„Bring mich zum Lachen!“

Wahrscheinlich fragen Sie sich, wie es sein kann, dass ich Ihnen diese Geschichte weiter erzähle. Schließlich müsste ich ja tot sein. Nun, die Frage ist berechtigt.

Die Antwort ist einfach: Ich bin nicht tot.

Ich öffnete die Augen und vor mir lagen die vier Maschinenpistolenmänner. Die waren tot. Das erkannte ich sofort. Ich erspare Ihnen aber gerne die Details. Davon werden sie auch nicht wieder lebendig. Was ja ohnehin keiner will.

Der Kommandant der vier Toten war verschwunden. Stattdessen lag ein Rucksack vor meinen Füßen. Darin fand ich ein Flugticket, einen für mich gültigen Reisepass, ein paar Kleidungsstücke, einen Bart zum Ankleben, ein Baseball-Cap und eine Flasche Wasser.

Der Flug ging in zwei Stunden. Also lief ich los. Ich durfte ohnehin keine Zeit verlieren. Ich musste im Flugzeug sitzen, bevor der dünne Roboter seine Männer vermisste.

Gerne würde ich Ihnen jetzt von dramatischen Ereignissen während meiner Flucht berichten: Wie ich Blut und Wasser schwitzte und mich nur mit Glück ins Flugzeug rettete – mit meinen Verfolgern dicht auf den Fersen. Aber so war es nicht. Ich schaffte es rechtzeitig zum Flughafen, zog mich um, klebte mir den falschen Bart ins Gesicht, setzte mein Baseball-Cap auf, trank mein Wasser, kam ohne Beanstandung durch die Passkontrolle und saß als einer der ersten Passagiere im Flugzeug.

Gedankenverloren starrte ich auf die Rollbahn. Der Gepäckwagen kam jetzt an, die Koffer der Reisenden wurden verladen. Langsam füllte sich das Flugzeug. Schon begannen die Stewardessen mit der Sicherheitseinweisung – begleitet von einem Film, der auf allen Bildschirmen lief.

„Wir empfehlen Ihnen, während des gesamten Fluges angeschnallt zu bleiben“, tönte es aus den Bordlautsprechern. Wie ferngesteuert zog ich an meinem Gurt und dachte darüber nach, was ich in diesem Teil der Erde zurückgelassen hatte.

Eine Stimme riss mich aus meinen Gedanken: „Bitte ziehen Sie den Sicherheitsgurt nicht so fest. Sonst quetschen Sie sich noch die Eier ab!“

Ich schnellte herum und starrte die Stewardess an, die streng auf mich herabblickte: „Wenn Sie es mir nachher auf der Bordtoilette nicht ordentlich besorgen können, gibt’s kein Dessert!“, fuhr sie fort.

„Rosemarie O’Dowell, du verdorbenes Stück!“, rief ich, doch sofort bemerkte ich meinen Fehler und war froh, dass die Plätze um mich herum noch nicht besetzt waren. Ich strahlte Rosie an und flüsterte: „Du Teufelsweib, wie hast du das alles vollbracht?“

Rosemarie setzte ein Siegerlächeln auf. „Anders hätte ich unser sensibles Gepäck nicht ins Flugzeug bekommen.“

„Das meinte ich nicht“, sagte ich.

„Ich weiß. Aber lenk gefälligst nicht vom Thema ab.“ Rosie ließ ihre Zunge langsam über ihre Oberlippe gleiten. Die Erleichterung darüber, mich wohlbehalten im Flugzeug zu sehen, war ihr deutlich anzumerken. Und auch von mir fiel in diesem Augenblick die ganze Anspannung der vergangenen Tage ab. „Was ist für Frauen die politisch korrekte Antwort auf die Frage, was ihnen bei einem Mann am wichtigsten ist?“, fragte sie jetzt.

„Er muss mich zum Lachen bringen“, antwortete ich.

„Richtig!“, sagte Rosie. „Und deshalb versuchen die Männer, die Frauen zum Lachen zu bringen. Aber die Frauen verlassen diese Männer früher oder später. Und warum?“

„Weil es gelogen ist“, sagte ich.

Rosemarie nickte anerkennend. „Genau! Und weißt du auch, was Frauen wirklich von Männern wollen?“

„Multiple Orgasmen und Kohle ohne Ende!“, antwortete ich.

„Na dann …“, sagte Rosie.

„Na was?“, fragte ich zurück.

„Bring mich zum Lachen!“, forderte sie.

Ich tat entrüstet. „Rosemarie, wir sind in einem Flugzeug!“

„Und ich bin Flugbegleiterin. Das hier gehört zu unserem Service für besondere Gäste.“ Entschlossen griff Rosie zwischen meine Beine und hauchte mir ins Ohr: „Los, du willst es doch auch!“

„Das ist ein widerlicher Männerspruch, Frau O’Dowell!“

Rosie blickte mir tief in die Augen und massierte durch meine Hose sanft meinen Penis.

