer Fingernägel, dreht ihn hin und her.
»Sarah, halt deine Freundin im Zaum! Sie macht sich lächer–«
Sarah wäre nicht in der Lage, Ilvi zu stoppen, selbst wenn sie es wollte. Aus großen Augen verfolgt sie das eindrucksvolle Schauspiel.
»Vier – drei – zwei …«
Panisch fliegt Hillas Blick zu ihrem Mann, der am Grill die Würstchen wendet. Ihre Augen glänzen fiebrig, ihre Lippen zittern.
»Eins …« Tief holt Ilvi Luft.
»Warte! Warte!«, fiept Hilla. »Bitte! Ich … ich sage es euch.« Sie sieht aus, als wäre sie kurz davor zu kollabieren.
»Ich zähle nicht noch einmal, Liebchen. Schieß also los!«, warnt Ilvi.
»Ich … o Gott … bitte, ihr dürft es nicht Veetie sagen! Ich … Matti und ich, wir hatten etwas miteinander.«
»Wie bitte?«, entschlüpft es Sarah. Hat sie sich gerade verhört? »Das Walross« und Hilla hatten eine Affäre?
»Veetie prügelt mich grün und blau, wenn er davon erfährt. Er konnte Matti nicht ausstehen, weil der ein gemeinsames Geschäft in den Sand gesetzt hat. Und er … und er hatte einen Verdacht wegen Matti und mir. Aber er weiß nicht sicher, dass Matti und ich manchmal …« Hillas Stimme fällt in sich zusammen. »Es … es ging nur um Sex.«
»Was ist an dem Tag, als Matti starb, passiert?«, fragt Ilvi kühl. Sie wirkt völlig unbeeindruckt von Hillas Geständnis.
»Wir haben uns gesehen. Morgens. Wir … wir waren zusammen im Bett. Ich … ich habe ihn nicht umgebracht, falls ihr das denkt! Ich war es nicht!«
»Hast du etwas mitbekommen an jenem Morgen? Wollte Matti jemanden treffen? Was waren seine Pläne für den Tag?« Sarah ist aus ihrer Schockstarre erwacht. »War irgendetwas ungewöhnlich?«
Hilla benötigt einen Moment, um die Fassung wiederzugewinnen. »Matti war an dem Morgen bester Laune. Er hat mir gesagt, dass er gerade ein super Geschäft macht, an dem er sehr viel Geld verdient. Ich weiß aber nicht, mit wem er es da zu tun hatte. Das schwöre ich! Er hat nur stolz davon gesprochen, die richtig dicke Kohle einzufahren. Nachdem wir … äh … fertig waren, ist er gleich heimgefahren.«
»Moment!«, wirft Ilvi ein. »Heimgefahren?«
Hastig hebt Sarah eine Hand. »Lass mich raten! Ihr wart auf dem Campingplatz. Richtig? Matti und du, ihr habt euch in einer der Hütten, um die du dich dort kümmerst, getroffen. Teemu, der Besitzer des Campingplatzes, hat Matti auf dem Gelände herumschleichen sehen. Weil er sich dort mit dir getroffen hat. Und euer Hof, Hilla, ist – wie praktisch! – ganz in der Nähe gelegen.«
Hilla zögert, dann nickt sie mit gesenktem Blick.
»Du warst also nicht in Mattis mökki?« Ilvi spricht weiterhin in ihrem strengen Tonfall.
»Ich schwöre euch, dass ich nicht dort war. Als ich später auf dem Weg zu Sarahs Haus an dem mökki vorbeikam, habe ich nichts gesehen. Niemanden. Nur … nur Rauch, der aus der Sauna aufgestiegen ist. Am Nachmittag, so gegen drei Uhr, war das.« Hilla beugt sich ein wenig vor. »Bitte … bitte sagt meinem Mann nichts! Er bringt mich um, wenn er erfährt, dass ich ihn mit Matti betrogen habe.«
Sarah schaut hinüber zum Grill, wo Veetie gerade ein Würstchen auf den Teller eines offensichtlich angetrunkenen Gastes legt. »Glaubst du, er kann es gewesen sein?«, fragt sie leise, ohne Veetie aus den Augen zu lassen. »Glaubst du, Veetie hatte es bereits herausgefunden und hat Matti deshalb getötet?«
Erschrocken schnappt Hilla nach Luft. »Um Himmels willen … nein … ich –« Sie zuckt hilflos mit den Schultern. »Ich weiß nicht.«
»Er kommt!«, zischt Ilvi.
»Alles in Ordnung, Hilla?« Veetie tritt zu den Frauen, ein tiefes Stirnrunzeln ins Gesicht gezeichnet. »Du siehst nicht glücklich aus.« Er bedenkt Ilvi und Sarah mit einem wütenden Blick.
»Alles in Ordnung«, versucht Hilla, ihn zu beschwichtigen. Sie schwankt, als hätte sie zu tief ins Glas geschaut.
»Es war nett, mit dir zu sprechen, Schätzchen«, sagt Ilvi lächelnd. Dann fasst sie Sarah am Arm und zieht sie hinter sich her. Während sie sich an Veetie vorbeidrängt, stößt sie ein lautes Husten aus, das nahtlos in ein geblafftes »Arschloch« übergeht.