Kapitel Vierzehn

„Danke, dass ich Sie besuchen darf, Mr. Parsons. Ich glaube, es ist eine gute Zeit zum Reden.“

„Komme ich aus meiner Zelle raus, ist es immer eine gute Zeit. Mein Anwalt schickte Sie zu mir?“

Dante nickt. „Ich brauche Einzelheiten über Ihren Fall, sodass ich neue Beweise sammeln kann, die Sie entlasten.“

„OK. Fragen Sie.“

„Erzählen Sie mir alles, was in der Nacht passierte, als die Polizei kam, um Sie festzunehmen, bis dahin, wo sie ins Landesgefängnis kamen. Eines nach dem anderen.“

„OK. Nun, ich war allein in meiner Wohnung. Ich war stinksauer, denn Whitey ließ sich Zeit mit dem Geld für das Auto, das ich ihm brachte. Ich wusste, es war viel wert. Und Whitey hatte das Geld.“

„Machten Sie oft mit Whitey Geschäfte?“

„Nur ein paar Mal. Im Allgemeinen stehle ich keine Autos. Aber sein Ruf eilt ihm voraus, wenn Sie verstehen.“

„Ja. Sie waren also zu Hause. Was geschah dann?“

„Ich versuchte, ruhig zu bleiben, ein Bier zu trinken und schaute etwas fern, Wrestling, wenn ich mich recht entsinne. Ich nickte eine Weile ein. Dann klopfte es an der Tür. Nein, es klopfte nicht, jemand hämmerte. Es waren die Bullen.“

„Sie gaben sich zu erkennen?“

„Aber hallo. Laut und deutlich. Ich öffnete die Tür. Hätte ich es nicht getan, hätten sie sie eingetreten.“

„Wie spät war es?“

„Irgendwann morgens. Als ich aufwachte, sah ich die Sonne aufgehen. Jedenfalls klopften die Bullen an die Tür. Ich öffnete, versuchte ruhig zu bleiben, zitterte aber in meinen Stiefeln. Waren sie wegen der Kneipenschlägerei hier? Hatte jemand gesehen, wie ich das Auto nahm? Ich fragte, was sie von mir wollten. Sie wollten mit mir auf die Wache, um ein paar Fragen zu stellen. ‚Worum geht es?‘, fragte ich. ‚Das klären wir auf der Wache‘, antworteten sie. Ich ging mit, ohne zu zögern. Ich wusste, ich steckte in der Tinte. Aber ich wollte die Aussage verweigern.“

„Als Sie auf der Wache waren, wer befragte Sie?“

„Ein Kommissar. Man teilte mir mit, dass ein Auto gefunden wurde, das in einen Unfall mit Fahrerflucht verwickelt war, mit meinen Fingerabdrücken darin. Sie beschuldigten mich, das Auto gestohlen zu haben. Ich fragte, von welchem Auto sie reden. Natürlich sagte ich ihnen nichts, aber zuletzt sah ich das Auto bei Whitey. Ich glaube nicht, dass ich Spuren hinterließ und ich weiß, Whitey verriet ihnen nichts. Er wusste nicht, wo ich wohnte.“

„Aber sie fanden Sie. Sagten Sie ihnen auch, wie?“

„Sie sagten, sie hätten das Auto in einer Gasse gefunden. Es ist mir schleierhaft, wie zum Teufel es dorthin kam.

„Glauben Sie, Whitey hat es genommen?“

„Ja. Ich meine. Wer sonst? Warum aber hätte er das tun sollen? Er hätte ein paar große Scheine dafür bekommen können. Warum es irgendwo in einer Gasse abstellen? Aber ich habe ihn nicht verpfiffen.“

„Bei der Ehre als Dieb“, murmelt Dante klischeehaft. „Was geschah dann? Was sagte der Kommissar?“

„Es wurde schlimmer. Er sagte, bei dem Unfall mit Fahrerflucht wurde eine Frau getötet und meine Fingerabdrücke seien auf ihrem Geldbeutel. So kamen sie auf mich. Wegen anderer Verbrechen war ich in der Kartei, wie Sie wissen.“

„Ich kann in Ihrer Akte den Bericht der Festnahme einsehen, weiß also, was sie Ihnen vorwarfen. Nachdem sie festgenommen wurden, was geschah dann?“

„Sie kennen ja die Prozedur. Sie nehmen dich in Gewahrsam und du musst alle persönlichen Sachen abgeben.“

„Was hatten Sie an, Mr. Parsons?“

„Ähm, alte Jeans, Laufschuhe ... gute. Ich meine, ich hätte sie neu gekauft. Ein Hemd, eigentlich ein T-Shirt.“

„Farbe?“

„Mehrfarbig. Eines dieser Batik-T-Shirts mit allen möglichen Farben. Oh, ja. Ich war wie von Sinnen, als dieser Punk, mit dem ich mich prügelte, sein Blut darauf schmierte. Der hat es total versaut.“

Dantes Beweisradar ist aktiviert. „Ihre Kleidung. Was geschah mit Ihrer Kleidung?“

„Keine Ahnung. Ich musste mich ausziehen und sie abgeben. Sie steckten mich in einen orangefarbenen Overall und sperrten mich in eine Zelle.“

„Das wäre erst einmal alles, Mr. Parsons. Gibt es etwas, das ich für Sie tun kann oder kann ich Mr. Jordan etwas ausrichten?“

„Sagen Sie ihm, er solle mich nicht vergessen.“

„Ich bin sicher, das wird er nicht. Er hat sich richtig in ihren Fall verrannt.“

Da der Fall 15 Jahre zurückliegt, könnte der Raum für diese Beweismittel überall sein: In einer Asservatenkammer des Gerichtsgebäudes, einer abgesicherten Garage oder irgendwo in einem Schuppen, einfach vergessen. Nachdem er ein paar Leute fragte, erreicht Dante ein angemietetes Gebäude mit geringen Sicherheitsvorkehrungen. Man muss sich nicht ausweisen, um Zutritt zu bekommen und der Mitarbeiter ist nicht zertifiziert von der Organisation, die Beweismittel begutachtet. Man kann nicht sehen, ob jemand ein- oder ausging, denn Kameras waren keine installiert.

