Kay saß vor dem Spiegel und überlegte, ob sie noch etwas Rouge auflegen sollte. Sie fand sich blasser als sonst, und dabei wollte sie doch heute Abend besonders gut aussehen.
Sie kniff leicht die Augen zusammen und musterte sich kritisch. Dann ergriff sie den Pinsel und strich noch einmal zart über ihre Wangenknochen. Das Ergebnis gefiel ihr. Jetzt wandte sie sich ihren Haaren zu, die in rotblonden Wellen und Locken ihr Gesicht umschmeichelten. Sie brachte sie mit den Händen noch ein wenig in Form, kämmte sie vorne und gab ein wenig Haarspray darüber. »So, mehr kann ich nicht tun«, sagte sie laut und warf noch einen letzten Blick in den Spiegel.
»Du bist wunderschön, Kay«, sagte Ian hinter ihr und legte seine Hand auf ihre Schulter.
»Puh, du hast mich erschreckt!«, rief sie aus und drehte sich nach ihm um.
Lächelnd strich er ihr mit dem Finger über die Wange, dann drehte er sie so, dass sie wieder in den Spiegel blickte.
»Mach die Augen zu«, befahl er.
»Warum?«
»Tu einfach, was ich sage.«
»Na gut.«
Als sie die Augen geschlossen hatte, griff Ian in die Tasche seines Morgenmantels und zog ein Collier heraus. Vorsichtig legte er es Kay um und machte den Verschluss zu. »So, jetzt kannst du die Augen wieder aufmachen«, sagte er.
Überrascht und entzückt keuchte Kay auf. An ihrem Hals funkelte das schönste Collier aus Diamanten und Topasen, das sie je gesehen hatte. Ringe aus Diamanten formten ein Spitzenmuster, und darin saßen acht große Topase.
»Ian, es ist wunderschön! So etwas habe ich noch nie gesehen!«, rief sie aus. »Danke, oh, ich danke dir so sehr!«
»Es freut mich, dass es dir gefällt, Liebling. Ich habe mich auf den ersten Blick darin verliebt, genauso wie damals in dich.«
Sie lachte, und ihre Augen weiteten sich, als er ihr eine kleine, schwarze Samtschatulle reichte.
»Das gibt noch den letzten Schliff«, sagte er.
Wieder keuchte sie auf, als sie den Deckel öffnete. Auf schwarzem Samt lagen Topasohrringe, große Steine, die von Diamanten umgeben waren. »Ian, du bist ein Verschwender!«, schrie sie. »Aber sie sind so schön. Liebling, ich danke dir.«
Er strahlte sie an. Er wusste, dass ihre Aufregung und ihre Freude echt waren, und dafür hatte sich die Mühe gelohnt. Er wollte ihr auf jede erdenkliche Art zeigen, wie sehr er sie liebte. »Probier sie«, forderte er sie auf.
»Auf der Stelle, Sir«, antwortete sie und befestigte die Ohrringe. »Sie sind ... einfach prachtvoll«, sagte sie.
»Wie meine schöne Frau.«
»Danke für das Kompliment, und danke für den wundervollen Schmuck. Aber es ist doch weder Weihnachten noch mein Geburtstag.«
»Ich brauche doch keinen besonderen Anlass, um dir ein Geschenk zu machen, oder?«
Sie lachte. »Nein. Du bist wirklich unverbesserlich.«
»Das will ich doch hoffen.« Er streichelte ihr über die Schulter und sagte: »Weißt du noch, wie ich im Februar nach Edinburgh gefahren bin? Am Tag vor Fionas Geburtstag?«
»Ja, ich erinnere mich noch gut daran. Du hast dich ein wenig seltsam verhalten. Oder sagen wir besser, vage. Als du zurückkamst, warst du ziemlich mundfaul.«
»Ich weiß. Der Grund dafür waren das Collier und die Ohrringe.«
»Oh«, erwiderte sie nur.