Ich schnappte nach Luft und presste: „Aber es stimmt“, aus mir heraus.

Urplötzlich wurde mir klar, warum ich den Platz am Gang in der letzten Sitzreihe des Flugzeuges direkt vor den Toiletten hatte.

Den Rest überlasse ich Ihrer Fantasie.

Es dauerte nicht lange, bis ich die Toilette als Erster wieder verließ. Soviel kann ich Ihnen verraten: Die Geschichten über leidenschaftlichen Sex in Flugzeugtoiletten sind wohl zum größten Teil übertrieben. Der Akt hat nichts, woran man sich gerne lange erinnert.

Bei Rosemarie und mir war es nur eine kurze Eruption des Glücks, die unserem normalen Sexleben in nichts gleichkam. Wir waren einfach erleichtert darüber, dass wir beide lebend in diesem Flugzeug angekommen waren – und brachten dies in heftiger Weise schnell zum Ausdruck.

Wenn Sie also nicht zufällig gerade einer kriminellen Organisation entkommen sind, warten Sie mit dem Sex lieber bis nach der Landung.

Als ich wieder auf meinem Platz saß, hatte ich einen Sitznachbarn, der mich neugierig begrüßte: „Na, nervös? Sie haben doch wohl keine Angst vorm Fliegen?“ Er zeigte auf die Toilette.

Ich brauchte einen Augenblick, um zu verstehen, was er meinte. Es lag einfach zu weit von der Realität entfernt. „Oh, nein“, antwortete ich. „Ich hab nur vor dem Flug zu viel getrunken.“

„Ja, ja“, sagte er. „Soll man ja auch: Viel trinken. Ich hab mir deshalb angewöhnt, mir im Flugzeug so richtig die Hucke vollzusaufen.“ Er lachte laut und rief nach der Stewardess. Offensichtlich war er fest entschlossen, sein Vorhaben sofort in die Tat umzusetzen.

Zwei Stunden und acht Drinks später hatte er sich so richtig in Fahrt geredet. Er sprang von Thema zu Thema. „Ich sag Ihnen was: Wir haben den Kampf schon lange verloren. Und zwar, seitdem wir uns von den Frauen vorschreiben lassen, wie wir zu pinkeln haben. Der erste Mann, der damals nachgegeben und sich aufs Klo gesetzt hat, trägt mehr Schuld am Niedergang der westlichen Gesellschaft als alle schlechten Lehrer in unseren verdammten Schulen …“

Ich versuchte einen Einwand. „Verzeihung, aber das geht doch nun wirklich etwas zu …“

„Fresse halten, Sitzpisser!“, unterbrach er mich barsch und ließ seine linke Hand auf meinen rechten Oberschenkel sausen. „Es ist höchste Zeit, dass die Dinge mal beim Namen genannt werden. Alle Welt schimpft auf die verdammten Islamisten. Aber eines sag ich Ihnen: Bei denen ist noch ganz klar geregelt, wer den Hammer in der Hose hat – und wer an der Stelle nur ein Loch vorweisen kann. Und in den entscheidenden Augenblicken lassen die Weiber uns ja doch immer hängen. Und wir müssen für sie die Kohlen aus dem Feuer holen.“

Ich dachte an Rosemarie. Dann rammte ich meinen rechten Ellenbogen gegen die Schläfe meines Sitznachbarn. Sein Kopf flog zur Seite und knallte gegen das Fenster. Sein Kinn sackte auf seine Brust. Ich stellte seinen Sitz zurück, so weit es ging, und setzte ihm eine Schlafbrille auf, die zu den Utensilien gehörte, die jeder Passagier in einer kleinen Tasche im Flugzeug erhalten hatte.

Sein Gerede deckte sich einfach nicht mit meinen Erfahrungen.

Kurz vor der Landung kam Rosie noch einmal bei mir vorbei. „Na, hat er sich endlich müde gequatscht?“, fragte sie und zeigte auf meinen regungslosen Nachbarn. „Ich hab mitbekommen, wie er pausenlos auf dich eingeredet hat.“

Ohne auf ihre Frage einzugehen, lächelte ich sie an und sagte: „Mochtest du Gus und Julia eigentlich?“

Rosemarie sah mich entgeistert an: „Wie kommst du denn jetzt plötzlich auf die beiden?“

„Weiß ich auch nicht. Mochtest du sie?“

„Na ja, Gus war natürlich total kopflos. Aber irgendwie passten die beiden zusammen.“

„Kopflos. Ja. Das passte“, sagte ich.

Manchmal ist es besser, seiner Frau nicht alles zu erzählen, was man weiß.