Die Schachtel mit der Aufschrift PARSONS, Clive, 2005, schaut zwischen in paar Dutzend anderen hervor, denn sie wurde vermutlich achtlos eingeräumt oder vermutlich aus der ursprünglichen Asservatenkammer geholt.

Dante zieht die Schachtel raus und öffnet das Schloss am Pappkarton, das nicht verriegelt ist. Darin befinden sich Parsons Schuhe, rot, von Nike, kaum getragen, verblasste, blaue Jeans und, wie Clive gesagt hatte, ein Batikhemd, mehrfarbig mit rot. Als er näher hinsieht, bemerkt Dante, dass es einen roten Fleck gibt, der dunkler als die anderen ist. Es sieht aus wie ein verschmierter Klecks. Er spürt, dass er Konsistenz hat, nur ganz leicht. Würde man nicht nach einem solchen Fleck suchen, man würde ihn übersehen, besonders auf einem so bunten Hemd. Es ist mehr als sicher, dass sich damals niemand darum scherte, denn sie hatten ihren Mann. Fall abgeschlossen.

Dante holt eine Plastiktüte aus der Innentasche seiner Jacke und legt das T-Shirt hinein, faltet es aber vorher noch sorgfältig zusammen, dass dieser eine Fleck nicht verwischt wird. Er bringt das Schloss wieder an, stellt die Box wieder in ihr Fach, dann trägt Dante, der kein bisschen schlauer ist, die Tasche mit dem T-Shirt hinaus.

Der Kriminaltechniker steht in einem abgedunkelten Raum und trägt mit einem Zerstäuber Fluoreszin auf, eine Chemikalie, die hoch empfindlich auf Enzyme und Eisen in roten Blutzellen reagiert. Blutspuren können so auf der Kleidung nachgewiesen werden, selbst dann, wenn sie mehrmals gewaschen wurde. Zum Glück wurde Bulldogs Hemd, bis man ihn verhaftete, nie gewaschen.

„Sie haben gute Augen", lobt ihn Hannah. Jahrelang war sie für Dante eine gute Freundin und Stütze, die alles stehen und liegen lässt, um seinen Wünschen nachzukommen. „Hättest du es nicht gesagt, ich hätte es vermutlich übersehen, bis ich es unter die FLS-Lampe gelegt hätte. Das Blut ist irgendwie verschwunden, aber die DNS ist noch intakt. Ich kann nur nicht feststellen, wem sie gehört. Scheinbar ist diese Person nicht im System gespeichert. Aber was ich habe, ist eine Grund-DNS. Das ist mal ein Anfang. Wenn ich etwas Genaues habe, lasse ich es dich wissen.

„Gute Arbeit.“ Dass Dante ihn informiert, das Labor hätte etwas gefunden, beflügelt Marc. „Das ist ein Anfang. Lasst sie es weiter überprüfen, bis sie etwas Schlüssiges hat. Vielleicht haben wir Glück.“

„Ich bleibe dran“, verspricht Dante. „In der Zwischenzeit versuche ich, ein paar Zeugen zu finden. Ich fange mit dem Barkeeper an, wenn er noch in der Nähe ist.“

„Zum ersten Mal hier. Ich sah ihn noch nie.“ Jerry, der Wirt, schenkt Dante einen Whisky pur ein. Nach all den Jahren arbeitet er noch immer in derselben Bar, ist etwas älter geworden, etwas in die Breite gegangen und hat schütteres Haar. „Aber ich erinnere mich an Bulldog; er kam regelmäßig her. Ich hatte eine Prügelei mit diesem Milchgesicht, gutaus-sehend, spanischer Typ. Hat ihm das Gesicht ziemlich zerschnitten, alles war voller Blut. Ich holte hinter der Bar meinen Baseballschläger hervor und sagte ihnen, sie sollten das draußen klären. Der Kleine ist gerannt wie von der Tarantel gestochen. Bulldog leerte sein Glas, dann rannte er ihm hinterher. Dann hörte ich Reifen quietschen, als ich aber die Tür erreichte, sah ich Bulldog über eine Frau gebeugt, die im Straßengraben lag. Dann sprang er in das Auto, das sie angefahren hatte, und fuhr davon.“

„Was ist mit dem anderen Typ? Der mit dem Bulldog sich prügelte? Haben Sie den je wiedergesehen?“

„Scheinbar hat er sich in Luft aufgelöst. Er kam tatsächlich nie mehr.“

„Wissen Sie noch, was es für ein Auto war?“

„Oh, ein schicker Sportwagen. Die Marke konnte ich nicht erkennen, es war aber leuchtend rot. Ich weiß, so eines habe ich vorher und seither nie mehr gesehen.“

„War sonst noch jemand draußen, irgendwelche Zeugen, an die Sie sich erinnern?“

„Nein. Es war kurz vor Mitternacht. Wenn zuvor jemand dort war, war er gegangen. Ich rief den Notruf an. Jemand musste es tun.“

„Was sagten sie, als sie dort ankamen?“

„Angela, tot auf der Straße.“

„Sie kannten sie?“

„Angela arbeitete im Restaurant, gleich dort drüben. Sie machte für gewöhnlich um 23:30 Uhr Feierabend. Eine nette Dame, soweit ich mich erinnere.“