Kapitel Zwei­und­zwanzig

Richterin Hiller berichtet den Parteien, die nun vor ihr stehen: „Ich befinde, dass Dante Monroe nichts Unehrenhaftes tat, als er für Madalena Ibarra arbeitete, denn die Informationen, die er ihr mitteilte, waren unbedeutend und hatten weder mit dem Fall Parsons, noch mit dem Fall McMillan etwas zu tun. Indem er gleichzeitig für Rechtsanwalt Jordan und Staatsanwalt Parker arbeitete, konnten seine Ermittlungsergebnisse benannter Parteien aufs Spiel setzen, denn ein Ergebnis in einem Fall, könnte Auswirkungen auf einen anderen haben. Deshalb kann ich es nicht zulassen, dass die Tonbandaufnahme als Beweis dient. Sie müssen mit den Beweisen weitermachen, die Sie tatsächlich haben, Mr. Parker. Wenn Sie das nicht schaffen, dann müsste ich auf einen fehlerhaft geführten Prozess in Kalifornien, bei dem Amador Ibarra für den Tod von Dr. Victor McMillan verantwortlich ist, schließen.“

Ben und Parker haben beide Einwände gegen das Ende eines fehlerhaft geführten Prozesses. Farmer will einen Freispruch erster Klasse und pocht auf Notwehr, mit der sein Mandant den Tod von Victor McMillan verschuldete. Ben Parker will die Option, den Fall neu aufzurollen, sollte ein fehlerhaft geführter Prozess ausgerufen werden. Ibarra hatte haufenweise Motive, den Arzt zu töten und es Notwehr zu nennen, nachdem er den Mann auf seinem Grundstück in einer Baugrube verbuddelte, ist absurd.

„Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich ihn nicht freisprechen", sagt Hiller. „Es gibt zu viele Graubereiche. Ich gehe aber davon aus, die Staatsanwaltschaft gibt sich Mühe, stichhaltige Beweise zu finden, die über die bloße Annahme hinausgehen, dass das Band mit Ibarras Geständnis Grund und Motiv für den Angeklagten waren, Victor McMillan zu ermorden.“

„Wir behaupten, es wird ein doppeltes Spiel gespielt, wenn die Staatsanwaltschaft entscheidet, den Fall neu aufzurollen und wehren uns dagegen.“

„Nur nicht so überheblich, Kollegen. Ich gebe Ihnen noch eine letzte Gelegenheit, ihren Standpunkt klar zu machen. Wir sehen uns wieder nächsten Montag, 10:00 Uhr. Die Verhandlung ist geschlossen.

* * *

Clive Parsons konnte nur sagen: „Es ist 15 Jahre her. Er könnte es aber sein.“ Er schaut sich die Fotos von vorher und nachher nochmals an. „Er könnte es sein. Beschwören würde ich das aber nicht. Ich wünschte, ich könnte. Es wäre mir ein Vergnügen, diesen Punk zu Fall zu bringen und ihm seine Karriere zu ruinieren, wie er mein Leben ruinierte.“

„Und Sie sind sich sicher, es gibt keine Zeugen für ihre Geschichte?“, fragt Dante.

„Niemand hat je einen gefunden. Es war dunkel, fast Mitternacht, also überrascht mich das nicht.“

„Der Barkeeper rief den Notruf“, sagt Dante aus. „Den Berichten nach zu urteilen, gab es keine weiteren Anrufe.“

„Das sagten die Bullen.“

„Eine Sekunde“, entschuldigt sich Dante, als sein Handy klingelt. Der Privatdetektiv schaut erleichtert, da läuten bei Parsons die Alarmglocken und er beugt sich vor.

