59

Ich habe Jonathan getötet.

Die Worte meines Mannes werden mir bis zu meinem letzten Atemzug im Kopf klingen.

Bis zu diesem Moment wirkte Cecelia vollkommen selbstsicher, und sie schien die Situation unter Kontrolle zu haben. Aber dieses Geständnis erschüttert auch sie. »Enzo, willst du damit sagen …«

»Es tut mir so leid«, sagt er leise. »Ich habe etwas Schreckliches getan. Es tut mir leid, dass ich gelogen habe. Aber … ich werde es wiedergutmachen. Ich werde alles gestehen.«

»Wovon redest du?« Ich schreie fast – laut genug, dass die Kinder es hören können –, aber ich kann nicht anders. »Wie kannst du so etwas tun?«

Er senkt seinen Blick. »Es tut mir so leid. Ich habe es für uns getan … für das Geld der Versicherung. Wir waren ständig so knapp bei Kasse und …«

Cecelia fehlen die Worte. Genauso wie mir. Ich habe so viele Fragen. Wenn er es wirklich wegen der Versicherung getan hat, bedeutet das nicht, dass Suzette auch daran beteiligt war? Wird sie auch verhaftet? Tausend Gedanken schießen mir durch den Kopf, aber dann klingelt es an der Tür, und ich kann keine einzige Frage mehr stellen.

Cecelia konzentriert sich wieder. »Das ist die Polizei«, sagt sie.

In Enzos Gesicht steht blanke Panik. »Millie, kannst du bitte die Kinder nach oben bringen? Ich möchte nicht, dass sie das mit ansehen.«

Es klingelt erneut an der Tür, dann hämmert jemand mit der Faust dagegen. Ich will auch nicht, dass die Kinder das mitbekommen, aber es scheint, als hätte ich nicht viel Zeit.

Oh, Enzo, was hast du dir nur dabei gedacht?

Auf dem Weg in die Küche, wo die Kinder immer noch ihre Pancakes essen, stolpere ich fast über meine eigenen Füße. Mein Gott, ich wünschte, ich könnte sie in Ruhe zu Ende essen lassen. Aber dafür ist jetzt keine Zeit mehr. »Kinder«, sage ich. »Ich möchte, das ihr in eure Zimmer geht und die Türen schließt. Jetzt sofort.«

Es gab eine Zeit, in der eine solche Bitte mit Gejammer und Diskussionen quittiert worden wäre. Aber intuitiv verstehen sie die Situation. Sie lassen ihre Teller stehen und rennen die Treppe hinauf. Zwei Türen schlagen nacheinander zu.

Als ich zurückkomme, haben Enzo und Cecelia die Haustür immer noch nicht geöffnet – sie warten darauf, dass ich grünes Licht gebe. Enzo sieht aus, als würde er sich gleich übergeben, aber er reißt sich zusammen und öffnet. Wie erwartet, steht da Detective Willard, mit dem grimmigen Gesichtsausdruck, den ich inzwischen so hasse.

»Enzo Accardi«, sagt er. »Sie sind vorläufig verhaftet, wegen des dringenden Tatverdachts, Jonathan Lowell ermordet zu haben.«

Als der Detective meinem Mann die Handschellen anlegt, bin ich erleichtert, dass die Kinder oben sind, damit ihnen das erspart bleibt. Ich weiß, wie es sich anfühlt, Handschellen zu tragen. Ich erinnere mich daran, wie sich das kalte Metall in die Haut bohrt, und wenn man läuft, hat man fast das Gefühl, das Gleichgewicht zu verlieren. Ich weiß genau, wie es sich anfühlt, in Handschellen abgeführt zu werden. Jetzt sehe ich diesen Schmerz und die Verzweiflung in Enzos Augen.

Und es warten noch weitere Handschellen auf ihn. Ein Leben lang.

»Ich liebe dich, Millie«, ruft Enzo mir zu, als sie ihn abführen.

