Ich komme spät von der Arbeit.
Normalerweise schaffe ich es gegen fünf aus dem Krankenhaus und spaziere je nach Verkehrslage um halb sechs durch unsere Haustür. Aber heute war einer der Tage, an denen alles schiefgeht. Eine Patientin sollte eigentlich entlassen werden, aber ihre Tochter entschied plötzlich, dass sie sich nicht um ihre Mutter kümmern könnte. Also habe ich den ganzen Nachmittag damit verbracht, eine andere Lösung zu finden.
Ich habe drei andere Familienmitglieder angerufen, in der Hoffnung, dass einer von ihnen meine Patientin nach ihrem Herzinfarkt ein bisschen unterstützen könnte. Ich habe bei einer Rehaklinik angerufen, aber dort lehnten sie ihre Versicherung ab. Im Moment weiß ich nicht, was aus der armen Frau werden soll.
Sie ist so nett. Ich würde sie mit nach Hause nehmen, wenn ich könnte. Das sage ich natürlich immer. Wenn es nach mir ginge, wäre unser Haus voll mit Patienten, deren Familien sie nicht bei sich haben wollen.
Wie dem auch sei, als ich in die Garage fahre, ist es fast sechs. Enzos Truck steht vor dem Haus, also ist er zumindest zu Hause bei den Kindern. Janice ist überbehütend, aber ich will auch nicht, dass meine Kinder länger als eine oder zwei Stunden allein zu Hause sind.
Während ich die Haustür aufschließe, versuche ich die Anspannung meines Arbeitstages abzuschütteln. Als ich in den Flur trete, fällt mir sofort die Stille auf. Wenn die Kinder zu Hause sind, besonders Nico, ist es nie so still.
»Hallo?«, rufe ich.
Keine Antwort.
Ich wandere durchs Erdgeschoss des Hauses. Es ist nicht im Entferntesten so weitläufig wie das nebenan, aber ich brauche doch eine Minute, um in allen Räumen nachzuschauen. Ich gehe durch die Küche, die noch genauso aussieht wie heute Morgen, als ich den Kindern eine Schüssel Müsli gemacht habe. (Janice zeigte sich kürzlich entsetzt und schockiert bei der Vorstellung, dass ich den Kindern Frühstück mache, das kein tierisches Protein enthält.)
Im Erdgeschoss ist niemand, ich bin mir ganz sicher.
Als Nächstes gehe ich in den Garten, in der Annahme, dass Nico dort den Baseball herumwirft und versucht, noch eine Fensterscheibe zu zerschlagen. Aber da ist nur der perfekt gepflegte, sattgrüne Rasen.
Okay, die Kinder sind auch nicht im Garten.
Ich gehe die Treppe hinauf in den ersten Stock. Die Kinder haben sich angewöhnt, ihre Türen zu schließen, wenn sie zur Schule gehen. Die Tür unseres Schlafzimmers ist offen, aber es ist leer. Als Nächstes klopfe ich an Adas Zimmertür.
Keine Antwort. Kein Laut von drinnen zu hören.
Ich drehe den Knauf und öffne die Tür. Das Bett ist wie immer ordentlich gemacht. Das muss ich ihr nie sagen. Ich glaube, es würde sie stören, wenn sie es morgens ungemacht zurücklassen würde. Ihr Regal ist mit Büchern vollgestopft. In einem Fach stehen ein paar Pokale, die sie gewonnen hat, bei einer Science Fair, bei der die Schüler eigene naturwissenschaftliche Projekte präsentieren, und auch einer Mathe Fair, was immer das ist. Aber keine Ada.
Vielleicht spielen sie alle zusammen in Nicos Zimmer.
Das Zimmer meines Sohnes ist meine letzte Station. Ich klopfe an die Tür, mein Magen zieht sich zusammen, während ich darauf warte, dass seine Kinderstimme mich auffordert hereinzukommen. (Oder nicht hereinzukommen.) Aber wieder keine Antwort.
Ich öffne die Tür so abrupt, dass ich fast ins Zimmer falle. Anders als das Zimmer meiner Tochter ist es unordentlich. Decke und Laken liegen in einem großen Klumpen mitten auf dem Bett, und überall sind Kleidungsstücke verstreut. Die schreckliche Gottesanbeterin ist noch im Käfig neben dem Bett. Little Kiwi ist hier, aber Nico nicht.
Wo sind sie?