BEA

Der Hain existiert nicht mehr, er ist nur noch ein schwarzer, schaumbedeckter Schutthaufen, aus dem hier und da verschrumpelte Baumstämme herausragen. Die Trümmer qualmen immer noch. Ich habe zwei Tage gebraucht, um hierher zu gelangen. Als Wegweiser haben mir die U-Bahn-Stationen gedient, in deren eisigen Tunnels ich immer wieder lange Pausen gemacht und viel geschlafen habe. Ich hatte keine Angst. Wovor hätte ich Angst haben sollen? Auf dem ganzen Weg hierher bin ich keiner Menschenseele begegnet.

Und jetzt stehe ich am Hain, dort, wo ich eigentlich Zuflucht zu finden hoffte. Und auch hier ist keine Menschenseele.

Ich versuche gar nicht erst, die Tränen zurückzuhalten, sondern weine ungehemmt drauflos. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wo ich jetzt hingehen soll.

Die Sonne geht auf, aber am Anblick des schwarzen Trümmerhaufens ändert das nichts. Ich finde eine Stelle, wo ich mich hinsetzen und meine Trinkflasche hervorholen kann. Gerade will ich sie an die Lippen führen, als ich eine Stimme höre.

»Bea.«

Und dann ist es wieder so gespenstisch still, dass ich unwillkürlich die Augen schließe. Ich habe Angst.

»Bea.«

Ich drehe mich um und lasse die Flasche fallen.

Und dann hält er mich im Arm und weint an meiner Schulter und zerrt an unseren Masken herum, damit er mich küssen kann.

»Quinn«, flüstere ich.

Er hält mein Gesicht in seinen Händen.

»Deine Eltern …«

»Ich weiß«, sage ich.

Und dann drückt Quinn mich noch fester an sich, nimmt mich mit unter seinen dicken Mantel, um mich vor dem Schnee zu schützen. Langsam wiegt er sich mit mir vor und zurück.

»Es tut mir so leid«, murmelt er.

Später laufen wir gemeinsam über das ehemalige Stadiongelände, wobei wir die herumliegenden Leichen zu ignorieren versuchen. Und plötzlich sehe ich inmitten eines Trümmerhaufens ein Gesicht aufblitzen. Unwillkürlich wende ich den Blick ab, überzeugt, dass mir meine Einbildung einen Streich gespielt hat. Doch dann höre ich ein Stöhnen und bemerke, wie sich der schwarze Baum, der quer über dem Trümmerhaufen liegt, leicht bewegt.

»Ein Überlebender!«, schreit Quinn und arbeitet sich bis zu dem Haufen vor. Als er wieder auftaucht, hält er ein kleines schmutziges Mädchen an der Hand, das auf wackligen Beinen auf mich zustolpert.

»Sie sind nach Westen gezogen. Nach Sequoia«, flüstert die Kleine. Es ist Jazz. Sie lebt. Sie ist von Kopf bis Fuß dreckverkrustet, aber sie lebt. Und wir leben auch.

»Dann gehen wir da auch hin«, sage ich.

Quinn blickt mich an und nickt. »Okay, lasst uns aufbrechen.«