Er redet sich nicht heraus. Er tut nicht mehr so, als sei er unschuldig. Alles, was in diesem Moment für ihn spricht, sind diese vier liebevollen Abschiedsworte an mich.

»Enzo!«, ruft Cecelia ihm hinterher und streckt ihren Kopf in den Regen hinaus. »Sag kein einziges Wort, wenn ich nicht dabei bin! Hast du mich verstanden? Kein einziges Wort! Ich werde gleich nachkommen!«

Ich sehe, wie die Polizisten meinen Mann zum Polizeiauto führen. Sie schieben ihn unsanft auf den Rücksitz. Etwas in mir zerbricht in diesem Moment. Ich werde nie wieder zu meinem Mann nach Hause kommen. Das nächste Mal, wenn ich ihn sehe, wird er in Polizeigewahrsam sein.

Und er wird mit ziemlicher Sicherheit den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen.

Cecelia schließt unsere Haustür, lehnt sich dagegen und schüttelt den Kopf. Sie streicht sich eine nasse Haarsträhne aus den Augen. »Ich kann nicht glauben, dass das gerade passiert ist. Ich bin fassungslos.«

»Ja«, sage ich leise.

»Irgendetwas übersehen wir.« Sie starrt nachdenklich aus dem Fenster auf das Polizeiauto, das mit meinem Mann langsam davonfährt – als ob es irgendwie das fehlende Puzzleteil enthalten könnte. »Er sagt uns nicht alles. Er würde nie jemanden nur wegen des Geldes umbringen. Das glaube ich nicht eine Sekunde lang. Er hatte einen anderen Grund.«

»Vielleicht …«

Nur weiß sie ja nicht, wie sehr wir dieses Haus haben wollten. Selbst für zehn Prozent weniger war es überhaupt nicht unsere Preisklasse. Aber wir haben es trotzdem gekauft. Wir haben gefeiert, als unsere Hypothek genehmigt wurde. Aber jetzt wünschte ich, die Bank hätte unseren Kreditantrag abgelehnt. Wir hätten weitersuchen können. Wir hätten etwas ähnlich Gutes finden können. Ein Haus, bei dem wir nicht ständig hätten kämpfen müssen, um unser Konto nicht zu überziehen.

»Keine Panik, Millie«, sagt sie zu mir. »Ich bekomme das hin.«

Ich werfe ihr einen Blick zu. »Mein Mann hat gerade einen Mord gestanden, Cecelia.«

Es ist schwer zu sagen, was das Schlimmste daran ist. Egal, wie man es dreht und wendet, es ist einfach nur schrecklich. Aber das Schlimmste ist wohl die Erkenntnis, wie brutal Enzo unseren Nachbarn Jonathan umgebracht hat. Jonathan wurde nicht von der anderen Seite des Raumes erschossen. Enzo ging mit seinem Taschenmesser auf ihn los und schlitzte ihm die Kehle auf, von einem Ohr zum anderen. Was für ein Mensch bringt es fertig, so etwas zu tun?

Doch offenbar hat Enzo in seinem Leben vieles gemacht, was ich niemals geglaubt hätte. Ich hätte mir niemals vorstellen können, dass mein Mann für einen Mafioso anderen Menschen die Finger bricht. Aber offensichtlich ist auch das ein Teil seiner Geschichte. Er ist anscheinend auch ein Mensch, der es fertigbringt, einem anderen die Kehle durchzuschneiden.

Das hat er getan. Er hat es zugegeben.

Im Obergeschoss knallt eine Tür. Eines der Kinder muss aus dem Zimmer gekommen sein und gesehen haben, wie ihr Vater von der Polizei abgeführt wurde. Jetzt muss ich mich um sie kümmern. Ich muss den beiden sagen, was passiert ist.