„Entschuldigung, dass es so lange dauerte“, sagt Dantes Busenfreundin. „Ich bin untröstlich. Aber ich untersuchte nochmals den Fleck auf dem T-Shirt und verglich ihn mit DNS-Spuren anderer Fälle. Sie sind identisch mit der DNS von Amador Ibarra, das heißt, er persönlich muss es nicht gewesen sein, es könnte auch ein Verwandter sein.“

„Wie nahe verwandt?“

„Vater und Sohn.“

„Ich liebe dich, Hannah! Frage deine Freundin, ob ich dir einen Drink spendieren darf. Oder einen BMW.“

„Was ist es?“, fragt Clive jetzt ganz ungeduldig.

„Kurze Unterbrechung, guter Mann“, meint Dante, sammelt die Akten und schlägt, auf dem Weg raus aus dem Besucherraum, bei Parsons ein. Parson ist beschwingt, weiß aber nicht, warum.

Whiteys Werkstatt wurde von Whitey selbst vor ein paar Jahren, ausgehoben. Seine „Nebentätigkeiten“ erlangten zu viel Aufmerksamkeit und hatten zu viele ungerechtfertigte Durchsuchungen zur Folge, welche die Polizei zum Glück kein Stück weiterbrachten. Da er immer eine legale Karosseriewerkstatt führte und seine Arbeit modern war, konnte er sich ein profitables Geschäft aufbauen.

Der Hintereingang, eine breite, automatische Tür, die einst einen Code hatte, um die Leute einzulassen, steht jetzt ganz offen. An mehreren großen Gestellen arbeiten Handwerker, reparieren, lackieren und restaurieren verschiedene Modelle. Das alles wird ordnungsgemäß bezahlt, nämlich mit den horrenden Arbeitsstunden, die Whitey seiner Kundschaft in Rechnung stellt.

Dante findet Whitey bei der Arbeit, wie er die Bücher bilanziert, nicht manipuliert wie einst. Er stellt sich vor und zeigt dem Automechaniker die Fotos in Parsons‘ Akte, die einen Pagani Zonda C12S zeigen.

„Der wurde in einer Gasse, ein paar Blocks von Ihrer Garage gefunden. In dieser Nacht war dieses Auto in einen Unfall mit Fahrerflucht verwickelt. Dabei kam vor der Bar, in die Clive Parsons ging, eine Frau zu Tode.“

Whitey zuckt. „Weshalb hat mich das zu interessieren?“

„Tun Sie nicht so, als wüssten Sie das nicht mehr, denn ich weiß, dass Clive Parsons in dieser Nacht das Auto zu Ihnen brachte. Er hatte es zuvor gestohlen, wollte schnelles Geld machen und hoffte, das Auto würde von der Bildfläche verschwinden.“

„Das ist ein einzigartiges, kleines Gefährt“, gibt Whitey zu. „Wie könnte ich das vergessen?“

„Das Auto ist eines von wenigen, die man in den USA nicht fahren darf. Wissen Sie, warum?“

„Klären Sie mich auf.“

Dante antwortet, als lese er aus einem Regelwerk: „Weil es nie einem Crashtest unterzogen wurde und das ist in den USA für alle Autos, die regulär verkauft werden sollen, erforderlich. Warum sollte man das riskieren?“

„Ich weiß nicht, wonach Sie hier suchen. Ich habe aber keine Zeit für derlei Ratespielchen. Außerdem ist es 15 Jahre her. Ich kann mich kaum erinnern, was ich letzte Woche tat.“ Whitey dreht seinen Stuhl um, versucht aufzustehen und möchte das Gespräch beenden.

Dante stellt sich ihm in den Weg und tippt mit dem Zeigefinger auf seine Brust, was heißen soll, er ist nicht in der Stimmung, um den heißen Brei zu reden. „Ich spaße nicht herum, Whitey. Ich weiß, Sie verkauften Amador Ibarra dieses Auto für seinen Sohn Miguel. Allein dafür könnten wir Ihnen den Laden dicht machen.“

Whitey erwidert: „Schauen Sie, ich bin jetzt sauber ...“

„Genau“, sagt Dante ruhig, gibt ihm eine letzte Chance und setzt sich. „Also sagen Sie mir, was ich wissen muss, sonst können Sie ihren Anwalt anrufen.“