»Ich hatte den alten Barnes, den Geschäftsführer von Codrington’s, dem Juwelierladen, gebeten, nach einem Diamantcollier Ausschau zu halten. Stell dir meine Freude vor, als er mich anrief und mir sagte, er habe ein Collier aus Diamanten und Topasen, sehr selten und sehr alt, und ob ich es sehen möchte.« Ian schwieg und berührte eine Strähne ihrer rotbraunen Locken. »Die Topase passen unglaublich gut zu deinen Haaren«, sagte er und fuhr fort: »Eigentlich bin ich also nach Edinburgh gefahren, um mir das Collier anzusehen. Allerdings musste ich natürlich auch ein Geschenk für meine Schwester besorgen.«
»Und du hattest den Schmuck die ganze Zeit bei dir?«
Er nickte. »Eigentlich wollte ich ihn dir erst zu Weihnachten schenken, Kay, aber plötzlich fand ich, dass jetzt genau der richtige Zeitpunkt ist. Also habe ich ihn am Donnerstag mitgebracht.«
Sie stand auf, schlang die Arme um seinen Hals und küsste ihn auf den Mund. »Du bist der einzigartigste, wundervollste Ehemann, den sich eine Frau nur wünschen kann.«
»Dito, meine Süße.« Er zog den Gürtel ihres Morgenmantels auf und ließ ihn von ihren Schultern zu Boden gleiten. Dann hielt er sie ein Stück von sich ab und betrachtete sie. »Sieh dich an, Kay, wie schön du bist!«
Er schlüpfte ebenfalls aus seinem Morgenmantel, zog sie in seine Arme und bedeckte ihren Hals und ihre Brüste mit kleinen Küssen. »Komm, lass uns ins Bett gehen. Ich verspreche auch, dir das Gesicht und die Haare nicht in Unordnung zu bringen.«
Sie lachte leise. »Als ob mir das was ausmachen würde! Ich kann mich doch noch mal schminken.«
»Wir haben ja auch noch Zeit«, murmelte er und zog sie zum Bett. »Wir treffen uns erst um Viertel vor sieben mit Alexa und Tom.«
Eng umschlungen sanken sie aufs Bett und küssten sich leidenschaftlich. Seine Hände glitten über ihren Körper, berührten, streichelten und erforschten sie. Sie griff in seine Haare und ließ dann ihre Finger über seinen Rücken bis hin zu seinen festen Pobacken gleiten.
Kay spürte, wie erregt Ian wurde. Sie warf sich auf den Rücken und zog ihn auf sich. Er stützte sich auf die Hände, blickte ihr tief in die Augen und sagte leise: »Ich liebe dich von ganzem Herzen, Kay.«
»Oh, Ian«, flüsterte sie und bog sich ihm entgegen. »Ich will dich ... ich will dich in mir spüren. Bitte, bitte.«
Langsam und innig küsste er sie, dann legte er sich auf sie und hob mit den Händen ihr Hinterteil an. Mit einer raschen Bewegung drang er in sie ein, und sofort fanden sie zu ihrem Rhythmus. Immer schneller bewegte sie sich, ihr Atem ging keuchend, und sie packte ihn an den Schultern. Er hatte das Gefühl zu explodieren, und als sie kam, ergoss auch er sich in sie, und sie wurden beide von einer Welle der Ekstase hinweggetragen.
Als sie etwas später schwer atmend nebeneinander lagen, stützte Ian sich auf einen Ellbogen und strich ihr zärtlich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Vielleicht haben wir gerade das Kind gezeugt, das du dir so sehnlich wünschst«, murmelte er lächelnd. »Aber wenn nicht, ist es auch egal. Das verstehst du doch jetzt, Liebling, oder?«
»Ja.« Sie erwiderte sein Lächeln. »Dr. Boujon hat gesagt, ich brauche mich nur zu entspannen, und wir sollten es einfach ohne Druck immer wieder versuchen. Und sonst gäbe es immer noch Mittel und Wege, wie er uns helfen könnte.«
Ian lachte. »Das wird nicht nötig sein. Vergiss nicht, ich bin ein heißblütiger Schotte aus den Highlands.«
Eine Viertelstunde später saß Kay wieder vor dem Schminktisch, frischte ihr Make-up mit einem Schwämmchen auf und trug noch ein wenig Rouge und Puder auf. Während sie ihre Lippen mit einem Stift umrandete, dachte sie an die letzten fünf Tage. Ian war unerwartet in Paris eingetroffen, nachdem er die Einladung zu Anjas Fest erhalten hatte.
Er sei deshalb ein paar Tage früher gekommen, hatte er erklärt, weil er das Gefühl hätte, sie bräuchten ein wenig Zeit für sich allein, fern von Lochcraigie.
Am ersten Abend hatten sie sich leidenschaftlich in ihrer Suite im Meurice geliebt, und danach hatte sie ihm von ihren Terminen bei Dr. Boujon erzählt. Da sie mittlerweile wusste, dass grundsätzlich bei ihr alles in Ordnung war, hatte sie sich ihrem Mann endlich anvertrauen können. Auch der Arzt hatte ihr dazu geraten, und er hatte Recht gehabt.
Ian hatte sich ihre Sorgen, nicht schwanger zu werden, aufmerksam angehört und sie gebeten, sich keine Gedanken mehr darüber zu machen. Ihn störte es jedenfalls im Augenblick nicht.