»Ich gehe besser zu ihm aufs Revier«, sagt Cecelia. »Kommst du zurecht, Millie?«

Nein, ich komme überhaupt nicht zurecht. Aber es gibt nichts, was sie im Moment für mich tun kann. »Geh auf die Wache.«

Sie nickt. »Denk daran – die Sache ist noch nicht vorbei. Ich werde ihm helfen.«

»Danke«, sage ich, aber was kann sie jetzt noch für uns tun? Es war keine Selbstverteidigung. Es war entweder Mord ersten oder zweiten Grades. So oder so, Enzo hat seine Freiheit für immer verwirkt.

Cecelia umarmt mich zum Abschied und verspricht, mich auf dem Laufenden zu halten. Als sie gegangen und es wieder still im Haus ist, wird mir ganz langsam die Realität meiner neuen Lebenssituation bewusst.

Enzo ist weg.

Und jetzt muss ich es den Kindern beibringen.

Als ich die knarrende Treppe in den ersten Stock unseres Hauses hinaufgehe, begreife ich schlagartig, dass wir uns jetzt die Hypothekenzahlungen nicht mehr leisten können. Wir werden das Haus wieder verkaufen müssen. Wie sollen wir es schaffen, nur von meinem Gehalt zu leben?

Ich gehe zuerst zu Nicos Zimmer, denn er ist das unruhigere meiner beiden Kinder. Doch dann höre ich das Schluchzen aus Adas Zimmer – dieses Mädchen nimmt alles immer so schwer. Und in dieser Situation kann ich es ihr nicht verübeln. Ich klopfe an ihre Tür, und als sie nicht reagiert, gehe ich trotzdem hinein.

Ada liegt auf ihrem Bett und schluchzt in ihr Kissen, ihre schmalen Schultern zittern heftig. Eigentlich zittert sie am ganzen Körper. Vergangenes Jahr habe ich im Krankenhaus gesehen, wie jemand einen Krampfanfall hatte, und das hier sieht erschreckend ähnlich aus. Ada war schon immer Daddys Mädchen, und ihre Welt wird zusammenbrechen, wenn sie erfährt, was er getan hat. Als ich sie weinen sehe, steigen auch mir die Tränen in die Augen. Tränen, die ich bisher erfolgreich zurückgehalten habe.

Enzo, wie konntest du uns das antun? Wie konntest du nur?

»Ada.« Ich setze mich auf ihre Bettkante und streichle ihr weiches schwarzes Haar. »Ada, Schatz … Ich hatte dir doch gesagt, du sollst nicht nach unten kommen.«

Sie sagt etwas in ihr Kissen, das ich nicht ganz verstehe.

»Beruhig dich, Liebes.« Ich streichle ihr wieder sanft übers Haar. »Es wird alles gut.«

Ich weiß nicht, wen ich gerade zu überzeugen versuche. Wenn das ein Versuch ist, sie zu trösten, dann klappt es nicht. Und mich selbst überzeuge ich auch nicht. Vielleicht sollte ich am besten die Klappe halten.

Ada rutscht auf dem Bett hin und her, dreht sich um und sieht mich mit verschwollenen, geröteten Augen an. »Sie glauben, Dad hat Mr. Lowell umgebracht.«

Mein Instinkt sagt mir, dass ich eigentlich lügen sollte, aber was bringt das? »Ja. Das tun sie.«

Tränen laufen ihr über die Wangen. »Aber er hat es nicht getan!«

Was jetzt kommt, wird schwer für sie sein, aber sie wird es früher oder später ohnehin erfahren. Besser, sie erfährt es von mir, als dass sie es im Internet liest oder von Freunden hört. »Ada, Schatz, er hat gestanden«, sage ich ihr. »Er hat zugegeben, dass er Mr. Lowell getötet hat.«

»Das hat er aber nicht!«, schreit sie. »Ich weiß, dass er das nicht getan hat!«

Ich versuche, meine Hand auf ihre Schulter zu legen, aber sie schüttelt sie ab.

»Woher weißt du das?«, frage ich sie.

»Weil ich es bin, die ihn umgebracht hat.«