„Ja, gut“, beginnt Whitey und fährt fort: „In meinem früheren Beruf verkaufte ich ein paar Autos. Ibarra war ein Kunde. Er wollte ein Statussymbol für sein Kind. Es war eine Fälschung, kein richtiger Z. Sie kriegen mich also nicht dran, weil ich etwaige „NHSTA -Regeln“ brach“, sagt er und deutet Anführungszeichen an. „Ibarra zahlte mir 100 Riesen. Die Echten kosten fast das Vierfache. Das störte ihn nicht. Das Bild sollte stimmen. Ich war sehr überrascht, als Bulldog, so nennt man ihn, das Auto in meinen Laden brachte. Ich konnte die Geschichte, die er mir erzählte, wie er zu dem Auto kam, kaum glauben, aber er wollte Geld. “

„Aber Clive wurde nie bezahlt. Man griff ihn am nächsten Morgen auf, nachdem die Bullen das abgestellte Auto fanden. Warum sollte jemand so eine Schönheit abstellen? Warum es nicht auseinandernehmen und die Teile verkaufen? Oder warum nicht Ibarra sagen, wo es sich befand?“

An Whiteys Schweigen und seiner Körperhaltung sieht Dante alles, was er wissen muss. „Sie riefen ihn doch an, nicht? Und er sagte Ihnen was zu tun war, oder? Das Auto war blitzsauber, die Fingerabdrücke abgewischt, die Nummernschilder abmontiert, die Fahrzeug-Identifikationsnummer ausgebrannt. Aus irgendeinem Grund wollten Sie, dass das Auto gefunden wird und Clive als Sündenbock herhalten muss. Hat Ibarra Sie bezahlt, Clive ans Messer zu liefern, dass sein Sohn heil aus der Sache herauskommt?“

Whitey antwortet reumütig: „Ich hatte keine Ahnung, dass das Auto in einen Unfall mit Fahrerflucht verwickelt war, bei dem auch noch jemand starb. Ich tat nur einem Kunden, dessen Sohn in Schwierigkeiten steckte, einen Gefallen. Er sagte mir, der Junge sei betrunken gewesen, streifte ein Auto und jemand sah ihn, weswegen er verschwand. Da kam Bulldog gerade recht. Und wie Sie sagten, ich wischte es sauber, sodass man keine Fingerabdrücke mehr erkannte.“

„Die Außenseite haben Sie übersehen. Auf der Motorhaube war ein Handabdruck mit Blut. Ich glaube, den ließen Sie absichtlich drauf. Einen Abdruck, der zu Clive Parsons führen würde. Sie haben mitgeholfen, eine Straftat zu vereiteln. Man könnte sie anklagen wegen Behinderung der Justiz, ganz zu schweigen von den Strafen, weil sie mit gestohlenen Autoteilen handelten. Sie stecken schön in der Klemme, Whitey.“

„Clives Aussage steht gegen meine, oder nicht?“

„Sie wissen es besser. Hinter Ihnen bin ich nicht her. Clive hat 15 Jahre unschuldig im Gefängnis gesessen. Und Sie halfen dabei. Ich möchte, dass Sie bei seiner Vernehmung aussagen. Das sind Sie ihm schuldig.“

Whitey rutscht in seinem schönen neuen Lederstuhl hin und her, wägt sämtliche Folgen, alles Für und Wider ab. Er schaut sich seine gehobene Werkstatt mit der brandneuen Einrichtung an und denkt an den schäbigen Kerker, in dem er einst arbeitete. Er denkt an all die heißen, geilen Frauen, die er im Adressbuch stehen hat, jetzt, da er im Geld schwimmt. Das alles könnte er verlieren und für Jahre in den Bau wandern. Er schaut Dante direkt in die Augen. „Nur, wenn wir übereinkommen.“

„Ich sehe, was sich tun lässt.“