Er war so lieb und verständnisvoll gewesen, dass sie auf einmal auch den Mut gefunden hatte, ihm von ihrer Vergangenheit zu erzählen ... all die schrecklichen Dinge, die sie als Kind erlebt hatte. Wieder hatte Ian zugehört, und bald waren der Schock und das Entsetzen, das ihm im Gesicht geschrieben stand, einem Ausdruck voller Liebe und tiefem Mitgefühl gewichen. Anschließend hatte er sie in die Arme genommen, als wolle er sie nie wieder loslassen und immer beschützen. Er hatte gesagt: »Dass ein Mann ein Kind so missbrauchen kann, ist für mich unvorstellbar grauenhaft und unmenschlich. Du musst ein sehr tapferes kleines Mädchen gewesen sein, und deine Mutter war auch sehr mutig.«
Er hatte ihr sanft über die Wange gestreichelt und sie auf die Stirn geküsst. »Aber jetzt bin ich für dich da, Kay, mein Liebling, und ich werde nicht zulassen, dass dich irgendjemand noch einmal verletzt.«
Sie hatte sich an ihn geschmiegt und ihn mehr denn je geliebt. Und sie hatte begriffen, dass sein Verhalten ihr gegenüber nie anders gewesen war. Das hatte sie sich alles nur eingebildet. Später hatte sie sich gefragt, warum sie ihrer Liebe nie genug vertraut hatte, um ihm von ihrer Vergangenheit zu erzählen. Sie fand keine Antwort darauf, aber sie gelobte sich, nie wieder an ihm und seiner Liebe zu ihr zu zweifeln.
Zufrieden mit ihrem Make-up und ihrer Frisur, erhob sich Kay vom Schminktisch und ging ins Schlafzimmer. Groß, schlank, langbeinig und elegant. Sie trug bereits Strümpfe und hochhackige Schuhe, nun nahm sie das champagnerfarbene Chiffonkleid vom Bügel und streifte es über.
Als ob sie ihn gerufen hätte, stand auf einmal Ian im Türrahmen. In seinem Smoking sah er äußerst elegant aus. »Soll ich dir den Reißverschluss zumachen, Liebling?«
Lächelnd drehte sie sich um. »Ja, danke, Ian.«
Sie strich das Kleid glatt, dann wirbelte sie einmal um die eigene Achse. »Gefällt es dir?«
»Es steht dir wundervoll ... und das Collier und die Ohrringe passen perfekt dazu.«
»Noch einmal vielen Dank für den wunderschönen Schmuck ... und jetzt sollten wir besser hinuntergehen. Die anderen warten bestimmt schon auf uns.«
Als sie die Bar Fontainebleau betraten, erblickte Kay Alexa sofort. Sie saß mit Tom an einem Ecktisch am Fenster und winkte ihnen zu.
Als Kay und Ian näher traten, sah sie, dass Alexa ebenfalls ein Chiffonkleid trug. Es war in verschiedenen Grüntönen gehalten und passte wunderbar zu Alexas Augen und ihren dunklen Haaren.
Tom sprang auf und begrüßte sie, und als sie sich gesetzt hatten, brachte der Kellner ihnen Champagner. Kurz darauf traf Jessica mit Mark Sylvester ein. Jessica trug ein blassblaues Organzakleid, das mit Blumen aus dunklerem Blau gemustert war. Wie Kays und Alexas Kleider war es leicht und floss bei jeder Bewegung um ihren Körper.
Alexa sagte leise lachend: »Wir haben von einem Sommerfest in Paris wohl alle die gleiche Vorstellung gehabt.«
Mark blickte die drei Frauen an und meinte: »Ihr werdet die Ballköniginnen sein.«
»Oh nein!«, rief Kay mit funkelnden Augen aus. »Die Rolle ist für Anja reserviert.«
Alexa betrachtete die Männer der Reihe nach und stellte fest: »Aber eins ist gewiss, Mädels, wir haben uns die attraktivsten Männer ausgesucht.«
»Danke für das Kompliment, Alexa«, erwiderte Ian. Er mochte Kays Freundinnen und die Männer an ihrer Seite. Am Vorabend hatte er sie alle kennen gelernt, als Tom mit ihnen zum Abendessen in das schöne L’Ambroisie an der Place des Vosges gegangen war. Ian hatte einen solchen Abend schon lange nicht mehr erlebt und jeden Moment genossen.
Am besten hatte ihm jedoch Anja Sedgwick gefallen, und er hatte ihr hingerissen gelauscht, während sie sich über Kays Tugenden ausgelassen, ihre Begabung gepriesen und ihm gestanden hatte, wie sehr sie seine Frau liebte. Er war fast geplatzt vor Stolz und Liebe zu seiner wundervollen Kay.
Auch ihr Großneffe Nicky war reizend, freundlich und äußerst amüsant gewesen. Und die vierte Frau im Quartett, Maria Franconi, war atemberaubend gewesen in ihrem einfachen schwarzen Kleid mit der Perlenkette. Alle hatten sie beim Essen bewundernd angestarrt.
Jetzt sagte Ian: »Nicky und Maria kommen sicher nicht hierher. Ich hatte den Eindruck, sie wollen Anja abholen und mit ihr direkt auf das Fest fahren.«
»Anja will als Erste da sein, damit sie alle Gäste begrüßen kann«, erklärte Alexa.
Für Jessica und Mark wurden auch Champagnerflöten gebracht, und die sechs stießen miteinander an. Angeregt plauderten sie miteinander, bevor sie sich eine halbe Stunde später ins Ledoyen aufmachten.